Index
E3R E09301000;Norm
32010R0904 Zusammenarbeit Betrugsbekämpfung Mehrwertsteuer Art7;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofräte MMag. Maislinger und Mag. Novak als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision der G GmbH in B, vertreten durch die Markowski Schellmann Rechtsanwälte OG in 1030 Wien, Untere Viaduktgasse 6/14, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom 13. Juni 2016, Zl. RV/2100469/2013, betreffend Umsatzsteuer 2010 bis 2012, den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die revisionswerbende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Die Revisionswerberin, eine deutsche Gesellschaft mit beschränkter Haftung, handelte im Streitzeitraum mit Mineralölen, welche sie von einem in Österreich ansässigen verbundenen Unternehmen bezog und an in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union ansässige Unternehmen veräußerte. Im Rahmen einer Außenprüfung stellte der Prüfer u.a. fest, das von der Revisionswerberin vertriebene Mineralölprodukt sei aufgrund des hohen Dieselanteils (rund 80%) von vornherein betrugsanfällig gewesen und in über 70% der Fälle an in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union ansässige "Missing Trader" geliefert worden bzw. an Händler, die die Mineralölprodukte ihrerseits an "Missing Trader" weitergeliefert hätten oder selbst im Verdacht stünden, in Mehrwertsteuerbetrugsfälle verwickelt zu sein. Auch die Warenbewegungen seien anhand der vorgelegten Unterlagen nicht nachvollziehbar gewesen. Daher könne die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferungen an die als "Missing Trader" identifizierten Abnehmer nicht anerkannt werden. Auch die im Zusammenhang mit diesen Lieferungen stehende Vorsteuer stünde der Revisionswerberin nicht zu, weil sie von den Umsatzsteuermalversationen ihrer Abnehmer gewusst habe bzw. hätte wissen müssen.
2 Das Finanzamt folgte dem Prüfer und erließ den Prüfungsfeststellungen entsprechende Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2010 bis 2012.
3 Die Revisionswerberin berief gegen die im Anschluss an die Außenprüfung ergangenen Bescheide.
4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht der Berufung (nunmehr Beschwerde) keine Folge. Nach Darstellung des Verfahrensganges stellte es - unter Hinweis auf die Ausführungen im Bericht über die bei der Revisionswerberin durchgeführte Außenprüfung und die vom Finanzamt im Beschwerdeverfahren vorgelegten weiteren Unterlagen - als erwiesen fest, dass die Revisionswerberin am 1. Juni 2010 mit einem in Österreich ansässigen, verbundenen Unternehmen einen Liefervertrag über "universaltechnisches Öl" abgeschlossen habe. Bei dem Produkt, das laut Revisionswerberin zur Verwendung im Steinkohleabbau und in der Stahlindustrie entwickelt worden sei, habe es sich um ein Dieselgemisch gehandelt, welches - wenn auch nicht normgemäß - als Treibstoff verwendet werden könne und bei der Verwendung als Treibstoff oder zur Wärmegewinnung der Mineralölsteuer unterliege.
5 Für das Jahr 2010 habe die Revisionswerberin Umsätze von über 15 Millionen Euro erklärt, für die Jahre 2011 und 2012 solche von über 72 Millionen (2011) bzw. über 68 Millionen (2012). Die Umsätze seien entgegen der Darstellung der Revisionswerberin nicht mit Kunden getätigt worden, mit denen eine langjährige Geschäftsbeziehung bestanden habe, sondern durchwegs mit Neukunden. Die Revisionswerberin habe Lieferverträge mit Abnehmern, von denen keiner im Steinkohleabbau oder in der Stahlindustrie tätig gewesen sei, vorgelegt; weiters Handelsregisterauszüge, CMR, Rechnungen und UID Nummern, die sie im Abstand von ein bis zwei Wochen abgefragt habe.
6 Im Zuge von Erhebungen nach der Verordnung (EU) Nr. 904/2010 des Rates vom 7. Oktober 2010 über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden und die Betrugsbekämpfung auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer sei festgestellt worden, dass der Großteil der Abnehmer, die im Zeitpunkt der Lieferung über Firmenbucheintragungen und UID-Nummern verfügt hätten, "Missing Trader" gewesen seien, die keine Erwerbsteuer entrichtet hätten. Mit den häufig wechselnden Abnehmern seien in kurzer Zeit hohe Umsätze getätigt worden. An den größten Abnehmer des Jahres 2011, dessen UID-Nummer vom 11. Februar 2011 bis 9. Jänner 2012 gültig gewesen sei, seien etwa in acht Monaten Waren im Wert von über 13 Millionen Euro geliefert worden. Verschiedentlich sei es vorgekommen, dass der Abnehmer von einem Tag auf den nächsten gewechselt habe und vor sowie nach dem Wechsel dieselben Personen als Geschäftsführer oder Vermittler tätig gewesen seien. Auch in Bezug auf die Rechnungslegung und die Verbringung der Waren seien Ungereimtheiten feststellbar. Rechnungen seien teilweise nicht den Tatsachen entsprechend, sondern nach Bedarf ausgestellt worden. Vielfach seien für ein und dieselbe Lieferung mehrere CMR vorhanden. Zum Teil sei die Ware an den in den CMR angegebenen Orten nicht entladen worden. Einige Lieferungen hätten zu den in den CMR angegebenen Abladestellen wesentlich länger dauern müssen, als sie laut den betreffenden Wiegeprotokollen gedauert hätten.
7 Aufgrund des festgestellten Sachverhalts kam das Bundesfinanzgericht im angefochtenen Erkenntnis zur Überzeugung, dass die Revisionswerberin für näher bezeichnete Lieferungen der Jahre 2010 bis 2012 weder die Steuerfreiheit gemäß Art. 7 Abs. 1 UStG 1994 noch den in Art. 7 Abs. 4 UStG 1994 normierten Vertrauensschutz in Anspruch nehmen könne, weil sie an nicht auffindbare Unternehmen ("Missing Trader") geliefert und zudem der Nachweis dafür, wohin die Ware verbracht wurde, nicht erbracht worden ist. Darüber hinaus stünde der Revisionswerberin für Waren, die sie an "Missing Trader" weitergeliefert habe, kein Vorsteuerabzug gemäß § 12 Abs. 1 UStG 1994 zu, weil sie gewusst habe oder hätte wissen müssen, dass sie an einer im Rahmen einer Lieferkette begangenen Mehrwertsteuerhinterziehung beteiligt war (Hinweis auf EuGH 18.12.2014, Italmoda, C-131/13).
8 Eine Revision erklärte das Bundesfinanzgericht für nicht zulässig.
9 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
10 Das Finanzamt hat eine Revisionsbeantwortung erstattet. 11 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
12 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Ein derartiger Beschluss ist nach § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.
13 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
14 In der Revision wird zu deren Zulässigkeit im Wesentlichen ausgeführt, das Bundesfinanzgericht habe seine Entscheidung auf Grundlage der "von der Amtspartei vorgelegten Beweise" gefasst. Diese wenigen Fälle seien nicht signifikant im Verhältnis zu der großen Anzahl von Lieferungen. In der Entscheidung werde nicht berücksichtigt, dass "für jede der einzelnen Lieferungen eine Gültigkeitsprüfung UID Nummer" vorgelegen habe und die Revisionswerberin weit über den üblichen Standard hinaus Dokumente von Kunden gesammelt und aktenmäßig erfasst habe. Es werde auch nicht berücksichtigt, dass für vierzehn Kunden Ansässigkeitsbescheinigungen vorgelegen seien. Die Tatsache, dass auf allen Rechnungen ausdrücklich darauf hingewiesen worden sei, dass das gelieferte Produkt weder als Kraftstoff noch zur Energiegewinnung zu verwenden sei, sei unbeachtet geblieben. Dass den Strafakten der tschechischen Behörden zu entnehmen sei, dass das Mineralöl zur Streckung von Diesel, also nicht unmittelbar als Kraftstoff verwendet worden sei, habe das Bundesfinanzgericht ebenfalls nicht gewürdigt. Vom Verwaltungsgerichtshof sei die Rechtsfrage, ob sich das Finanzamt "das Ergebnis der Ansässigkeitsbescheinigung" anderer Mitgliedstaaten zurechnen lassen müsse und der Empfänger einer solchen Bescheinigung - unabhängig davon, ob die von ihm gelieferte Ware missbrauchsanfällig sei - davon ausgehen könne, dass sein Abnehmer ein Unternehmer sei, der den abgabenrechtlichen Pflichten nachkomme, noch nicht entschieden worden. Der Verwaltungsgerichtshof habe in seiner bisherigen Rechtsprechung auch noch nicht den Fall zu entscheiden gehabt, ob die Erzeugung bzw. der Vertrieb missbrauchsanfälliger Waren eine besondere Sorgfaltspflicht auslöse, sodass jede Lieferung derartiger Waren an sich ausreiche, dem Unternehmer die Kenntnis eines allfälligen Missbrauchs zu unterstellen.
15 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht aufgezeigt.
16 Das Zulässigkeitsvorbringen, das Bundesfinanzgericht habe seine Entscheidung auf Grundlage der "von der Amtspartei vorgelegten Beweise" gefasst, die im Verhältnis zur großen Anzahl von Lieferungen nicht signifikant seien, ist nicht nachvollziehbar, weil das Bundesfinanzgericht seine Feststellungen u. a. auf den Bericht über die bei der Revisionswerberin durchgeführte Außenprüfung stützt, der im angefochtenen Erkenntnis vollumfänglich wiedergegeben wird. In diesem Bericht werden - in Bezug auf alle im angefochtenen Erkenntnis als "Missing Trader" bezeichneten Abnehmer - die Ergebnisse der Anfragen nach Art. 7 der VO (EU) Nr. 904/2010 und die weiteren in Bezug auf die jeweilige Geschäftsbeziehung festgestellten Ungereimtheiten aufgelistet.
17 Ob der Steuerpflichtige vom Mehrwertsteuerbetrug wusste oder zumindest hätte wissen müssen, hängt von Tatfragen ab, die die Abgabenbehörde in freier Beweiswürdigung im Rahmen einer Gesamtbetrachtung aller maßgeblichen Umstände zu beurteilen hat. Diese unterliegt insoweit der Kontrolle des Verwaltungsgerichtshofes, als das Ausreichen der Sachverhaltsermittlungen und die Übereinstimmung der behördlichen Überlegungen zur Beweiswürdigung mit den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut zu prüfen ist (vgl. z.B. VwGH 26.3.2014, 2009/13/0172; und 25.2.2015, Ra 2014/13/0023, jeweils mwN).
18 Dass dem Bundesfinanzgericht insoweit ein die Zulässigkeit der Revision begründende Fehler unterlaufen wäre, wird mit dem Vorbringen, die Revisionswerberin habe die Gültigkeit der UID-Nummer ihrer Abnehmer überprüft, in Bezug auf vierzehn Abnehmer Ansässigkeitsbescheinigungen vorgelegt und auf allen Rechnungen ausdrücklich darauf hingewiesen, dass das gelieferte Produkt weder als Kraftstoff noch zur Energiegewinnung zu verwenden sei, sowie mit den in diesem Zusammenhang aufgeworfenen Rechtsfragen, nicht dargelegt. Das Bundesfinanzgericht hat die Beurteilung, die Revisionswerberin habe gewusst oder hätte wissen müssen, dass sie an einer im Rahmen einer Lieferkette begangenen Mehrwertsteuerhinterziehung beteiligt gewesen sei, auf eine Reihe von Umständen stützt, auf die die Revision überhaupt nicht eingeht.
19 Die Revision war daher zurückzuweisen.
20 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 19. Dezember 2018
Gerichtsentscheidung
EuGH 62013CJ0131 Schoenimport "Italmoda" Mariano Previti VORABEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017150012.L00Im RIS seit
07.02.2019Zuletzt aktualisiert am
14.03.2019