TE Bvwg Erkenntnis 2018/10/4 W113 2171821-1

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Veröffentlicht am 04.10.2018
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Entscheidungsdatum

04.10.2018

Norm

B-VG Art.133 Abs4
Direktzahlungs-Verordnung §6
Direktzahlungs-Verordnung §8
MOG 2007 §19 Abs3
MOG 2007 §6
MOG 2007 §8a Abs6
MOG 2007 §8b Abs3 Z1
VwGVG §14 Abs1
VwGVG §15 Abs1
VwGVG §24 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W113 2171821-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Katharina DAVID über die Beschwerde von XXXX , BNr. XXXX , gegen den Bescheid der Agrarmarkt Austria vom 28.04.2016, AZ II/4-DZ/15-2895972010, nach Beschwerdevorentscheidung vom 05.01.2017, AZ II/4-DZ/15-5250569010, betreffend Direktzahlungen 2015, zu Recht:

A)

I. Der Beschwerde wird stattgegeben und die Beschwerdevorentscheidung dahingehend abgeändert, dass keine Reduktion des Werts der Zahlungsansprüche gemäß Art. 28 VO (EU) 1307/2013 vorgenommen wird. Im Übrigen bleibt der Inhalt der Beschwerdevorentscheidung unberührt.

II. Die Agrarmarkt Austria hat gemäß den Vorgaben in diesem Erkenntnis die entsprechenden Berechnungen durchzuführen und das Ergebnis bescheidmäßig mitzuteilen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) stellte am 08.05.2015 elektronisch einen Mehrfachantrag-Flächen für das Antragsjahr 2015 und beantragte die Gewährung von Direktzahlungen. Der BF spezifizierte zu diesem Zweck in der Internet-Applikation INVEKOS-GIS eine Reihe von landwirtschaftlichen Nutzflächen, darunter das Feldstück 4, Schläge 1, 2, 11 und 12, im Gesamtausmaß von 9,5441 ha. Für diese Schläge vergab der BF den Code "GI", welcher die Grundinanspruchnahme im öffentlichen Interesse anzeigt.

2. Mit Bescheid der AMA vom 28.04.2016, AZ II/4-DZ/15-2895972010, wurden dem BF für das Antragsjahr 2015 48,56 Zahlungsansprüche mit einem Wert von EUR 357,29 zugewiesen und Direktzahlungen in Höhe von EUR 24.852,02 gewährt.

In der Begründung dieses Bescheides findet sich folgende Tabelle:

"Folgende von Ihnen beantragte Flächen können nicht als beihilfefähige Flächen für die Basisprämie berücksichtigt werden (Tabelle "Nicht beihilfefähige Flächen"):

FS-Nr.

FS-Nutzungsart

Schlag

Schlagnutzungsart

Code

Fläche (ha)

3

A

1

SONSTIGE ACKERFLÄCHEN

 

0,0434

3

A

4

SONSTIGE ACKERFLÄCHEN

 

0,0211

4

A

1

SOJABOHNEN

GI

1,7770

4

A

2

SILOMAIS

GI

3,2867

4

A

11

SOJABOHNEN

GI

0,5899

4

A

12

WINTERWEICHWEIZEN

GI

3,8907

Summe beantragte Fläche nicht beihilfefähig

 

 

 

 

9,6088

FS ...

Feldstück, A ... ACKERLAND"

Ausgehend davon nahm die AMA eine beantragte Fläche für die Basisprämie von 49,2170 ha an, wovon eine sanktionsrelevante VOK-Abweichung im Ausmaß von 0,2650 ha abgezogen wurde, sodass sich als ermittelte Fläche für die Basisprämie 48,9519 ha ergaben. Weiters wurde ausgeführt, durch eine relevante Verringerung der ermittelten beihilfefähigen Fläche ohne Weitergabe von Prämienrechten im Vergleich des Mehrfachantrages-Flächen 2014 gegenüber 2015 ergebe sich ein unerwarteter Gewinn im Sinne von § 8a Abs.6 MOG. Als ermittelte beihilfefähige Fläche 2014 legte die AMA der Berechnung 57,52 ha zugrunde und als ermittelte beihilfefähige Fläche 2015 48,95 ha vor und 48,56 ha nach Berücksichtigung des Reduktionsfaktors. Da beide relevanten Grenzwerte überschritten worden seien, sei der berechnete ZA-Wert 2014 (EUR 337,29) schließlich um EUR 20,00 zu erhöhen. Der darüber hinausgehende Anteil falle in die Nationale Reserve zurück (Art. 28 VO 1307/2013, § 8 a Abs. 6 MOG).

3. Im Rahmen seiner dagegen erhobenen Beschwerde vom 16.06.2016 führte der BF im Wesentlichen aus, die Zahlungsanspruchswerte seien gekürzt worden, da laut AMA die Grenzwerte für einen unerwarteten Gewinn überschritten worden seien. Für die Berechnung des unerwarteten Gewinns seien jedoch die Flächen nicht zu berücksichtigen, die aufgrund eines Falls höherer Gewalt oder außergewöhnlicher Umstände nicht mehr zur Verfügung stünden. Das Feldstück 4 sei im MFA 2015 mit dem Code "GI" beantragt worden. Auf diesem Feldstück seien im Herbst 2015 nach der Ernte der Kulturen Baumaßnahmen im öffentlichen Interesse durchgeführt worden. Dieses Feldstück stehe dem BF jedoch für die Bewirtschaftung ab dem Jahr 2016 wieder zur Verfügung. Nur ein kleiner Teil sei aufgrund der Baumaßnahmen aus der landwirtschaftlichen Nutzung herausgenommen worden. Es handle sich daher um keinen tatsächlichen Flächenabgang, sondern um einen außergewöhnlichen Umstand im Jahr 2015. Die Kürzung der Prämienrechte sei daher keinesfalls gerechtfertigt.

4. Mit Beschwerdevorentscheidung der AMA vom 05.01.2017, AZ II/4-DZ/15-5250569010, wurden dem BF für das Antragsjahr 2015 48,5527 Zahlungsansprüche mit einem Wert von EUR 357,30 zugewiesen und Direktzahlungen in Höhe von EUR 24.848,98 gewährt. Im Wesentlichen erfolgte eine Umstellung von 2 auf 4 Kommastellen bei den Zahlungsansprüchen. Aufgrund der Unterschreitung der Bagatellgrenze erfolgte keine Rückforderung.

5. Im dagegen eingebrachten Vorlageantrag vom 16.01.2017 wiederholte der BF im Wesentlichen seine Beschwerdeausführungen.

6. Dem Akt liegt ein Report der AMA mit Berechnungsstand vom 17.03.2017 bei, in dem sich die Anzahl der zugewiesenen Zahlungsansprüche geringfügig auf 48,5461 (bei gleichbleibendem Wert) verringert.

7. Im Rahmen der Aktenvorlage führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, das Eintreten der höheren Gewalt/ des außergewöhnlichen Umstands sei binnen 15 Arbeitstagen, ab dem der Betriebsinhaber hierzu in der Lage ist, an die AMA zu melden und mit geeigneten Unterlagen zu belegen. Für das AJ 2015 sei kein Antrag auf Zuteilung von ZA aufgrund höherer Gewalt gestellt worden. Das Feldstück 4 sei im MFA 2015 mit dem Code "GI" beantragt worden und somit hätten keine ZA für diese Fläche zugeteilt werden können. Am 27.05.2016 sei für das AJ 2016 der Antrag auf Zuteilung von ZA aus der Nationalen Reserve infolge höherer Gewalt oder außergewöhnlicher Umstände gemäß Art. 30 (7)c der Verordnung (EU) Nr. 1307/2013 gestellt worden. Für das betroffene Flächenausmaß von 8,9447 ha hätten für das AJ 2016 die ZA aus der nationalen Reserve zugeteilt werden können.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

Der BF stellte am 08.05.2015 elektronisch einen Mehrfachantrag-Flächen für das Antragsjahr 2015 und beantragte die Gewährung von Direktzahlungen. Der BF spezifizierte zu diesem Zweck in der Internet-Applikation INVEKOS-GIS eine Reihe von landwirtschaftlichen Nutzflächen, darunter das Feldstück 4, Schläge 1, 2, 11 und 12, im Gesamtausmaß von 9,5441 ha. Für diese Schläge vergab der BF den Code "GI", welcher die Grundinanspruchnahme im öffentlichen Interesse anzeigt, da auf diesem Feldstück im Herbst 2015 Baumaßnahmen im öffentlichen Interesse durchgeführt wurden.

2. Beweiswürdigung:

Die angeführten Feststellungen ergeben sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt und wurden von keiner Verfahrenspartei bestritten.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zur Zuständigkeit:

Gemäß Art. 131 Abs. 2 B-VG erkennt das Verwaltungsgericht des Bundes über Beschwerden in Rechtssachen in Angelegenheiten der Vollziehung des Bundes, die unmittelbar von Bundesbehörden besorgt werden. Gemäß § 1 AMA-Gesetz 1992, BGBl. Nr. 376/1992 idgF iVm § 6 Marktordnungsgesetz 2007 (MOG 2007), BGBl. I Nr. 55/2007 idgF erfolgt die Abwicklung der landwirtschaftlichen Direktzahlungen durch die AMA im Rahmen der unmittelbaren Bundesverwaltung.

3.2. In der Sache:

a) Maßgebliche Rechtsgrundlagen in der für das betroffene Antragsjahr maßgeblichen Fassung:

Die Verordnung (EU) Nr. 1307/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17.12.2013 mit Vorschriften über Direktzahlungen an Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe im Rahmen von Stützungsregelungen der Gemeinsamen Agrarpolitik und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 637/2008 des Rates und der Verordnung (EG) Nr. 73/2009 des Rates, ABl. L 347 vom 20.12.2013, S. 608, im Folgenden VO (EU) 1307/2013, lautet auszugsweise:

"Artikel 21

Zahlungsansprüche

(1) Die Basisprämienregelung kann von Betriebsinhabern in Anspruch genommen werden, die

a) Zahlungsansprüche im Rahmen der vorliegenden Verordnung durch Zuweisung gemäß Artikel 20 Absatz 4, durch Erstzuweisung nach Maßgabe der Artikel 24 oder Artikel 39, durch Zuweisung aus der nationalen Reserve oder den regionalen Reserven gemäß Artikel 30 oder durch Übertragung gemäß Artikel 34 erhalten [...].

(2) Die Gültigkeit der im Rahmen der Betriebsprämienregelung gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 und der Verordnung (EG) Nr. 73/2009 erhaltenen Zahlungsansprüche läuft am 31. Dezember 2014 ab.

[...]."

"Artikel 24

Erstzuweisung der Zahlungsansprüche

(1) Zahlungsansprüche werden den Betriebsinhabern zugewiesen, die gemäß Artikel 9 der vorliegenden Verordnung zum Bezug von Direktzahlungen berechtigt sind, sofern sie,

a) außer im Falle höherer Gewalt oder außergewöhnlicher Umstände, bis zu dem gemäß Artikel 78 Unterabsatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 festzusetzenden Termin für die Einreichung von Anträgen im Jahr 2015 die Zuweisung von Zahlungsansprüchen im Rahmen der Basisprämienregelung beantragen, und

b) vor jedweder Kürzung oder jedwedem Ausschluss nach Titel II Kapitel 4 der Verordnung (EG) Nr. 73/2009 infolge eines Beihilfeantrags auf Direktzahlungen, auf eine nationale Übergangsbeihilfe oder auf ergänzende nationale Direktzahlungen im Jahr 2013 gemäß der Verordnung (EG) Nr. 73/2009 zum Empfang von Zahlungen berechtigt waren.

[...]

(2) Außer im Falle höherer Gewalt oder außergewöhnlicher Umstände ist die Anzahl der je Betriebsinhaber 2015 zugewiesenen Zahlungsansprüche gleich der Zahl der beihilfefähigen Hektarflächen, die der Betriebsinhaber gemäß Artikel 72 Absatz 1 Unterabsatz 1 Buchstabe a der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 in seinem Beihilfeantrag für 2015 anmeldet und die ihm zu einem von dem betreffenden Mitgliedstaat festgesetzten Zeitpunkt zur Verfügung stehen. Dieser Zeitpunkt darf nicht nach dem in diesem Mitgliedstaat festgesetzten Zeitpunkt für die Änderung dieses Beihilfeantrags liegen.

[...]."

"Artikel 28

Unerwarteter Gewinn

Für die Zwecke der Artikel 25 Absätze 4 bis 7 und Artikel 26 kann ein Mitgliedstaat auf der Grundlage objektiver Kriterien vorsehen, dass im Falle von Verkauf, Abtretung oder Ablauf der Pacht für die Gesamtheit oder einen Teil der landwirtschaftlichen Flächen, die nach dem gemäß Artikel 35 oder Artikel 124 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 73/2009 festgesetzten Zeitpunkt und vor dem gemäß Artikel 33 Absatz 1 der vorliegenden Verordnung festgesetzten Zeitpunkt erfolgen, die Erhöhung oder ein Teil der Erhöhung des Wertes der Zahlungsansprüche, die dem betreffenden Betriebsinhaber zugewiesen würden, wieder der nationalen Reserve oder den regionalen Reserven zuzuschlagen ist, wenn die Erhöhung für den betreffenden Betriebsinhaber zu einem unerwarteten Gewinn führen würde.

Diese objektiven Kriterien werden unter Gewährleistung der Gleichbehandlung der Betriebsinhaber sowie unter Vermeidung von Markt- oder Wettbewerbsverzerrungen festgelegt und müssen wenigstens Folgendes umfassen:

a) eine Mindestdauer der Pacht und

b) den Anteil der erhaltenen Zahlung, der in die nationale Reserve oder die regionalen Reserven zurückfällt."

"Artikel 30

Einrichtung und Verwendung der nationalen Reserve oder der regionalen Reserven

(1) Jeder Mitgliedstaat richtet eine nationale Reserve ein. Dazu nehmen die Mitgliedstaaten im ersten Anwendungsjahr der Basisprämienregelung eine lineare prozentuale Kürzung der für die Basisprämienregelung auf nationaler Ebene geltenden Obergrenze vor.

[...]

(7) Die Mitgliedstaaten können ihre nationalen oder regionalen Reserven dazu verwenden,

[...]

c) Betriebsinhabern Zahlungsansprüche zuzuweisen, denen infolge höherer Gewalt oder außergewöhnlicher Umstände keine Zahlungsansprüche nach diesem Kapitel zugewiesen werden konnten;"

"Artikel 32

Aktivierung von Zahlungsansprüchen

(1) Eine Stützung im Rahmen der Basisprämienregelung wird den Betriebsinhabern bei Aktivierung eines Zahlungsanspruchs je beihilfefähige Hektarfläche mittels Anmeldung gemäß Artikel 33 Absatz 1 in dem Mitgliedstaat, in dem der Zahlungsanspruch zugewiesen wurde, gewährt. Bei aktivierten Zahlungsansprüchen besteht Anspruch auf die jährliche Zahlung der darin festgesetzten Beträge, unbeschadet der Anwendung von Haushaltsdisziplin, Kürzung von Zahlungen gemäß Artikel 11 sowie linearen Kürzungen gemäß Artikel 7, Artikel 51 Absatz 2 und Artikel 65 Absatz 2 Buchstabe c der vorliegenden Verordnung sowie der Anwendung von Artikel 63 der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013.

(2) Im Sinne dieses Titels bezeichnet der Begriff "beihilfefähige Hektarfläche"

a) jede landwirtschaftliche Fläche des Betriebs, [...].

Artikel 33

Anmeldung der beihilfefähigen Hektarflächen

(1) Für die Zwecke der Aktivierung von Zahlungsansprüchen nach Artikel 32 Absatz 1 meldet der Betriebsinhaber die Parzellen an, die der beihilfefähigen Hektarfläche für jeden Zahlungsanspruch entsprechen. Außer im Falle höherer Gewalt oder außergewöhnlicher Umstände müssen die angemeldeten Parzellen dem Betriebsinhaber zu einem vom Mitgliedstaat festzusetzenden Zeitpunkt zur Verfügung stehen, der jedoch nicht nach dem in demselben Mitgliedstaat festgesetzten Zeitpunkt für die Änderung des Beihilfeantrags gemäß Artikel 72 Absatz 1 der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 liegen darf.

[...].

Die Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 des europäischen Parlamentes und des Rates über die Finanzierung, die Verwaltung und das Kontrollsystem der Gemeinsamen Agrarpolitik und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 352/78, (EG) Nr. 165/94, (EG) Nr. 2799/98, (EG) Nr. 814/2000, (EG) Nr. 1290/2005 und (EG) Nr. 485/2008 vom 17.12.2013, im Folgenden VO (EU) 1306/2013, lautet auszugsweise:

"Artikel 2

In dieser Verordnung verwendete Begriffe [...]

(2) Für die Zwecke der Finanzierung, der Verwaltung und Überwachung der GAP, werden als Fälle "höherer Gewalt" und "außergewöhnliche Umstände" insbesondere folgende Fälle bzw. Umstände anerkannt:

a) Tod des Begünstigten;

b) länger andauernde Berufsunfähigkeit des Begünstigten;

c) eine schwere Naturkatastrophe, die den Betrieb erheblich in Mitleidenschaft zieht;

d) unfallbedingte Zerstörung von Stallgebäuden des Betriebs;

e) eine Seuche oder Pflanzenkrankheit, die den ganzen Tier- bzw. Pflanzenbestand des Begünstigten oder einen Teil davon befällt;

f) Enteignung des gesamten Betriebes oder eines wesentlichen Teils davon, soweit diese Enteignung am Tag des Eingangs der Verpflichtung nicht vorherzusehen war."

Die Delegierte Verordnung (EU) Nr. 639/2014 der Kommission vom 11. März 2014 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 1307/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates mit Vorschriften über Direktzahlungen an Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe im Rahmen von Stützungsregelungen der Gemeinsamen Agrarpolitik und zur Änderung des Anhangs X der genannten Verordnung, ABl. L 181 vom 20.6.2014, S. 1, im Folgenden VO (EU) 639/2014, lautet auszugsweise:

"Artikel 27

Anwendung der Bestimmung zu unerwarteten Gewinnen

Für die Zwecke von Artikel 28 und Artikel 40 Absatz 5 der Verordnung (EU) Nr. 1307/2013 wird die darin genannte Erhöhung des Werts der Zahlungsansprüche bestimmt, indem der Wert der Zahlungsansprüche, die dem Betriebsinhaber nach Maßgabe von Artikel 25 Absatz 4 und Artikel 26 oder Artikel 40 Absatz 3 der Verordnung (EU) Nr. 1307/2013 nach dem Verkauf oder der Verpachtung gemäß Artikel 28 oder Artikel 40 Absatz 5 der genannten Verordnung zustehen, mit dem Wert der Zahlungsansprüche des Betriebsinhabers verglichen wird, der sich ohne den Verkauf oder die Verpachtung ergeben hätte."

"Artikel 29

Festsetzung der Zahlungsansprüche aus der nationalen oder regionalen Reserve gemäß Artikel 30 Absatz 7 der Verordnung (EU) Nr. 1307/2013

1. Für die Zwecke von Artikel 30 Absatz 7 der Verordnung (EU) Nr. 1307/2013 gilt, dass bei der Zuweisung neuer Zahlungsansprüche gemäß Artikel 30 Absatz 10 der genannten Verordnung diese Ansprüche nach den in dem vorliegenden Artikel festgelegten Bedingungen und im Einklang mit den vom betreffenden Mitgliedstaat festgelegten objektiven Kriterien zuzuweisen sind.

[...]

3. Ist ein Betriebsinhaber, der über Zahlungsansprüche (eigene oder gepachtete) verfügt, gemäß Artikel 30 Absatz 7 der Verordnung (EU) Nr. 1307/2013 berechtigt, Zahlungsansprüche aus der nationalen oder regionalen Reserve zu erhalten, und stellt er einen entsprechenden Antrag, so erhält er eine Anzahl an Zahlungsansprüchen bis zur Anzahl der beihilfefähigen Hektar, über die er zu dem in Artikel 28 Absatz 1 genannten letztmöglichen Zeitpunkt für die Antragstellung verfügt (eigene oder gepachtete) und für die er über keine Zahlungsansprüche (eigene oder gepachtete) verfügt.

[...]"

"Artikel 31

Härtefälle

1. Konnte ein Betriebsinhaber aufgrund höherer Gewalt oder außergewöhnlicher Umstände keinen Antrag auf Zuweisung von Zahlungsansprüchen gemäß Artikel 24 Absatz 1 oder Artikel 39 Absatz 1 der Verordnung (EU) Nr. 1307/2013 stellen und beantragt er Zahlungsansprüche aus der nationalen oder regionalen Reserve, so werden ihm gemäß Artikel 30 Absatz 7 Buchstabe c der genannten Verordnung Zahlungsansprüche zugewiesen. Die Mitgliedstaaten bestimmen die jährlichen Einheitswerte der gemäß Artikel 25 oder Artikel 40 der Verordnung (EU) Nr. 1307/2013 zuzuweisenden Zahlungsansprüche und fassen die Beschlüsse bezüglich der in diesen Artikeln genannten Optionen.

[...]"

Die Delegierte Verordnung (EU) Nr. 640/2014 der Kommission vom 11. März 2014 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013, ABl. L 181 vom 20.6.2014, S. 48, im Folgenden VO (EU) 640/2014, lautet auszugsweise:

"Artikel 4

Höhere Gewalt und außergewöhnliche Umstände

(1) Konnte ein Begünstigter aufgrund höherer Gewalt oder außergewöhnlicher Umstände die Förderkriterien oder andere Auflagen nicht erfüllen, so gilt im Bereich der Direktzahlungen, dass er seinen Beihilfeanspruch für die Fläche bzw. die Tiere behält, die bei Eintreten des Falls von höherer Gewalt oder der außergewöhnlichen Umstände förderfähig war(en).

[...]

(2) Fälle höherer Gewalt und außergewöhnliche Umstände sind der zuständigen Behörde mit den von ihr anerkannten Nachweisen innerhalb von fünfzehn Arbeitstagen ab dem Zeitpunkt, ab dem der Begünstigte oder der Anspruchsberechtigte hierzu in der Lage ist, schriftlich mitzuteilen."

Bundesgesetz über die Durchführung der gemeinsamen Marktorganisationen (Marktordnungsgesetz 2007 - MOG 2007), BGBl. I Nr. 55/2007 idF BGBl. I Nr. 89/2015:

"Basisprämie

§ 8a. (1) [...]

(6) Ein unerwarteter Gewinn im Sinne des Art. 28 der Verordnung (EU) Nr. 1307/2013 ist dann gegeben, wenn die Erhöhung des Werts der Zahlungsansprüche mehr als 5 % und 20 € je Zahlungsanspruch beträgt. Flächen, mit denen im Zuge eines Kaufs oder einer mindestens einjährigen Pacht Zahlungsansprüche weitergegeben werden, ohne Zahlungsansprüche gepachtete Flächen, die durch Beendigung des Pachtvertrags wegfallen, die Abgabe von Flächen, die bisher nicht zur Nutzung von Zahlungsansprüchen herangezogen wurden, Flächen, die aufgrund eines Falls höherer Gewalt oder außergewöhnlicher Umstände nicht mehr zur Verfügung stehen, und aufgrund der Anwendung der Verringerungskoeffizienten gemäß § 8a Abs. 2 reduzierte Flächen sind bei dieser Vorgangsweise außer Betracht zu lassen. Der Anteil des Werts der Zahlungsansprüche, der die im ersten Satz genannten Grenzen übersteigt, fällt in die nationale Reserve zurück."

"Vorschriften zur nationalen Reserve

§ 8b. [...]

(3) Die Mittel der nationalen Reserve können

1. gemäß Art. 30 Abs. 7 lit. c der Verordnung (EU) Nr. 1307/2013 zur Zuweisung von Zahlungsansprüchen an Betriebsinhaber, denen infolge höherer Gewalt oder außergewöhnlicher Umstände im Zuge der Erstzuweisung keine Zahlungsansprüche zugewiesen wurden, sowie

[...]

verwendet werden."

"Vorschriften zu Bescheiden und Rückzahlung

§ 19. [...]

(3) Das Bundesverwaltungsgericht kann der AMA auftragen, gemäß den Vorgaben im Erkenntnis die entsprechenden Berechnungen durchzuführen und das Ergebnis bescheidmäßig mitzuteilen."

Die Verordnung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft über Direktzahlungen im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik (Direktzahlungs-Verordnung 2015), BGBl. II Nr. 368/2014, lautet auszugsweise:

"Zuweisung von Zahlungsansprüchen aus der nationalen Reserve

§ 6. (1) Die Zuweisung von Zahlungsansprüchen aus der nationalen Reserve ist mittels eines von der AMA verfügbar gemachten Formblatts bis spätestens 15. Mai des betreffenden Antragsjahres zu beantragen.

[...]

(3) Die in § 8b Abs. 3 Z 1 MOG 2007 genannten Betriebsinhaber haben die Zuweisung mit dem Mehrfachantrag, der unmittelbar auf den Wegfall der höheren Gewalt oder der außergewöhnlichen Umstände folgt, zu beantragen.

(4) Die Anzahl der zuzuweisenden Zahlungsansprüche entspricht dem Ausmaß an beihilfefähiger Fläche, das über der Anzahl an verfügbaren Zahlungsansprüchen liegt. Zur Bestimmung der freien Fläche ist bei für Alm- und Hutweideflächen bereits zugewiesenen Zahlungsansprüchen auf den angewendeten Verringerungskoeffizienten (§ 8a Abs. 2 MOG 2007) Bedacht zu nehmen. Weiters werden die verfügbaren Zahlungsansprüche erst dann auf die Alm- und Hutweideflächen gelegt, nachdem die restliche beihilfefähige Fläche des Betriebs mit Zahlungsansprüchen belegt ist."

"Höhere Gewalt oder außergewöhnliche Umstände

§ 8. (1) Als Fälle höherer Gewalt oder außergewöhnlicher Umstände können zusätzlich zu den in Art. 2 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 über die Finanzierung, die Verwaltung und das Kontrollsystem der Gemeinsamen Agrarpolitik und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 352/78, (EG) Nr. 165/94, (EG) Nr. 2799/98, (EG) Nr. 814/2000, (EG) Nr. 1290/2005 und (EG) Nr. 485/2008, ABl. Nr. L 347 vom 20.12.2013 S. 549, genannten Fällen und Umständen insbesondere auch

1. die dauerhafte Abtretung von mindestens 0,3 ha beihilfefähiger Fläche an die öffentliche Hand oder

2. die vorübergehende Grundinanspruchnahme von mindestens 0,3 ha beihilfefähiger Fläche im öffentlichen Interesse

anerkannt werden.

(2) Das Vorliegen eines Falls höherer Gewalt oder außergewöhnlicher Umstände ist mittels eines von der AMA verfügbar gemachten Formblatts geltend zu machen und durch geeignete Unterlagen zu belegen."

b) Rechtliche Würdigung:

Mit dem Antragsjahr 2015 wurde die Einheitliche Betriebsprämie von der Basisprämie und mehreren ergänzenden Zahlungen, insb. der Zahlung für dem Klima- und Umweltschutz förderliche Landbewirtschaftungsmethoden (= Ökologisierungszahlung bzw. "Greeningprämie"), abgelöst.

Die Gewährung der Basisprämie setzt gemäß Art. 24 Abs. 1 VO (EU) 1307/2013 die (Neu-) Zuweisung von Zahlungsansprüchen voraus. Gemäß Art. 21 Abs. 2 VO (EU) 1307/2013 läuft die Gültigkeit der im Rahmen der Einheitlichen Betriebsprämie gemäß VO (EG) 1782/2003 bzw. VO (EG) 73/2009 zugewiesenen Zahlungsansprüche am 31.12.2014 ab. Neue Zahlungsansprüche konnten einem Antragsteller zugewiesen werden, wenn dieser gemäß Art. 24 Abs. 1 VO (EU) 1307/2013 im Antragsjahr 2013 zum Empfang von Direktzahlungen berechtigt war, allerdings nur soweit als er beihilfefähige Hektarfläche vorweisen konnte.

Gemäß Art. 28 VO (EU) 1307/2013 können die Mitgliedstaaten beschließen, dass im Fall von Verkauf, Abtretung oder Ablauf der Pacht für die Gesamtheit oder einen Teil der landwirtschaftlichen Flächen die Erhöhung oder ein Teil der Erhöhung des Wertes der Zahlungsansprüche, die dem betreffenden Betriebsinhaber nach Maßgabe der Reduktion seiner Flächen im Jahr 2015 zugewiesen würden, wieder der nationalen Reserve oder den regionalen Reserven zuzuschlagen ist, wenn die Erhöhung für den betreffenden Betriebsinhaber zu einem unerwarteten Gewinn führen würde.

Selbst wenn man den vorliegenden Fall einer Grundinanspruchnahme im öffentlichen Interesse als Fall des Art. 28 VO (EU) 1307/2013 sehen wollte, ist auf die - dann nicht überschießende - Regelung des § 8a Abs. 6 MOG 2007 hinzuweisen (vgl. Eckhardt, Die Reform der GAP, S 37f). Danach finden die Regelungen zum unerwarteten Gewinn u.a. dann keine Anwendung, wenn die Reduktion der Flächen im Jahr 2015 aufgrund eines Falles höherer Gewalt oder außergewöhnlicher Umstände erfolgte. Als Fall höherer Gewalt oder außergewöhnlicher Umstände kann gemäß § 8 Abs. 1 Direktzahlungs-Verordnung 2015 auch die dauerhafte Abtretung oder die vorübergehende Grundinanspruchnahme von mindestens 0,3 ha beihilfefähiger Fläche im öffentlichen Interesse anerkannt werden. Fälle höherer Gewalt oder außergewöhnlicher Umstände sind gemäß Abs. 2 leg. cit. grundsätzlich mittels eines von der AMA verfügbar gemachten Formblatts geltend zu machen und durch geeignete Unterlagen zu belegen.

Die AMA weist im Rahmen der Aktenvorlage darauf hin, dass das Eintreten der höheren Gewalt/ des außergewöhnlichen Umstands binnen 15 Arbeitstagen, ab dem der Betriebsinhaber hierzu in der Lage ist, an die AMA zu melden und mit geeigneten Unterlagen zu belegen sei. Somit macht die AMA dem BF offenbar zum Vorwurf, die Inanspruchnahme der Flächen nicht mittels entsprechendem Formular gemeldet zu haben.

Die AMA hat den Antragstellern mit dem Merkblatt Mehrfachantrag-Flächen 2015 u.a. den Code "GI" mit der Erklärung "Grundinanspruchnahme im öffentlichen Interesse" zur Verfügung gestellt. Der Code "GI" führt dazu, dass für die beantragten Flächen keine Prämien gewährt werden. Dieser Code wurde vom BF im Hinblick auf die strittigen Flächen im Rahmen der Antragstellung 2015 auch verwendet. Der BF hat damit zum Ausdruck gebracht, dass bezüglich dieser Flächen ein Fall höherer Gewalt vorliegt. Er konnte somit davon ausgehen, dass es keiner weiteren, gesonderten Meldung mehr bedarf. Dies umso mehr, als auch ein entsprechendes Formular zur Meldung von Fällen höherer Gewalt auf der Homepage der AMA bei einer Nachschau nicht vorgefunden werden konnte.

Wenn technisch vorgesehen ist, dass man einen entsprechenden Code bereits im Vorhinein im Rahmen des Mehrfachantrages vergeben kann - wenn man von einer bevorstehenden Grundinanspruchnahme bereits Kenntnis hat -, wäre es in Konstellationen wie der vorliegenden überschießend, auch noch zusätzlich vom BF die Einreichung eines Formblattes zu verlangen.

Der Beschwerde war daher stattzugeben, die Beschwerdevorentscheidung der AMA spruchgemäß abzuändern und der AMA gemäß § 19 Abs. 3 MOG 2007 aufzutragen, gemäß den Vorgaben im Erkenntnis die entsprechenden Berechnungen durchzuführen sowie das Ergebnis bescheidmäßig mitzuteilen.

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte entfallen, da eine weitere Klärung der Rechtssache nicht zu erwarten war und Art. 47 GRC dem nicht entgegenstand. Letztlich handelte es sich um die Beurteilung reiner Rechtsfragen, die auch nach der Rechtsprechung des EGMR keiner Erörterung im Rahmen einer mündlichen Verhandlung bedürfen (vgl. dazu mwN Senft, Verhandlungspflicht der Verwaltungsgerichte aus grundrechtlicher Perspektive, ZVG 2014/6, 523 (534) sowie aktuell VwGH 21.12.2016, Ra 2016/04/0117-5).

Zu Spruchpunkt B:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Zwar liegt für den vorliegenden Fall keine einschlägige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor. Die Rechtslage erscheint jedoch so eindeutig, dass von einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht gesprochen werden kann; vgl. VwGH 28.02.2014, Ro 2014/16/0010 sowie VwGH 28.05.2014, Ro 2014/07/0053.

Schlagworte

außergewöhnliche Umstände, beihilfefähige Fläche, Beihilfefähigkeit,
Berechnung, Bescheidabänderung, Beschwerdevorentscheidung,
Direktzahlung, einheitliche Betriebsprämie, Flächenabweichung,
höhere Gewalt, INVEKOS, Kontrolle, Kürzung, Mehrfachantrag-Flächen,
Meldefehler, Meldepflicht, Meldeverstoß, Mitteilung, öffentliches
Interesse, Pacht, Prämienfähigkeit, Prämiengewährung, unerwarteter
Gewinn, Vorlageantrag, Wertermittlung, Zahlungsansprüche, Zuteilung,
Zuweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W113.2171821.1.00

Zuletzt aktualisiert am

06.02.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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