TE Bvwg Erkenntnis 2018/10/5 G305 2187385-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 05.10.2018
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Entscheidungsdatum

05.10.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

G305 2187385-2/16E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Ernst MAIER, MAS als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA. Irak, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, RD Salzburg, vom 24.01.2018, Zl.: XXXX, vertreten durch Mag. Ingeborg HALLER, Rechtsanwältin in 5020 Salzburg, Markus-Sittikus-Straße 9/2/7, sowie die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe in 1170 Wien, nach einer am 13.08.2018 durchgeführten mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Z 3 und § 57 AsylG iVm. § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 Abs. 1 bis 3 FPG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Am 08.11.2015, 09:37 Uhr, stellte der im Bundesgebiet nicht zum Aufenthalt berechtigte XXXX, geb. XXXX (in der Folge: Beschwerdeführer oder kurz: BF) vor Organen der Polizeiinspektion Wals-Siezenheim einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Am 09.11.2015 wurde er ab 11:51 Uhr durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes einer Erstbefragung unterzogen, anlässlich der der ledige und kinderlose BF, zu den Gründen für das Verlassen seines Herkunftsstaates befragt, angab, dass er von einer unbekannten Gruppe entführt worden sei und diese Gruppe von ihm verlangt habe, dass er für sie arbeite. Er sei zehn Tage gefoltert worden und habe er nach seiner Entlassung das Land verlassen müssen. Im Falle einer Rückkehr fürchte er, dass ihn die unbekannte Gruppe umbringen würde.

3. Am 10.08.2017 wurde er vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: belangte Behörde oder kurz: BFA) niederschriftlich einvernommen und gab er anlässlich dieser Einvernahme an, muslimischer Araber schiitischer Glaubensrichtung zu sein und im Irak ab dem Jahr 2012 sowohl als Pressefotograph, als auch als Journalist tätig gewesen zu sein. Er sei beim XXXX tätig gewesen und sei er XXXX im Jahr 2015 eingeladen worden, nach XXXXzu reisen, um dort über das wohltätige Verhalten der BADR-Miliz und des Militärs gegenüber der (überwiegen sunnitischen) Bevölkerung nach der Rückeroberung XXXX vom Islamischen Staat (IS) zu berichten. Insgesamt sei er zehn Tage dort gewesen. Eine Gruppe von Militärs und Milizangehörige hätten ihn mitgenommen. Beim ersten Mal sei alles gut verlaufen. Beim zweiten Mal sei er zum Haus einer Zivilisten-Familie mitgenommen worden. Vom Vater habe man die Herausgabe von Wertsachen verlangt und als dieser angegeben hatte, dass er über keine Wertsachen verfüge, habe man ihn zuerst geschlagen, dann seine Ehegattin vor ihm vergewaltigt und sei schließlich der dreizehnjährige Sohn vor den Augen des Vaters und nach vorangehender Misshandlung erschossen worden. Der BF habe sich nicht getraut, dazu etwas zu sagen, habe jedoch dem Verein zu verstehen gegeben, dass er bereits genug Material für seinen Bericht gesammelt habe und nach BAGDAD zurückkehren wolle, was er schlussendlich auch getan habe. In der Folge habe er einem befreundeten Journalisten-Kollegen von seinen Erlebnissen in XXXX erzählt und seien beide übereingekommen, darüber einen kritischen Zeitungsartikel veröffentlichen zu wollen. Die Zeitungen hätten den Artikel, bei dem lediglich der BF als Autor aufgeschienen sei, abgelehnt. Schließlich sei der Artikel jedoch im Internet, auf der Seite des "XXXX", veröffentlicht worden. Als der BF in weiterer Folge am XXXX2015 über XXXXr in BAGDAD gemeinsam mit anderen Journalisten berichten wollte, sei ein Polizeiauto gekommen und habe alle Presseausweise kontrolliert. Bei dieser Kontrolle sei ihm gesagt worden, er müsse wegen seines kritischen Berichtes im Internet zu einer Befragung mitkommen. Er sei daher ins Polizeiauto gestiegen. Als er bemerkte, dass er nicht zur nächsten Polizeistation gefahren werde, habe er seinen Vorgesetzten anrufen wollen. Die Männer im Auto hätten ihm sodann das Mobiltelefon weggenommen, den BF geschlagen und ihm die Augen verbunden. In weiterer Folge sei er neun Tage in einem kleinen Raum in einem verlassenen Gebäude eingesperrt gewesen und alle paar Stunden gefragt worden, wer den kritischen Artikel überXXXXverfasst habe. Als er nicht geantwortet habe, habe man begonnen, ihn zu schlagen und zu foltern. Schlussendlich habe er über zwei bis drei Tage Elektroschocks ertragen müssen. Am achten Tag sei nachts ein Mann,XXXX (im Folgenden: H.S.), gekommen und habe ihn dieser - nach erfolgter Vorführung eines Videos seines Bruders, um seine guten Absichten zu demonstrieren - schlussendlich am neunten Tag befreit, indem er den BF im Kofferraum seines Autos versteckt und den Wachposten mit Geld bestochen habe. Nach etwa zwanzig Minuten Fahrt sei er einem seiner Brüder übergeben worden. Dieser soll H.S. für die Rettung bezahlt haben. Danach sei er eine Woche bei seinem Bruder geblieben, der auch für die nötige ärztliche Versorgung des BF gesorgt haben soll. Dann habe er weitere zehn Tage bei einem anderen Bruder verbracht, bis ihn der erste Bruder abgeholt und nach ERBIL gefahren habe, wo er nach weiteren zwei Tagen Aufenthalt den Irak legal mit dem Bus in Richtung Türkei verlassen habe. Auf Vorhalt der Angaben in der Erstbefragung gab der BF an, nie gesagt zu haben, dass es sich um eine unbekannte Gruppe gehandelt hätte, sondern um die Polizei. Er habe den Dolmetscher der Erstbefragung wegen seines ägyptischen Akzents auch nicht gut verstanden. Jedenfalls vermute er hinter seiner Entführung die BADR-Miliz. Sonst habe es gegen den BF persönlich keine weiteren Bedrohungen gegeben. Weiters befragt, ob der BF bereits einmal strafgerichtlich verfolgt bzw. verurteilt worden sei, Probleme mit Verwaltungsbehörden, sonstigen irakischen Behörden und Gerichten bzw. internationalen Behörden oder aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit, Religion, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder seiner politischen Gesinnung gehabt habe, gab der BF jeweils an, dass dies nicht der Fall gewesen sei.

4. Im Rahmen des verwaltungsbehördlichen Ermittlungsverfahrens legte der BF einige Dokumente und Beweismittel vor; hinsichtlich der Urkunden in arabischer Sprache wurde eine Übersetzung in die deutsche Sprache veranlasst.

Darüber hinaus wurde dem BF mit Schreiben der belangten Behörde vom 12.09.2017 das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zum Irak zur schriftlichen Stellungnahme binnen zwei Wochen übermittelt.

5. Am 25.09.2017 langte eine schriftliche Stellungnahme des BF samt Vollmachtserklärung seiner bevollmächtigten Rechtsvertretung, der ARGE-Rechtsberatung, vom selben Tag beim BFA ein. Darin heißt es im Wesentlichen kurz zusammengefasst, dass er als Zeuge von Gewalttaten der Milizen an Zivilisten und die darauffolgende Veröffentlichung eines kritischen Berichtes auf der Website einer Online-Zeitung unter seinem Namen von dieser Miliz nunmehr als (namentlich bekannte) Gefahr angesehen werde. Er sei mehrere Tage gefoltert worden und würden die Länderberichte bestätigen, dass Folter auch in jüngster Zeit von irakischen staatlichen Akteuren eingesetzt werde und diese immer wieder systematisch bei Befragungen durch irakische (auch kurdische) Polizei- und Sicherheitskräfte angewandt würde. Der Regierung wurde in diesem Zusammenhang vorgeworfen, die Foltervorwürfe nicht untersucht und für bessere Schutzmaßnahmen gesorgt zu haben. Der psychische Aspekt werde bei gefolterten Personen in behördlichen Verfahren nicht ausreichend berücksichtigt, seien diese doch auf Grund des Erlebten oft nicht oder erst zu spät in der Lage, dieses so in Worte zu fassen, dass sich keine Lücken oder Widersprüche auftun würden. Dem BF sei die Gefahr, die ihm infolge einer authentischen Berichterstattung drohe, bewusst gewesen und habe er sich dennoch dafür entschieden. Im Falle einer Rückkehr könnten die betroffenen Milizen bzw. Militärs daher - auch nach mehreren Jahren - nicht davon ausgehen, dass er nicht wieder in diesem Sinne tätig werde, sodass bei der Rückkehr eines amtsbekannten Journalisten, der sofort bei seiner Einreise registriert würde, mit einer sofortigen Eliminierung des BF zu rechnen sei. Beim BF liege jedenfalls eine "wohlbegründete Furcht" iSd § 3 AsylG vor.

6. Mit Bescheid vom 24.01.2018, Zl. XXXX, dem BF durch Hinterlegung am 29.01.2018 zugestellt, wies die belangte Behörde den auf die Gewährung von internationalem Schutz gerichteten Antrag vom 08.11.2015 gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.), sowie dessen Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Irak gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt II.). Weiter wurde ausgesprochen, dass ihm ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und gegen ihn gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm. § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen werde (Spruchpunkt IV.) und dass die Abschiebung in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.) und die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).

7. Gegen diesen Bescheid richtet sich die am 22.02.2018 fristgerecht beim BFA eingelangte und mit 21.02.2018 datierte Beschwerde des BF durch seine ausgewiesene Rechtsvertretung. Darin wurde beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge eine mündliche Beschwerdeverhandlung anberaumen, den angefochtenen Bescheid - allenfalls nach Verfahrensergänzung - beheben und dem BF den Status eines Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG, in eventu eines subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG, zuerkennen, in eventu den angefochtenen Bescheid bezüglich der Spruchpunkte III., IV. und V. beheben und dahingehend abändern, dass die Rückkehrentscheidung für auf Dauer unzulässig erklärt und dem BF ein Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK erteilt wird sowie allenfalls den angefochtenen Bescheid ersatzlos beheben und zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das BFA zurückverweisen.

8. Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht (in der Folge kurz: BVwG) am 08.03.2018 von der belangten Behörde vorgelegt und wurde die Beschwerdesache hier der Gerichtsabteilung G305 zur Erledigung zugewiesen.

9. Mit Schriftsatz vom 02.08.2018, beim BVwG am 08.08.2018 eingelangt, wurde zur bestehenden Rechtsvertretung die Vollmacht einer weiteren rechtsfreundlichen Vertretung anher bekannt gegeben. Darüber hinaus wurde erneut zum Sachverhalt Stellung genommen und wurden weitere Urkunden zur Vorlage gebracht.

Zum Beweis der Tätigkeit des BF als Journalist gelangte eine Bestätigung des XXXX (Beilage /1) sowie eine Bestätigung der Zeitung "XXXX" (Beilage /2) zur Vorlage und wurde der E-Mailkontakt des Auftraggebers des BF für dessen Arbeit in XXXX genannt.

Unter Anführung weiterer Länderberichte wurde ausgeführt, dass - wie bereits in der Beschwerde ausgeführt - Freedom House berichtet habe, dass der Irak eines der gefährlichsten Länder für Journalisten sei und Personen, die mit Medien arbeiteten, häufig Opfer von Gewalt, Bedrohungen und Vergeltungsattacken auf Grund ihrer Berichte würden. 2015 habe der Irak die weltweit größte Todesrate von Journalisten verzeichnet. Ergänzend zum bisherigen Vorbringen verwies der BF darauf, dass im Rahmen des bisher geschilderten Vorfalles in XXXX auch ein Kollege von ihm während Filmaufnahmen durch einen Scharfschützen des IS getötet worden sei habe. Sein Vorbringen stehe daher im Einklang mit dem Jahresbericht von Amnesty International zur Lage von Journalisten im Irak. Die belangte Behörde habe die ihrer Meinung nach bestehende Unglaubwürdigkeit des Vorbringens des BF auf das lediglich zwei Zeilen umfassende Fluchtvorbringen in der Erstbefragung und daraus abgeleitete Widersprüche zu den weiteren Angaben gestützt und daraus unzulässigerweise ein gesteigertes Fluchtvorbringen abgeleitet. Die Beweiswürdigung dürfe zudem nicht nur auf das Vorbringen des Asylwerbers beschränkt werden, sondern bedürfe es einer konkreten Betrachtung der Lage im Herkunftsland, weil die Angaben des Asylwerbers nur vor diesem Hintergrund einer Plausibilitätskontrolle zugänglich seien (VwGH vom 28.01.2005, 2004/01/0476 ua). Auch sei den von ihm vorgelegten Urkunden keinerlei Beweiskraft zugesprochen worden. Vielmehr sei pauschal darauf hingewiesen worden, dass es technisch einfach möglich sei, das Datum und den Namen des BF auszubessern. Ohne weitere Anhaltspunkte werde weiters angeführt, dass es notorisch sei, dass gegen Bezahlung jederzeit Urkunden und Dokumente beigeschafft werden könnten. Es werde ausdrücklich eine konkrete Anfrage bei der Staatendokumentation hinsichtlich des Beschwerdevorbringens und der Überprüfung der Echtheit der vorgelegten Dokumente, Artikel und Bestätigungen beantragt.

Darüber hinaus gelangten Fotos, die die Spuren der körperlichen Misshandlung des BF zeigen sollen (Beilage /4) und ein Ambulanzbericht des Uniklinikums XXXX vom 04.05.2016 (Beilage /5) zur Vorlage.

Eine innerstaatliche Fluchtalternative bestehe weder für den Süden (Richtung BASRA) noch nach Norden (Kurdistan). Auf die fortgeschrittene Integration des BF werde erneut hingewiesen.

10. Am 13.08.2018 wurde vor dem BVwG eine mündliche Verhandlung im Beisein des BF, seiner Rechtsvertretung, XXXX, einer Vertrauensperson des BF, sowie einer Dolmetscherin für die Sprache Arabisch durchgeführt. Für die belangte Behörde, die einen Teilnahmeverzicht abgegeben hatte, erschien niemand. Auch die weitere bevollmächtigte Rechtsvertretung, die ARGE Rechtsberatung, erschien nicht zur Verhandlung; dies jedoch unentschuldigt.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung wurde der BF als Partei einvernommen und gelangten noch weitere Urkunden und Beweismittel zur Vorlage, die unter einem zum Gerichtsakt genommen wurden.

Zudem wurde dem BF vom erkennenden Gericht aufgetragen, binnen vier Wochen ein medizinisches Sachverständigengutachten eines Allgemeinmediziners zu den von ihm behaupteten Misshandlungen samt Angaben über den Zeitpunkt und die Art der Zufügung der beim BF ersichtlichen Verletzungen, binnen Wochenfrist jene Unterlagen, die die Rechtsvertreterin im Rahmen ihres Vorbringens in der Verhandlung genannt hat, sowie alle fremdsprachigen Urkunden, welche noch nicht ins Deutsche übersetzt wurden, in die deutsche Sprache übersetzt binnen vier Wochen, vorzulegen.

11. Mit Schriftsatz der rechtsfreundlichen Vertretung vom 20.08.2018, beim BVwG am selben Tag einlangend, wurden dem Auftrag des BVwG in der mündlichen Verhandlung entsprechend die dort aufgetragenen Urkunden vorgelegt.

12. Mit einem weiteren Schriftsatz der rechtsfreundlichen Vertretung vom 10.09.2018, beim BVwG am selben Tag einlangend, wurden die übrigen aufgetragenen Unterlagen vorgelegt. Zudem wurde ausgeführt, das aus dem nunmehr vorgelegten ärztlichen Befundbericht vom 03.09.2018 zusammengefasst hervorgehe, dass die im erhobenen Befund festgestellten Narben - sowohl zeitlich als auch kausal - von den vom BF geschilderten und erlittenen Misshandlungen stammen würden. Darüber hinaus würden erneut deutsche Übersetzungen der vom BF im Jahr 2015 zur Lage im Irak erstellten Artikel vorgelegt, wobei der Artikel mit dem Titel "XXXX" vom BF nach seinem Einsatz in XXXXin der Zeit zwischen XXXX.2015 und XXXX.2015 geschrieben worden und auf einer inzwischen offline gestellten Onlineplattform "XXXX" veröffentlicht worden sei. Der vom BF verfasste Artikel mit dem Titel "XXXX" sei im Printmedium "XXXX" (XXXX) am XXXX.2015, erschienen und setze sich kritisch mit der Sicherheitslage im Irak sowie der mangelnden Pressefreiheit auseinander. Das vorgelegte "XXXX" stelle eine Art Dankesschreiben für die Teilnahme des BF an der XXXX als Pressefotograf im Auftrag der XXXXzwischen XXXX. und XXXX.2014 in XXXX dar und werde zum Beweis dessen, dass der BF tatsächlich als Pressefotograf und später als Journalist gearbeitet habe, vorgelegt. Der BF sei auch als Leiter der Fotografie-Abteilung der XXXX" Zeitung aufgeschienen und habe er auch Berichte geschrieben, auf denen er namentlich nicht immer erwähnt worden sei, weil er ohnehin in der Fotoredaktion aufgeschienen sei.

Weiters wurden nachfolgende Anfragebeantwortungen von ACCORD zur aktuellen Lage im Irak vorgelegt:

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Anfragebeantwortung ACCORD a-10698-1 Irak: Links zur Struktur und Verbreitung schiitischer Milizen

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Anfragebeantwortung ACCORD a-10698-2 Irak: Auswirkungen der Parlamentswahlen

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Anfragebeantwortung ACCORD a-10698-3 Irak: schiitische Milizen

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Anfragebeantwortung ACCORD a-10698-4 Irak: Lage von Journalisten

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Anfragebeantwortung ACCORD a-10698-5 Irak: Proteste im Sommer 2018

Die vorgelegten Anfragebeantwortungen würden als Ergänzung der bisherigen Ausführungen des Beschwerdeführers zur aktuellen Situation im Irak sowie des der Entscheidung des BF zugrunde gelegten Länderberichtes dienen. Sie würden erneut die Ausführungen des BF belegen, wonach insbesondere die vom Iran unterstützte BADR-Miliz eng mit staatlichen Strukturen, v.a. mit dem Innenministerium und der Polizei, verwoben und praktisch im gesamten Irak verbreitet sei. Zudem zeige die Anfragebeantwortung zur Lage von Journalisten erneut, dass es sich bei Journalisten um eine äußerst gefährdete Berufsgruppe handle, die asylrelevant verfolgt werde. Weiters würden die Dokumente belegen, dass keine innerstaatliche Fluchtalternative für den BF vorhanden sei und er im Falle einer Rückkehr in den Irak jedenfalls von Einheiten der BADR-Miliz aufgegriffen würde und damit Gefahr laufe, erneut inhaftiert und gefoltert zu werden. Der BF sei nach wie vor gefährdet.

Der BF habe inzwischen an einem Integrationskurs teilgenommen. Eine Bestätigung vom 05.09.2018 werde vorgelegt. Auch wenn er angegeben habe, an keinerlei Krankheiten zu leiden, so habe er dann über näheres Befragen angegeben, an Depressionen und Flashbacks zu leiden, jedoch weder Medikamente noch ärztliche Behandlung in Anspruch zu nehmen, da dies der "arabischen Kultur" widerspreche. In Hinblick auf seine Schilderungen und die vorgelegten Ambulanzberichte sei aber von einer Traumatisierung seiner Person auszugehen, weshalb die Einholung eines psychiatrischen Gutachtens beantragt werde. In eventu möge ihm der Auftrag erteilt werden, binnen angemessener Frist ein medizinisches Sachverständigengutachten aus dem Bereich der Psychiatrie zur Vorlage zu bringen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des BF:

Der BF führt die im Spruch angeführte Identität (XXXX, geb.XXXX) und ist irakischer Staatsangehöriger. Er gehört der Ethnie der irakischen Araber an und bekennt sich zur islamischen Religionsgemeinschaft schiitischer Glaubensrichtung. Seine Muttersprache ist Arabisch [vgl irakischer Personalausweis, AS 57 ff Verwaltungsakt, und irakischer Staatsbürgerschaftsnachweis, AS 61 Verwaltungsakt; Erstbefragung vom 09.11.2015, AS 1 Verwaltungsakt;

BFA-Einvernahme vom 10.08.2017, AS 85 f und 88 Verwaltungsakt;

Verhandlungsprotokoll des BVwG vom 13.08.2018, S 5].

Der BF ist physisch gesund. Psychisch wurden bei ihm im Jahr 2016 die Diagnosen "Depressive Episode" sowie "Verdacht auf PTSD" (Posttraumatische Belastungsstörung) [vgl Befundbericht des Uniklinikums XXXX vom 25.04.2016] sowie "Depressive Störung; dzt. Mittelgradige Episode" und "Verdacht auf komplexe Traumafolgestörung" [vgl Befundbericht des Uniklinikums XXXX vom 04.05.2016] gestellt. Der BF befand sich aber weder zum Zeitpunkt der Einvernahme vor dem BFA am 10.08.2017 [vgl AS 85 Verwaltungsakt] noch der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG am 13.08.2018 in medizinischer oder psychologischer Behandlung und nahm auch keinerlei Medikamente ein [vgl Verhandlungsprotokoll des BVwG vom 13.08.2018, S 4 sowie S 15 f]. Dass der BF im Entscheidungszeitpunkt an einer lebensbedrohlichen Erkrankung leiden würde, konnte anlassbezogen nicht festgestellt werden.

Er ist ledig, kinderlos und hat keine Sorgepflichten. Ob er mit einer österreichischen Staatsangehörigen eine Lebensgemeinschaft eingegangen hat, konnte anlassbezogen nicht festgestellt werden, zumal er nach eigenen Angaben mit ihr nicht verlobt ist, keine Heirat plant und mit ihr nicht im gemeinsamen Haushalt lebt [vgl Verhandlungsprotokoll des BVwG vom 13.08.2018, S 5 f und 10].

1.2. Zu den Lebensumständen des BF und seiner Familie im Irak:

Der BF stammt aus BAGDAD und lebte dort von seiner Geburt an bis zu seiner Ausreise. Zuletzt war er im Bezirk XXXX wohnhaft, wo sowohl Angehörige der Schiiten, Sunniten als auch Christen leben. Gemeinsam mit seiner Mutter, XXXX, bewohnte er ein in ihrem Eigentum stehendes zweistöckiges Mehrfamilienhaus mit einer Wohnfläche von etwa 600 m². Kurz vor seiner Ausreise hielt er sich in der damaligen Mietwohnung einer seiner Brüder, XXXX, im Bezirk XXXX auf, der sowohl von Schiiten als auch von Sunniten bewohnt wird [vgl Verhandlungsprotokoll des BVwG vom 13.08.2018, S 7 und 21]. Der BF selbst verfügt über eine Eigentumswohnung mit einer Wohnfläche von 140 m² im Bezirk XXXX, einem ebenfalls von Sunniten und Schiiten gemischt bewohnten Bezirk, welche er inzwischen seit August 2017 mit Hilfe seines Bruders XXXX für monatlich etwa USD 600,00 an einen Fremden vermietet hat [vgl Verhandlungsprotokoll des BVwG vom 13.08.2018, S 8 und 22].

Der Vater des BF, XXXX), starb bereits im Jahr 2001 an einem Herzstillstand [vgl BFA-Einvernahme vom 10.08.2017, AS 87 Verwaltungsakt; Verhandlungsprotokoll des BVwG vom 13.08.2018, S 9]. Die Mutter des BF (XXXX) ist daher verwitwet. Sie lebt von einer Witwenrente [BFA-Einvernahme vom 10.08.2017, AS 87 Verwaltungsakt].

In BAGDAD leben weiters die fünf Brüder des BF: XXXX), XXXX, wobei inzwischen alle Brüder verheiratet sind [vgl BFA-Einvernahme vom 10.08.2017, AS 87 Verwaltungsakt; Verhandlungsprotokoll des BVwG vom 13.08.2018, S 9].

Die Familie des BF ist wohlhabend. Der älteste Bruder XXXX führt ein Unternehmen für Bekleidungsimport sowie -export, in welchem auch die Brüder XXXXund XXXX mitarbeiten. XXXX führt ein großes Geschäft für Mobiltelefone, XXXX betreibt ein Computergeschäft, in dessen Rahmen er mit Computern handelt und Software verkauft [vgl BFA-Einvernahme vom 10.08.2017, AS 87f Verwaltungsakt; Verhandlungsprotokoll des BVwG vom 13.08.2018, S 9f]. Die Familie besitzt insgesamt vier Häuser, einen großen Baugrund sowie die angeführten Unternehmen [vgl BFA-Einvernahme vom 10.08.2017, AS 88 Verwaltungsakt].

Mit den im Herkunftsstaat Irak lebenden Verwandten hält der BF regelmäßig monatlich telefonischen Kontakt. Zusätzlich kommuniziert er mit seinem Bruder XXXXüber soziale Medien. Es leben auch noch weitere Angehörige und Verwandte des BF, wie etwa dessen Onkel, Tanten, Cousins und Cousinen im Irak. Zu diesen hat er nach eigenen Angaben keinen Kontakt mehr [vgl Verhandlungsprotokoll des BVwG vom 13.08.2018, S 9 f].

Der BF hat in BAGDAD sechs Jahre die Grundschule, drei Jahre die Mittelschule und drei Jahre ein Gymnasium besucht, welches er auch abschloss. In weiterer Folge studierte er zwei Jahre Journalismus in BAGDAD, erreichte jedoch keinen Studienabschluss. Während seines Studiums wurde er von seiner Familie finanziell unterstützt. Seit dem Jahr 2012 bis zu seiner Ausreise aus dem Herkunftsstaat im Jahr 2015 arbeitete der BF als Pressefotograf und Journalist und brachte mit dieser Tätigkeit monatlich etwa USD 800,00 bis 1.000,00 ins Verdienen [vgl BFA-Einvernahme vom 10.08.2017, AS 88f Verwaltungsakt; Verhandlungsprotokoll des BVwG vom 13.08.2018, S 6].

Von 2012 bis 2014 war der BF als Journalist und Fotograf für die XXXX tätig [vgl Verhandlungsprotokoll des BVwG vom 13.08.2018, S 13].

In den Jahren 2014 und 2015 war er darüber hinaus Mitglied der XXXX") und dabei in der Fotoredaktion tätig. Er verfasste auch vereinzelt journalistische Artikel [vgl Stellungnahme BF vom 10.09.2018, S 3, sowie die vorgelegten und ins Deutsche übersetzten Bestätigungen der irakischenXXXX-Zeitung vom XXXX.2017 bzw. der Bestätigung der Gewerkschaft der irakischen Journalisten vom XXXX.2017 über die bisXXXX.2018 gültige Akkreditierung der XXXXZeitung; "XXXX" vom Oktober 2014 über die Teilnahme des BF als Pressefotograf an einer XXXX, AS 107 Verwaltungsakt; Fotografien des BF, AS 109 ff Verwaltungsakt;].

1.3. Zu den Reisebewegungen des BF:

Am 26.10.2015 verließ er den Herkunftsstaat von ERBIL aus mit dem Autobus - und seinen Angaben nach legal - in Richtung Türkei bis nach ISTANBUL. Von ISTANBUL aus reiste er schlepperunterstützt mit einem Schlauchboot nach Griechenland, wo er auf griechischen Insel LESBOS in der Stadt XXXX landete. In weiterer Folge reiste er teils zu Fuß, per Zug und per Bus über die Balkanroute (Mazedonien, Serbien, Kroatien und Slowenien) nach Österreich, wo er am 03.11.2015 illegal die Grenze überquerte [vgl Verhandlungsprotokoll des BVwG vom 13.08.2018, S 8 f; Einvernahme BFA vom 10.08.2017, AS 90 Verwaltungsakt; Erstbefragung vom 09.11.2015, AS 5 ff Verwaltungsakt].

Der BF verfügte bisher über kein Visum oder über einen sonstigen Aufenthaltstitel in Österreich oder den Schengen-Staaten. Er stützt seinen Aufenthalt ausschließlich auf den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz, den er am 08.11.2015, 09:37 Uhr vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes stellte [vgl Verhandlungsprotokoll des BVwG vom 13.08.2018, S 8 f; Erstbefragung vom 09.11.2015, AS 2 und 5 ff Verwaltungsakt; Fremdenregisterauszug vom 08.03.2018].

1.4. Zur persönlichen Situation des BF in Österreich:

Wie bereits zu Punkt 1.1. festgestellt, hat der BF zwar eine österreichische Freundin, beabsichtigt aber weder, mit ihr einen gemeinsamen Haushalt zu gründen, noch sie zu heiraten. Aktuell lebt er mit ihr auch nicht im gemeinsamen Haushalt. Ebenso wenig konnte eine tiefergehende emotionale Bindung des BF mit dieser Person festgestellt werden.

Er weist weder in Österreich, noch in irgendeinem anderen Teil der Europäischen Union weitere familiären Anknüpfungspunkte auf.

Jedenfalls im Zeitraum von Dezember 2015 bis Februar 2016 engagierte er sich als ehrenamtlicher Dolmetscher im Rahmen der Transitflüchtlingsbetreuung der XXXX mit ungefähr drei Diensten pro Woche [vgl Bestätigung des Österreichischen Roten Kreuzes vom 09.02.2016, AS 49 Verwaltungsakt; Bestätigung des Bürgermeisters der XXXX vom Dezember 2015, AS 51 Verwaltungsakt].

Seit September 2016 betätigt er sich auch als Volontär am Projekt "XXXX" der Kinder- und Jugendanwaltschaft XXXX, welches sich mit der Radikalisierungs-Prävention von Jugendlichen befasst [vgl Bestätigungen der Kinder- und Jugendanwaltschaft XXXX vom 26.07.2017, AS 101 Verwaltungsakt, sowie vom 01.08.2018; Verhandlungsprotokoll des BVwG vom 13.08.2018, S 11f].

Eine weitere ehrenamtliche Tätigkeit übt er als Fotograf für das von der Pfarre XXXX in XXXX veranstaltete "XXXX" aus [vgl Bestätigung der Pfarre XXXX vom 08.08.2018; Verhandlungsprotokoll des BVwG vom 13.08.2018, S 11f].

Zum Zeitpunkt der mündlichen Beschwerdeverhandlung war der BF für die Absolvierung eines Werte-/Integrationskurses beginnend mit 14.08.2018 angemeldet, welchen er nunmehr mit 05.09.2018 zum Abschluss gerbacht hat [vgl Vormerkung zum Integrationskurs vom 07.08.2018; Teilnahmebestätigung des Österreichischen Integrationsfonds vom 05.09.2018].

Der BF war in der Lage, die an ihn während der mündlichen Beschwerdeverhandlung auf Deutsch gerichteten Fragen zu beantworten. Er verfügt über ein Deutschzertifikat auf Niveau A2 [vgl Verhandlungsprotokoll des BVwG vom 13.08.2018, S 10 f; Einvernahme BFA vom 10.08.2017, AS 88 Verwaltungsakt; ÖSD-Deutschzertifikat A2 vom 19.06.2017, AS 99 Verwaltungsakt].

Bisher ging er in Österreich keiner sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit nach, lebt von der Grundversorgung und in einem Flüchtlingsheim [vgl Verhandlungsprotokoll des BVwG vom 13.08.2018, S 11; Einvernahme BFA vom 10.08.2017, AS 95 Verwaltungsakt; Einsicht in die Sozialversicherungs- und Grundversorgungsdaten am 20.09.2018].

Er ist strafgerichtlich unbescholten [vgl Einsicht in das Strafregister der Republik Österreich am 20.09.2018].

Anlassbezogen konnten ihm trotz seiner Bemühungen keine Anhaltspunkte für eine besondere soziale oder maßgebliche berufliche Integration in Österreich konstatiert werden. Eine besonders maßgebliche Integration in sprachlicher, beruflicher oder gesellschaftlicher Hinsicht liegt nicht vor.

1.5. Zum Fluchtvorbringen des BF:

Im Herkunftsstaat gehörte der BF weder einer politischen Organisation bzw. Partei noch einer bewaffneten Gruppierung an. Er war auch nie politisch tätig. Auch wurde er weder wegen seiner Volksgruppen- und/oder Religionszugehörigkeit, noch wegen seiner Nationalität oder der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe im Irak verfolgt. Der BF hatte bisher weder mit den irakischen Behörden, der irakischen Polizei oder den irakischen Gerichten Probleme [Einvernahme BFA vom 10.08.2017, AS 96 Verwaltungsakt; Verhandlungsprotokoll des BVwG vom 13.08.2018, S 12].

Er ist im Herkunftsstaat - soweit feststellbar - nicht vorbestraft [Einvernahme BFA vom 10.08.2017, AS 96 Verwaltungsakt].

Wie bereits unter Punkt 1.2. festgestellt, war er im Irak zuerst als Pressefotograf und später als Journalist für eine in der irakischen Gewerkschaft unter der Nummer XXXXbis 07.04.2018 akkreditierte XXXX-Zeitung, der "XXXX" (XXXX") tätig [vgl Stellungnahme BF vom 10.09.2018, S 3, sowie die vorgelegten und ins Deutsche übersetzten Bestätigungen der XXXXZeitung vom XXXX2017 bzw. der Bestätigung der Gewerkschaft der irakischen Journalisten vom XXXX2017 über die bisXXXX.2018 gültige Akkreditierung der XXXX-Zeitung; "XXXX" vom Oktober 2014 über die Teilnahme des BF als Pressefotograf an einer XXXX, AS 107 Verwaltungsakt; Fotografien des BF, AS 109 ff Verwaltungsakt].

Nicht festgestellt werden konnte, dass er tatsächlich für zehn Tage auf Einladung des Journalisten-Vereins nach XXXX entsandt wurde, wo er Mitglieder der BADR-Organisation, sowie des Militärs für 20 Tage begleitet haben will, um über deren positives Verhalten gegenüber der (überwiegend sunnitischen) Bevölkerung infolge der Befreiung XXXXvom IS zu berichten, und dass er dazu zweimal eine Gruppe von BADR-Angehörigen und des Militärs begleitet habe und dass es im Zuge des zweiten Mals - in seiner Anwesenheit - zu Gewalttaten an einer vermeintlich sunnitischen Familie, endend mit dem Mord am dreizehnjährigen Sohn, gekommen sei [vgl BF am 10.08.2017 vor dem BFA, AS 91; BF am 13.08.2018 vor dem BVwG, S 13 f Verhandlungsprotokoll].

Ebenso wenig konnte daher festgestellt werden, dass während dieses Einsatzes in XXXX der neben dem BF stehende und filmende Kollege von einem Scharfschützen des IS während des Filmens mit einem Kopfschuss getötet worden wäre [vgl ergänzendes Vorbringen im Schriftsatz vom 02.08.2018, S 60 Gerichtsakt].

In der Ausgabe Nr. XXXX der "XXXX" Zeitung veröffentliche er XXXX.2015, einen kritischen Artikel zum Umgang mit der Pressefreiheit und Sicherheitslage im Irak. Darin kritisiert er zusammengefasst die schwache Sicherheitslage, die Angst der Bürger vor Anschlägen auf dem Weg zum Arbeitsplatz, die Machtlosigkeit des Staates, den Einfluss der Parteien, die Frage des Rechtsschutzes und den Umgang mit der Pressefreiheit. Er appelliert an die Sicherheitsbehörden, den Schutz der Bürger und vor allem der Journalisten zu gewährleisten, um die negativen Auswirkungen auf die Pressefreiheit zu vermeiden [vgl mit Schriftsatz vom 10.09.2018 vorgelegte beglaubigte Übersetzung aus dem Arabischen vom 31.08.2018].

Dagegen konnte nicht festgestellt werden, dass der BF nach Rücksprache mit einem erfahreneren Journalistenkollegen gemeinsam mit diesem einen weiteren kritischen Artikel über die Vorkommnisse inXXXX verfasst und diesen in der Folge alleine unter seinem Namen im Zeitraum zwischen XXXX.2015 und XXXX2015 in der Online-Zeitung "XXXX" veröffentlicht hätte [vgl BF am 10.08.2017 vor dem BFA, AS 92; BF am 13.08.2018 vor dem BVwG, S 14 f Verhandlungsprotokoll; Schriftsatz vom 10.09.2018, S 2 sowie beigelegte beglaubigte Übersetzung des Berichtes aus dem Arabischen ins Deutsche].

Dass die beim BF vorhandenen Narben tatsächlich von der von ihm vorgebrachten Entführung und Folter ab XXXX2015 stammen würden, lässt sich aus dem vorgelegten ärztlichen Befundbericht nicht entnehmen [vgl ärztlicher Befundbericht vom 28.08.2018].

In Anbetracht der bisherigen Feststellungen des erkennenden Gerichtes konnte in der Folge auch anlassbezogen nicht festgestellt werden, dass der BF wegen der Veröffentlichung eines milizkritischen Medienberichtes über die von ihm - behauptet - miterlebten Verbrechen der BADR-Organisation an der Bevölkerung in XXXX schlussendlich im Zuge einer Kontrolle seines Presseausweises im Rahmen seiner Berichterstattung XXXX am XXXX2015 von vier in zivil gekleideten Männern in einem Polizeiauto entführt und anschließend für neun Tage gefoltert und misshandelt worden wäre.

Anlassbezogen konnte daher nicht festgestellt werden, dass der BF als Zugehöriger zu den Schiiten wegen kritischer Berichterstattung von schiitischen Milizen verfolgt, entführt, gefoltert und mit dem Umbringen bedroht worden wäre bzw. er bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat aus eben diesen Gründen bedroht wäre.

Auch konnte nicht festgestellt werden, dass er allein auf Grund seiner Eigenschaft als Journalist bei der Zeitung "XXXX" einer Bedrohung oder Belästigung ausgesetzt gewesen wäre.

Auch ist anlassbezogen nicht hervorgekommen, dass er einer asylrelevanten Bedrohung bzw. Verfolgung durch die in BAGDAD aktiven schiitischen Milizen ausgesetzt gewesen wäre. Es ist auch nicht hervorgekommen, dass ihm - bei Wahrunterstellung einer asylrelevanten Verfolgung - eine innerstaatliche Fluchtalternative verwehrt gewesen wäre.

Auch konnte kein konkreter Anlass für ein fluchtartiges Verlassen des Herkunftsstaates festgestellt werden. Es konnte weiters nicht festgestellt werden, dass er im Falle seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer Verfolgungsgefahr aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, wegen seiner Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Journalisten des Herkunftsstaates oder der von ihm behaupteten regimekritischen Berichterstattung ausgesetzt sein könnte bzw. dass sonstige Gründe vorliegen, die einer Rückkehr oder Rückführung (Abschiebung) in den Herkunftsstaat entgegenstehen könnten.

Auch konnte nicht festgestellt werden, dass er bei seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat aus in seiner Person gelegenen Gründen oder aufgrund der allgemeinen Lage vor Ort der realen Gefahr einer Verletzung seiner durch Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur Konvention geschützten Rechte oder als Zivilperson einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes ausgesetzt wäre.

1.6. Zur Situation im Herkunftsstaat des BF in Zusammenhang mit seinen Fluchtgründen:

1.6.1. Zur allgemeinen Sicherheitslage:

Am Dienstag, den 10.06.2014, eroberten radikale Islamisten, organisiert unter dem Dach des ISIL - Islamic State of Iraq and Levante (später ISIS, dann IS) - die Millionenstadt Mossul (Ninive-Ebene), darunter das Regierungsgebäude, den Mossul International Airport und alle Polizei und Militärbasen. Kurz darauf fielen auch weite Teile der Ninive-Ebene unter die Kontrolle der Islamisten. In der südwestlich von Mossul gelegenen Provinz Anbar konnten die Islamisten schon seit Anfang des Jahres eine Operationsbasis errichten und den Vormarsch in den irakischen Norden planen. Ihr Ziel war es, einen islamischen Gottesstaat in weiten Teilen Syriens und des Irak zu errichten. In Mossul wurde eine historische Kirche in Brand gesetzt. Mit der Einnahme von Polizeistationen und Militärbasen konnten die Kämpfer des IS schwere Waffen und Munition beschlagnahmen.

Nach ihrem Einmarsch in Mossul markierten Angehörige der IS-Truppen die Besitztümer von Minderheiten und fordern eine "Jihad-Steuer" von den wenigen verbliebenen Einwohnern. Dabei gerieten die christlichen Assyrer und Yeziden unter Druck und wurden zu Binnenflucht getrieben. In den Länderinformationen scheint nicht auf, dass muslimische Araber, darunter solche sunnitischer Glaubensrichtung, von den Angehörigen des IS unter Druck gesetzt oder gar vertrieben worden wären

(https://zavd.de/wp-content/uploads/2015/12/ZAVD-Dokumentation-Ereignisse-Irak-2014.pdf). Auch ist anlassbezogen nicht hervorgekommen, dass der BF, einer asylrelevanten Bedrohung durch den IS ausgesetzt gewesen wäre, was er auch zu keiner Zeit vorbrachte.

Die allgemeine Sicherheitslage im Irak war seit Oktober 2016 von bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen den irakischen Sicherheitskräften und ihren Verbündeten, im Genaueren nichtstaatlichen bewaffneten Milizen, den Peshmerga der kurdischen Regionalregierung sowie ausländischen Militärkräften, auf der einen Seite und den bewaffneten Milizen der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) auf der anderen Seite um die Kontrolle der - im Zentrum des seit Sommer 2014 bestehenden Machtbereichs des IS gelegenen - Hauptstadt Mossul der Provinz Ninava gekennzeichnet. Diesen Kämpfen ging die sukzessive Zurückdrängung des IS aus den zuvor ebenfalls von ihm kontrollierten Gebieten innerhalb der Provinzen Anbar, Diyala und Salah al-Din im Zentral- und Südirak voraus. Die seit dem Jahr 2014 währenden kriegerischen Ereignisse im Irak brachten umfangreiche Flüchtlingsbewegungen aus den umkämpften Gebieten in andere Landesteile, sowie umgekehrt Rückkehrbewegungen in befreite Landesteile mit sich. Zahlreiche nationale und internationale Hilfsorganisationen unter der Ägide des UNHCR versorgen diese Binnenvertriebenen in Lagern und Durchgangszentren, mit Schwerpunkten in den drei Provinzen der kurdischen Autonomieregion des Nordiraks, in sowie um Bagdad sowie im Umkreis von Kirkuk, im Hinblick auf ihre elementaren Lebensbedürfnisse sowie deren Dokumentation und Relokation, ein erheblicher Anteil der Vertriebenen sorgt für sich selbst in gemieteten Unterkünften und bei Verwandten und Bekannten. Seit dem Jahr 2014 wurden über drei Millionen Binnenvertriebene und über eine Million Binnenrückkehrer innerhalb des Iraks registriert.

Nachdem es den irakischen Sicherheitskräften (ISF) gemeinsam mit schiitischen Milizen, den sogenannten Popular Mobilisation Forces (PMF), mit Unterstützung durch die alliierten ausländischen Militärkräfte im Laufe des Jahres 2016 gelungen war, die Einheiten der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) sowohl aus den von ihr besetzten Teilen der südwestlichen Provinz Al Anbar bzw. deren Metropolen Fallouja und Ramadi als auch aus den nördlich an Bagdad anschließenden Provinzen Diyala und Salah al Din zu verdrängen, beschränkte sich dessen Herrschaftsgebiet in der Folge auf den Sitz seiner irakischen Kommandozentrale bzw. seines "Kalifats" in der Stadt Mossul, Provinz Ninava, sowie deren Umgebung bis hin zur irakisch-syrischen Grenze. Ab November 2016 wurden die Umgebung von Mossul sowie der Ostteil der Stadt bis zum Ufer des Tigris sukzessive wieder unter die Kontrolle staatlicher Sicherheitskräfte gebracht, im Westteil wurde der IS von den irakischen Sicherheitskräften und ihren Verbündeten, die aus dem Süden, Norden und Westen in das Zentrum der Stadt vordrangen, in der Altstadt von Mossul eingekesselt. Der sunnitische IS wiederum versuchte parallel zu diesen Geschehnissen durch vereinzelte Selbstmordanschläge in Bagdad und anderen Städten im Süd- sowie Zentralirak seine wenn auch mittlerweile stark eingeschränkte Fähigkeit, die allgemeine Sicherheitslage zu destabilisieren, zu demonstrieren. Anfang Juli 2017 erklärte der irakische Premier Abadi Mossul für vom IS befreit. In der Folge wurden auch frühere Bastionen des IS westlich von Mossul in Richtung der irakisch-syrischen Grenze wie die Stadt Tal Afar durch die Militärallianz vom IS zurückerobert. Zuletzt richteten sich die Operationen der Militärallianz gegen den IS auf letzte Überreste seines früheren Herrschaftsgebiets im äußersten Westen der Provinz Anbar sowie eine Enklave um Hawija südwestlich von Kirkuk.

Die Sicherheitslage innerhalb der drei Provinzen der kurdischen Autonomieregion des Nordiraks, nämlich Dohuk, Erbil und Suleimaniya, ist angesichts der Maßnahmen der regionalen Sicherheitskräfte wie Grenzkontrollen und innerregionale Aufenthaltsbestimmungen als stabil anzusehen. Seit Oktober 2017 befindet sich die kurdische Regionalregierung in Konflikt mit der irakischen Zentralregierung in der Frage der Kontrolle über die von kurdischen Sicherheitskräften bislang besetzt gehaltenen Grenzregionen südlich der Binnengrenze der Autonomieregion zum übrigen irakischen Staatsgebiet, insbesondere die Region um die Stadt Kirkuk betreffend. Zuletzt kam es zu einer Besetzung dieser Region sowie weiterer Landstriche entlang der Binnengrenze durch die irakische Armee und der Zentralregierung nahestehende Volksmobilisierungseinheiten, während sich die kurdischen Sicherheitskräfte aus diesen Bereichen zurückzogen. Eine Einreise in die drei Provinzen der kurdischen Autonomieregion ist angesichts eines Luftraumembargos der Nachbarstaaten Türkei und Iran gegen die kurdische Regionalregierung auf direkte Weise aktuell nur auf dem Landweg möglich.

Die Sicherheitslage in den südirakischen Provinzen, insbesondere in der Provinz BASRA, war, als Folge einer Sicherheitsoffensive staatlicher Militärkräfte im Gefolge interkonfessioneller Gewalt im Jahr 2007, ab 2008 stark verbessert und bis 2014 insgesamt stabil. Auch war die Region nicht unmittelbar von der Invasion der Truppen des IS im Irak in 2013 und 2014 betroffen. Die Gegenoffensive staatlicher Sicherheitskräfte und deren Verbündeter gegen den IS in Anbar und den nördlicher gelegenen Provinzen bedingte zuletzt eine Verlagerung von Militär- und Polizeikräften in den Norden, die wiederum eine größere Instabilität im Süden verbunden vor allem mit einem Anstieg an krimineller Gewalt mit sich brachte.

Die Sicherheitslage im Großraum BAGDAD war im Wesentlichen ebenfalls nicht unmittelbar beeinträchtigt durch die genannten Ereignisse. Es waren jedoch vereinzelte Anschläge bzw. Selbstmordattentate auf öffentliche Einrichtungen oder Plätze mit einer teils erheblichen Zahl an zivilen Opfern zu verzeichnen, die, ausgehend vom Bekenntnis des - als sunnitisch zu bezeichnenden - IS dazu, sich gegen staatliche Sicherheitsorgane oder gegen schiitische Wohnviertel und Städte richteten, um dort ein Klima der Angst sowie religiöse Ressentiments zu erzeugen und staatliche Sicherheitskräfte vor Ort zu binden.

Offiziell ist nach wie vor das ca. 70.000 Mitglieder umfassende und sich aus Soldaten aus der regulären Armee, der Militärpolizei, der normalen Polizei und den Geheimdiensten zusammensetzende "Baghdad Operations Command" (BOC) für die Sicherheit in der Stadt zuständig. Seitdem der IS im Juli 2017 zurückgedrängt wurde, nahmen die auf BAGDAD gerichteten Anschläge kontinuierlich ab. Dennoch kommt es immer wieder zu Selbstmordanschlägen, vor allem in schiitisch dominierten Viertel, wie SADR CITY, SHULA und HAY AL-AMEL als auch an Checkpoints und bei militärischen Einrichtungen. BAGDAD erlebte im Jahr 2017 einen Rückgang der Gewalt. Diese Entwicklung wird vor allem der BOC zugeschrieben.

Hinweise auf eine etwaig religiös motivierte Bürgerkriegssituation finden sich in den Länderberichten nicht, ebenso auch nicht in Bezug auf die Säuberung von ethnischen oder religiösen Gruppierungen bewohnte Gebiete.

Die kriegerischen Ereignisse im Irak seit 2014 brachten umfangreiche Flüchtlingsbewegungen aus den umkämpften Gebieten in andere Landesteile, sowie umgekehrt Rückkehrbewegungen in befreite Landesteile mit sich. Zahlreiche nationale und internationale Hilfsorganisationen unter der Leitung des UNHCR versorgen diese Binnenvertriebenen in Lagern und Durchgangszentren, mit Schwerpunkten in den drei Provinzen der kurdischen Autonomieregion des Nordiraks sowie in und um BAGDAD und im Umkreis von KIRKUK. Wesentlich ist dabei die Befriedigung elementaren Lebensbedürfnisse sowie die Dokumentation und Relokation der Binnenvertriebenen (IDP). Ein erheblicher Anteil der Vertriebenen sorgt für sich selbst in gemieteten Unterkünften und bei Verwandten und Bekannten. Insgesamt wurden seit 2014 über drei Millionen Binnenvertriebene sowie über eine Million Binnenrückkehrer innerhalb des Iraks registriert. Für das Jahr 2017 wurden erstmals mehr Rückkehrer als Vertriebene registriert.

Quellen:

BFA Staatendokumentation: Länderinformationsblatt zu Irak, 25.10.2017,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1416409/5818_1508929404_irak-lib-2017-08-24-ke.doc mwN (Letzter Zugriff am 06.08.2018)

Musings on Iraq, 2017 Security in Iraq in Review Defeat of the Islamic State on the Battlefield, 03.01.2018, http://musingsoniraq.blogspot.co.at/2018/01/2017-security-in-iraq-in-review-defeat_3.html (Letzter Zugriff am 06.08.2018)

Schwedische Einwanderungsbehörde, The Security Situation in Iraq:

July 2016 - November 2017,18.12.2017,https://www.ecoi.net/en/file/local/1420556/1226_1514470370_1712180.pdf (Letzter Zugriff am 06.08.2018).

1.6.2. Zu TIKRIT:

TIKRIT ist die Hauptstadt der Provinz Salah al-Din und zum größten Teil von Sunniten bewohnt. Der IS verübte an der dort ansässigen Militärbasis "Camp Speicher" ein Massaker und tötete über 1.000 Kadetten. Im März 2015 wurde TIKRIT durch schiitische Milizen und das irakische Militär zurückerobert. Als Rache für das vom IS verübte Massaker zerstörten die schiitischen Milizen, darunter insbesondere die BADR, die Ali-Akbar-Brigaden, die Asaib Ahl Al-Haq, die Kataib Hizbollah, die Saraya Khorasan und weitere (zusammen die sogenannten Popular Mobilization Forces - PMF - oder al-Hashd al-Sha'bi) zumindest 1425 Gebäude in TIKRIT, Dour, Albu Ajeel und Alam, wobei 950 davon dem Anschein nach gesprengt wurden und 400 weitere niedergebrannt. 200 Menschen wurden verhaftet und davon wurden 160 nicht mehr wiedergesehen. Die Verantwortlichen räumten zwar Gewalttaten ein, beschuldigten aber lokale Gangs und Stämme.

In der Folge versprach der irakische Premierminister al-Abadi, die Milizen unter militärische Kontrolle zu stellen. Am 07. April 2016 wurden die PMF offiziell als Teil der staatlichen Sicherheitskräfte im Irak anerkannt und direkt dem Premierminister unterstellt.

Inzwischen ist die überwiegende Mehrheit der vertriebenen Sunniten wieder nach TIKRIT zurückgekehrt.

Dass in TIKRIT lebende Muslime, die sich zur schiitischen Glaubensrichtung zugehörig bekennen, von den oben näher beschriebenen Massakern betroffen gewesen wären, ergibt sich aus den dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Länderberichten nicht.

Quellen:

BFA Staatendokumentation: Länderinformationsblatt zu Irak, 18.05.2018, https://www.ecoi.net/de/dokument/1432899.html (Letzter Zugriff am 20.09.2018)

MOI - Musings on Iraq (11.2.2016): Life In Iraq's Tikrit Returns To Normal,

http://musingsoniraq.blogspot.co.at/2016/02/life-in-iraqs-tikrit-returns-to-normal.html, (Zugriff 20.09.2018)

HRW - Human Rights Watch (20.09.2015): Ruinous Aftermath - Militias Abuses Following Iraq's Recapture of Tikrit, https://www.hrw.org/report/2015/09/20/ruinous-aftermath/militias-abuses-following-iraqs-recapture-tikrit#page (Zugriff 20.09.2018)

1.6.3. Zu den schiitischen Milizen (Popular Mobilization Forces - PMF) und der BADR-Miliz:

Der Name "Volksmobilisierungseinheiten" bzw. Al-Hashd al-Shaabi, englisch: Popular Mobilization Units (PMU) oder Popular Mobilization Forces bzw. Front (PMF)) bezeichnet eine Dachorganisation für etwa vierzig bis siebzig fast ausschließlich schiitische Milizen und demzufolge ein loses Bündnis paramilitärischer Formationen. Schätzungen zufolge haben die Volksmobilisierungseinheiten zwischen 60.000 und 140.000 Mann unter Waffen. Die Entstehung des Milizenbündnisses kann als Reaktion auf die irakische Offensive des sog. "Islamischen Staates" (IS) verstanden werden und ist somit eng mit dessen militärischen Erfolgen und territorialen Gewinnen verquickt: Im Sommer 2014 drang die Terrororganisation in den Irak ein und nahm am 10. Juni erst Mossul und danach weite Teile der Provinzen Ninewah, Salahuddin, Anbar, Diyala und Kirkuk ein; wenig später waren auch die Städte Erbil und Bagdad in Gefahr (Süß 21.8.2017).

Die reguläre irakische Armee war dem IS nicht gewachsen, weshalb der damalige Ministerpräsident Nuri al-Maliki am 11. Juni zur Mobilisierung einer "Reservearmee" aufrief. Außerdem ließ der führende irakische schiitische Gelehrte Ayatollah Ali Sistani am 13. Juni ein islamisches Rechtsgutachten (fatwa) verlautbaren, in dem er alle jungen Männer dazu aufrief, sich den Sicherheitskräften zum Schutz von Land, Volk und heiligen Stätten des Irak anzuschließen. Infolge der Fatwa schrieben sich tausende junge schiitische Männer auf Freiwilligenlisten ein, schlossen sich jedoch nicht Armee oder Polizei, sondern bereits existierenden oder neu formierten schiitischen Milizen an. Zwei Tage später bildete die irakische Regierung ein Komitee der Volksmobilisierung, das dem Ministerpräsident Haidar al-Abadi untersteht und vom Nationalen Sicherheitsberater Falih al-Fayyad geleitet wird. Die wahren Kräfteverhältnisse sind allerdings schon daran abzusehen, dass die Gründung durch das irakische Innenministerium verkündet wurde:

Dieses unterstand bis Juli 2016 der Führung des "Badr-Politikers" Muhammad al-Ghabban, die dominante Kraft im Innenministerium und damit der eigentliche irakische Führer des Milizenbündnisses ist jedoch Hadi al-Amiri. Mehrere Milizen stehen außerdem politischen Parteien nahe.

Innerhalb der zahlreichen, meist lokal organisierten Gruppen innerhalb der Volksmobilisierungseinheiten können im Wesentlichen drei Gruppen ausgemacht werden: Erstens schon länger aktive Milizen, die infolge der Fatwa tausende neue Rekruten hinzugewannen (Badr-Organisation, Asa'ib Ahl al-Haqq, Kata'ib Hizbullah und Saraya as-Salam). Zweitens gibt es solche schiitischen Formationen, die ab Juni 2014 entstanden (bspw. Kata'ib al-Imam Ali) und drittens einige kleinere sunnitische Milizen (Süß 21.8.2017).

Die Badr-Organisation ist die älteste schiitische Miliz im Irak und gleichermaßen die mit den längsten und engsten Beziehungen zum Iran. Sie orientiert sich an der Tradition Khomeinis und der Staatsdoktrin Irans. Hervorgegangen ist sie aus dem Badr-Korps, das 1983/84 als bewaffneter Arm des "Hohen Rates für die Islamische Revolution im Irak" gegründet wurde und von Beginn an den iranischen Revolutionsgarden (Pasdaran) unterstellt war. Mit der Namensänderung in Badr-Organisation wurde das Korps zum politischen Akteur. Als sich der Rat in "Irakischer Islamischer Hoher Rat" umbenannte und sich gleichzeitig vom Iran distanzierte, gelang es Badr, sich als wichtigster Verbündeter Irans im Irak zu etablieren und trennte sich 2009 schließlich vom Hohen Rat. Die Badr-Organisation wird von Hadi al-Amiri angeführt und gilt heute als die bedeutendste Teilorganisation und dominierende Kraft des Milizenbündnisses. Sie ist besonders mächtig, weil sie Kontrolle über das irakische Innenministerium und damit auch über die Polizeikräfte besitzt; ein Großteil der bewaffneten Kräfte der Organisation wurde ab 2005 in die irakische Polizei aufgenommen. Sie soll über etwa 20.000 bis 50.000 Mann verfügen und arbeitet mit Kata'ib Hizbullah zusammen. Unklar ist jedoch, ob die genannten Zahlen ausschließlich Kämpfer oder auch sonstiges Personal umfassen, denn die Badr-Organisation ist Miliz und politische Partei in einem. Badr war bisher an allen wichtigen militärischen Auseinandersetzungen in den Provinzen Diyala, Salah ad-Din, Anbar und Ninewah beteiligt; ihr militärisches Hauptquartier befindet sich im Militärlager Camp Ashraf nördlich von Bagdad. In Diyala verfügt Badr außerdem über ein Territorium, das sich zu einer eigenständigen Machtbasis im Sinne eines "Staates im Staate" ausbauen lässt (Süß 21.8.2017).

Quellen:

BFA Staatendokumentation: Länderinformationsblatt zu Irak, 18.05.2018, https://www.ecoi.net/de/dokument/1432899.html (Letzter Zugriff am 20.09.2018)

1.6.4. Zur Lage von Journalisten im Irak - Meinungsfreiheit - Menschenrechte:

Polizisten, Soldaten, Journalisten, Menschenrechtsverteidiger, Intellektuelle, Richter und Rechtsanwälte und alle Mitglieder des Sicherheitsapparats zählen im Irak zur gefährdeten Berufsgruppe. Es wird auch berichtet, dass Extremisten und bewaffnete Gruppen Angriffe auf Künstler, Poeten, Schriftsteller und Musiker verübt hätten (USDOS 3.3.2017). Dass in BAGDAD im Zeitraum von Anfang 2014 bis laufend gezielt Angriffe auf Schauspieler und Journalisten verübt worden wären, lässt sich jedoch keinem einzigen hg. vorliegenden Länderbericht entnehmen.

Nach der Verfassung des Irak ist das Recht auf freie Meinungsäußerung gewährleistet, sofern die Äußerung nicht die öffentliche Ordnung oder die Moral verletzt, Unterstützung für die Baath-Partei ausdrückt oder das gewaltsame Verändern der Staatsgrenzen befürwortet. Der größte Teil der Einschränkungen dieses Rechts kommt durch Selbstzensur auf Grund von glaubhafter Furcht vor Repressalien durch die Regierung, politische Parteien, ethnische und konfessionelle Kräfte, terroristische und extremistische Gruppen oder kriminelle Banden zustande (USDOS 3.3.2017).

Die Verfassung vom 15.10.2005 (Art. 38 C und 39) normiert ausdrücklich die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit unter dem Vorbehalt der öffentlichen Ordnung und stellt die nähere Ausgestaltung durch ein Gesetz in Aussicht, das es aber noch nicht gibt. Im Alltag wird die Versammlungs- und Meinungsfreiheit durch das seit dem 07.11.2004 geltende "Gesetz zur Aufrechterhaltung der nationalen Sicherheit" eingeschränkt, das u. a. die Verhängung eines bis zu 60-tägigen Ausnahmezustands ermöglicht. Die wöchentlichen Demonstrationen gegen Korruption seit August 2015 bis in die zweite Jahreshälfte 2016 konnten weitgehend ungestört stattfinden (AA 7.2.2017). Die meisten der Demonstrationen im Süden waren von massiver Sicherheitspräsenz begleitet und waren friedlich (USDOS 3.3.2017).

Quellen:

BFA Staatendokumentation: Länderinformationsblatt zu Irak, 18.05.2018, https://www.ecoi.net/de/dokument/1432899.html (Letzter Zugriff am 20.09.2018)

Musings on Iraq, 2017 Security in Iraq

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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