TE Bvwg Erkenntnis 2018/11/5 W198 2204565-1

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Veröffentlicht am 05.11.2018
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Entscheidungsdatum

05.11.2018

Norm

AsylG 2005 §3
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §33

Spruch

W198 2204565-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Karl SATTLER als Einzelrichter in der Beschwerdesache des XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, 1170 Wien, Wattgasse 48/3.Stock gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.07.2018, Zahl: XXXX zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 und 2 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG) idgF als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (Asylwerber), ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 12.11.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Das Bundesamt wies mit Bescheid vom 13.04.2018 (Zahl: XXXX ) den Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt II.) ab, erkannte dem Beschwerdeführer einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht zu (Spruchpunkt III.), erließ im Sinne des § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG (Spruchpunkt IV.), stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.) und gewährte gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG eine zweiwöchige Frist für eine freiwillige Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI).

Dieser Bescheid wurde nach erfolglosem Zustellversuch per RSa-Brief an der Adresse XXXX Wien, XXXX am 18.04.2018 bei der Postfiliale XXXX Wien, XXXX hinterlegt. Eine Verständigung der Hinterlegung wurde in die Abgabeeinrichtung eingelegt. Der Beginn der Rechtmittelfrist begann mit dem ersten Tag der Abholfrist zu laufen.

3. Mit Schriftsatz vom 25.06.2018 stellte die rechtsfreundliche Vertretung des Beschwerdeführers einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und erhob gleichzeitig Beschwerde gegen den Bescheid vom 13.04.2018. Begründend wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer bereits mit 15.4.2018 an der Adresse XXXX , XXXX Wien ausgezogen und auch am 16.04. 2018 aus der Grundversorgung abgemeldet worden sei, aufgrund eines internen Versehens des Quartiers erst verspätet, nämlich am 26.4.2018, im Zentralen Melderegister abgemeldet worden sei. Dem Beschwerdeführer sei die verspätete Abmeldung aufgrund eines internen Versehens des Quartiers nicht zurechenbar. Selbst im Falle, dass man von einem Verschulden des Beschwerdeführers ausgehen würde, könne die verspätete Abmeldung allerdings im Hinblick auf den Gesundheitszustand des Beschwerdeführers höchstens als minderer Grad des Versehens gewertet werden.

4. Das Bundesamt hat mit Bescheid vom 26.07.2018 den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 25.06.2018 gemäß § 33 Abs. 1 VwGVG abgewiesen. Gemäß § 33 Abs. 4 Satz 3 VwGVG wurde die aufschiebende Wirkung zuerkannt. Begründend wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer laut eigenen Ausführungen am 15.4.2018 von der Adresse XXXX Wien, XXXX weggezogen sei. Der Beschwerdeführer hätte es jedoch unterlassen der Behörde seinen Wohnsitzwechsel mitzuteilen, wozu er nach dem Asylgesetz verpflichtet sei und worauf er auch im Rahmen seiner Erstbefragung am 12.11.2015 ein entsprechendes Informationsblatt bezüglich der Rechte und Pflichten von Asylwerber in einer ihm verständlichen Sprache übernommen hätte. Darüber hinaus hätte der Beschwerdeführer eine Stellungnahme zu seiner niederschriftlichen Einvernahme am 11.04.2018 am 27.04.2018 eingebracht und am 04.05.2018 sei er persönlich bei der belangten Behörde vorstellig geworden. Weder in der Stellungnahme, noch anlässlich der persönlichen Vorsprache hätte der Beschwerdeführer Mitteilungen über die Abmeldung von der alten Meldeadresse sowie Mitteilungen über eine neue Meldeadresse gemacht.

5. Mit Schreiben vom 27.08.2018 hat die rechtsfreundliche Vertretung des Beschwerdeführers Beschwerde gegen den Bescheid vom 26.07.2018 erhoben. Darin wurde im Wesentlichen das Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag wiederholt.

6. Die gegenständliche Beschwerde langte samt Verwaltungsakt am 30.08.2018 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer war zum Zeitpunkt der Zustellung an der Meldeadresse XXXX Wien, XXXX .

Der Bescheid vom 13.04.2018 (Zahl: XXXX ) wurde nach erfolglosem Zustellversuch per RSa-Brief an der Adresse XXXX Wien, XXXX am 18.04.2018 bei der Postfiliale XXXX Wien, XXXX hinterlegt. Eine Verständigung der Hinterlegung wurde in die Abgabeeinrichtung eingelegt. Der Beginn der Rechtmittelfrist begann mit dem ersten Tag der Abholfrist, sohin am 19.04.2018, zu laufen. Der Bescheid wurde nicht innerhalb der Abholfrist behoben und daher am 07.05.2018 an die belangte Behörde mit dem Vermerk "nicht behoben, zurück" retourniert (eingelangt am 16.05.2018).

Der Bescheid wurde dem Beschwerdeführer sohin nachweislich am 19.04.2018 rechtswirksam durch Hinterlegung zugestellt.

Die vierwöchige Frist zur Beschwerdeeinbringung endete daher mit Ablauf des 19.05.2018.

Der Beschwerdeführer hat die Beschwerde erst am 25.06.2018 - sohin eindeutig verspätet - an das Bundesamt übermittelt. Gleichzeit wurde ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Rechtsmittelfrist eingebracht.

Der Beschwerdeführer hat im Rahmen seiner Erstbefragung am 12.11.2015 ein Informationsblatt bzgl. der Rechte und Pflichten von Asylwerbern in einer ihm verständlichen Sprache übernommen.

Dieses Informationsblatt hat folgenden - gegenständlich entscheidungswesentlichen - Inhalt (Deutsche Sprache):

"Jede Änderung Ihrer Zustelladresse - das ist die Adresse, an die wir Ihre Post schicken - müssen Sie sofort der Behörde bekannt geben. Dies gilt auch, wenn sie sich im Ausland befinden. Wenn Sie sich in Österreich befinden, genügt es, wenn Sie sich innerhalb von drei Tagen bei der Meldebehörde anmelden. Es besteht auch die Möglichkeit, dass Sie einen Zustellbevollmächtigten (z.B. in Österreich wohnhafter Bekannter, karitative Organisation usw.) bekannt geben.

Es ist für Sie sehr wichtig, dass die Behörde weiß, an welche Adresse Ihnen Schriftstücke zugestellt werden können. Wenn Sie uns Ihren Wohnungswechsel nicht mitteilen, so kann das für Sie negative Folgen haben:

Wenn Ihnen keine Ladung zugestellt werden kann, kann Ihr Asylverfahren eingestellt oder negativ entschieden werden. Sie können Ihren Schutz vor Abschiebung verlieren!

Sie können wichtige Fristen zur Einbringung eines Rechtsmittels (zum Beispiel einer Beschwerde) versäumen, wenn Ihnen die Behörde einen Bescheid nicht zustellen kann.

Dann wird möglicherweise die Entscheidung der Behörde rechtskräftig und Sie haben keinen Abschiebeschutz mehr.

[...]

Wenn Sie vorübergehend nicht an der von Ihnen angegebenen Adresse sind, wird das für Sie bestimmte Schriftstück beim Zusteller (meistens am Postamt) hinterlegt. Sie können es dann später abholen. Bitte beachten Sie, dass diese Hinterlegung wie eine persönliche Zustellung wirkt und für Sie ab diesem Zeitpunkt wichtige Fristen zu laufen beginnen!"

Der Beschwerdeführer ist seinen Meldepflichten gegenüber der belangten Behörde nicht nachgekommen.

2. Beweiswürdigung:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ergibt sich zweifelsfrei aus dem Akteninhalt. So ist insbesondere der Zustellvorgang auf Aktenseite 207 des vorgelegten Verwaltungsaktes dokumentiert (RSa Zustellung an die am Tag der Zustellung im ZMR ersichtliche Meldeadresse, Hinterlegungsanzeige, RSa Rückholschein.) Unbestritten ist, dass der Beschwerdeführer am 15.04.2018 an der Adresse XXXX Wien, XXXX ausgezogen ist. Die Versäumung der Beschwerdefrist ist unbestritten und ergibt sich aus dem Wiedereinsetzungsantrag.

Soweit in der Beschwerde vorgebracht wird, dass der Beschwerdeführer bereits am 15.04.2018 an der Adresse XXXX Wien, XXXX ausgezogen sei und am 16.4.2018 aus der Grundversorgung abgemeldet wurde, die Abmeldung aus dem zentralen Melderegister "aufgrund eines internen Versehens des Quartiers" erst verspätet, nämlich am 26.4.2018 erfolgt sei, ist dem entgegenzuhalten, dass diesbezüglich jegliche Substantiierung fehlt, und auch keinerlei - beachtliche-Beweismittel diesbezüglich angeboten wurden. Dazu ist insbesondere auch auszuführen, dass die Beantragung einer Zeugin "für das Vorbringen" (so wörtlich im Wiedereinsetzungsantrag und der Beschwerde), ohne das Beweisthema konkret zu nennen (es wurde die Einvernahme von XXXX beantragt, ohne jedoch darzulegen, welcher konkreter Sachverhalt mit deren Einvernahme unter Beweis gestellt werden sollte) nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes laut VwGH nicht zulässig ist, die Unterlassung der Beweisaufnahme sohin keinen Verfahrensmangel darstellt (vgl. dazu VwGH vom 14. Oktober 2016, Ra 2016/18/0260-4, VwGH vom 17. November 2015, Ra 2015/02/0141, mwN).

Soweit in der Beschwerde vorgebracht wird, dass der Beschwerdeführer aktenkundig an einer Psychose leidet, daher auch in einem Quartier mit erhöhten Betreuungsbedarf untergebracht war und dies bei der Beurteilung des Verschuldensmaßstabes zu beachten sei ist diesem Vorbringen Folgendes entgegenzuhalten: Aus dem vorgelegten Verwaltungsakt ergibt sich, dass der Beschwerdeführer am 04.05.2018 persönlich im BFA vorstellig wurde, um eine neue weiße Asylkarte ausstellen zu lassen (siehe Protokolleintrag vom 04.05.2018; von der belangten Behörde noch einmal bestätigt in OZ 4 des Gerichtsaktes). Daraus ist ableitbar, dass seine gesundheitliche Beeinträchtigung nicht dergestalt war, dass es ihm aus gesundheitlichen Gründen unmöglich gewesen wäre (für ihn) wesentliche Rechtsakte zu setzen und er daher insbesondere auch nicht derart gesundheitlich gehindert war, seine Abmeldung von der Meldeadresse und/ oder seine neue Meldeadresse bekanntzugeben. Auch der Umstand, dass der Beschwerdeführer am 27.04.2018 eine Stellungnahme zur niederschriftlichen Einvernahme am 11.04.2018 abgegeben hat (Aktenseite 171ff des vorgelegten Verwaltungsaktes) und dabei neue Dokumente und Beweismittel vorgelegt hat, die er seiner rechtsfreundlichen Vertretung zuvor übergeben haben muss, belegen seine Einsichtsfähigkeit und spricht dies gegen das Vorliegen einer gravierenden gesundheitlichen Beeinträchtigung des Beschwerdeführers im maßgeblichen Zeitraum.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 9 Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, und § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA.

Da sich die gegenständliche Beschwerde gegen einen Bescheid des BFA richtet, ist das Bundesverwaltungsgericht für die Entscheidung zuständig.

Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A) Abweisung der Beschwerde

Die Bestimmungen über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im AVG, lauten wie folgt:

§ 71. (1) Gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung ist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn:

1. die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft, [...]"

§ 33 VwGVG nimmt ausschließlich auf die Wiedereinsetzung jener Verfahren Bezug, welche beim Verwaltungsgericht anhängig waren. Im gegenständlichen Fall gilt es jedoch die Rechtmäßigkeit eines Bescheides des Bundesamtes zu prüfen, mit welchem der Antrag auf Wiedereinsetzung eines vor diesem geführten Verfahrens abgewiesen wurde. Nun bietet der Gesetzgeber für solche Fälle keine Rechtsgrundlage, weil - vermittelt durch § 17 VwGVG -der IV. Teil des AVG und somit auch § 71 leg. cit. auf das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten nicht mehr anwendbar ist. Es kann dem Gesetzgeber jedoch nicht zugesonnen werden, für solche Fälle keine Regelung zur Verfügung stellen zu wollen, weil damit das Rechtsschutzinteresse der Rechtsunterworfenen hintangestellt wäre. So sah dies auch der VfGH in seiner Entscheidung vom 18.06.2014, G5/2014. Dort führte er aus: "Da die Bestimmungen des Art 130 Abs 4 B-VG und §28 VwGVG dem Verwaltungsgericht ermöglichen, eine Zurückweisung des verfahrenseinleitenden Antrages wegen entschiedener Sache oder des Fehlens einer anderen Prozessvoraussetzung zum Inhalt seiner Sachentscheidung zu machen, unterscheidet sich insoweit die Entscheidungsbefugnis des Verwaltungsgerichtes nicht von jener des VwGH (sofern dieser in der Sache selbst entscheidet), sodass sich die Frage der sachlichen Rechtfertigung unterschiedlicher Verfahrensbestimmungen im vorliegenden Zusammenhang gar nicht erst stellt." Aus diesem Grund hat das Bundesverwaltungsgericht § 71 AVG bei der Entscheidungsfindung anzuwenden.

Voraussetzung für die Bewilligung der Wiedereinsetzung ist das Vorliegen eines Wiedereinsetzungsgrundes. Ein solcher ist gegeben, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten und sie daran kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.

Bei der Beurteilung der Frage, ob ein Ereignis unabwendbar ist, kommt es nach der Rechtsprechung (z. B. VwGH 24.01.1996, 94/12/0179) auf objektive Umstände an; nämlich darauf, ob das Ereignis auch von einem Durchschnittsmenschen objektiv nicht verhindert werden kann.

Ob ein Ereignis unvorhergesehen ist, hängt demgegenüber nach der Rechtsprechung nicht von einer objektiven Durchschnittsbetrachtung, sondern vom konkreten Ablauf der Geschehnisse ab. Unvorhergesehen ist ein Ereignis dann, wenn es von der Partei tatsächlich nicht einberechnet wurde und mit zumutbarer Vorsicht auch nicht vorhergesehen werden konnte (z. B. VwGH 03.04.2001, 2000/08/0214).

Ein Verschulden der Partei hindert die Wiedereinsetzung nur dann nicht, wenn es sich dabei lediglich um einen minderen Grad des Versehens (leichte Fahrlässigkeit) handelt. Eine solche liegt dann vor, wenn der Partei ein Fehler unterläuft, der gelegentlich auch einer sorgfältigen Person unterlaufen kann (z.B. VwGH 20.06.2002, 2002/20/0230), wobei an einen rechtskundigen Parteienvertreter ein höherer Sorgfaltsmaßstab anzulegen ist (z.B. VwGH 22.01.2003, 2002/04/0136).

Ausgeschlossen ist die Wiedereinsetzung jedenfalls dann, wenn der Partei Vorsatz oder offenkundige Sorglosigkeit vorzuwerfen ist.

Im gegenständlichen Fall begründet der Beschwerdeführer den Wiederaufnahmeantrag im ‚Wesentlichen damit, dass der Beschwerdeführer bereits am 15.04.2018 an der Adresse XXXX Wien, XXXX ausgezogen ist, am 16.4.2018 aus der Grundversorgung abgemeldet wurde, die Abmeldung aus dem zentralen Melderegister aber "aufgrund eines internen Versehens des Quartiers" erst verspätet, nämlich am 26.4.2018 erfolgt ist und dieser Umstand dem Beschwerdeführer nicht zurechenbar ist, da die Organisation in keinem Vertretungsverhältnis zum Beschwerdeführer stand. Darüber hinaus könne, selbst im Falle, dass man von einem Verschulden des Beschwerdeführers ausgehen würde, die verspätete Abmeldung allerdings im Hinblick auf den Gesundheitszustand des Beschwerdeführers höchstens als minderer Grad des Versehens gewertet werden.

In diesem Zusammenhang ist auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Grad des Verschuldens, wenn ein Antragsteller sich über den Beginn des Fristenlaufes irrt, hinzuweisen (vgl. VwGH 26.8.2010, Zl. 2009/21/0400): "Im Rahmen der ihn als "ordentliche Prozesspartei" treffenden Sorgfaltspflicht (vgl. Walter/Mayer, a.a.O.) hätte ihn nämlich die Obliegenheit getroffen, sich bei geeigneten Stellen diesbezüglich zu erkundigen und sich Gewissheit zu verschaffen, wann der Beginn des Fristenlaufs eingetreten ist. Dass er dies getan hätte, bringt der Antragsteller nicht vor. Dass der Antragsteller gehindert gewesen oder ihm nicht zumutbar gewesen wäre, sich die notwendigen Kenntnisse zu verschaffen, ist nicht erkennbar. In Anbetracht der Bedeutsamkeit der Wahrung von Rechtsmittelfristen, trifft den Antragsteller ein Verschulden, das den eines minderen Grades des Versehens übersteigt."

Konkret ging es bei der Wahrung der Rechtsmittelfrist ua. um den rechtmäßigen Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich, somit eine sehr wesentliche Sache für den Beschwerdeführer. Es ist ihm daher zumutbar gewesen, sich die notwendigen Kenntnisse zu verschaffen.

Der Beschwerdeführer hat im Rahmen seiner Erstbefragung am 12.11.2015 ua. auch ein Informationsblatt bzgl. der Rechte und Pflichten von Asylwerbern in einer ihm verständlichen Sprache übernommen. In diesem Blatt wird explizit darauf hingewiesen, dass eine Änderung der Zustelladresse der Behörde unverzüglich bekannt zu geben ist.

Darüber hinaus bestimmt § 8 ZustG: Eine Partei, die während eines Verfahrens, von dem sie Kenntnis hat, ihre bisherige Abgabestelle ändert, hat dies der Behörde unverzüglich mitzuteilen.

Der Beschwerdeführer hat es - unbestritten - unterlassen der Behörde seinen Wohnsitzwechsel mitzuteilen, wodurch die Behörde auch davon ausgehen konnte, dass er an der Adresse XXXX Wien, XXXX aufhältig ist, dies obwohl er zweimal innerhalb der Rechtsmittelfrist in Kontakt mit der belangten Behörde getreten ist.

So hat er am 27.04.2018 (bei der belangten Behörde einlangend) eine Stellungnahme zur niederschriftlichen Einvernahme am 11.04.2018 abgegeben, und dabei neue Dokumente und Beweismittel vorgelegt. Angaben bezüglich eines Auszuges aus der Adresse XXXX Wien, XXXX , einer neuen Meldeadresse oder der Abmeldung an der alten Meldeadresse sind dieser Stellungnahme nicht zu entnehmen.

Am 04.05.2018 wurde der Beschwerdeführer persönlich bei der belangten Behörde vorstellig, um eine neue weiße Asylkarte ausstellen zu lassen. Der Beschwerdeführer hat es wiederum unterlassen seiner Meldepflicht bezüglich eines Auszuges aus der Adresse XXXX Wien, XXXX , einer neuen Meldeadresse oder der Abmeldung an der alten Meldeadresse nachzukommen.

Die belangte Behörde ist daher zu Recht davon ausgegangen, dass kein unabwendbares Ereignis vorliegt, welches von einem Durchschnittsmenschen objektiv nicht verhindert werden konnte.

Es liegt auch kein unvorhergesehenes Ereignis vor. Der Beschwerdeführer war in einem laufenden Asylverfahren und musste damit rechnen, dass behördliche Entscheidungen erfolgen werden und diese auch zugestellt werden. Die Zustellung erfolgte an die zu diesem Zeitpunkt im Zentralen Melderegister ersichtliche Meldeadresse.

Im Ergebnis beruht der Irrtum, welcher gegenständlich zur Versäumung der Rechtsmittelfrist geführt hat, sohin auf einem über einen minderen Grad des Versehens hinausgehenden Verschulden des Beschwerdeführers. Wie Beweiswürdigend dargestellt vermag auch die behauptete gesundheitliche Beeinträchtigung des Beschwerdeführers daran nichts zu ändern.

Der Beschwerdeführer ist schlicht und einfach seinen Meldepflichten nicht nachgekommen.

Die belangte Behörde hat daher mit Bescheid vom 26.07.2018 zu Recht den Antrag des Beschwerdeführers auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgewiesen.

Die Beschwerde gegen den Bescheid vom 26.07.2018 ist daher als unbegründet abzuweisen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Es wird diesbezüglich auf die im Erkenntnis zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen.

Schlagworte

Fristversäumung, Meldepflicht, Rechtsmittelfrist, Sorgfaltspflicht,
Verschulden, Wiedereinsetzung, Wiedereinsetzungsantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W198.2204565.1.00

Zuletzt aktualisiert am

06.02.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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