TE Bvwg Erkenntnis 2018/11/27 W256 2180929-2

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Veröffentlicht am 27.11.2018
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Entscheidungsdatum

27.11.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AVG §68 Abs2
BFA-VG §18 Abs1 Z2
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z1
FPG §55 Abs1a
VwGVG §28 Abs5

Spruch

W256 2180929-2/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Caroline KIMM als Einzelrichterin im Verfahren über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17. Oktober 2018 Zl. XXXX , zu Recht:

A) Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid

ersatzlos behoben.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

Die Beschwerdeführerin stellte am 23. Jänner 2016 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005).

Mit Bescheid vom 24. November 2017 wies die belangte Behörde diesen Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status einer Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status einer subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) ab, erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.), erließ eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.) und stellte fest, dass die Abschiebung der Beschwerdeführerin nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt (V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde eine zweiwöchige Frist für die freiwillige Ausreise verfügt (Spruchpunkt VI.).

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin am 20. Dezember 2017 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Das diesbezügliche Verfahren ist derzeit zur Zl. XXXX beim Bundesverwaltungsgericht anhängig.

Mit dem hier angefochtenen Bescheid vom 17. Oktober 2018 hat die belangte Behörde betreffend die Beschwerdeführerin folgendes ausgesprochen:

"Gemäß § 68 Abs. 2 AVG ergeht nachändernde Abänderung, der mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Zahl: XXXX vom 24.11.2017 erlassenen Entscheidung im laufenden Beschwerdeverfahren:

I. Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG iVM § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF, wird gegen Sie eine Rückehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF, erlassen.

II. Es wird gemäß § 52 Absatz 9 FPG festgestellt, dass Ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist.

III. Gemäß § 53 Absatz 1 iVm Absatz 2 Ziffer 1 Fremdenpolizeigesetz, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF, wird gegen Sie ein auf die Dauer von einem Jahr befristetes Einreiseverbot erlassen.

IV. Einer Beschwerde gegen diese Entscheidung über Ihren Antrag auf internationalen Schutz wird gemäß § 18 Absatz 1 Ziffer 2 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF, die aufschiebende Wirkung aberkannt.

V. Gemäß § 55 Absatz 1a FPG besteht keine Frist für die freiwillige Ausreise."

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführerin seien mit dem - derzeit im Beschwerdeverfahren befindlichen - Bescheid vom 24. November 2017 keine Rechte eingeräumt worden, weshalb die Bestimmung des § 68 Abs. 2 AVG auch "grundsätzlich" anwendbar sei. Der Vollständigkeit halber werde auch ausgeführt, dass die Spruchpunkte I., II. und III. der Entscheidung vom 24. November 2017 von der gegenständlichen Abänderung nicht betroffen seien. Bereits im Bescheid vom 24. November 2017 sei in Bezug auf die Beschwerdeführerin eine - noch nicht rechtskräftige - Rückkehrentscheidung getroffen worden. Da jedoch ein Einreiseverbot lediglich in Verbindung mit einer Rückkehrentscheidung erlassen werden könne, sei die Entscheidung vom 24. November 2017 insofern abzuändern bzw. zu ergänzen gewesen, dass in Bezug auf die Beschwerdeführerin abermals eine Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot auszusprechen gewesen sei.

Die Beschwerdeführerin sei mit Urteil des Bezirksgerichtes XXXX vom 11. Juli 2018 wegen den §§ 127, 15 Abs. 1 StGB zu einem Monat Freiheitsstrafe rechtskräftig verurteilt worden. Die Erfüllung dieses Tatbestandes indiziere, dass das Verhalten der Beschwerdeführerin die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährde oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderlaufe. Die Beschwerdeführerin habe durch ihr Verhalten insbesondere gezeigt, dass sie kein Interesse daran habe, die Gesetze Österreichs einzuhalten. Die Erlassung eines Einreiseverbotes sei aufgrund der Schwere ihres Fehlverhaltens und ihrer (näher dargestellten) persönlichen Umstände daher gerechtfertigt und notwendig.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Darin führt die Beschwerdeführerin (sofern hier wesentlich) aus, der in § 68 Abs. 2 AVG vorgesehenen Ermächtigung zur nachträglichen amtswegigen Abänderung von Bescheiden seien vom Gesetzgeber enge Grenzen gesetzt. Nur so könne das Rechtsschutzbedürfnis der Partei und deren schutzwürdiges Vertrauen auf den Bestand des Bescheides ausreichend gewahrt werden. Gemäß § 68 Abs. 2 AVG können nur solche Bescheide abgeändert werden, "aus denen niemandem ein Recht erwachsen ist". Zu Recht vertrete der Verwaltungsgerichtshof die Auffassung, dass es bei der Aufhebungs- und Abänderungsbefugnis nicht auf die Art des Bescheids, sondern auf die Richtung der Abänderung ankomme. So könne eine belastende Abänderung eines Bescheids - unabhängig davon, ob ein begünstigender oder ein belastender Bescheid vorliege - nicht auf § 68 Abs. 2 AVG gestützt werden. Schon allein aus diesem Grund entspreche der vorliegende Bescheid, mit welchem zusätzlich ein (nicht begünstigendes) Einreiseverbot verhängt und die aufschiebende Wirkung zudem aberkannt wurde, nicht den Anforderungen des § 68 Abs. 2 AVG und sei der angefochtene Bescheid daher gänzlich zu beheben.

II. Beweiswürdigung: Der oben wiedergegebene Verfahrensgang und Sachverhalt ergibt sich aus den vorgelegten die Beschwerdeführerin betreffenden Verwaltungs- und Gerichtsakten.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Rechtliche Beurteilung:

zu Spruchpunkt A.

Im vorliegenden Fall stützte die belangte Behörde ihre Abänderungsbefugnis des im Beschwerdeverfahren befindlichen Bescheids vom 24. November 2017 auf die Bestimmung des § 68 Abs. 2

AVG.

Die Bestimmung des § 68 AVG lautet hinsichtlich ihrer Absätze 1 und 2 wie folgt:

"(1) Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, sind, wenn die Behörde nicht den Anlaß zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

(2) Von Amts wegen können Bescheide, aus denen niemandem ein Recht erwachsen ist, sowohl von der Behörde, die den Bescheid erlassen hat, als auch in Ausübung des Aufsichtsrechtes von der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde aufgehoben oder abgeändert werden.

Daraus geht hervor, dass eine amtswegige Aufhebung oder Abänderung für der Berufung nicht (mehr) unterliegender Bescheide nur für Bescheide, "aus denen niemandem ein Recht erwachsen ist", in Betracht kommt (siehe das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. November 2015, Ra 2015/12/0029 m.w.H., wonach die Anhängigkeit einer Beschwerde bei den Verwaltungsgerichten - wie im vorliegenden Fall - die Anwendbarkeit des § 68 Abs. 2 AVG nicht ausschließt).

Aus einem Bescheid, mit dem im Einparteienverfahren das Begehren der Partei u.a. - wie im vorliegenden Fall - abgewiesen oder eine Verpflichtung auferlegt wird, ist im Sinne des § 68 Abs. 2 AVG zwar niemandem ein Recht erwachsen. Eine Abänderung bzw. Aufhebung nach § 68 Abs. 2 AVG ist allerdings auch hier nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes unzulässig, wenn dadurch die Rechtslage der Partei ungünstiger als durch den abgeänderten bzw. aufgehobenen Bescheid gestaltet wird (vgl. dazu die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofs vom 26. April 1993, 90/10/0209; vom 27. April 2000, 98/10/0317; vom 9. September 2016, 2013/12/0196; vom 27. Mai 2014, 2011/10/0197 u.v.m. sowie Hengstschläger/Leeb, Kommentar zum AVG, Rz. 81 ff zu § 68, Stand 1.3.2018, rdb.at).

Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid ihren den Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz abweisenden Bescheid vom 24. November 2017 hinsichtlich der darin ebenfalls ausgesprochenen Rückkehrentscheidung insofern abgeändert, als sie diese durch ein Einreiseverbot ergänzt, einer Beschwerde gegen diese Entscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt sowie die ursprünglich erteilte Frist zur freiwilligen Ausreise zurückgenommen hat.

Damit wurde die Rechtsposition der Beschwerdeführerin aber unzweifelhaft ungünstiger als im Vergleich zur ursprünglichen Entscheidung gestaltet, weshalb die belangte Behörde im Sinne der oben zitierten Rechtslage zur gegenständlichen amtswegigen Abänderung gemäß § 68 Abs. 2 AVG - wie die Beschwerdeführerin auch zutreffend ausgeführt hat - nicht berechtigt war.

Hinzuweisen ist der Ordnung halber darauf, dass der angefochtene Bescheid auch nicht auf § 68 Abs. 3 AVG erkennbar gestützt hätte werden können.

Gemäß § 68 Abs. 3 AVG kann die Behörde, die den Bescheid in letzter Instanz erlassen hat, oder die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde andere Bescheide im öffentlichen Interesse insoweit abändern, als dies zur Beseitigung von das Leben oder die Gesundheit von Menschen gefährdenden Mißständen oder zur Abwehr schwerer volkswirtschaftlicher Schädigungen notwendig und unvermeidlich ist. In allen Fällen hat die Behörde mit möglichster Schonung erworbener Rechte vorzugehen.

Dass die darin normierten Voraussetzungen im vorliegenden Fall vorlägen, ist nicht erkennbar und wurde dies im Übrigen von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid auch gar nicht ansatzweise dargelegt (siehe dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. Mai 2015, 2011/10/0197, wonach es sich bei den in § 68 Abs. 3 AVG normierten Voraussetzungen um tatsächliche Auswirkungen handeln muss, die einen unerträglichen Nachteil für die Allgemeinheit bedeuten.).

Da somit aber die von der belangten Behörde herangezogene Bestimmung des § 68 Abs. 2 AVG keine Grundlage für die gegenständliche Abänderung bilden konnte, und auch sonst keine entsprechenden Rechtsgrundlagen, auf welche die belangte Behörde die in Rede stehende Abänderung stützen hätte können, vorliegen, war der Bescheid gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG ersatzlos zu beheben.

Vor dem Hintergrund, dass der gegenständlich angefochtene Bescheid bereits auf Grund der Aktenlage aufzuheben war, konnte gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG iVm § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht entfallen.

Auch konnte aufgrund der gegenständlich erfolgten Sachentscheidung binnen der durch § 18 Abs. 5 BFA-VG normierten Frist ein gesonderter Abspruch über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung unterbleiben.

Zu Spruchpunkt B)

Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung, von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es - wie der oben angeführten Rechtsprechung zu entnehmen ist - an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Abänderung eines Bescheides, aufschiebende Wirkung, aufschiebende
Wirkung - Entfall, Ausreise, Behebung der Entscheidung,
Bescheidabänderung, Einreiseverbot aufgehoben, ersatzlose Behebung,
Frist

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W256.2180929.2.00

Zuletzt aktualisiert am

06.02.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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