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32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;Norm
BAO §184;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Repa, über die Beschwerde des H in H, vertreten durch Dr. Erich Kadlec und Mag. Christian Weimann, Rechtsanwälte in Wien I, Schwarzenbergstraße 8, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 2. April 1998, Zl. GA 9-574/96, betreffend Schenkungssteuer, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Unstrittig ist, dass der Sohn des Beschwerdeführers in den Jahren 1984 bis 1989 im Wege zahlreicher telegraphischer Postanweisungen insgesamt S 2,016.920,-- erhalten hat, welchen Betrag er für Lebensunterhalt und Pferdehaltung verwendete.
Am 3. Jänner 1989 vom Finanzamt Tulln vernommen gab der Sohn des Beschwerdeführers u.a. folgendes an:
"Der Pacht und die Ausgaben für die Pferde werden von meinem Vater der in der BRD wohnhaft ist bezahlt. Diese Beträge kann ich mittels Postanweisungen belegen.
Von meinem Vater habe ich von Feb. 1984 bis jetzt ca. S 2,000.000,-- erhalten. Der Geldfluss wurde vor ca. 1 Jahr von der Sicherheitsdirektion Wien überprüft. Das Geld habe ich für meinen Lebensunterhalt und für die Betreuung und den Ankauf der Pferde verbraucht. Aufzeichnungen über meine Einnahmen habe ich nicht."
Am 28. Juni 1989 wurde der Sohn des Beschwerdeführers vom Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien als Finanzstrafbehörde I. Instanz als Verdächtiger vernommen. Er gab dabei u.a. folgendes an:
"Über die Zuwendungen meines Vaters Heini Wittenburg, D-2000 Hamburg, Bengelsdorferstraße, (Nr. ist mir momentan nicht geläufig, die weiß meine Ehefrau) vom Jahr 1984 bis Februar 1989 laut Aufstellung S 2,016.920,-- befragt, gebe ich an, dass mein Vater zu mir sagte, dass ich ihm diese Beträge zurückzahlen solle, wenn ich dazu in der Lage sein werde. Einen Zeitpunkt der Rückzahlungspflicht oder nähere Rückzahlungsbedingungen bzw. eine Frist, innerhalb deren die Geldleistungen von mir zurückgezahlt werden sollen, hat er nicht genannt:"
Daraufhin erließ das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern am 4. Oktober 1990 gegen den Sohn des Beschwerdeführers einen Schenkungssteuerbescheid, wogegen mit der Behauptung, die Zuwendung habe ein Darlehen dargestellt, berufen wurde.
Die daraufhin am 20. August 1993 erlassene abweisliche Berufungsvorentscheidung blieb unbekämpft.
Am 10. Mai 1986 hatte der Beschwerdeführer an die BH Baden ein Schreiben folgenden Inhaltes gerichtet:
"Hiermit bestätige ich, Hein Wittenburg, dass mein Sohn, Horst Wittenburg, meine Pferde für mich betreut und trainiert und dass er dafür von mir monatliche Zuwendungen erhält. Diese Unterstützungen werde ich auch in Zukunft leisten."
Im Zuge einer Vernehmung durch die BH Tulln am 22. April 1987 gab der Sohn des Beschwerdeführers u.a. folgendes an:
"Ich habe innerhalb von weniger als drei Wochen einen Betrag von rund ÖS 42.000,-- von meinem Vater Heini Wittenburg, D-2000 Hamburg, Bengeldorferstr. 38, erhalten.
Mein Vater unterstützt mich seit meiner Einreise nach Österreich (1984) regelmäßig mit verschieden hohen Geldbeträgen, damit ich in der Lage bin, mit den Pferden (11 Pferde), die meinem Vater (7 Pferde), mir selbst (3 Pferde) und meiner Frau (1 Pferd) gehören, zu arbeiten, sie zu trainieren und Rennen damit zu beschicken. Der Erhalt eines Betrages von rund ÖS 42.000,-- in weniger als drei Wochen ist nichts ungewöhnliches, da ich von meinem Vater laufend mit Geld unterstützt werde, damit ich die Pferde ordnungsgemäß halten und trainieren kann. Seit ich in Österreich bin, hat mich mein Vater mit insgesamt rund 2 Millionen Schilling unterstützt."
Der Beschwerdeführer selbst hatte am 10. Juni 1987 von der "Fachdirektion 633" in Hamburg kriminalpolizeilich vernommen u.a. folgendes angegeben:
"Es ist richtig, dass mein Sohn in Österreich lebt und sich dort auch zusammen mit seiner Familie eine Existenz aufbauen will. Es trifft auch zu, dass ich ihn bereits seit Jahren finanziell unterstütze.
Ich bin Angestellter im Betrieb meines Cousins, der Spielautomatenaufsteller ist. Ich verdiene sehr viel Geld; die Höhe möchte ich jedoch nicht angeben. Meine Frau ist ebenfalls berufstätig.
Es ist richtig, dass ich meinen Sohn in Österreich finanziell unterstütze. Dadurch, dass meine Frau und ich sparsam leben, haben wir einiges an Geld zur Verfügung. Ich habe meinem Sohn im Laufe der letzten Jahre viel Geld überwiesen. Den genauen Betrag weiß ich nicht mehr, es sind jedoch über eine Million österreichische Schilling gewesen. Mein Sohn hat in Österreich von mir auch 7 oder 8 Pferde, die noch mein Eigentum sind, und für die ich ja auch aufkommen muss.
Ich versichere, dass ich dieses Geld in Deutschland reell erworben habe."
In einem Schreiben der Rechtsanwälte Cadmus & Partner als bevollmächtigte Vertreter des Beschwerdeführers (und seiner Ehegattin) an das Finanzamt Hamburg-Barmbek-Uhlenhorst vom 5. November 1993 findet sich u.a. folgende Erklärung:
"Meine Mandanten haben innerhalb der letzten 10 Jahre (jeweils in kleinen Teilbeträgen) jeweils zusammen DM 90.000,00 an ihren gemeinsamen Sohn verschenkt, der in Österreich lebt. Vor über 10 Jahren haben sie bereits kleinere Geldbeträge von zusammen DM 20.000,00 an ihn verschenkt. Nach meiner Information wurden innerhalb der gesetzlichen 10-Jahresfrist - gerechnet von jeder Schenkung zeitlich rückwärts - keine die gesetzlichen Freibeträge übersteigende Beträge übereignet."
Ein AV der Strafsachenstelle des Finanzamtes für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien vom 27. Mai 1994 lautet auszugsweise:
"Mittwoch, den 25.5.1994, erschien unaufgefordert Horst Wittenburg, um sich um den aktuellen Stand der ha.
finanzstrafbehördlichen Ermittlungen zu erkundigen. Im Laufe des Gespräches wies der Einschreiter immer wieder darauf hin, dass er vom Beginn an alle Organe der Finanz stets darauf hingewiesen hätte, dass es sich bei den verfahrensgegenständlichen Vermögensübergängen von seinem Vater an ihn durch all die Jahre stets lediglich um Darlehen gehandelt hätte. Dies hätte er auch unlängst neuerlich den Organen der Finanzstrafbehörde gesagt, obwohl jene erheblichen Druck auf ihn ausgeübt hätten, doch zuzugeben, dass es sich um Schenkungen gehandelt hätte. Über näheres Befragen des Endesgefertigten erklärte Wittenburg sodann, dass ursprünglich ein mündlicher Darlehensvertrag zwischen seinem Vater und ihm per Handschlag in Anwesenheit beider Gattinnen sowie glaublich eines Schwagers vereinbart worden sei, der jedoch etwa 2 Jahre später in Schriftform festgehalten wurde. Der Endesgefertigte forderte daraufhin Wittenburg auf, doch diesen schriftlichen Darlehensvertrag vorlegen zu wollen, bzw. auch die schriftlichen Zeugenaussagen hinsichtlich des mündlichen Darlehensvertrages nachzureichen."
Am 3. August 1995 erließ das Finanzamt gegen den Beschwerdeführer einen Schenkungssteuerbescheid, weil die Abgabe bei seinem Sohn nicht einbringlich war.
In der dagegen erhobenen Berufung behauptet der Beschwerdeführer, er habe den Betrag von S 2,016.920,-- seinem Sohn nur darlehensweise überlassen. Sein Sohn sei zur Rückzahlung verpflichtet.
Gegen die daraufhin ergangene abweisliche Berufungsvorentscheidung beantragte der Beschwerdeführer die Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz, wobei er eine Erklärung seines Sohnes vorlegte, die folgenden Wortlaut hat:
"Hiermit bestätige ich - Horst Wittenburg -, dass jegliches Geld, das ich von meinem Vater erhalten habe, ein zinsenloses Darlehen darstellt. Die Rückzahlung wurde nicht befristet."
Die belangte Behörde gab der Berufung teilweise Folge und setzte ausgehend von einer Bemessungsgrundlage von S 1,314.610,-- Schenkungssteuer im Ausmaß von 6 % (= S 78.877,--) fest. Sie erachtete dem Grunde nach die Behauptung, der in Rede stehende Betrag sei dem Sohn des Beschwerdeführers darlehensweise zur Verfügung gestellt worden, für nicht glaubwürdig, wobei sie sich insbesondere auf die ersten Aussagen des Sohnes des Beschwerdeführers und die schriftliche Erklärung des Beschwerdeführers vom 5. November 1993 stützte. Außerdem verwies die belangte Behörde darauf, dass nach den von ihr im Wege des Wohnsitzfinanzamtes des Beschwerdeführers gepflogenen Erhebungen der Beschwerdeführer die behauptete offene Darlehensforderung nie als aktiven Vermögenswert einbekannt habe.
Zur Höhe führte die belangte Behörde wörtlich folgendes aus:
"Es wird als feststehend angenommen, dass ein Teil der in Österreich betreuten Pferde im Eigentum des Bw. standen und es ist realistisch anzunehmen, dass ein Teil der überwiesenen Geldbeträge für die Betreuung der Pferde des Bw. Verwendung finden sollten. Als glaubhaft wahrer Sachverhalt ist jener anzunehmen, wonach die überwiesenen Beträge nicht in ihrer gesamten Höhe zur Bereicherung führten. In Berücksichtigung des Verhältnisses der Zahl der zu betreuenden eigenen Pferde und fremder, der Fixkosten und Unterstützungsleistung wird im Wege der Schätzung ein Drittel der überwiesenen Beträge nicht der Schenkungssteuer unterzogen.
Summe der überwiesenen Beträge:
S
2.016.820,--
weniger als ein Drittel - 672.307,--
1.344.613,--
Freibetrag 30.000,--
1.314.613,--"
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtshofbeschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes bzw. Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht darauf verletzt, bei Nichtvorliegen eines der Tatbestände des Erbschafts- und Schenkungssteuergesetzes keine Schenkungssteuer zahlen zu müssen.
Der Bundesminister für Finanzen legte die Verwaltungsakten und die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift vor, in der die Abweisung der Beschwerde als unbegründet begehrt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 3 Abs. 1 Z. 2 ErbStG gilt als Schenkung im Sinne des Gesetzes jede andere freigebige Zuwendung unter Lebenden, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird.
§ 20 Abs. 8 leg. cit. bestimmt:
"(8) Ist eine Zuwendung unter einer Auflage gemacht, die in Geld veranschlagt werden kann, so ist die Zuwendung nur insoweit steuerpflichtig, als sie den Wert der Leistung des Beschwerten übersteigt, es sei denn, dass die Leistung dem Zwecke der Zuwendung dient."
§ 184 Abs. 1 BAO lautet:
"(1) Soweit die Abgabenbehörde die Grundlagen für die Abgabenerhebung nicht ermitteln oder berechnen kann, hat sie diese zu schätzen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind."
Der Haupteinwand der Beschwerde geht dahin, dass der Beschwerdeführer seinem Sohn in Wahrheit ein zinsenloses Darlehen gewährt habe und richtet sich gegen die von der belangten Behörde vorgenommene Beweiswürdigung. Dabei werden von der Beschwerde aber nur jene Passagen aus den Erhebungsergebnissen in den Vordergrund gestellt, in denen insbesondere im fortgeschrittenen Stadium der Ermittlungen ein Darlehen behauptet wurde; vernachlässigt werden dagegen die ursprünglichen Angaben des Sohnes des Beschwerdeführers, worin von einem Darlehen keine Rede war. Insbesondere mit Rücksicht auf die von den Rechtsanwälten des Beschwerdeführers in seinem Namen am 5. November 1993 abgegebene Erklärung (auf die die Beschwerde bezeichnenderweise überhaupt nicht eingeht) erweist sich daher die von der belangten Behörde vorgenommene, eine Darlehensvereinbarung verneinende Beweiswürdigung als schlüssig und ist daher in weiterer Folge dem Grund nach von dem von der belangten Behörde festgestellten Sachverhalt auszugehen.
Die jetzt erstmals in der Beschwerde aufgestellte Behauptung, es habe sich um Unterhaltsleistungen des Beschwerdeführers an seinen Sohn gehandelt (die überdies durch die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens in keiner Weise gedeckt ist) stellt eine unzulässige und daher nicht beachtliche Neuerung dar.
Auch die Rüge, es habe keine Berufungsverhandlung stattgefunden, muss versagen, weil gemäß §§ 282 Abs. 1 und 284 iVm 220 Abs. 2 BAO Berufungsverhandlungen nur in den Fällen stattfinden, die nicht durch monokratische Entscheidung sondern durch einen Berufungssenat zu erledigen sind, was hier nicht der Fall war.
Hingegen ist die Beschwerde im Recht, insoweit sie sich gegen die vom angefochtenen Bescheid vorgenommene Berechnung der Bemessungsgrundlage wendet.
Die Befugnis (Verpflichtung) zur Schätzung besteht allein dann, wenn objektiv die Besteuerungsgrundlagen nicht zu ermitteln (zu berechnen) sind (vgl. Ritz, BAO-Kommentar2 Rz 6 mwN). Auch Schätzungsergebnisse unterliegen nach Maßgabe des § 93 Abs. 3 lit. a bzw. des § 288 Abs. 1 lit. d BAO der Begründungspflicht. Die Begründung hat die für die Schätzungsbefugnis sprechenden Umstände, die Schätzungsmethode, die der Schätzung zugrunde gelegten Sachverhaltsannahmen und die Ableitung der Schätzungsergebnisse (Darstellung der Berechnung) darzulegen (vgl. dazu insbesondere Ritz, a.a.O. Rz. 21 zu § 184 BAO und die dort angeführte hg. Rechtsprechung).
Im vorliegenden Fall legt die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid mit keinem Wort näher dar, warum es nicht möglich war, den für die Haltung der vom Sohn des Beschwerdeführers betreuten Pferde des Beschwerdeführers (laut den Angaben des Sohnes vom 22. April 1987 handelte es sich dabei um sieben Stück) erforderlichen Aufwand zu ermitteln und fehlt in der Begründung des angefochtenen Bescheides auch jede nachvollziehbare und damit nachprüfbare Darstellung, warum die belangte Behörde angesichts eines Verhältnisses von sieben für den Beschwerdeführer betreuten Pferden und drei Pferden des Sohnes des Beschwerdeführers (vgl. nochmals die schon zitierte Aussage des Sohnes des Beschwerdeführers vom 22. April 1987) ein Drittel der überwiesenen Beträge (in Berücksichtigung des Verhältnisses der betreuten Pferde) abgezogen hat. Der angefochtene Bescheid leidet daher an einem wesentlichen Begründungsmangel, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VO BGBl. 416/1994.
Die Abweisung des Kostenmehrbegehrens betrifft einerseits die gesondert angesprochene Umsatzsteuer und andererseits Stempel- und Beilagengebühren. Umsatzsteuer kann wegen des Pauschalcharakters des Schriftsatzaufwandes nicht gesondert zuerkannt werden (vgl. die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3 687 Abs. 3 referierte hg. Judikatur); weitere Stempel- und Beilagengebühren waren im Beschwerdefall neben der gemäß § 24 Abs. 3 VwGG (idF BGBl. I 1997/88) zu entrichtenden Gebühr von S 2.500,-- nicht zu entrichten.
Wien, am 5. Juli 1999
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1998160148.X00Im RIS seit
20.11.2000