TE Bvwg Erkenntnis 2018/12/3 W177 2129460-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 03.12.2018
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Entscheidungsdatum

03.12.2018

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs2
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W177 2129460-1/18E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Volker NOWAK als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX geb. am XXXX, StA. Afghanistan, vertreten durch ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, 1170 WIen, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Steiermark, vom 10.06.2016, XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 15.03.2018 zu Recht erkannt:

A) Der Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 stattgegeben

und XXXX der Status der Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 Asylgesetz 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

I.1. Der Beschwerdeführer, Staatsangehöriger von Afghanistan und Angehöriger der Volksgruppe der Hazara, reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen in die Republik Österreich ein und stellte am 26.04.2015 erstmals im Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz.

Im Rahmen der Erstbefragung am 28.04.2015 gab der Beschwerdeführer zum Fluchtgrund befragt im Wesentlichen an, dass er Afghanistan aufgrund wirtschaftlicher und finanzieller Probleme verlassen habe. Er sei nach Europa gekommen, um hier ein neues Leben zu beginnen.

I.2. In der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 24.05.2016 führte der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen auf das Wesentliche zusammengefasst aus, dass er seine Heimat aufgrund von wirtschaftlichen und finanziellen Problemen habe verlassen müssen. Außerdem würde er sich für das Christentum interessieren und Christ werden wollen.

I.3. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 10.06.2016, zugestellt am 16.06.2016, wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten § 8 Abs. 1 AsylG iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt II.), erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG, erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs, 2 Z 2 FPG und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt.

I.4. Mit Verfahrensanordnung vom 10.06.2016 wurde dem Beschwerdeführer für ein etwaiges Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eine Rechtsberatungsorganisation zur Seite gestellt.

I.5. Gegen den oben dargestellten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.06.2016 richtet sich die am 01.07.2016 bei der belangten Behörde eingelangte vollumfängliche Beschwerde.

I.6. Das Bundesverwaltungsgericht führte zur Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes am 13.03.2018 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der der Beschwerdeführer, sein bevollmächtigter Rechtsvertreter, ein im Akt namentlich erwähnter Zeuge und eine Dolmetscherin für die Sprache Dari teilnahmen. Die belangte Behörde verzichtete auf die Teilnahme. Der Beschwerdeführer führte im Wesentlichen aus, er sei zum Christentum konvertiert und drohe ihm aus diesem Grunde Verfolgung im Herkunftsstaat.

I.7. Der Beschwerdeführer legte im Lauf des Verfahrens folgende Dokumente vor:

* Taufurkunde der christlichen Gemeinde XXXX über die Taufe des Beschwerdeführers am XXXX

* Foto von der Taufe des Beschwerdeführers

* Abschrift der Taufandacht

* Fotokonvolut diverser Aktivitäten mit der Gemeinde

* Bestätigung der BH XXXX über den Austritt des Beschwerdeführers aus der islamischen Glaubensgemeinschaft vom XXXX

* Arbeitszeugnis des Beschwerdeführers vom 10.09.2017 samt Fotos

* Deutschkursbestätigung des Roten Kreuzes vom 10.05.2017 und vom 15.02.2017

* Bestätigung über einen Erste-Hilfe-Auffrischungskurs vom 13.06.2017 samt Fotos

* Rotkreuzcard des Beschwerdeführers

* Bestätigung der "Team Österreich Tafel" XXXX über die ehrenamtliche Tätigkeit des Beschwerdeführers vom 08.03.2016

* Empfehlungsschreiben von XXXX samt Fotos und einer Eintrittskarte für die Oper

* Empfehlungsschreiben von XXXX vom 14.03.2018

* Empfehlungsschreiben von XXXX samt Fotos

* Informationskonvolut zum Taufkurs

* Deutschkursbestätigung vom 13.12.2016 von XXXX

* Bestätigung der Kirche der XXXX über die Teilnahme des Beschwerdeführers an Bibelkreis und Gottesdienst vom 12.12.2016

* Bestätigung der XXXX über die regelmäßige Teilnahme des Beschwerdeführers an Gottesdiensten vom 10.12.2016

* Bestätigung des Roten Kreuzes über die freiwillige Mitarbeit des Beschwerdeführers bei der "Tafel Österreich" vom 29.11.2016

* Deutschkurs-Teilnahmebestätigung der Volkshochschule

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

II.1. Feststellungen:

II.1.1. Zur Person des Beschwerdeführers

Der Beschwerdeführer trägt den im Spruch angeführten Namen, geboren am XXXX und ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan, Angehöriger der Volksgruppe der Hazara und bekennt sich zum christlichen Glauben. Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Dari.

Die Identität des Beschwerdeführers steht, mit Ausnahme der Staatsangehörigkeit und Volksgruppenzugehörigkeit, mangels Vorlage identitätsbezeugender Dokumente nicht fest.

Der Beschwerdeführer ist gesund.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

II.1.2. Zu den Lebensumständen des Beschwerdeführers

Der Beschwerdeführer wurde in Kabul in Afghanistan geboren. Er hat drei Jahre die Koranschule besucht und anschließend als Hilfsarbeiter in einer Schneiderei gearbeitet.

Die Eltern, fünf Brüder und zwei Schwestern des Beschwerdeführers leben in Kabul. Zu ihnen besteht Kontakt. Auch einige Onkel und Tanten leben noch im Herkunftsstaat.

Der Beschwerdeführer hat recht beachtliche Integrationserfolge vorzuweisen.

II.1.3. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers

Der Beschwerdeführer verließ den Herkunftsstaat aufgrund der schlechten wirtschaftlichen und finanziellen Lage und hielt sich zunächst etwa zwei Jahre im Iran auf.

Im Herkunftsstaat gehörte der Beschwerdeführer der schiitischen Glaubensrichtung des Islam an. Er interessierte sich etwa ab dem Jahr 2016 für das Christentum und nahm zunächst an Bibelkreisen und Gottesdiensten der Kirche der XXXXund der XXXX teil.

Der Beschwerdeführer besuchte seit dem Jahr 2017 Gottesdiensten und Bibelkreisen der Gemeinde "XXXX".

Der Beschwerdeführer hat am XXXXseinen Austritt aus der islamischen Glaubensgemeinschaft angezeigt.

Am XXXX wurde der Beschwerdeführer im Rahmen der freikirchlichen christlichen Gemeinde "XXXX" getauft.

Der Beschwerdeführer bekennt sich offen zum Christentum und nimmt engagiert an gemeinschaftlichen religiösen Aktivitäten in seiner Pfarrgemeinde teil.

Im Herkunftsstaat wäre der Beschwerdeführer, weil er sich vom Islam abgewandt hat und seinen neuen Glauben lebt, Übergriffen durch Privatpersonen sowie der strafrechtlichen Verfolgung durch den Staat ausgesetzt.

II.1.4. Zur Lage im Herkunftsstaat

Die in der afghanischen Verfassung garantierte Religionsfreiheit gilt ausdrücklich nur für Anhänger_innen anderer Religionen als dem Islam. Die Abkehr vom Islam ist nach der Scharia auch strafbewehrt.

Unter dem Einfluss der Scharia droht die in Afghanistan eigentlich auf besonders schwerwiegende Delikte beschränkte Todesstrafe auch bei "Delikten" wie Blasphemie und Apostasie.

Die gesellschaftliche Einstellung gegenüber Christen ist ablehnend. Konversion wird als Akt der Abtrünnigkeit und Verbrechen gegen den Islam gesehen. Es gibt keine öffentlichen Kirchen. Für christliche Afghan_innen gibt es keine Möglichkeit der Religionsausübung außerhalb des häuslichen Rahmens. Einige Konversionsfälle von Christen haben zu harten Strafen geführt und dadurch internationale Aufmerksamkeit erlangt

II.2. Beweiswürdigung:

II.2.1. Zur Person des Beschwerdeführers

Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers, seiner Staatsangehörigkeit, Herkunft und Volksgruppenzugehörigkeit ergeben sich aus seinen gleichbleibenden und glaubwürdigen Angaben vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, in der Beschwerde sowie in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht. Auch die belangte Behörde ging in ihrem Bescheid bereits von der Glaubwürdigkeit der Diesbezüglichen Angaben des Beschwerdeführers aus.

Zum Geburtsdatum des Beschwerdeführers ist auszuführen, dass sich aus dem von der belangten Behörde beauftragten medizinischen Sachverständigengutachten zur Volljährigkeitsbeurteilung als spätestmögliches "fiktives" Geburtsdatum der XXXX ergibt. Im Zuge seiner Asylantragstellung in Ungarn wurde der Beschwerdeführer dagegen mit dem Geburtsdatum XXXX erfasst, wie sich aus dem Akt ergibt. Die belangte Behörde geht allerdings vom Geburtsdatum XXXX aus, ohne dass im Akt klar ersichtlich wäre, wie sie zu diesem Datum kommt. Mangels Verfahrensrelevanz des genauen Geburtsdatums und weil ein diesbezügliches Vorbringen in der Beschwerde und der mündlichen Verhandlung nicht erstattet wurde, geht das Bundesverwaltungsgericht zur Bestimmung der Verfahrensidentität des Beschwerdeführers weiterhin vom im angefochtenen Bescheid angegebenem nunmehr auch oben festgestellten Geburtsdatum aus, legt jedoch auf die Feststellung wert, dass dies Annahme des Geburtsdatums sowie die Feststellung des Namens des Beschwerdeführers lediglich der Identifizierung des Beschwerdeführers als Verfahrenspartei dient, nicht jedoch eine Feststellung der Identität im Sinne einer Vorfragenbeurteilung iSd § 38 AVG bedeutet. Insbesondere hat der Beschwerdeführer keine unbedenklichen nationalen Identitätsdokumente bzw. sonstigen Bescheinigungsmittel vorgelegt.

Dass der Beschwerdeführer gesund ist, ergibt sich daraus, dass ein anderslautendes Vorbringen nicht erstattet und im Lauf des Verfahrens auch keine ärztlichen Unterlagen vorgelegt wurden, die eine gesundheitliche Beeinträchtigung des Beschwerdeführers nachweisen würden.

Die Feststellung zur Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus dem Strafregister, in das das Bundesverwaltungsgericht Einsicht genommen hat.

II.2.2. Zu den Lebensumständen des Beschwerdeführers

Die Feststellungen zu den Lebensumständen des Beschwerdeführers ergeben sich aus dessen gleichbleibenden und glaubwürdigen Angaben.

Die Integrationserfolge des Beschwerdeführers ergeben sich aus den umfassenden vorgelegten Integrationsunterlagen.

II.2.3. Zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers

Die Feststellungen zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers ergeben sich aus den vorgelegten Unterlagen und Fotos sowie aus den Aussagen des Beschwerdeführers und des im Akt namentlich genannten Zeugen in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 13.03.2018:

Der Beschwerdeführer machte insbesondere während seiner eigenen Befragung und der Einvernahme des Zeugen einen gespannten und emotional bewegten Eindruck, sodass das Bundesverwaltungsgericht von der Glaubwürdigkeit seines Glaubenswechsels ausgehen muss. Auch der befragte Zeuge schilderte seine Beobachtungen vom Reifungsprozess des inneren Glaubenswechsels des Beschwerdeführers glaubwürdig und überzeugend.

Zusätzlich zeigt sich der Glaubenswechsel des Beschwerdeführers auch am Leben in seiner Pfarrgemeinde nach außen hin, was von den im Akt einliegenden vorgelegten Fotos umfassend dokumentiert wird und geht auch aus den ebenfalls im Akt einliegenden Empfehlungsschreiben hervor. Dies wurde weitgehend vom in der mündlichen Verhandlung am 15.03.2018 einvernommenen Zeugen bestätigt, sodass sich für das Bundesverwaltungsgericht insgesamt als glaubwürdig darstellt, dass der Beschwerdeführer als Mitglied seiner Pfarrgemeinde seinen Glauben intensiv lebt und nach seiner inneren Überzeugung Christ ist.

Wegen Entscheidungsreife braucht auf das übrige Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers nicht eingegangen zu werden.

II.2.4. Zur Lage im Herkunftsstaat

Die Feststellungen zur Religionsfreiheit ergeben sich aus Kapitel

15. Religionsfreiheit des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Stand 30.01.2018, S. 161 f.

Dass unter anderem für Apostasie die Todesstrafe droht, ergibt sich aus Kapitel 14. Todesstrafe des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Stand 30.01.2018, S. 160 f.

Die Feststellungen zur gesellschaftlichen Einstellung gegenüber Christen sowie zur fehlenden Möglichkeit zur Religionsausübung fußen ebenso auf Kapitel 15. Religionsfreiheit des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Stand 30.01.2018, Unterkapitel 15.2. Christen und Konversionen zum Christentum S. 165 f.

Zur Seriosität und Plausibilität der herangezogenen Erkenntnisquelle zur Beurteilung der Lage im Herkunftsstaat ist auszuführen, dass die Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl gesetzlich verpflichtet ist, die gesammelten Tatsachen nach objektiven Kriterien wissenschaftlich aufzuarbeiten (allgemeine Analyse) und in allgemeiner Form zu dokumentieren. Angesichts der umfassend angeführten vielfältigen Erkenntnisquellen und des dargestellten übereinstimmenden und schlüssigen Gesamtbildes der Situation in Afghanistan besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln. Auch haben weder der Beschwerdeführer noch die belangte Behörde ein Vorbringen dahingehend erstattet, dass die aufbereiteten Informationen im fallrelevanten Punkt die Lage im Herkunftsstaat nicht realitätsgetreu abbilden würden.

Zur nunmehr vorliegenden aktuelleren Fassung des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation, Stand 29.06.2018 ist auszuführen, dass sich diesem eine für das gegenständlichen Verfahren maßgebliche Veränderung der Umstände nicht entnehmen lässt.

II.3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Stattgebung der Beschwerde

II.3.1. Zur Verfolgungsgefahr wegen Apostasie:

Gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (in der Folge AsylG) in Verbindung mit Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass er sich aus wohlbegründeter Furcht, unter anderem aus Gründen der Religion verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Nach § 3 Abs. 2 AsylG kann die Verfolgung auch auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe).

Der Verfassungsgerichtshof hat ausgesprochen, dass asylrelevante Verfolgung gemäß § 3 Abs. 2 AsylG 2005 auch auf Aktivitäten beruhen kann, die der Fremde seit dem Verlassen des Herkunftsstaats gesetzt hat (VfGH 12.12.2013, U 2272/2012).

Mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers, wegen seiner Konversion zum Christentum in Afghanistan aus religiösen Gründen verfolgt zu werden, macht der Beschwerdeführer einen subjektiven Nachfluchtgrund geltend (vgl. § 3 Abs. 2 AsylG 2005).

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs ist in Bezug auf die asylrechtliche Relevanz einer Konversion zum Christentum entscheidend, ob der Fremde bei weiterer Ausübung seines inneren Entschlusses, nach dem christlichen Glauben zu leben, im Fall seiner Rückkehr in seinen Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen müsste, aus diesem Grund mit die Intensität der Verfolgung erreichenden Sanktionen belegt zu werden (zuletzt VwGH 07.05.2018, Ra 2018/20/0186).

Aus dem festgestellten Sachverhalt ergibt sich, dass der Beschwerdeführer als früherer Moslem, der nunmehr zum Christentum konvertiert ist, im Fall der Rückkehr in seinen Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit mit Verfolgung rechnen muss.

II.3.2. Zum Nichtvorliegen einer innerstaatlichen Fluchtalternative:

Gemäß § 11 Abs. 1 AsylG ist der Antrag auf internationalen Schutz abzuweisen, wenn Asylwerbern in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder von sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden und ihnen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden kann.

Nach den Feststellungen ist davon auszugehen, dass sich die Verfolgungsgefahr für den Beschwerdeführer auf das gesamte Staatsgebiet Afghanistans bezieht, sodass eine innerstaatliche Fluchtalternative für den Beschwerdeführer nicht besteht.

II.3.3. Zur Nichtanwendbarkeit des § 3 Abs. 4 AsylG idF BGBl. I Nr. 24/2016:

Der Vollständigkeit halber wird angemerkt, dass § 3 Abs 4 AsylG idF BGBl. I Nr. 24/2016 nach § 75 Abs. 24 AsylG auf Fremde, die einen Antrag auf internationalen Schutz vor dem 15.11.2015 gestellt haben, nicht anzuwenden. Nachdem der Beschwerdeführer seinen Antrag auf internationalen Schutz am 01.06.2015 gestellt hat, ist § 3 Abs 4 AsylG idF BGBl. I Nr. 24/2016 folglich nicht anzuwenden.

Dem Beschwerdeführer war daher gemäß § 3 Abs. 1 AsylG der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG war die Entscheidung über die Asylgewährung mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Beschwerdeführer damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 vorliegt. Dass eine Konversion als subjektiver Nachfluchtgrund zur Asylgewährung führen kann, ergibt sich klar aus der unter A) zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichthofes und des Verfassungsgerichtshofes. Ob ein Glaubenswechsel tatsächlich vollzogen wurde und dessen möglich Folgen für den Beschwerdeführer im Herkunftsstaat sind dagegen auf Ebene der Beweiswürdigung zu beurteilen.

Schlagworte

asylrechtlich relevante Verfolgung, gesamtes Staatsgebiet,
Konversion, Nachfluchtgründe, Religion, wohlbegründete Furcht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W177.2129460.1.00

Zuletzt aktualisiert am

06.02.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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