TE Bvwg Erkenntnis 2018/12/6 W171 2210473-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.12.2018
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Entscheidungsdatum

06.12.2018

Norm

BFA-VG §22a Abs1 Z1
BFA-VG §22a Abs3
B-VG Art.133 Abs4
FPG §76 Abs2 Z2
VwGVG §35
VwGVG §35 Abs3

Spruch

W171 2210473-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gregor MORAWETZ, MBA als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Nigeria, vertreten durch Edward W. DAIGNEAULT, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl: IFA XXXX zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird gemäß § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG i.V.m. § 22a Abs. 1 BFA-VG als unbegründet abgewiesen.

II. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG i.V.m. § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG wird festgestellt, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen.

III. Gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG i.V.m. § 1 Z. 3 und Z. 4 VwG-AufwErsV hat die beschwerdeführende Partei dem Bund Aufwendungen in Höhe von € 426,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

IV. Der Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Kostenersatz wird gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1.1. Der Beschwerdeführer (in Folge: BF) reiste illegal in Österreich ein und stellte am 11.07.2017 in Österreich seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz. Dieses Verfahren ist seit 14.03.2018 in erster Instanz rechtskräftig negativ abgeschlossen. Gegen den BF wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und die Abschiebung nach Nigeria für zulässig erklärt. Zur Ausreise wurde eine Frist bis zum 28.03.2018 eingeräumt.

1.2. Am 15.05.2018 stellte der BF in Österreich einen Folgeantrag, der mit Bescheid vom 25.07.2018 gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen wurde. Die dagegen erhobene Beschwerde an das BVwG vom 12.10.2018 ist bei Gericht anhängig. Der Beschwerde wurde bisher die aufschiebende Wirkung nicht zuerkannt.

1.3. Mit Urteil eines Landesgerichtes vom 20.08.2018 wurde der BF bedingt zu einer fünfmonatigen Haftstrafe verurteilt.

1.4. Über den BF wurde bereits vor seiner Einreise nach Österreich durch die Schweiz ein bis 19.08.2019 gültiges Einreiseverbot für den Schengenraum verhängt.

1.5. Am 19.11.2018 erfolgte aufgrund Lage eines Festnahmeauftrags die Festnahme und Einlieferung des BF in ein Polizeianhaltezentrum.

1.6. Über den BF wurde am 20.11.2018 die gegenständliche Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung bescheidmäßig verhängt. Im Wesentlichen wurde ausgeführt, dass der BF bereits mehrfach in Norwegen Asylanträge gestellt habe und auch abgeschoben worden sei. Er sei jedoch unerlaubt in Österreich eingereist obwohl gegen ihn ein seit 30.08.2016 bestehendes schengenweites Einreise- und Aufenthaltsverbot bestehen würde. In Österreich habe er sodann am 15.05.2018 einen Asylfolgeantrag gestellt und sei sein Antrag gemäß § 68 AVG zurückgewiesen worden. Der BF sei klar nicht ausreisewillig, persönlich unglaubwürdig, habe kein gültiges Reisedokument, sei mittellos und nicht selbsterhaltungsfähig. Er habe in Österreich keinen ordentlichen Wohnsitz und sei weder familiär, noch beruflich in Österreich integriert. Die Behörde gehe daher vom Bestehen eines Sicherungsbedarfes aus, da der BF die Tatbestände des § 76 Abs. 3 Z 1, 3 und 9 erfüllt habe. Darüber hinaus sei die Verhängung der Schubhaft auch verhältnismäßig und eine Sicherung der Abschiebung durch gelindere Mittel nicht als zweckentsprechend anzusehen. Die Verhängung der Schubhaft sei als ultima ratio anzusehen und sohin rechtmäßig erfolgt.

1.7. Am 22.11.2018 wurde der BF zur gegenständlichen Schubhaft einvernommen und führte im Wesentlichen aus, er sei gesund und nehme keine Medikamente. Er sei nigerianischer Staatsangehöriger und habe keine Information über sein laufendes Verfahren erhalten. Er habe nicht gewusst, dass er das Land hätte verlassen müssen. Bei der nigerianischen Botschaft habe er bereits die Ausstellung eines Reisepasses beantragt, diesen jedoch noch nicht erhalten. Er besitze € 200, --. Er werde nach Nigeria zurückkehren, wolle jedoch nicht abgeschoben werden. Er wolle selbständig zurückkehren.

Die Unterschrift unter das Einvernahmeprotokoll verweigerte der BF.

1.8. Am XXXX wurde der BF vor eine nigerianische Botschaftsdelegation vorgeführt und seitens der nigerianischen Botschaft nach diesem Gespräch mit dem BF erklärt, dass für diesen ein Heimreisezertifikat ausgestellt werde.

1.9. Am 30.11.2018 wurde gegen die gegenständliche Schubhaftverhängung Beschwerde erhoben und im Wesentlichen ausgeführt, der BF sei homosexuell und habe daher eine Berechtigung, in verschiedenen europäischen Ländern mehrfach Asylanträge zu stellen, um den drohenden erheblichen Gefahren bei einer Rückkehr nach Nigeria ausweichen zu können. Aus den Länderinformationen aus der Staatendokumentation ergebe sich klar, dass der BF, der sich zu seiner Homosexualität bekenne, in seinem Heimatland gefährdet sei. Aus diesem Grunde habe der BF auch am 12.10.2018 Beschwerde gegen die zurückweisende Entscheidung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in Folge: BFA) erhoben, über welche noch nicht entschieden worden sei. Dennoch sei die verfahrensgegenständliche Schubhaft erlassen worden.

Der BF sei an seiner Wohnanschrift festgenommen worden und könne daher von einem Untertauchen bzw. der Gefahr eines Untertauchens nicht gesprochen werden. Die Tatsache, dass der BF mehrfach aus Norwegen nach Nigeria abgeschoben worden sei, spreche sowieso dagegen, dass der BF seine Abschiebung in Österreich erschweren würde. Würde der BF seine Abschiebung erschweren wollen, so hätte er sich nicht mehrfach aus Norwegen abschieben lassen.

Die Behörde habe zu Unrecht die Heranziehung eines gelinderen Mittels erst gar nicht in Betracht gezogen. Im Lichte des Urteils des EuGHs im Fall "Gnandi" bestehe im Übrigen noch keine Ausreiseverpflichtung für den BF.

Beantragt wurde die Feststellung der Rechtswidrigkeit der gegenständlichen Schubhaft seit deren Beginn. Weiters möge das Bundesverwaltungsgericht feststellen, dass zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen nicht vorliegen würden. Beantragt wurde unter Hinweis auf § 35 VwGVG der Zuspruch von Eingabegebühr und Aufwandsersatz im gesetzlichen Umfang, wobei die Eingabegebühr nach Ansicht der Rechtsvertretung wohl als ersatzfähige Barauslage anzusehen sei.

1.10. Am 03.12.2018 erfolgte die Aktenlage seitens des BFA sowie die Vorlage einer Stellungnahme zum gegenständlichen Schubhaftbeschwerdeverfahren. Darin wurde näher ausgeführt, dass der BF die aufgrund eines rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahrens bestehende Pflicht zur Ausreise bis 23.05.2018 nicht erfüllt habe. Anstatt dessen habe der BF einen Asylfolgeantrag gestellt und befände sich dieses Asylantragsverfahren nunmehr in Beschwerde. Aufschiebende Wirkung wurde der Beschwerde seitens des BVwG bisher nicht zuerkannt und sei die erlassene Rückkehrentscheidung seit 13.11.2018 durchführbar. Die Zusage der Ausstellung eines Heimreisezertifikates seitens der nigerianischen Botschaft sei gegeben und sei in der Folge eine Abschiebung des BF am XXXX in Aussicht genommen. Beantragt wurde, den Bescheid des BFA zu bestätigen und die gesetzesmäßig zustehenden Kosten zuzusprechen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Zum Sachverhalt und zur Person:

1.1. Der BF reiste illegal in das Bundesgebiet ein, ist nigerianischer Staatsangehöriger und als solcher Fremder i.S.d. FPG.

1.2. Er hat in Österreich bisher zwei Anträge auf internationalen Schutz gestellt und verfügt aktuell nicht über einen gültigen Aufenthaltstitel für den Schengenraum.

1.3. Der BF wurde von einem Landesgericht zu einer bedingten Haftstrafe verurteilt.

Zu den Voraussetzungen der Schubhaft:

2.1. Gegen den BF besteht eine Rückkehrentscheidung die seit 13.11.2018 durchführbar ist.

2.2. Die Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den BF wurde seitens der Nigerianischen Botschaft bereits zugesagt und ist von einer baldigen Effektuierbarkeit der Rückführung auszugehen.

2.3. Der BF ist haftfähig.

2.4. Die Abschiebung ist für den XXXX geplant.

Zum Sicherungsbedarf:

3.1. Gegen den BF besteht seit 13.11.2018 eine durchführbare Rückkehrentscheidung nach Nigeria. Er ist seiner Ausreiseverpflichtung nach Nigeria bisher nicht nachgekommen und musste bereits vier Mal aus Norwegen in seinen Herkunftsstaat abgeschoben werden.

3.2. Der BF hat sich im Rahmen der verschiedenen Asylverfahren in der EU unterschiedlicher Namen bedient und mehrere Anträge auf internationalen Schutz gestellt.

3.3. Zum Zeitpunkt der Folgeantragsstellung bestand gegen den BF bereits eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme.

3.4. Der BF ist nicht rückkehrwillig.

3.5. Er ist nicht kooperationswillig und auch nicht vertrauenswürdig.

3.6. Gegen ihn besteht ein aufrechtes und bis 19.08.2019 gültiges Einreise- u. Aufenthaltsverbot für den gesamten Schengenraum.

Zur familiären/sozialen Komponente:

4.1. Der BF verfügt im Inland über keine Angehörigen, keine nennenswerten Kontakte und hat im Verfahren keine wesentlichen Merkmale für seine Integration darlegen können.

4.2. Der BF geht im Inland keiner legalen Erwerbstätigkeit nach.

4.3. Der BF verfügt über keine ausreichenden finanziellen Mittel zur Existenzsicherung.

4.4. Ein gesicherter Wohnsitz ist nicht vorhanden. Er hat keinen Anspruch auf Grundversorgung.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zur Person und zum Verfahrensgang (1.1.-1.3.):

Die Feststellungen unter diesem Punkt ergeben sich aus dem Akteninhalt. Aus dem Akt geht weiters hervor, dass aufgrund eines einliegenden Strafregisterauszugs der BF zu einer bedingten Haftstrafe verurteilt worden ist. In der Beschwerdeschrift sind keine anderslautenden Angaben enthalten, weshalb von der Richtigkeit der Aktenlage ausgegangen werden konnte.

2.2. Zu den Voraussetzungen der Schubhaft (2.1.-2.4.):

Der BF stellte am 15.05.2018 einen Asylfolgeantrag, der mit Bescheid vom 25.07.2018 gemäß § 68 AVG zurückgewiesen wurde. Der am 12.10.2018 eingebrachten Beschwerde an das BVwG wurde bis zum Entscheidungszeitpunkt keine aufschiebende Wirkung erteilt. Die in dem Zurückweisungsbescheid enthaltene Rückkehrentscheidung ist laut Akteninformation seit 13.11.2018 durchführbar und wurde auch in der gegenständlichen Beschwerde nicht anders dargelegt (2.1.).

Aus dem Akteninhalt ergibt sich, dass der BF bereits der nigerianischen Botschaft vorgeführt worden ist und seitens der Botschaft die Ausstellung eines Heimreisezertifikates in Aussicht gestellt wurde (AS 155). Im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens sind keine Zweifel an der Effektuierbarkeit der Rückführung des BF ersichtlich geworden und ergibt sich aus der Stellungnahme des BFA vom 03.12.2018, dass eine Abschiebung für den 12.12.2008 geplant ist.

Hinsichtlich der Haftfähigkeit des BF darf auf die eigenen Angaben des BF im Rahmen der Einvernahme am 22.11.2018 verwiesen werden. Auch aus den Angaben der Anhaltedatei sind keine gesundheitlichen Einschränkungen zu entnehmen.

2.3. Zum Sicherungsbedarf (3.1.-3.6.):

Die Feststellungen zu 3.1. bis 3.3. und 3.6. ergeben sich aus dem behördlichen Schubhaftakt. Selbst in der Beschwerdeschrift wird angeführt, dass der BF mehrmals aus Norwegen abgeschoben werden musste. Es zeigt sich daher diesbezüglich auch, dass der BF offenbar in Norwegen ebenso nicht zur freiwilligen Ausreise bereit gewesen ist. Die Verwendung mehrerer unterschiedlicher Namen im Rahmen der Asylantragsstellungen im Bereich von EU-Mitgliedsstaaten ergibt sich insbesondere aus der Stellungnahme des BFA vom 03.12.2018. Aus dieser Stellungnahme ergibt sich auch die unter 3.6. festgehaltene Feststellung zu einem bestehenden Aufenthaltsverbot für den Schengenraum. An diesen behördlichen Angaben sind im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens keine Zweifel aufgekommen und waren diese daher der gegenständlichen Entscheidung zugrunde zu legen.

Die Feststellung unter 3.4. hinsichtlich einer fehlenden Rückkehrwilligkeit ergeben sich im Rahmen einer Gesamtbetrachtung des bisherigen Verhaltens des BF. Es ist zutreffend, dass der BF in der Einvernahme vom 22.11.2018 angab nicht gewusst zu haben, dass er das Land verlassen müsse. Er gab an, dass er sonst schon das Land verlassen hätte. Im Lichte der bisherigen Erkenntnisse und im Hinblick auf sein Vorverhalten zeigt sich jedoch, dass dieser Erklärung kein Glauben geschenkt werden konnte. Fest steht, dass der BF insgesamt vier Mal aus Norwegen abgeschoben werde musste. Daraus ist klar erkennbar, dass von einer freiwilligen Ausreise im Rahmen seiner bisherigen Anträge nicht ernsthaft ausgegangen werden kann. Es handelt sich daher nach Ansicht des erkennenden Gerichtes lediglich um eine Schutzbehauptung. Daher gelangt das erkennende Gericht in diesem Verfahren zur Feststellung der Rückkehrunwilligkeit des BF (3.4.).

Die fehlende Kooperationswilligkeit und die fehlende Vertrauenswürdigkeit ergeben sich etwa aus der mehrmaligen Verweigerung der Unterschrift des BF zur Bestätigung der Übernahme bzw. zur Bestätigung der Richtigkeit der aufgenommenen Niederschrift im Schubhaftverfahren. Insgesamt hat sich der BF auch bisher nicht vertrauenswürdig verhalten, weshalb das Gericht im Rahmen seiner Feststellungen weder von Kooperationswilligkeit noch von Vertrauenswürdigkeit ausgehen konnte.

2.4. Familiäre/soziale Komponente (4.1.-4.4.):

Die Feststellungen zu Punkt 4.1. und 4.2. ergeben sich im Wesentlichen aus den Ermittlungsergebnissen der bisherigen Asylverfahren. Auch in der Beschwerdeschrift wird hiezu kein anderslautendes Vorbringen erstattet, weshalb das Gericht von der Richtigkeit der bisherigen behördlichen Feststellungen ausgehen konnte. Hinsichtlich der Feststellung zu 4.3. darf auf die eigene Aussage des BF im Rahmen der Einvernahme am 22.11.2018 verweisen werden. Ein gleichhoher Betrag wird auch im Rahmen der Anhaltedatei angegeben.

Die Behörde geht in ihrem Bescheid vom Fehlen eines gesicherten Wohnsitzes des BFs aus. Zum einen hat das behördliche Verfahren klar gezeigt, dass der BF über keine nennenswerten finanziellen Möglichkeiten verfügt und zum anderen, dass der BF aktuell keinen Anspruch auf Grundversorgung hat. Die Behörde hat daher zutreffend unterstellt, dass der registrierte Wohnsitz des BF aufgrund der persönlichen Situation des BF nicht als gesichert und dauerhaft angesehen werden könne. Im Rahmen der Beschwerdeschrift wurde diese Feststellung im behördlichen Bescheid nicht in Frage gestellt und auch diesbezüglich kein gegenteiliges Vorbringen erstattet. Aufgrund der Tatsache, dass sich diese konkreten Verhältnisse seit dem behördlichen Verfahren nicht geändert haben, geht auch das Gericht nicht vom Vorliegen eines ausreichend gesicherten Wohnsitzes aus. Aus dem Akt ergibt sich schließlich, dass der BF aktuell keinen Anspruch auf Grundversorgung hat.

2.5. Weitere Beweise waren wegen Entscheidungsreife nicht mehr aufzunehmen:

Von einer Anberaumung einer mündlichen Verhandlung konnte im Hinblick auf die geklärte Sachlage Abstand genommen werden.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. - Schubhaftbescheid, Anhaltung in Schubhaft:

3.1.1. Gesetzliche Grundlage:

Der mit "Schubhaft" betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:

§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur dann angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder der Abschiebung notwendig ist und sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

2. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebiets-beschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.

Zur Judikatur:

3.1.2. Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der - aktuelle - Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).

Schubhaft darf stets nur "ultima ratio" sein (vgl. VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0054; VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, VwGH 24.02.2011, Zl. 2010/21/0502; VwGH 17.03.2009, Zl. 2007/21/0542; VwGH 30.08.2007, 2007/21/0043). Daraus leitete der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 19.05.2011, Zl. 2008/21/0527, unter Hervorhebung der in § 80 Abs. 1 FPG 2005 ausdrücklich festgehaltenen behördliche Verpflichtung, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert, insbesondere auch ab, "dass die Behörde schon von vornherein angehalten ist, im Fall der beabsichtigten Abschiebung eines Fremden ihre Vorgangsweise nach Möglichkeit so einzurichten, dass Schubhaft überhaupt unterbleiben kann. Unterlässt sie das, so erweist sich die Schubhaft als unverhältnismäßig" (VwGH vom 19.05.2011, Zl. 2008/21/0527). Bereits im Erkenntnis des VwGH vom 27.01.2011, Zl. 2008/21/0595, wurde dazu klargestellt, dass der Schubhaft nicht der Charakter einer Straf- oder Beugehaft zu kommt, "weshalb ohne besondere Anhaltspunkte für eine absehbare Änderung der Einstellung des Fremden die Haft nicht allein im Hinblick darauf aufrechterhalten werden darf, diese 'Einstellungsänderung' durch Haftdauer zu erwirken. (Hier: Der Fremde hatte, nachdem er nach zwei Monaten nicht aus der Schubhaft entlassen worden war, seine vorgetäuschte Mitwirkungsbereitschaft aufgegeben und zu erkennen gegeben, dass er nicht in den Kamerun zurückkehren wolle und auch nicht an einer Identitätsfeststellung mitwirken werde. Die mangelnde Kooperation des Fremden gipfelte schließlich in der Verweigerung jeglicher Angaben. Die belangte Behörde hat in Folge bis zu einem neuerlichen Einvernahmeversuch zugewartet ohne zwischenzeitig auf Basis der vorhandenen Daten zwecks Erstellung eines Heimreisezertifikates an die Botschaft von Kamerun heranzutreten oder sonst erkennbare Schritte in Richtung Bewerkstelligung einer Abschiebung zu setzen. In diesem Verhalten der belangten Behörde ist eine unangemessene Verzögerung zu erblicken)." (VwGH vom 27.01.2011, Zl. 2008/21/0595; vgl. dazu etwa auch VwGH 19.04.2012, 2009/21/0047).

3.1.3. Das Bundesverwaltungsgericht geht im gegenständlichen Fall vom Vorliegen von Sicherungsbedarf aus. Gegen den BF wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen, die bereits durchführbar ist. Er konnte zwar an seiner Meldeadresse angetroffen werden, dennoch war hier nicht von einem gesicherten Wohnsitz und nicht von einer weiterhin bestehenden Greifbarkeit für die Behörde auszugehen. Er hat sich jedenfalls illegal im Bundesgebiet aufgehalten und seine in treffende Rückkehrverpflichtung bis dato völlig ignoriert. Nach den Angaben im Asylakt der Behörde ergibt sich, dass gegen den BF zum Zeitpunkt seiner zweiten Asylantragsstellung bereits eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung vorlag. Dennoch stellte er abermals einen Antrag. Der BF hat durch die von ihm bisher gewählte Vorgehensweise versucht einen weiteren Aufenthalt in Österreich zu erzwingen und eine Abschiebung zu verhindern. Er hat durch sein bisheriges Verhalten eindrucksvoll unter Beweis gestellt, dass er sich an die ihn treffenden behördlichen bzw. gerichtlichen Anordnungen nicht halten will, da er bereits eine ihm gesetzte Frist zur Ausreise durch einen Folgeantrag auszuhebeln versucht hat. Bereits die Einreise nach Österreich erfolgte unter Missachtung eines gegen ihn bestehenden Einreiseverbotes und zeigt ebenso klar und deutlich, dass den BF generell ihn treffende gesetzliche Anordnungen nicht im Geringsten kümmern. Er ist daher in keiner Weise als vertrauenswürdig anzusehen und ist, wie das Verfahren ergeben hat, auch weiterhin (nach vier Abschiebungen aus Norwegen) nicht ausreisewillig in Bezug auf seinen Herkunftsstaat. Er bediente sich bei verschiedenen Verfahren auch verschiedener Namen und stellte seinen Folgeantrag zu einem Zeitpunkt, als gegen ihn bereits eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand.

Weiters verfügt der BF über keinen gesicherten Wohnsitz im Bundesgebiet, hat keine ausreichenden finanziellen Mittel um in Inland aus eigenem seine Lebensunterhaltungskosten zu finanzieren, und legte bisher ein unkooperatives Verhalten an den Tag (z. B. Unterschriftsverweigerungen).

Das Gericht geht daher im vorliegenden Fall in einer Gesamtsicht davon aus, dass Sicherungsbedarf gegeben war und ist.

3.1.4. Darüber hinaus ist die Verhältnismäßigkeit der Schubhaftnahme nach Ansicht des erkennenden Gerichtes ebenso gegeben. Betrachtet man die Interessen des BF an den Rechten seiner persönlichen Freiheit in Bezug auf seine familiären bzw. sozialen Verhältnisse im Inland zeigt sich, dass der Beschwerdeführer über keine nennenswerten Kontakte im Inland verfügt, die hier wesentlich ins Gewicht fallen. Dies gab der BF in der Einvernahme auch selbst nicht an und wurde diesbezüglich auch in der Beschwerdeschrift nichts vorgebracht.

Dem gegenüber stellt sich dar, dass der BF ein Straftäter ist und daher diesbezüglich ein erhöhtes Interesse der Öffentlichkeit besteht, den BF gesichert und verlässlich außer Landes zu bringen. Darüber hinaus hat der Beschwerdeführer auch gegen seine Rückreiseverpflichtung verstoßen und damit zum Ausdruck gebracht, dass er ganz klar keine Unterordnung unter das im Inland bestehende Rechtssystem beabsichtigt. Das erkennende Gericht geht daher - wie oben angeführt - von einer Verhältnismäßigkeit der Verhängung der Schubhaft aus, zumal die Bemühungen des BFA eine baldige Abschiebung durchführen zu können, im Rahmen des Verfahrens deutlich hervorgekommen sind.

3.1.5. Die Anordnung eines gelinderen Mittels führt nach Ansicht des Gerichts nicht zu einer ausreichenden Sicherung der Durchführbarkeit der Abschiebung. Die Kriterien, die bereits unter dem Punkt "Sicherungsbedarf" erörtert wurden, zeigen eindeutig, dass eine jederzeitige Erreichbarkeit des Beschwerdeführers nicht mit der erforderlichen Sicherheit gewährleistet wäre. Es ist nicht gesichert, dass der Beschwerdeführer an seinem Wohnsitz verbleiben würde, da er offensichtlich nicht aus Österreich ausreisen will. Auch eine familiäre Bindung, die unter Umständen Halt bieten könnte, ist in Österreich nicht vorhanden. Der Beschwerdeführer war in der Vergangenheit nicht gewillt in seine Heimat zurückzukehren und hat das Verfahren nicht ergeben, dass sich diesbezüglich glaubhaft etwas geändert haben könnte. Unter Berücksichtigung aller Umstände ist die Behörde daher zutreffend davon ausgegangen, dass mit der Anordnung gelinderer Mittel das Auslangen nicht gefunden werden kann.

3.1.6. Die gegenständlich verhängte Schubhaft erweist sich daher auch als "ultima ratio" und wird die Schubhaft weiterzuführen sein. Auf Grund des zuvor Ausgeführten ergibt sich, dass sowohl Sicherungsbedarf, als auch Verhältnismäßigkeit gegeben sind und die Anwendung eines gelinderen Mittels nicht als erfolgversprechend zu beurteilen war. In diesem Sinne ist auch das Kriterium der "ultima ratio" im vorliegenden Schubhaftverfahren gegeben.

3.1.7. Im vorliegenden Fall konnte von der Abhaltung einer mündlichen Verhandlung Abstand genommen werden, da der Sachverhalt im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens hinreichend geklärt werden konnte.

3.1.8. Zu den Ausführungen in der Beschwerdeschrift:

Die Behauptung der Homosexualität des BF ist nicht Gegenstand des Schubhaftverfahrens. Fluchtgründe, wie es auch Homosexualität sein kann, sind im Rahmen der Asylverfahren abzuhandeln und diesbezügliche Feststellungen und Entscheidungen zu treffen.

Die Tatsache allein, dass der BF tatsächlich an seiner Wohnanschrift festgenommen werden konnte, ist nicht gleichbedeutet damit, dass hinsichtlich des BF kein Sicherungsbedarf bestehen kann. Wie das gegenständliche gerichtliche Verfahren aufgezeigt hat, ist der BF an sich in keiner Weise vertrauenswürdig. Aufgrund des klar dokumentierten Vorverhaltens des BF kann nach Ansicht der Behörde, als auch nach Ansicht des Gerichts, nicht mit der notwendigen Sicherheit davon ausgegangen werden, dass der BF an seiner Meldeadresse, die aufgrund seiner persönlichen Verhältnisse nicht auf Dauer gesichert erscheint, sich auch tatsächlich für die Behörde greifbar halten werde. Wie wohl ein derartiges Indiz, an der Wohnanschrift festgenommen worden zu sein, in vielen Fällen gegen einen Sicherungsbedarf spricht, so ist es im konkreten Fall im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtsicht nicht ausreichend um deshalb von einer Greifbarkeit des BF für die Behörde ausgehen zu können.

Die Beschwerde stützt sich auf die Entscheidung des EuGHs vom 19.06.2018, C-181/16, Gnandi.

Im Beschwerdefall kann der Auffassung nicht gefolgt werden, dass die in § 68 AVG vorgesehene Nichtzuerkennung der Aufschiebenden Wirkung auf Grund des Urteils C-181/16, Gnandi, unzulässig wäre.

Der EuGH hat in diesem Urteil zwar ausgesprochen, dass die Richtlinie 2008/115/EG (Rückführungsrichtlinie) in Verbindung mit der Richtlinie 2005/85/EG (Verfahrensrichtlinie; nunmehr Richtlinie 2013/32/EU) die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig mit der erstbehördlichen Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz zulässt, sofern die Wirkungen der Rückkehrentscheidung während des Verfahrens über das Rechtsmittel gegen die Abweisung des internationalen Schutzes gehemmt werden.

Diese Auslegung traf der EuGH aber zu einem Ausgangsverfahren, in dem er jene Bestimmungen auszulegen hatte, die Vorschriften für den Regelfall eines Rechtsmittels gegen die Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz treffen. Dies ergibt sich bereits aus der im Urteil getroffenen Auswahl bei der Wiedergabe anwendbarer Rechtsvorschriften (aaO Rn 10-12), wo der EuGH Art. 46 Abs. 5 der Richtlinie 2013/32/EU zitierte. Art. 46 Abs. 5 der Richtlinie 2013/32/EU normiert Folgendes:

"RECHTSBEHELFE

Artikel 46

Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf

(1) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Antragsteller das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf vor einem Gericht haben gegen

a) eine Entscheidung über ihren Antrag auf internationalen Schutz

...,

...

(5) Unbeschadet des Absatzes 6 gestatten die Mitgliedstaaten den Antragstellern den Verbleib im Hoheitsgebiet bis zum Ablauf der Frist für die Ausübung des Rechts der Antragsteller auf einen wirksamen Rechtsbehelf und, wenn ein solches Recht fristgemäß ausgeübt wurde, bis zur Entscheidung über den Rechtsbehelf."

Nicht zitiert wurden aber die für den gegenständlichen Fall relevanten Art. 40 und 41:

"Artikel 40

Folgeanträge

(1) Wenn eine Person, die einen Antrag auf internationalen Schutz in einem Mitgliedstaat gestellt hat, in demselben Mitgliedstaat weitere Angaben vorbringt oder einen Folgeantrag stellt, prüft dieser Mitgliedstaat diese weiteren Angaben oder die Elemente des Folgeantrags im Rahmen der Prüfung des früheren Antrags oder der Prüfung der Entscheidung, gegen die ein Rechtsbehelf eingelegt wurde, insoweit die zuständigen Behörden in diesem Rahmen alle Elemente, die den weiteren Angaben oder dem Folgeantrag zugrunde liegen, berücksichtigen können.

(2) Für die Zwecke der gemäß Artikel 33 Absatz 2 Buchstabe d zu treffenden Entscheidung über die Zulässigkeit eines Antrags auf internationalen Schutz wird ein Folgeantrag auf internationalen Schutz zunächst daraufhin geprüft, ob neue Elemente oder Erkenntnisse betreffend die Frage, ob der Antragsteller nach Maßgabe der Richtlinie 2011/95/EU als Person mit Anspruch auf internationalen Schutz anzuerkennen ist, zutage getreten oder vom Antragsteller vorgebracht worden sind.

(3) Wenn die erste Prüfung nach Absatz 2 ergibt, dass neue Elemente oder Erkenntnisse zutage getreten oder vom Antragsteller vorgebracht worden sind, die erheblich zu der Wahrscheinlichkeit beitragen, dass der Antragsteller nach Maßgabe der Richtlinie 2011/95/EU als Person mit Anspruch auf internationalen Schutz anzuerkennen ist, wird der Antrag gemäß Kapitel II weiter geprüft. Die Mitgliedstaaten können auch andere Gründe festlegen, aus denen der Folgeantrag weiter zu prüfen ist.

(4) Die Mitgliedstaaten können vorsehen, dass der Antrag nur dann weiter geprüft wird, wenn der Antragsteller ohne eigenes Verschulden nicht in der Lage war, die in den Absätzen 2 und 3 dargelegten Sachverhalte im früheren Verfahren insbesondere durch Wahrnehmung seines Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf gemäß Artikel 46 vorzubringen.

(5) Wird ein Folgeantrag nach diesem Artikel nicht weiter geprüft, so wird er gemäß Artikel 33 Absatz 2 Buchstabe d als unzulässig betrachtet.

(6) Das Verfahren nach diesem Artikel kann auch angewandt werden, wenn

a) eine vom Antragsteller abhängige Person förmlich einen Antrag stellt, nachdem sie gemäß Artikel 7 Absatz 2 eingewilligt hat, dass ihr Fall Teil eines in ihrem Namen förmlich gestellten Antrags ist, und/oder

b) ein unverheirateter Minderjähriger förmlich einen Antrag stellt, nachdem gemäß Artikel 7 Absatz 5 Buchstabe c förmlich ein Antrag in seinem Namen gestellt worden ist.

In diesen Fällen wird bei der ersten Prüfung nach Absatz 2 geprüft, ob Tatsachen betreffend die Situation der abhängigen Person bzw. des unverheirateten Minderjährigen vorliegen, die einen gesonderten Antrag rechtfertigen.

(7) Wenn eine Person, gegen die ein Überstellungsbeschluss gemäß der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 zu vollstrecken ist, in dem überstellenden Mitgliedstaat weitere Angaben vorbringt oder einen Folgeantrag stellt, prüft der gemäß der genannten Verordnung zuständige Mitgliedstaat diese weiteren Angaben oder Folgeanträge im Einklang mit dieser Richtlinie.

Artikel 41

Ausnahmen vom Recht auf Verbleib bei Folgeanträgen

(1) Die Mitgliedstaaten können Ausnahmen vom Recht auf Verbleib im Hoheitsgebiet machen, wenn eine Person

a) nur zur Verzögerung oder Behinderung der Durchsetzung einer Entscheidung, die zu ihrer unverzüglichen Abschiebung aus dem betreffenden Mitgliedstaat führen würde, förmlich einen ersten Folgeantrag gestellt hat, der gemäß Artikel 40 Absatz 5 nicht weiter geprüft wird, oder

b) nach einer bestandskräftigen Entscheidung, einen ersten Folgeantrag gemäß Artikel 40 Absatz 5 als unzulässig zu betrachten, oder nach einer bestandskräftigen Entscheidung, einen ersten Folgeantrag als unbegründet abzulehnen, in demselben Mitgliedstaat einen weiteren Folgeantrag stellt.

Die Mitgliedstaaten können eine solche Ausnahme nur dann machen, wenn die Asylbehörde die Auffassung vertritt, dass eine Rückkehrentscheidung keine direkte oder indirekte Zurückweisung zur Folge hat, die einen Verstoß gegen die völkerrechtlichen und unionsrechtlichen Pflichten dieses Mitgliedstaats darstellt.

(2) In den in Absatz 1 aufgeführten Fällen können die Mitgliedstaaten ferner

a) im Einklang mit nationalem Recht von den für beschleunigte Verfahren üblicherweise geltenden Fristen abweichen, sofern das Prüfungsverfahren gemäß Artikel 31 Absatz 8 Buchstabe g beschleunigt durchgeführt wird,

b) im Einklang mit nationalem Recht von den Fristen abweichen, die üblicherweise für Zulässigkeitsprüfungen gemäß den Artikeln 33 und 34 gelten und/oder

c) von Artikel 46 Absatz 8 abweichen."

Schon angesichts des Sachverhalts des damaligen Ausgangsverfahrens waren für den EuGH die Bestimmungen der Art. 40 und 41 der Richtlinie 2013/32/EU nicht relevant. Dementsprechend hat der EuGH diese Bestimmungen in seiner Wiedergabe der relevanten Vorschriften des Unionsrechts (Rn 4-22 des Urteils) auch nicht erwähnt. Das Urteil kann daher nicht so interpretiert werden, dass es zur Auslegung auch der Art. 40 und 41 der Richtlinie 2013/32/EU ergangen wäre. Darüber hinaus würde eine solche Auslegung auch dem eindeutigen Wortlaut der Richtlinie 2013/32/EU wiedersprechen, die in Art. 41 im Fall von Folgeanträgen ausdrücklich Ausnahmen vom Recht auf Verbleib im Hoheitsgebiet vorsieht. Der Ausschluss der Aufschiebenden Wirkung im Folgeantragsverfahren steht daher im Einklang mit der Richtlinie 2013/32/EU.

Zu Spruchpunkt II. - Vorliegen der Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft:

Die getroffene Feststellung und ihre rechtliche Würdigung lassen im Hinblick auf ihre Aktualität und ihren Zukunftsbezug keine, die Frage der Rechtmäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft ändernde Umstände erkennen. Es war daher spruchgemäß festzustellen, dass zum Zeitpunkt dieser Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen weiter vorliegen.

Zu Spruchpunkt III. und IV. - Kostenbegehren

Beide Parteien begehrten den Ersatz ihrer Aufwendungen entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen. Da die Verwaltungsbehörde vollständig obsiegte, steht ihr nach den angeführten Bestimmungen dem Grunde nach der Ersatz ihrer Aufwendungen zu. Die Höhe der zugesprochenen Verfahrenskosten stützt sich auf die im Spruch des Erkenntnisses genannten gesetzlichen Bestimmungen.

Zu Spruchpunkt B. - Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Wie zu Spruchpunkt I. und II. ausgeführt sind keine Auslegungsfragen hinsichtlich der anzuwendenden Normen hervorgekommen, es waren auch keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen. Die Revision war daher in Bezug auf beide Spruchpunkte nicht zuzulassen. Im Hinblick auf die eindeutige Rechtslage in den übrigen Spruchpunkten war die Revision gleichfalls nicht zuzulassen.

Schlagworte

Fluchtgefahr, Folgeantrag, Interessenabwägung, öffentliches
Interesse, Rückkehrentscheidung, Schubhaft, Sicherungsbedarf,
Untertauchen, Verhältnismäßigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W171.2210473.1.00

Zuletzt aktualisiert am

06.02.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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