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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §52;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler und die Hofräte Dr. Schick und Dr. Grünstäudl als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Soyer, über die Revision der Landespolizeidirektion Steiermark in 8052 Graz, Straßganger Straße 280, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom 6. August 2018, Zl. LVwG 42.20-609/2018-13, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung (mitbeteiligte Partei: T P in G, vertreten durch Reif und Partner Rechtsanwälte OG, in 8605 Kapfenberg, Wiener Straße 100), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Begründung
1 Mit (Vorstellungs)Bescheid vom 24. Jänner 2018 entzog die Revisionswerberin der Mitbeteiligten die Lenkberechtigung für die Dauer von 12 Monaten, gerechnet ab der vorläufigen Abnahme des Führerscheins (10. November 2017). Unter einem wurde eine Nachschulung angeordnet und einer allfälligen Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt. Die Revisionswerberin legte diesem Bescheid zugrunde, dass die Mitbeteiligte am 10. November 2017 ein Kraftfahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand (Alkoholgehalt der Atemluft 0,66 mg/l) gelenkt und dabei einen Verkehrsunfall mit Sachschaden verschuldet habe. Bereits mit Bescheid vom 28. Jänner 2016 sei der Revisionswerberin die Lenkberechtigung für die Dauer von einem Monat entzogen worden, dies wegen Lenkens eines Kraftfahrzeugs in durch Alkohol beeinträchtigten Zustands (Alkoholgehalt der Atemluft 0,44 mg/l) am 20. Jänner 2016.
2 Mit dem angefochtenen, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung ergangenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht Steiermark der Beschwerde der Mitbeteiligten statt und behob den Bescheid der Revisionswerberin. Unter einem wurde gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ausgesprochen, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof unzulässig sei.
3 In seiner Begründung führte das Verwaltungsgericht, auf das Wesentliche zusammengefasst, aus, die Mitbeteiligte habe in der mündlichen Verhandlung angegeben, vor der Durchführung des Alkomattests fünf oder sechs Zigaretten geraucht zu haben. Gemäß der Bedienungsanleitung für das verwendete Atemalkoholmessgerät sei unter anderem nach dem Rauchen eine Wartezeit von 15 Minuten einzuhalten. Ob eine solche Wartezeit eingehalten worden sei, habe im Revisionsfall nicht geklärt werden können, zumal die Mitbeteiligte angegeben habe, gleich nach dem Unfall fünf oder sechs Zigaretten geraucht zu haben, während der den Alkotest durchführende Beamte nicht die ganze Zeit zugegen gewesen sei und sich nicht mehr habe erinnern können, ob die Mitbeteiligte geraucht habe. Damit könne grundsätzlich nicht von einem verwertbaren Messergebnis des Atemalkoholgehaltes ausgegangen werden.
4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende, vom Verwaltungsgericht gemeinsam mit den Akten des Verfahrens vorgelegte (außerordentliche) Revision.
5 Die Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung.
6 Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Revision erwogen:
7 1. Das Führerscheingesetz - FSG, BGBl. I Nr. 120/1997 idF BGBl. I Nr. 37/2018 lautet (auszugsweise):
"5. Abschnitt
Entziehung, Einschränkung und Erlöschen der Lenkberechtigung
Allgemeines
§ 24. (1) Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, ist von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit
1. die Lenkberechtigung zu entziehen oder
...
Dauer der Entziehung
§ 25. (1) Bei der Entziehung ist auch auszusprechen, für welchen Zeitraum die Lenkberechtigung entzogen wird. Dieser ist auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens festzusetzen. Endet die Gültigkeit der Lenkberechtigung vor dem Ende der von der Behörde prognostizierten Entziehungsdauer, so hat die Behörde auch auszusprechen, für welche Zeit nach Ablauf der Gültigkeit der Lenkberechtigung keine neue Lenkberechtigung erteilt werden darf.
...
(3) Bei einer Entziehung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit (§ 7) ist eine Entziehungsdauer von mindestens 3 Monaten festzusetzen. Sind für die Person, der die Lenkberechtigung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit zu entziehen ist, zum Zeitpunkt der Entziehung im Vormerksystem (§ 30a) Delikte vorgemerkt, so ist für jede dieser im Zeitpunkt der Entziehung bereits eingetragenen Vormerkungen die Entziehungsdauer um zwei Wochen zu verlängern; davon ausgenommen sind Entziehungen auf Grund des § 7 Abs. 3 Z 14 und 15.
...
Sonderfälle der Entziehung
§ 26. (1) Wird beim Lenken oder Inbetriebnehmen eines Kraftfahrzeuges erstmalig eine Übertretung gemäß § 99 Abs. 1b StVO 1960 begangen, so ist, wenn es sich nicht um einen Lenker eines Kraftfahrzeuges der Klasse C oder D handelt und zuvor keine andere der in § 7 Abs. 3 Z 1 und 2 genannten Übertretungen begangen wurde, die Lenkberechtigung für die Dauer von einem Monat zu entziehen. Wenn jedoch
...
2. der Lenker bei Begehung dieser Übertretung einen
Verkehrsunfall verschuldet hat,
so hat die Entziehungsdauer mindestens drei Monate zu betragen.
Wenn jedoch eine der in § 7 Abs. 3 Z 3 genannten Übertretungen vorliegt, so hat die Entziehungsdauer mindestens sechs Monate zu betragen. § 25 Abs. 3 zweiter Satz ist in allen Fällen sinngemäß anzuwenden.
(2) Wird beim Lenken oder Inbetriebnehmen eines Kraftfahrzeuges
...
4. erstmalig ein Delikt gemäß § 99 Abs. 1a StVO 1960 begangen, so ist die Lenkberechtigung auf die Dauer von mindestens vier Monaten zu entziehen,
..."
8 2. Die Revision ist aus den in ihr angeführten Gründen zulässig, weil das Verwaltungsgericht keinen Sachverständigen zur Beantwortung der Frage herangezogen hat, ob das Rauchen innerhalb der 15-minütigen Wartezeit Einfluss auf das Messergebnis haben könnte.
9 3. Die Revision ist auch begründet.
10 3.1.1. Vorauszuschicken ist, dass das Verwaltungsgericht mit seinem Spruch, wonach der Entziehungsbescheid der Revisionswerberin "behoben" werde, zum Ausdruck gebracht hat, dass eine Entziehung der Lenkberechtigung der Mitbeteiligten nicht rechtens sei. Das angefochtene Erkenntnis ist mithin als ersatzlose Aufhebung des Entziehungsbescheids zu qualifizieren.
11 3.1.2. Wie die Revision zutreffend vorbringt, hat das Verwaltungsgericht entgegen ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keinen Sachverständigen zur Frage beigezogen, ob auch im Falle von Rauchen innerhalb der in den Verwendungsrichtlinien geforderten 15-minütigen Wartezeit ein gültiges Messergebnis zustande kommen kann. Es kann nämlich auch bei Nichteinhaltung der erforderlichen Wartefrist das Zustandekommen eines gültigen Messergebnisses angenommen werden, wenn diese Annahme aus fachlichen Gründen zulässig ist (vgl. etwa VwGH 26.1.2000, 99/03/0318; 19.7.2013, 2011/02/0020, mwN; vgl. auch das zuletzt in der Verwaltungsstrafsache der Mitbeteiligten wegen des Vorfalls am 10. November 2017 ergangene hg. Erkenntnis vom 14.12.2018, Ra 2018/02/0294).
12 Zur verlässlichen Abklärung der Frage des Einflusses des von der Revisionswerberin behaupteten Rauchens während der Wartefrist auf das im Revisionsfall erzielte Messergebnis hätte es daher auch der Beiziehung eines messtechnischen Sachverständigen bedurft (vgl. erneut VwGH 14.12.2018, Ra 2018/02/0294).
13 3.2. Das angefochtene Erkenntnis, in dem das Vorliegen der eine Entziehung der Lenkberechtigung nach sich ziehenden Begehung eines Alkoholdelikts verneint wird, war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Wien, am 18. Jänner 2019
Schlagworte
Sachverständiger Erfordernis der Beiziehung Besonderes FachgebietFeststellung der AlkoholbeeinträchtigungBesondere RechtsgebieteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018110207.L00Im RIS seit
06.02.2019Zuletzt aktualisiert am
12.03.2019