Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hoch als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Roch und Dr. Rassi und die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun-Mohr und Dr. Kodek als weitere Richter in in der außerstreitigen Rechtssache der Antragstellerin O***** Privatstiftung, *****, vertreten durch Saxinger, Chalupsky & Partner Rechtsanwälte GmbH in Linz, gegen die Antragsgegnerin Republik Österreich (Bund), vertreten durch die Autobahn- und Schnellstraßen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft, Wien 1, Rotenturmstraße 5–9, diese vertreten durch durch die A***** GmbH, *****, diese vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1, Singerstraße 17–19, wegen Enteignungsentschädigung, über den Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 10. Oktober 2018, GZ 2 R 129/18f-9, mit dem der Beschluss des Landesgerichts Linz vom 23. August 2018, GZ 4 Nc 47/18t-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben.
Dem Erstgericht wird die Fortsetzung des Verfahrens unter Abstandnahme von dem gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.
Die Antragsgegnerin hat die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung selbst zu tragen. Die Kosten des Revisionsrekurses der Antragstellerin sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Mit Bescheid des Landeshauptmanns von Oberösterreich vom 31. Jänner 2018 wurde der Antragsgegnerin eine Dienstbarkeit zur Errichtung einer Autobahn auf einer Liegenschaft der Antragstellerin eingeräumt. Die Entschädigungssumme wurde in diesem Bescheid mit 80.055 EUR festgesetzt. Dieser Bescheid wurde der Antragstellerin am 5. Februar 2018 zugestellt. Er enthielt eine Rechtsmittelbelehrung dahin, dass gegen den Bescheid eine Beschwerde binnen vier Wochen an das Verwaltungsgericht erhoben werden könne, während ein ordentliches Rechtsmittel bezüglich der Höhe der zuerkannten Entschädigung nicht zulässig sei. Beide Parteien erhoben keine Beschwerde; der Bescheid ist daher in Rechtskraft erwachsen.
Die Antragstellerin begehrte mit ihrem am 4. Juni 2018 beim Erstgericht eingebrachten Antrag die Neufestsetzung der Entschädigung gemäß § 20 Abs 3 Bundesstraßengesetz 1971. Die Antragstellerin führte aus, dass der angemessene Entschädigungsbetrag 136.300 EUR zuzüglich Abgeltung des Aushubmaterials betrage.
Das Erstgericht wies den Antrag als verspätet zurück. Es ging davon aus, dass der Enteignungsbescheid bereits nach seiner Erlassung am 31. Jänner 2018 in Rechtskraft erwachsen sei. Eine mögliche Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht sei ein außerordentliches Rechtsmittel und könne die Rechtskraft des Bescheids nicht aufheben. Zum Zeitpunkt des Antrags auf Neufestsetzung der Entschädigung vom 4. Juni 2018 sei die Dreimonatsfrist des § 20 Abs 3 BStG 1971 bereits verstrichen.
Das Rekursgericht gab dem dagegen erhobenen Rekurs der Antragstellerin nicht Folge, weil es sich den Argumenten des Erstgerichts anschloss. Nach Darlegung der widerstreitenden Ansichten im Schrifttum sei hervorzuheben, dass die Rechtsfrage, ob die Beschwerde gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde an ein Verwaltungsgericht als ordentliches Rechtsmittel qualifiziert werden könne, bisher weder vom Verwaltungsgerichtshof noch vom Obersten Gerichtshof geklärt worden sei. Die Rechtsansicht des Erstgerichts zur Rechtskraft des Enteignungsbescheids sei aber vertretbar. Das Rekursgericht ließ den ordentlichen Revisionsrekurs an den Obersten Gerichtshof zu, weil auch die Antragstellerin beachtliche Argumente für ihre – gegenteilige – Rechtsansicht in Anspruch nehmen könne.
Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs der Antragstellerin mit dem Antrag, die Beschlüsse der Vorinstanzen aufzuheben und die Rechtssache zur Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.
Die Antragsgegnerin beantragt, den Revisionsrekurs zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig und berechtigt.
1. Die hier zu prüfende Bestimmung des § 20 Abs 3 BStG 1971 lautet wie folgt:
(3) Gegen die Entscheidung des Landeshauptmannes über die Notwendigkeit, den Gegenstand und den Umfang der Enteignung ist die Beschwerde an das Verwaltungsgericht des Landes zulässig. Eine Beschwerde bezüglich der Höhe der im Verwaltungswege zuerkannten Entschädigung ist unzulässig. Doch steht es jedem der beiden Teile frei, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des Enteignungsbescheides die Entscheidung über die Höhe der Entschädigung bei jenem Landesgericht zu begehren, in dessen Sprengel sich der Gegenstand der Enteignung befindet. Mit Anrufung des Gerichtes tritt die verwaltungsbehördliche Entscheidung über die Höhe der Entschädigung außer Kraft. Der Antrag auf gerichtliche Festsetzung der Entschädigung kann ohne Zustimmung des Antragsgegners nicht zurückgenommen werden. Bei Zurücknahme des Antrages gilt der im Enteignungsbescheid bestimmte Entschädigungsbetrag als vereinbart.
2. Ein Bescheid ist (formell) rechtskräftig, wenn er durch ordentliche Rechtsmittel nicht oder nicht mehr anfechtbar ist (VwGH 2010/17/0274; VwGH 2012/05/0026 je mwN ua). Die Richtigkeit der von den Vorinstanzen vertretenen Rechtsansicht hängt also davon ab, ob der Enteignungsbescheid sofort (mit seiner Erlassung, exakt: mit seiner Zustellung [siehe unten]) rechtskräftig wurde, und daher schon zu diesem Zeitpunkt nicht mehr mit einem ordentlichen Rechtsmittel angefochten werden konnte.
3.1 Mit der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 wurde eine zweistufige Verwaltungsgerichtsbarkeit eingeführt und der bisherige administrative Instanzenzug – abgesehen von Angelegenheiten im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinden – abgeschafft.
3.2 Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG normiert dafür die Kompetenz der Verwaltungsgerichte zur Entscheidung über Rechtsmittel von Verwaltungsbehörden. Demnach erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit. Nach § 7 Abs 4 VwGVG beträgt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Behörde gemäß Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG vier Wochen. Diese Frist beginnt mit der Zustellung bzw dem Tag der Verkündung.
3.3 In der Regierungsvorlage (1618 BlgNR 24. GP 4) wird dazu ausgeführt, jede Verwaltungsbehörde sollte „erste und letzte Instanz“ sein und gegen von ihr erlassene Bescheide (bzw wegen einer Verletzung der Entscheidungspflicht durch sie) solle als einziges Rechtsmittel Beschwerde beim Verwaltungsgericht erhoben werden können; außerdem wird festgehalten, die Verwaltungsgerichte erster Instanz sollten grundsätzlich selber entscheiden und gegen ihre Erkenntnisse und Beschlüsse solle unter bestimmten Voraussetzungen Revision beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden können.
4.1 Den Zeitpunkt, wann ein Bescheid einer Verwaltungsbehörde nach der seit 1. Jänner 2014 geltenden Rechtslage formell rechtskräftig wird, beantwortet die Lehre nicht einheitlich (vgl dazu etwa den Überblick von Ranacher, Amtswegige Aufhebung und Abänderung von Bescheiden neben und nach dem verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren, ZfV 2015, 19 ff).
4.2 So wird etwa die Meinung vertreten, der Eintritt der formellen Rechtskraft sei bereits mit Erlassung des Bescheids durch die Behörde anzunehmen. Begründet wird diese Ansicht damit, dass die Beschwerde an das Verwaltungsgericht (als außerordentliches Rechtsmittel) die Rechtskraft nicht aufzuschieben vermöge. Insoweit entspreche das Verhältnis der Verwaltungsgerichte zu den Verwaltungsbehörden dem bisherigen (nach der Rechtslage vor dem 1. Jänner 2014) Verhältnis des Verwaltungsgerichtshofs zu diesen Behörden. Verwaltungsgerichte entscheiden nach dieser Ansicht stets über formell rechtskräftige verwaltungsbehördliche Entscheidungen (Eberhard in Bußjäger/Gamper/Ranacher/Sonntag, Die neuen Landesverwaltungsgerichte, 139 [mit Ausnahme des Verwaltungsstrafverfahrens]; Ennöckl, Was bedeutet Rechtskraft nach der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle – am Beispiel des gewerblichen Betriebsanlagenrechts, ZfV 2014, 795 [796 f]; Grabenwarter/Fister, Die neue Verwaltungsgerichtsbarkeit – Änderungen für den Rechtsschutz, NZ 2013/148 [361 f]; Thienel, Neuordnung der Verwaltungsgerichtsbarkeit [2013] 23 ua).
4.3 Nach anderer Meinung verhindert die offene Möglichkeit, eine Beschwerde an das Verwaltungsgericht als ordentliches Rechtsmittel zu erheben, die Rechtskraft des Bescheids (Kahl/Weber, Allgemeines Verwaltungsrecht6 [2017] Rz 422; Leeb in Janko/Leeb, Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz [2013] 111; Hengstschläger/Leeb, Verwaltungsverfahrensrecht6 [2018] Rz 558; Raschauer, Allgemeines Verwaltungsrecht5 [2017] Rz 916; Schiffkorn, „Rechtskraft“ nach dem System der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, ZVG 2014, 628 [632], tendenziell auch Kneihs, Rechtskraft – eine allgemeine Untersuchung aus Anlass einer spezifischen Diskussion, ZfV 2015, 171 [191] ua).
4.4 Die vom Rechtsmittelwerber vertretene Ansicht, dass die formelle Rechtskraft (frühestens) erst nach Ablauf der Beschwerdefrist an das Verwaltungsgericht eintreten kann, findet Deckung in den Entscheidungen der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zur Rechtslage nach der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012.
4.4.1 Der Verfassungsgerichthof hat etwa im Fall einer möglichen Beschwerde an das Verwaltungsgericht den Eintritt der formalen Rechtskraft ausdrücklich an den Ablauf der Rechtsmittelfrist geknüpft (E 580/2016).
4.4.2 Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs kann die Rechtskraft – mangels Rechtsmittelverzichts – frühestens mit dem ungenutzten Ablauf der Beschwerdefrist an das Verwaltungsgericht eintreten (Ra 2014/10/0054). Dazu korrespondierend sprach der Verwaltungsgerichtshof im Verwaltungsverfahren zu Ro 2017/20/0001 aus, es stehe einer Partei offen, ob sie einen Bescheid in Rechtskraft erwachsen lässt oder dagegen Beschwerde erhebt.
5. Die Frage, ob die Beschwerde an das Verwaltungsgericht ein ordentliches oder außerordentliches Rechtsmittel ist, muss aber hier gar nicht umfassend und abschließend für das (gesamte) Verwaltungsverfahrensrecht beantwortet werden: Soweit ein Materiengesetz auf „rechtskräftige Bescheide“ Bezug nimmt, ist nämlich jeweils in systematisch-teleologischer Auslegung zu ermitteln, was der Gesetzgeber diesfalls mit dem Ausdruck „Rechtskraft“ meint (Hengstschläger/Leeb, AVG § 68 [Stand 1. 3. 2018, rdb.at] Rz 6/3 mwN). Die Klärung der Problematik kann im Anlassfall auf die Auslegung des Begriffs der „Rechtskraft des Enteignungsbescheides“ nach § 20 Abs 3 BStG 1971 beschränkt werden.
6. Im vorliegenden Fall wird die Rechtsansicht der Vorinstanzen durch eine Wortinterpretation des § 20 Abs 3 BStG 1971 in Verbindung mit einer systematischen und teleologischen Interpretation widerlegt.
6.1 Das Gesetz lässt in § 20 Abs 3 Satz 1 leg cit eine Beschwerde gegen den Enteignungsbescheid (mit Ausnahme der darin festgesetzten Höhe) an das Landesverwaltungsgericht ausdrücklich zu. Im Zusammenhang mit diesem ersten Satz ist die ausdrückliche Bezugnahme auf die Rechtskraft im dritten Satz der Norm nur dahin zu verstehen, dass bei einem unbekämpft in Rechtskraft erwachsenen Enteignungsbescheid die Dreimonatsfrist für die Anrufung der ordentlichen Gerichte jedenfalls erst nach dem ungenützten Ablauf der vierwöchigen Beschwerdefrist beginnt:
Der hier zu prüfende dritte Satz des § 20 Abs 3 BStG knüpft nämlich an diese Rechtsmittelmöglichkeit dadurch an, dass er den Parteien die Anrufung des Gerichts zur Entschädigungshöhe „binnen drei Monaten nach Rechtskraft des Enteignungsbescheides“ einräumt. Die gewählte Formulierung spricht also eindeutig gegen eine Gleichstellung von Erlassung und Rechtskraft des Bescheids; kommt es doch mit dem Abstellen auf die Rechtskraft notwendigerweise zu einer zeitlichen Trennung zwischen der Bescheiderlassung und dem (späteren) Eintritt seiner Unanfechtbarkeit.
Schlösse man sich hingegen der Rechtsansicht der Vorinstanzen an, wonach die Dreimonatsfrist bereits mit der Erlassung des Enteignungsbescheids zu laufen beginnen soll, würde der Tag der Erlassung (exakt: der Zustellung, vgl § 62 Abs 1 AVG und RIS-Justiz RS0049510) mit dem Eintritt der Rechtskraft des Bescheids zusammenfallen. Dann wäre aber nur schwer erklärbar, warum das Gesetz ausdrücklich auf die „Rechtskraft“ und eben nicht auf die „Erlassung“ des Enteignungsbescheids abstellt. Außerdem zeigen auch die sonstigen Bestimmungen des BStG 1971, dass der Gesetzgeber den Begriff der „Rechtskraft des Enteignungsbescheides“ nicht synonym mit der „Erlassung des Bescheids“ verwendet, sondern (naheliegend) differenziert (vgl einerseits „Erlassung“ § 4 Abs 3, § 32 Z 2 leg cit und andererseits „Rechtskraft“ § 4 Abs 1, § 15 Abs 3, § 20a Abs 1 und 2 leg cit).
6.2 Die ratio legis, wonach die Frist für die Anrufung der ordentlichen Gerichte nicht bereits mit der Zustellung des Bescheids zu laufen beginnen soll, liegt in der Verfahrensökonomie. Zur Vermeidung unnötigen Verfahrensaufwands sollen die ordentlichen Gerichte mit der Höhe der Enteignungsentschädigung erst beschäftigt werden, wenn die Enteignung dem Grunde nach bereits rechtskräftig ist; erst wenn durch rechtskräftigen Bescheid feststeht, dass eine solche vorzunehmen ist, soll ein solches Gerichtsverfahren folgen. Mit dem Abstellen auf die „Rechtskraft des Enteignungsbescheids“ werden also Verfahren verhindert, durch die den Parteien vor den ordentlichen Gerichten – ex post betrachtet – vermeidbarer Aufwand an Kosten entstehen würde.
6.3 Dieser Normzweck findet auch Deckung in der Judikatur des Obersten Gerichtshofs zu früheren Fassungen des § 20 Abs 3 BStG 1971. In der Entscheidung 1 Ob 756/78 (SZ 51/175) wurde zur damals noch einjährigen Frist des § 20 Abs 3 BStG 1971 aF ausgesprochen, dass die Jahresfrist für die Anrufung des Gerichts nur deswegen erst mit der Rechtskraft des Enteignungsbescheids zu laufen beginnt, „weil ohne Enteignung natürlich auch keine Entschädigung zu bezahlen ist“. In diesem Sinn bereits 5 Ob 287/64 (EvBl 1965/422) zur Vorgängerbestimmung des § 15 Abs 3 BStG. Demnach beginnt die einjährige Frist erst am Tage des Eintritts der Rechtskraft des Enteignungsbescheids zu laufen, ein vorher eingebrachter Antrag auf Entscheidung ist zurückzuweisen (RIS-Justiz RS0053523).
7.1 Die Antragsgegnerin weist in ihrer Rechtsmittelbeantwortung auf die zum WRG ergangenen Entscheidung 1 Ob 95/07p hin, wonach die (in § 117 Abs 4 WRG angeordnete) Zweimonatsfrist zur Anrufung des Gerichts (bereits dann) mit der Zustellung des Verwaltungsbescheids beginne, wenn die Entscheidung der Wasserrechtsbehörde unbekämpft geblieben ist.
7.2.1 Der Oberste Gerichtshof hat in dieser Entscheidung nicht pauschal auf die Erlassung (Zustellung) der Entscheidung der Verwaltungsbehörde 1. Instanz abgestellt (in diesem Sinn auch 1 Ob 178/14d für die neue Rechtslage), sondern danach unterschieden, ob der Verwaltungsbescheid unbekämpft blieb oder im Wege der Berufung (bzw durch Beschwerde an das Verwaltungsgericht, vgl 1 Ob 178/14d) angefochten wurde. Nur im ersten Fall ist für den Fristbeginn die Zustellung des Bescheids der Behörde erster Instanz maßgeblich, während die Frist erst mit der Entscheidung der Berufungsbehörde über die Berufung endete (bzw zur neuen Rechtslage siehe 1 Ob 178/14d: erst mit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts über die Beschwerde).
7.2.2 Wenngleich im Anlassfall der Enteignungsbescheid unangefochten in Rechtskraft erwachsen ist, lässt sich aus den zum WRG zitierten Entscheidungen für die Antragsgegnerin nichts gewinnen. Die „Anrufungsbestimmung“ des § 20 Abs 3 BStG 1971 unterscheidet sich nämlich von jener des § 117 Abs 4 WRG bereits dadurch, dass das BStG 1971 ausdrücklich auf die Rechtskraft des Enteignungsbescheids abstellt, während § 117 Abs 4 WRG den Fristbeginn explizit an die Zustellung des Bescheids knüpft.
7.3 Vielmehr kann auch die vom Obersten Gerichtshof in der Entscheidung 1 Ob 178/14d vertretene Rechtsansicht gegen den Rechtsstandpunkt der Vorinstanzen ins Treffen geführt werden, weil bereits darin zur neuen Rechtslage nach der Verwaltungsgerichtsnovelle 2012 davon ausgegangen wird, es sei ohne Bedeutung, dass für die Überprüfung von Bescheiden nunmehr die Verwaltungsgerichte und nicht mehr die Verwaltungsbehörden zweiter Instanz zuständig sind. Damit wird nämlich der Rechtsschutz zur alten Rechtslage (Berufung an eine Verwaltungsbehörde) mit der neuen Rechtslage (Beschwerde an das Verwaltungsgericht) gleichgestellt. Gerade diese Gleichstellung steht aber im Widerspruch zur Ansicht der Vorinstanzen, wonach die Beschwerde an das Verwaltungsgericht als außerordentliches Rechtsmittel zu qualifizieren sei, das die Rechtskraft (im Gegensatz zur Berufung vor der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012) eben nicht aufschieben solle.
8. Die Entscheidungen der Vorinstanzen sind somit aufzuheben und dem Erstgericht sei die Fortsetzung des Verfahrens unter Abstandnahme von dem gebrauchten Zurückweisungsgrund aufzutragen.
9. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 20 Abs 5 BStG 1971 iVm § 44 EisbEG. Da die Kosten des Revisionsrekurses nicht durch ein ungerechtfertigtes Einschreiten des Antragstellers hervorgerufen wurden, hat die Antragsgegnerin die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung selbst zu tragen; dagegen bilden die der Antragstellerin im Revisionsrekursverfahren entstandenen Kosten, über deren Ersatz erst mit der Endentscheidung abgesprochen werden kann weitere Verfahrenskosten (7 Ob 39/13f).
Textnummer
E123912European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2018:0030OB00233.18P.1219.000Im RIS seit
06.02.2019Zuletzt aktualisiert am
19.03.2021