TE Bvwg Erkenntnis 2018/6/7 G309 2175079-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 07.06.2018
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

07.06.2018

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

G309 2175079-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Ing. Mag. Franz SANDRIESSER als Vorsitzenden, sowie die Richterin Mag. Beatrix LEHNER und der fachkundigen Laienrichterin Beate KOCH als Beisitzerinnen über die Beschwerde von XXXX, geb. am XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle XXXX, vom 22.08.2017, OB: XXXX, betreffend Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses, zu Recht erkannt:

A)

I. Der Beschwerde wird s t a t t g e g e b e n und der angefochtene Bescheid behoben.

II. Der Grad der Behinderung beträgt 50 (fünfzig) v.H. (von Hundert). Die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß §§ 40 ff BBG liegen vor.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) stellte am 12.07.2017 beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle XXXX (im Folgenden: belangte Behörde), einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses. Dem Antrag waren eine Kopie des Meldezettels des BF sowie verschiedene medizinische Beweismittel (Befunde udgl.) angeschlossen.

2. Im Rahmen des seitens der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungsverfahrens wurde ein medizinisches Sachverständigengutachten eingeholt.

Im Gutachten von XXXX, Ärztin für Allgemeinmedizin, vom 19.08.2017, wird nach persönlicher Untersuchung des BF im Wesentlichen folgendes ausgeführt:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Position bzw. der Rahmensätze:

Pos. Nr.

GdB %

1

Zustand nach operativ versorgtem Fersenbeintrümmerbruch, Zustand nach operativ versorgter Unterschenkelfraktur, liegende Hüftendoprothese rechts, Bewegungseinschränkung der Hals- und Lendenwirbelsäule, Kalkschulter rechts, Impingement rechte Schulter, Teilruptur des Supraspinatusmuskel rechts Oberer Rahmenwert des mittleren Rahmenwertes bei degenerativen Veränderungen am Bewegungsapparat und damit verbundenen Bewegungseinschränkungen. Es wird jedoch nur eine Bedarfsschmerzmedikation benötigt, daher ist keine höhere Einschätzung gerechtfertigt.

02.02.02

40

Gesamtgrad der Behinderung 40 v. H.

Die folgenden, beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen würden keinen Grad der Behinderung erreichen:

"Eine mäßig ausgeprägte Fettleber sowie relativ keine Nierenzysten stellen keine einschätzbare Behinderung dar, da keine weitere Behandlung erforderlich ist. Der Zustand nach operierter Halsschlagader rechts stellt bei einem guten postoperativen Ergebnis keine einschätzbare Behinderung da."

3. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 22.08.2017 wurde ein Grad der Behinderung von 40 (vierzig) v. H. (von Hundert) festgestellt und der Antrag des BF auf Ausstellung eines Behindertenpasses abgewiesen. Gestützt wurde die Entscheidung im Wesentlichen auf das erstattete Sachverständigengutachten.

4. Gegen den Bescheid der belangten Behörde erhob der BF mit E-Mail vom 20.09.2017 fristgerecht eine als "Stellungnahme" bezeichnete Beschwerde und brachte vor, im Gutachten habe keinen Eingang gefunden, dass der BF am rechten Fuß einen Fersentrümmerbruch und einen Unterschenkelbruch am linken Fuß erlitten habe. Nach seinem letzten Unfall sei der BF vier Monate lang im Krankenhaus gewesen, danach habe er ca. 5 Wochen lang einen Rollstuhl benutzen müssen, später habe er auch einen Rehaaufenthalt absolviert. Es komme oft vor, dass seine Füße sehr stark angeschwollen seien, vor allem bei Wärme trete dies sehr stark auf. Er könne nur sehr weiche Schuhe tragen. Der Fersen- oder Zehenspitzenstand sei beidseits nicht möglich. Der Einbeinstand sei nur kurz möglich, sei aber gefährlich. Das Aufstehen sei nur mit Abstützen möglich. Auch das Sprung- und Fußgelenk würden eine Verletzung aufweisen. Er könne eine Wegstrecke von in etwa 800 m nur mit Pausen gehen. Es sei ihm zudem nur möglich, öffentliche Verkehrsmittel zu benützen, wenn er einen Sitzplatz habe. Eine Verbesserung könne bei diesem Krankheitsbild nicht eintreten, es werde eher immer schlechter.

5. Die gegenständliche Beschwerde und die bezughabenden Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht durch die belangte Behörde einlangend mit 31.10.2017 vorgelegt.

6. Seitens des erkennenden Gerichtes wurde XXXX, Fachärztin für Orthopädie und orthopädische Chirurgie, mit der Begutachtung und Erstattung eines Gutachtens beauftragt.

Im eingeholten Gutachten vom 03.01.2018 wird, basierend auf der persönlichen Untersuchung des BF, zusammengefasst folgendes festgehalten:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Position bzw. der Rahmensätze:

Pos. Nr.

GdB %

1

Z.n. künstlichem Hüftgelenksersatz rechts (1996) mit Belastungsschmerzen und mäßiger Funktionseinschränkung. Vorgegebener Rahmensatzwert, mäßige Funktionseinschränkung und Belastungsschmerzen im rechten Hüftgelenk, aufgrund der Untersuchung könnte auch schon eine leichte Pfannenlockerung vorliegen.

02.05.09

30

2

Posttraumatische Bewegungseinschränkung beide Sprunggelenke. Unterer Rahmensatzwert, mäßige Funktionseinschränkung rechts mehr als links.

02.05.33

30

3

Posttraumatische Einschränkung der Greiffunktion linke Hand. Vorgegebener Rahmensatzwert, mäßige Einschränkung der Handfunktion.

02.06.22

20

Gesamtgrad der Behinderung 50 v. H.

Den Gesamtgrad der Behinderung begründend wurde ausgeführt, dieser ergebe sich aus der führenden Position 1. Die Positionen 2 und 3 würden den Gesamtgrad der Behinderung wegen ungünstiger Wechselwirkung (wechselseitige negative Beeinträchtigung des Gangbildes aufgrund der Funktionseinschränkung der rechten Hüfte und beider Sprunggelenke sowie beeinträchtigter Greiffunktion der linken Hand, weshalb der Gehstock rechts verwendet werden müsse) um je eine Stufe anheben.

Zu dem seitens der belangten Behörde eingeholten Vorgutachten und zum nunmehr geänderten Gesamtgrad der Behinderung wurde Folgendes festgehalten:

"Gegenüber dem Vorgutachten wurden die Positionen einzeln beurteilt, es zeigen sich zusätzlich eine Funktionseinschränkung der rechten Hüfte, des rechten Sprunggelenks und der linken Hand. Daher insgesamt Einschätzung um eine Stufe höher."

Die folgenden, beantragten, bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen würden keinen Grad der Behinderung erreichen:

"Radiologisch beschriebene Veränderungen im rechten Schultergelenk ohne Funktionseinschränkung."

7. Das Ergebnis der Beweisaufnahme wurde den Verfahrensparteien seitens des erkennenden Gerichtes im Rahmen des Parteiengehörs gemäß § 45 Abs. 3 AVG in Verbindung mit § 17 VwGVG mit Schreiben vom 17.01.2017 zur Kenntnis gebracht und den Parteien die Möglichkeit eingeräumt, sich dazu binnen zwei Wochen ab Zustellung zu äußern. Es langten keine Stellungnahmen ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer hat seinen Wohnsitz im Inland.

Beim BF liegen ein Zustand nach künstlichem Hüftgelenksersatz rechts im Jahr 1996 mit Belastungsschmerzen und mäßiger Funktionseinschränkung, eine posttraumatische Bewegungseinschränkung beide Sprunggelenke sowie eine posttraumatische Einschränkung der Greiffunktion der linken Hand vor.

Der Grad der Behinderung beträgt 50 (fünfzig) v. H. (von Hundert).

Der Beschwerdeführer erfüllt die allgemeinen Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses.

2. Beweiswürdigung:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes. Die Feststellungen hinsichtlich des Wohnsitzes des BF ergeben sich aus den eigenen Angaben bzw. einem aktuellen Auszug aus dem Zentralen Melderegister.

Das seitens des erkennenden Gerichtes eingeholte medizinische Sachverständigengutachten von XXXX, Fachärztin für Orthopädie und orthopädische Chirurgie, vom 03.01.2018 ist schlüssig, nachvollziehbar und weist keine Widersprüche auf. Soweit das im gegenständlichen Ermittlungsverfahren eingeholte Gutachten von jenem von der belangten Behörde eingeholten Vorgutachten abweicht, ist dies auf die aus fachärztlicher Perspektive zu Position 2 ergänzend eingeschätzte posttraumatische Bewegungseinschränkung beider Sprunggelenke sowie die zu Position 3 zusätzlich eingeschätzte posttraumatische Einschränkung der Greiffunktion der linken Hand zurückzuführen, welche den Grad der Behinderung der führenden Position 1 nachvollziehbar um je eine Stufe steigern.

Es wurde auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausführlich eingegangen, die getroffenen Einschätzungen, basierend auf dem im Rahmen persönlicher Untersuchung ausführlich erhobenen klinischen Befund, entsprechen den festgestellten Funktionseinschränkungen. Der Inhalt des medizinischen Sachverständigengutachtens wurde den Verfahrensparteien im Rahmen des Parteiengehörs zur Möglichkeit einer Stellungnahme übermittelt und von diesen unbeeinsprucht zur Kenntnis genommen.

Das Sachverständigengutachten von XXXXwird der Entscheidung des erkennenden Gerichts daher in freier Beweiswürdigung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 6 BVwGG (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG (Bundesbehindertengesetz) hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die im § 10 Abs. 1 Z 6 BBG genannte Vereinigung entsendet die Vertreterin oder den Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung. Hinsichtlich der Aufteilung des Nominierungsrechtes auf gleichartige Vereinigungen ist § 10 Abs. 2 BBG anzuwenden. Für die Vertreterin oder den Vertreter ist jeweils auch die erforderliche Anzahl von Ersatzmitgliedern zu entsenden.

Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG) geregelt (§ 1 VwGVG).

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG (Bundes-Verfassungsgesetz) die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes (Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991) mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4 VwGVG) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3 VwGVG) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß

Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Das Verwaltungsgericht kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt wird, ungeachtet eines Parteienantrags, von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK (Europäische Menschenrechtskonvention) noch Art. 47 GRC (Charta der Grundrechte der Europäischen Union) entgegenstehen. Der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) kann entnommen werden, dass er das Sozialrecht auf Grund seiner technischen Natur und der oftmaligen Notwendigkeit, Sachverständige beizuziehen, als gerade dazu geneigt ansieht, nicht in allen Fällen eine mündliche Verhandlung durchzuführen (vgl. Eriksson v. Sweden, EGMR 12.04.2012; Schuler-Zgraggen v. Switzerland, EGMR 24.06.1993).

Der im gegenständlichen Fall entscheidungsrelevante Sachverhalt wurde größtenteils auf gutachterlicher Basis ermittelt und ist durch seine "technische" Natur, nämlich durch medizinisches Fachwissen, gekennzeichnet. Da der Sachverhalt auch aus der Aktenlage in Verbindung mit den Beschwerdegründen und dem Begehren des BF geklärt erscheint, konnte eine mündliche Verhandlung gemäß § 24 VwGVG entfallen, zudem auch keine der Parteien eine mündliche Verhandlung beantragt hat.

3.2. Zu Spruchteil A):

Unter Behinderung im Sinne des Bundesbehindertengesetzes ist gemäß § 1 Abs. 2 BBG die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten. Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit gemäß § 42 Abs. 1 BBG zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

Gemäß § 45 BBG Abs. 1 sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

Ein Bescheid ist gemäß § 45 Abs. 2 BBG nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3 BBG) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

Gemäß § 40 BBG ist behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50 % auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist,

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen,

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten,

4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes (BGBl. Nr. 22/1970), angehören.

§ 35 Einkommensteuergesetz 1988 (EStG 1988) regelt, dass die Höhe des Freibetrages sich nach dem Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) bestimmt. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) richtet sich in Fällen,

1. in denen Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden, nach der hiefür maßgebenden Einschätzung,

2. in denen keine eigenen gesetzlichen Vorschriften für die Einschätzung bestehen, nach

§ 7 und § 9 Abs. 1 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 bzw. nach der Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 261/2010, für die von ihr umfassten Bereiche.

Die Tatsache der Behinderung und das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) sind durch eine amtliche Bescheinigung der für diese Feststellung zuständigen Stelle nachzuweisen. Die für die Ausstellung einer solchen zuständigen Stelle ist:

-

Der Landeshauptmann bei Empfängern einer Opferrente (§ 11 Abs. 2 des Opferfürsorgegesetzes, BGBl. Nr. 183/1947).

-

Die Sozialversicherungsträger bei Berufskrankheiten oder Berufsunfällen von Arbeitnehmern.

-

In allen übrigen Fällen sowie bei Zusammentreffen von Behinderungen verschiedener Art das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen. Dieses hat den Grad der Behinderung durch Ausstellung eines Behindertenpasses nach §§ 40 ff BBG, im negativen Fall durch einen in Vollziehung dieser Bestimmungen ergehenden Bescheid zu bescheinigen.

Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 BBG genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3 BBG), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichgesetzes 1967 BGBl. Nr. 376. Nach § 41 Abs. 1 BBG hat das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 BBG vorliegt.

Hat eine Partei grundlegende Bedenken gegen ein ärztliches Gutachten, dann ist es nach Ansicht des VwGH an ihr gelegen, auf gleichem fachlichen Niveau diesem entgegenzutreten oder unter Anbietung von tauglichen Beweismitteln darzutun, dass die Aussagen des ärztlichen Sachverständigen mit dem Stand der medizinischen Forschung und Erkenntnis nicht vereinbar sind (VwGH 20.10.1978, 1353/78).

Fallgegenständlich war wie folgt zu entscheiden:

Insoweit sich die Ausführungen des BF auf die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" beziehen, ist darauf hinzuweisen, dass das Vorliegen des Behindertenpasses die notwendige Voraussetzung für die Vornahme von Zusatzeintragungen ist.

Der äußerste Rahmen für die Prüfbefugnis des Verwaltungsgerichtes ist die "Sache" des bekämpften Bescheides (VwGH 09.09.2015, Ra 2015/04/0012; 26.03.2015, Ra 2014/07/0077; des Weiteren Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht10 (2014) RN 833). Fallgegenständlich war "Sache" des vorangegangenen Verfahrens die Beurteilung des Gesamtgrades der Behinderung des BF und das Vorliegen der allgemeinen Voraussetzungen für die Ausstellung des Behindertenpasses. Nach § 40 BBG ist behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50 % auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen ein Behindertenpass auszustellen.

Da ein Grad der Behinderung von 50 (fünfzig) von Hundert festgestellt wurde und auch die sonstigen Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses erfüllt sind, war spruchgemäß zu entscheiden und der Beschwerde stattzugeben.

3.3. Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzlicher Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die Zulassung der Revision war gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zudem zu verneinen, weil die gegenständliche Entscheidung in Wesentlichen nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, sondern von Tatsachenfragen. Maßgebend ist das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen.

Schlagworte

Behindertenpass, Grad der Behinderung, Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:G309.2175079.1.00

Zuletzt aktualisiert am

05.02.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten