TE Bvwg Erkenntnis 2018/8/29 I414 2189593-1

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Veröffentlicht am 29.08.2018
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Entscheidungsdatum

29.08.2018

Norm

Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1
BBG §42
BBG §45

Spruch

I414 2189593-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Christian EGGER als Vorsitzender und die Richterin MMag. Alexandra JUNKER sowie die fachkundige Laienrichterin Dr. Elisabeth RIEDER als Beisitzerinnen über die Beschwerde von XXXX, vertreten durch die Kammer für Arbeiter und Angestellte für Tirol, Maximilianstraße 7, 6010 Innsbruck, gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Tirol (SMS), vom 18.01.2018, Zl. OB: XXXX, betreffend den Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragungen "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" und "die Inhaberin des Passes bedarf einer Begleitperson" in den Behindertenpass, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" und die Vornahme der Zusatzeintragung "Bedarf einer Begleitperson" in den Behindertenpass befristet bis 01.10.2020 vorliegen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Am 24.11.2018 beantragte Frau XXXX (in der Folge als Beschwerdeführerin bezeichnet) unter Vorlage medizinischer Beweismittel die Neuausstellung des Behindertenpasses wegen des Ablaufes des befristeten Behindertenpasses und die Vornahme der Zusatzeintragungen "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" und des "Bedarfes einer Begleitperson" in den Behindertenpass.

In weitere Folge wurde Seiten des Sozialministeriumservice (in der Folge als belangte Behörde bezeichnet) ein Sachverständigengutachten von Dr. L., Facharzt für Innere Medizin eingeholt. Dieses Gutachten wurde aufgrund der Aktenlage am 31.12.2017 erstellt. Dabei wurde folgende Funktionseinschränkung festgestellt:

"Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktions-einschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos.Nr.

Gdb %

1

Arterielles Gefäßsystem, Arterielles Gefäßsystem - Funktionseinschränkungen schweren Grades analog: schwere allgemeine arterielle Gefäßerkrankung mit aorto-bi-iliacaler Prothesenimplantation 10/2015 bei disseziertem infrarenalem Bauchaortenaneurysma und Aneurysma d. re. A. iliaca communis sowie thorakoabdominellem Aortenersatz 2012 bei Aortendissektion Stanford B (Abgang subclavia sinistra bis in die lliacalgefäße, rechte Nierenarterie vom falschen Lumen abgehend) aktuell von gefäßchirurgischer Seite stabile Situation, Kontrolle in 6 Monatsabständen, keine Claudicatio

05.03.04

80

2

Affektive Störungen; Manische, depressive und bipolare Störungen, Depressive Störung mittleren Grades manische Störung mittleren Grades eingeschränkte Sozialkontakte und Leistungsfähigkeit

03.06.02

50

3

Koronare Herzkrankheit, Koronare Herzerkrankung - Keine bis geringe Einschränkung der Herzleistung Signifikanter Herzkranzgefäßverengung (Intervention) Abglaufener Myocardinfarkt Koronare Herzkrankheit, belastungsabhängige Durchblutungsstörung, bisher kein Infarkt, stabile Angina pectoris, normale Linksventrikelfunktion

05.05.02

30

4

Hypertonie, Mäßige Hypertonie antihypertensive 4-fach-Therapie

05.01.02

20

5

Wirbelsäule, Wirbelsäule - Funktionseinschränkungen geringen Grades Degenerative Wirbelsäulen und Gelenksveränderungen, keine Dauertherapie

02.01.01

20

6

Stoffwechselstörung, Stoffwechselstörungen leichten Grades Hypercholesterinämie, therapiebedürftig

09.03.01

10

Gesamtgrad der Behinderung 90 v.H.

[...]

Das Vorliegen der Voraussetzungen für die begehrten Zusatzeintragungen wurden von der Sachverständigen verneint. Zusammenfassend wurde im Gutachten ausgeführt, dass zweifellos eine eingeschränkte körperliche Leistungsfähigkeit vorliege, jedoch geht aus dem Ergometrie- Befundes des Reha-Zentrums XXXX vom 10.10.2017 hervor, dass die Ist-Leistung zwischen 96 und 108 Watt in der Ergometrie betrage. Daher sei das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke weiterhin zumutbar. Seitens der Reha- Klinik werde eine Wochennettotrainingszeit von 150 Minuten explizit empfohlen. Des Weiteren wird ausgeführt, dass keine schwere Erkrankung des Immunsystems vorliege.

Am 15.01.2018 wurde der Beschwerdeführerin ein Behindertenpass mit einen Grad der Behinderung von 90 % ausgestellt.

Mit Bescheid vom 18.01.2018 wies die belangte Behörde schließlich die beantragten Zusatzeintragungen ab und begründete dies damit, dass das ärztliche Begutachtungsverfahren ergeben habe, dass die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung nicht vorlägen. Das Gutachten vom 31.12.2017 wurde der Beschwerdeführerin als Beilage des Bescheides übermittelt.

Dagegen erhob die Beschwerdeführerin rechtzeitig und zulässig Beschwerde. Begründend wurde zusammenfassend ausgeführt, dass entgegen den Ausführungen der belangten Behörde bei der Beschwerdeführerin massive Einschränkungen vorliegen würden, welche ihr die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar machen und den Bedarf einer Begleitperson erfordern würden. Das Ein- und Aussteigen und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel stelle eine Gefahr für die körperliche Unversehrtheit der Beschwerdeführerin dar. Zudem habe sich im Vergleich zu den Vorbegutachtungen habe sich bei der Beschwerdeführerin keine Besserung ergeben.

Zur Überprüfung des Beschwerdegegenstandes wurde vom Bundesverwaltungsgericht ein Sachverständigengutachten von Dr. N., Fachärztin für Orthopädie und orthopädische Chirurgie, basierend auf der persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 24.05.2018, eingeholt. Die Sachverständige führte im Gutachten im Wesentlichen aus, dass die Beschwerdeführerin nur mit zwei Gehstöcken maximal durchgehend eine Wegstrecke von 100 Metern zurücklegen könne, anschießend würde es zu einem Erschöpfungszustand, aufgrund von einer psychisch bedingten ausgeprägten Depression, wegen ihrer Herzschwäche, Dypnoe und Kreuzschmerzen mit Ausstrahlung in den Beinen, kommen. Die Beschwerdeführerin habe auch Probleme beim Überwinden von Niveauunterschieden. So könnten Niveauunterschiede nur mit Anhalten an einem Handlauf überwunden werden, kurzes Stehen sei möglich. Des Weiteren würden schmerzhafte Bewegungseinschränkungen beider Kniegelenke bestehen. Aufgrund ihrer schlechten psychischen Verfassung sei die Beschwerdeführerin nur sehr eingeschränkt belastbar, dies würde daher beim Gehen in der Ebene und beim Stiegensteigen zur Kurzatmigkeit führen. Daher bestehe bei der Beschwerdeführerin eine erhebliche Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit. Es würden auch erhebliche Einschränkungen psychischer Fähigkeiten beziehungsweise Funktionen vorliegen. Sie leide an einer depressiven Störung beziehungsweise posttraumatischen Belastungsstörung. Die Beschwerdeführerin benötige für die Bewältigung von Tätigkeiten außerhalb der häuslichen Umgebung eine Begleitperson.

Zur Frage des Bedarfes einer Begleitperson, führte die Sachverständige auszugsweise - wörtlich - aus:

[...]

Ad g) Bedarf es aufgrund der Funktionseinschränkungen der Beschwerdeführerin zur Fortbewegung im öffentlichen Raum ständiger Hilfe einer Begleitperson?

Ja. Aufgrund der psychischen Erkrankung (Depression, Posttraumat, Belastungsstörung).

Ad h) Bedarf es aufgrund der Bewegungseinschränkungen der Beschwerdeführerin zur Fortbewegung im öffentlichen Raum einer Begleitperson?

Ja. Aufgrund der psychischen Erkrankung (Depression, Posttraumat, Belastungsstörung).

Ad i) Bedarf es aufgrund einer kognitiven Einschränkung, die im öffentlichen Raum zur Orientierung und Vermeidung von Eigengefährdung ständiger Hilfe einer zweiten Person?

Ja. Aufgrund der psychischen Erkrankung mit Zuständen der örtlichen Desorientiertheit (Depression, Posttraumat, Belastungsstörung).

[...]

Abschießend wurde ausgeführt, dass sich bei der Beschwerdeführerin bei operativen und konservativen Therapien die Funktionseinschränkungen derart verbessern können, dass die Benützung von öffentlichen Verkehrsmittel wieder möglich sei und der Bedarf einer Begleitperson nicht mehr notwendig sei. Daher werde seitens der Gutachterin eine Nachuntersuchung in zwei Jahren empfohlen.

Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 19.03.2018 bzw. E-Mail vom 27.07.2018 wurde das Gutachten dem Parteiengehör unterzogen und den Verfahrensparteien die Möglichkeit eingeräumt, zum Ergebnis der Beweisaufnahme innerhalb einer Frist von zwei Wochen ab Zustellung des Schreibens Stellung zu nehmen.

Die belangte Behörde führte in der Stellungnahme vom 07.06.2018 zusammengefasst aus, dass das Gutachten von Dr. N. schlüssig und nachvollziehbar sei. Die belangte Behörde schließe sich daher vollinhaltlich dem Gutachten an und verzichte auf die Abgabe einer weiteren Stellungnahme.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die am XXXX geborene Beschwerdeführerin hat ihren Wohnsitz im Inland.

Der Beschwerdeführerin wurde am 15.01.2018 ein Behindertenpass mit einem Grad der Behinderung von 90 v.H. ausgestellt.

Die Beschwerdeführerin brachte am 24.11.2018 einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragungen "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" und "die Inhaberin des Passes bedarf einer Begleitperson" in den Behindertenpass ein.

Die Beschwerdeführerin kann nur mit zwei Gehstöcken eine Wegstrecke von 100 Metern zurücklegen, danach kommt es zu einem Erschöpfungszustand. Beim Gehen in der Ebene kommt es zur Kurzatmigkeit der Beschwerdeführerin. Die Beschwerdeführerin ist nur eingeschränkt belastbar. Sie leidet an einer depressiven beziehungsweise posttraumatischen Belastungsstörung.

Das Überwinden von Niveauunterschieden ist der Beschwerdeführerin nur mit Anhalten möglich.

Bei der Beschwerdeführerin bestehen schmerzhafte Bewegungseinschränkungen beider Kniegelenke.

Für die Bewältigung für Alltagserledigungen außer Haus benötigt die Beschwerdeführerin derzeit überwiegend eine Begleitperson.

Aufgrund ihrer psychischen Erkrankung und örtlichen Desorientierung bedarf es zur Fortbewegung im öffentlichen Raum derzeit einer Begleitperson.

Durch operative und konservative Therapien können sich die Funktionseinschränkungen soweit verbessern, dass die Benützung von öffentlichen Verkehrsmittel wieder möglich wird und es keiner Begleitperson bedarf.

Eine Nachuntersuchung sollte im Oktober 2020 erfolgen.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur Person der Beschwerdeführerin, ihren Wohnsitz und dem Behindertenpass ergeben sich aus dem Verwaltungsakt und sind unstrittig.

Die Feststellungen zu ihrem Gesundheitszustand ergeben sich aus dem von der belangten Behörde und dem im Beschwerdeverfahren eingeholten Sachverständigengutachten von Dr. P., Fachärztin für Urologie vom 22.09.2017 sowie von Dr. N., Fachärztin für Orthopädie und orthopädische Chirurgie vom 24.05.2018. Die Sachverständigen führten schlüssig und nachvollziehbar aus, dass die Beschwerdeführerin die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht zumutbar sei. Insbesondere führte Dr. N. aus, dass die Beschwerdeführerin eine Wegstrecke von maximal 100 Metern, nur unter Verwendung von Gehstöcken und nur mit Unterbrechungen zurückgelegen könne. Auch sei die Beschwerdeführerin das Überwinden von Niveauunterschieden wie zum Beispiel beim Ein- und Aussteigen in das öffentliche Verkehrsmittel nur mit Anhalten möglich. Die körperliche Belastbarkeit der Beschwerdeführerin sei eingeschränkt, beim Gehen in der Ebene sowie beim Stiegensteigen komme es zur Kurzatmigkeit. Aufgrund der schmerzhaften Bewegungseinschränkung beider Kniegelenke, seien die Funktionen der unteren Extremitäten eingeschränkt. Aufgrund ihrer depressiven Störung beziehungsweise posttraumatischen Belastungsstörung sowie ihrer örtlichen Desorientiertheit sei die ständige Hilfe einer zweiten Person zur Fortbewegung im öffentlichen Raum notwendig.

Ebenfalls ergibt sich aus dem schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachten vom 24.05.2018, dass durch operativen und konservativen Therapien die Funktionseinschränkungen derart verbessern können, dass die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wieder möglich wird und es keiner Begleitperson mehr bedarf. Seitens der Sachverständigen wird Nachuntersuchung in frühestens zwei Jahren empfohlen.

Die Gutachten von Dr. P. vom 22.09.2017 sowie von Dr. N. vom 24.05.2018 stehen mit den allgemeinen Gesetzen der Logik in Einklang, ist schlüssig und vollständig. Aus diesen Gründen legte der erkennende Senat diese medizinischen Sachverständigengutachten unter freier Beweiswürdigung seiner Entscheidung zu Grunde.

Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idgF hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur vergleichbaren Regelung des § 67d AVG (vgl. VwGH vom 24.4.2003, 2002/07/0076) wird die Durchführung der Verhandlung damit ins pflichtgemäße Ermessen des Verwaltungsgerichts gestellt, wobei die Wendung "wenn es dies für erforderlich hält" schon iSd rechtsstaatlichen Prinzips nach objektiven Kriterien zu interpretieren sein wird (vgl. VwGH vom 20.12.2005, 2005/05/0017). In diesem Sinne ist eine Verhandlung als erforderlich anzusehen, wenn es nach Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 Abs. 2 GRC geboten ist, wobei gemäß Rechtsprechung des VfGH der Umfang der Garantien und des Schutzes der Bestimmungen ident sind.

In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren geben würde, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten würden oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, Zl. 2012/06/0221).

Maßgebend für die gegenständliche Entscheidung über die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" im Behindertenpass sind die Art und das Ausmaß der beim Beschwerdeführer festgestellten Gesundheitsschädigungen. Zur Klärung des Sachverhaltes wurde daher ein ergänzendes Sachverständigengutachten eingeholt.

Die vorgebrachten Argumente und vorgelegten Beweismittel wurden in den eingeholten ärztlichen Stellungnahmen berücksichtigt. Von der Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme wurde nicht Gebrauch gemacht. Sohin ist der Sachverhalt geklärt und unbestritten. Daher konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben.

3. Rechtliche Beurteilung:

§ 6 und 7 Abs. 1 BVwGG lauten wie folgt:

"Einzelrichter

§ 6. Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Senate

§ 7. (1) Die Senate bestehen aus einem Mitglied als Vorsitzendem und zwei weiteren Mitgliedern als Beisitzern. Für jeden Senat sind mindestens ein Stellvertreter des Vorsitzenden und mindestens zwei Ersatzmitglieder (Ersatzbeisitzer) zu bestimmen."

§ 45 Abs. 3 und 4 BBG lautet wie folgt:

"(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen."

Über die vorliegende Beschwerde war daher durch einen Senat, bestehend aus zwei Berufsrichtern und einem fachkundigen Laienrichter, zu entscheiden.

Die §§ 1, 17 und 58 Abs. 1 und 2 VwGVG lauten wie folgt:

"§ 1. Dieses Bundesgesetz regelt das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes.

§ 17. Soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, sind auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 58. (1) Dieses Bundesgesetz tritt mit 1. Jänner 2014 in Kraft.

(2) Entgegenstehende Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht sind, bleiben unberührt."

Zu A) - Stattgebung der Beschwerde:

Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes in der geltenden Fassung lauten wie folgt:

"ABSCHNITT VI

BEHINDERTENPASS

§ 40 (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpaß auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

(2) Der Behindertenpaß ist unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist.

§ 45 (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluß der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen."

§ 1 Abs. 4 Z 2 und 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl III 2016/263, lautet wie folgt:

a) einer Begleitperson bedarf;

diese Eintragung ist vorzunehmen bei

-

Passinhabern/Passinhaberinnen, die über eine Eintragung nach Abs. 4 Z.1 lit. a verfügen;

-

Passinhabern/Passinhaberinnen, die über eine Eintragung nach Abs. 4 Z 1 lit. b oder d verfügen;

-

bewegungseingeschränkten Menschen ab dem vollendeten 6. Lebensjahr, die zur Fortbewegung im öffentlichen Raum ständig der Hilfe einer zweiten Person bedürfen;

-

Kindern ab dem vollendeten 6. Lebensjahr und Jugendlichen mit deutlicher Entwicklungsverzögerung und/oder ausgeprägten Verhaltensveränderungen;

-

Menschen ab dem vollendeten 6. Lebensjahr mit kognitiven Einschränkungen, die im öffentlichen Raum zur Orientierung und Vermeidung von Eigengefährdung ständiger Hilfe einer zweiten Person bedürfen, und

-

schwerst behinderten Kindern ab Geburt bis zum vollendeten 6. Lebensjahr, die dauernd überwacht werden müssen (z. B. Aspirationsgefahr).

[...]

"Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist jedenfalls einzutragen:

3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und

-

erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder

-

erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder

-

erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder

-

eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder

-

eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1 Abs. 2 Z 1 lit. b oder d

vorliegen."

Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (vgl. VwGH 22.10.2002, 2001/11/0242; VwGH 20.04.2004, 2003/11/0078 [= VwSlg. 16.340 A/2004]; VwGH 01.06.2005, 2003/10/0108; VwGH 29.06.2006, 2006/10/0050; VwGH 18.12.2006, 2006/11/0211; VwGH 17.11.2009, 2006/11/0178; VwGH 23.02.2011, 2007/11/0142; VwGH 23.05.2012, 2008/11/0128; VwGH 17.06.2013, 2010/11/0021, je mwN).

Ein solches Sachverständigengutachten muss sich mit der Frage befassen, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt (20.03.2001, 2000/11/0321 [= VwSlg. 15.577 A/2001]). Dabei ist auf die konkrete Fähigkeit des Beschwerdeführers zur Benützung öffentlicher Verkehrsmittel einzugehen, dies unter Berücksichtigung der hiebei zurückzulegenden größeren Entfernungen, der zu überwindenden Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, der Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt etc. (VwGH 22.10.2002, 2001/11/0242; VwGH 14.05.2009, 2007/11/0080).

Dabei kommt es entscheidend auf die Art und die Schwere der dauernden Gesundheitsschädigung und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel im Allgemeinen an, nicht aber auf andere Umstände, die die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel aus sonstigen, von der Gesundheitsbeeinträchtigung unabhängigen Gründen erschweren, wie etwa die Entfernung des Wohnorts des Beschwerdeführers vom nächstgelegenen Bahnhof (vgl. VwGH 22.10.2002, 2001/11/0258 und 27.05.2014, Ro 2014/11/0013).

Wie oben im Rahmen der Beweiswürdigung ausgeführt, wurde in dem vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Sachverständigengutachten nachvollziehbar ausgeführt, dass im Fall der Beschwerdeführerin die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragungen "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" und "Bedarf einer Begleitperson" in den Behindertenpass vorliegen. Zudem hat das Ermittlungsverfahren ergeben, dass die Beschwerdeführerin aufgrund ihrer Kurzatmigkeit, ihrer psychisch bedingten Depression, ihrer Herzschwäche, ihrer Kreuzschmerzen mit Ausstrahlung in den Beinen und aufgrund der schmerzhaften Bewegungseinschränkungen beider Kniegelenke eine Wegstrecke von 300 bis 400 Metern nur mit Unterbrechungen und unter Verwendung zweier Gehstöcke zurücklegen kann. Ebenfalls kann die Beschwerdeführerin Niveauunterschiede nur mit Anhalten überwunden werden, dabei muss die Beschwerdeführerin ihre Hilfsmittel - Gehstöcke - jedoch in einer Hand tragen. Dadurch ist ein sicherer Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nur gewährleistet, wenn sie einen Sitzplatz eingenommen hat, bis zum Erreichen eines Sitzplatzes ist die Beschwerdeführerin einer erhöhten Sturzgefahr ausgesetzt.

Aufgrund der psychischen Erkrankung mit Zuständen der örtlichen Desorientiertheit bedarf es für die Beschwerdeführerin zur Fortbewegung im öffentlichen Raum einer Begleitperson.

Da aber aus Sicht der Sachverständigen durch operativen und konservativen Therapien die Funktionseinschränkungen derart verbessern können, dass die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wieder möglich wird und es keiner Begleitperson mehr bedarf, war auszusprechen, dass die Zusatzeintragung befristet bis 01.10.2020 vorliegt.

Sohin war spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Behindertenpass, Sachverständigengutachten, Zusatzeintragung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:I414.2189593.1.00

Zuletzt aktualisiert am

05.02.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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