Entscheidungsdatum
29.08.2018Norm
Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1Spruch
I414 2184571-1/7E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Christian EGGER als Vorsitzender und die Richterin MMag. Alexandra JUNKER sowie die fachkundige Laienrichterin Dr. Elisabeth RIEDER als Beisitzerinnen über die Beschwerde von XXXX gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Tirol vom 21.12.2017, Zl. OB:
XXXX, betreffend den Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Herr XXXX (in der Folge als Beschwerdeführer bezeichnet), beantragte am 16.11.2017 die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass. Dem Antrag legte er ein Konvolut an medizinischen Unterlagen bei.
Vom Sozialministeriumservice (in der Folge als belangte Behörde bezeichnet) wurde Dr. L., eine Fachärztin für Innere Medizin, mit der Erstellung eines medizinischen Sachverständigengutachtens nach Aktenlage beauftragt. Die Sachverständige hielt in ihrem Gutachten vom 08.12.2017 fest wie folgt:
"[...] Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:
1
Anämie, Therapierefraktäre Anämien mit ausgeprägten bis schweren Auswirkungen analog: genetisch gesichertes familiäres Mittelmeerfieber, nicht ausreichend kontrolliert mit Colchicin, wiederholte Krankheitsschübe, intermitt. Cortisontherapie und Morphinbedarf
2
Affektive Störungen; Manische, depressive und bipolare Störungen, Depressive Störung - Dysthymie - leichten Grades Manische Störung - Hypomanie - leichten Grades unter Medikation stabil
Gesamtgrad der Behinderung 60 v. H.
Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:
Leiden 1 wird durch Leiden 2 wegen fehlender wechselseitiger Beeinflussung nicht weiter erhöht. [...]
Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:
Vorgutachten Dr. XXXX 7/16: keine gesundheitliche Änderung aus den vorliegenden Unterlagen ersichtlich [...]"
Zur Frage nach der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel führte die Sachverständige aus:
"1. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum? keine. Das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke ist zumutbar, der sichere Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln möglich.
2. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor? Nein"
Mit Bescheid vom 21.12.2017 wies die belangte Behörde den Antrag auf Vornahme der beantragten Zusatzeintragung in den Behindertenpass ab. Begründet wurde ausgeführt, dass das ärztliche Begutachtungsverfahren ergeben habe, dass die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung nicht vorliegen würden.
Dagegen erhob der Beschwerdeführer rechtzeitig und zulässig Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht und machte geltend, dass er an einer Erkrankung des Immunsystems leide und diese es ihm unmöglich mache, ein geregeltes Leben zu führen und könne er auch keine öffentlichen Verkehrsmittel benützen. Dies könne sein behandelnder Arzt bestätigen. Der Beschwerde legte er einen Notfallbericht vom 10.01.2018 und einen Ambulanzbericht vom 17.01.2018 bei.
Vom erkennenden Gericht wurde Dr. L. neuerlich mit der Erstellung eines ergänzenden Gutachtens beauftragt und um gleichzeitige Beantwortung folgender Fragen gebeten:
"a) Kann der Beschwerdeführer eine kurze Wegstrecke (ca. 300 bis 400 m) aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe (allenfalls unter Verwendung zweckmäßiger Behelfe) ohne Unterbrechung zurücklegen?
b) Erschwert die Verwendung der erforderlichen Behelfe die Benützung des öffentlichen Verkehrsmittels in hohem Maß?
c) Wirkt sich die dauernde Gesundheitsschädigung/die dauernden Gesundheitsschädigungen auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens (zu überwindende Niveauunterschiede) und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel (u.a. beim Stehen oder bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt) unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieser Verkehrsmittel gegebenen Bedingungen?
d) Bestehen bei der Beschwerdeführerin erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten?
e) Bestehen bei der Beschwerdeführerin erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit?
f) Bestehen beim Beschwerdeführer erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten bzw. Funktionen?"
Am 21.03.2018 langte beim Bundesverwaltungsgericht ein entsprechendes Ergänzungsgutachten ein und führte die Sachverständige darin aus wie folgt:
"[...] Bei Herrn XXXX besteht eine genetische Erkrankung dir mit wiederholten Fieberschüben und Schmerzsymptomen einhergeht und mit einer Colchicin-Dauertherapie behandelt wird. Die üblicherweise gut auf Colchicin ansprechende Erkrankung führt unbehandelt zu schubhaften Symptomen mit Fieber und Schmerzen (Gelenke und/oder Brust, Bauch) über einige Tage im Abstand von mehreren Wochen. Zwischen den Schüben kommt es bei dieser Erkrankung zu einem völligen Verschwinden der Beschwerden. Bei Herrn XXXX treten trotz Therapie immer wieder Krankheitsschübe auf, weitere zusätzliche Therapiekonzepte haben keine wesentliche Besserung erbracht. Konkret liegen 2 Berichte wegen akuter Vorstellungen an der Klinik wegen Fieberschüben vor, einmal vom März 2017 und einmal vom Jänner 2018.
Punkt a)
In den Phasen zwischen den Erkrankungsschüben kann eine kurze Wegstrecke aus eigener Kraft und ohne Verwendung von zweckmäßigen Behelfen zurückgelegt werden. Im Erkrankungsschub ist mit einer Einschränkung der Mobilität durch Fieber und Gelenkschmerzen zu rechnen, welche das Zurücklegen von 300 Metern vermutlich nicht zulässt. Eine vergleichbare Situation liegt bei vielen chronischen Erkrankungen mit zwischenzeitlichen Phasen einer Verschlechterung vor.
Punkt b)
Behelfe sind nicht erforderlich.
Punkt c)
Das Ein- und Aussteigen und die sichere Beförderung in öffentlichen Verkehrsmitteln sind nicht eingeschränkt. Eine Einschränkung des Immunsystems die eine Benützen von öffentlichen Verkehrsmitteln nicht zulässt, besteht unter laufender Colchicintherapie und intermittierender Urbasontherapie nicht.
Punkt d)
Es bestehen keine anhaltenden Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten.
Punkt e)
Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit bestehen im Rahmen des Erkrankungsschubes durch Fieber und Schmerzen.
Punkt f)
Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten sind nicht beschrieben."
Den Verfahrensparteien wurde das Ergebnis der Beweisaufnahme im Rahmen eines Parteiengehörs mit Schreiben vom 12.4.2018 zur Kenntnis gebracht von der Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme nahm nur die belangte Behörde Gebrauch und schloss sich dem Gutachten voll inhaltlich an.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer ist am XXXX geboren und hat seinen Wohnsitz in Österreich. Der Grad der Behinderung des Beschwerdeführers beträgt 60 %. Der Beschwerdeführer ist im Besitz eines Behindertenpasses seit 13.09.2016.
Der Beschwerdeführer leidet unter folgenden Funktionseinschränkungen:
1. Therapierefraktäre Anämie, analog: genetisch gesichertes Mittelmeerfieber (mit einem Grad der Behinderung von 60%)
2. Affektive Störung leichten Grades (mit einem Grad der Behinderung von 20 %)
Dem Beschwerdeführer sind das Ein- und Aussteigen in/aus das/dem Transportmittel sowie das sichere Transport im Verkehrsmittel möglich. Weiters kann er auch kurze Wegstrecken (300-400 m) ohne Unterbrechung und ohne fremde Hilfe zurücklegen.
Beim Beschwerdeführer bestehenden Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit nur während der Krankheitsschübe. Es besteht keine generelle Einschränkung der körperlichen, psychischen, neurologischen oder intellektuellen Fähigkeiten oder Funktionen. Er ist nicht hochgradig sehbehinderte, blind oder taubblind. Beim Beschwerdeführer besteht auch keine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems. Konkret liegen zwei Berichte wegen akuter Vorstellung an der Klinik wegen Fieberschüben vor und zwar im März 2017 sowie im Jänner 2018.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zu Wohnort, zur Person des Beschwerdeführers und zum Behindertenpass ergeben sich aus dem Verwaltungsakt der belangten Behörde und sind unstrittig.
Der Gesamtgrad der Behinderung von 60 % ergibt sich aus dem Gutachten der Sachverständigen Dr. L. vom 08.12.2017 und hat sich im Vergleich zum Vorgutachen von 07/2016 nicht geändert.
Feststellungen zur Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ergeben sich aus dem Sachverständigengutachten von Dr. L. vom 08.12.2017 sowie aus dem vom erkennenden Gericht ergänzend eingeholten Gutachten. Die Sachverständige stellte ausführlich, schlüssig und nachvollziehbar begründen fest, dass die körperlichen Funktionseinschränkungen zu keiner Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel führen. Ausreichend miteinbezogen wurde auch das Beschwerdevorbringen und alle vom Beschwerdeführer vorgelegten ärztlichen Bestätigungen und Befunde. Insbesondere wurde von der medizinischen Sachverständigen dargelegt, dass eine Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit während der krankheitsbedingten Schübe besteht, von einer dauerhaften Mobilitätseinschränkung deshalb aber nicht ausgegangen werden kann. Es wurde nachvollziehbar erklärt, dass eine solche Einschränkung mit der Situation bei vielen chronischen Erkrankungen mit zwischenzeitlicher Phasen der Verschlechterung vorliegt. Auch wurde schlüssig begründet, dass eine Einschränkung des Immunsystems, die eine Benützung von öffentlichen Verkehrsmitteln nicht zuließe, unter laufender Therapiemaßnahmen nicht besteht.
Die Gutachten von Dr. L. stehen mit den allgemeinen Gesetzen der Logik in Einklang, sind schlüssig und vollständig und wurde ihnen nicht (auf derselben fachlichen Ebene) entgegengetreten. Aus diesen Gründen legt der erkennende Senat diese Gutachten unter freier Beweiswürdigung seiner Entscheidung zugrunde.
Zum Unterbleiben der mündlichen Verhandlung:
Nach § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen (§ 24 Abs. 1 VwGVG). Wurde - wie im vorliegenden Fall - kein entsprechender Antrag gestellt, ist die Frage, ob von Amts wegen eine Verhandlung durchgeführt wird, in das pflichtgemäße - und zu begründende - Ermessen des Verwaltungsgerichts gestellt, wobei die in § 24 Abs. 2, 3, 4 und 5 normierten Ausnahmebestimmungen als Anhaltspunkte der Ermessensübung anzusehen sind (vgl. zur insofern gleichartigen Regelungsstruktur des § 67d Abs. 1 und 2 bis 4 AVG [alte Fassung] die Darstellung bei Hengstschläger/Leeb, AVG [2007] § 67d Rz 17 und 29, mwH). Gemäß Abs. 3 leg.cit. hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Gemäß Abs. 4 leg. cit. kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.
Der im Beschwerdefall maßgebliche Sachverhalt ergibt sich aus dem Akt der belangten Behörde sowie aus den eingeholten Gutachten. Von der Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme zum ergänzend eingeholten Sachverständigengutachten wurde nicht Gebrauch gemacht. Der Sachverhalt gilt für den erkennenden Senat somit als erwiesen und unbestritten. Dies lässt - gerade auch vor dem Hintergrund des Umstandes, dass eine mündliche Verhandlung nicht beantragt wurde - die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht
§§ 6 und 7 Abs. 1 BVwGG lauten wie folgt:
"Einzelrichter
§ 6. Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Senate
§ 7. (1) Die Senate bestehen aus einem Mitglied als Vorsitzendem und zwei weiteren Mitgliedern als Beisitzern. Für jeden Senat sind mindestens ein Stellvertreter des Vorsitzenden und mindestens zwei Ersatzmitglieder (Ersatzbeisitzer) zu bestimmen."
§ 45 Abs. 3 und 4 Bundesbehindertengesetz (BBG), BGBl 1990/283 in der geltenden Fassung, lauten wie folgt:
"(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen."
Über die vorliegende Beschwerde war daher durch einen Senat, bestehend aus zwei Berufsrichtern und einem fachkundigen Laienrichter, zu entscheiden.
Die §§ 1, 17, 28 Abs. 1 und 2 und 58 Abs. 1 und 2 des Bundesgesetzes über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz VwGVG) lauten wie folgt:
"§ 1. Dieses Bundesgesetz regelt das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes.
§ 17. Soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, sind auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn
1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
§ 58. (1) Dieses Bundesgesetz tritt mit 1. Jänner 2014 in Kraft.
(2) Entgegenstehende Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht sind, bleiben unberührt."
Zu A)
3.2. Die maßgeblichen Bestimmungen des BBG lauten wie folgt:
"ABSCHNITT VI
BEHINDERTENPASS
§ 40 (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn
1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder
2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder
3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder
4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder
5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.
§ 42 (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
(2) Der Behindertenpass ist unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist.
§ 45 (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu."
§ 1 Abs 4 Z 3 und Abs. 5 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 2016/263, lautet wie folgt:
"Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist jedenfalls einzutragen:
3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und
-erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder
-erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder
-erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder
-eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder
-eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1 Abs. 2 Z 1 lit. b oder d vorliegen.
(5) Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines/einer ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen."
3.2.1. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Zusatzeintragung ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel dann unzumutbar, wenn eine kurze Wegstrecke nicht aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, allenfalls unter Verwendung zweckmäßiger Behelfe ohne Unterbrechung zurückgelegt werden kann oder wenn die Verwendung der erforderlichen Behelfe die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in hohem Maße erschwert. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist auch dann nicht zumutbar, wenn sich die dauernde Gesundheitsschädigung auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieser Verkehrsmittel gegebenen Bedingungen auswirkt.
Zu prüfen ist die konkrete Fähigkeit, öffentliche Verkehrsmittel zu benützen. Zu berücksichtigen sind insbesondere zu überwindende Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt. (VwGH 22.10.2002, Zl. 2001/11/0242; 14.05.2009, 2007/11/0080).
Um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, hat die Behörde zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (vgl. ua. VwGH vom 27.01.2015, Zl. 2012/11/0186, oder vom 23.05.2012, Zl. 2008/11/0128).
Nach den Ausführungen der Gutachterin Dr. L. wirken sich die dauernden Gesundheitsschädigungen nicht maßgebend auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens sowie auf das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke aus. Der sichere und gefährdungsfreie Transport im öffentlichen Verkehrsmittel ist nicht dauernd eingeschränkt. Insbesondere wird Augenmerk darauf gelegt, dass eine generelle Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht vorliegt und diese nur während der Schübe gegeben sein kann. Konkret liegen im vorliegenden Fall zwei Berichte wegen akuter Vorstellung an der Klinik wegen Fieberschüben vor und zwar im März 2017 sowie im Jänner 2018.
Eine Einschränkung des Immunsystems, die ein Benützen von öffentlichen Verkehrsmitteln nicht zulässt, besteht unter laufender Colchicin- und intermittierender Urbasontherapie nicht.
Das Ermittlungsverfahren hat des Weiteren ergeben, dass beim Beschwerdeführer weder blind noch hochgradig sehbehindert oder taubblind ist. Auch ist er nicht in seinen psychischen, neurologischen oder intellektuellen Funktionen erheblich eingeschränkt.
Ebenso wurde im Gutachten ausgeführt, dass erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit nur während der Krankheitsschübe vorliegen und kann deshalb von einer dauernden Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht ausgegangen werden. Insgesamt ist daher festzuhalten, dass die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung" im Behindertenpass nicht vorliegen, weshalb die Beschwerde abzuweisen war.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Behindertenpass, Sachverständigengutachten, ZusatzeintragungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:I414.2184571.1.00Zuletzt aktualisiert am
05.02.2019