TE Bvwg Erkenntnis 2018/8/29 I414 2163793-1

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Veröffentlicht am 29.08.2018
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Entscheidungsdatum

29.08.2018

Norm

Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1
BBG §42
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

I414 2163793-1/16E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Christian EGGER als Vorsitzender und die Richterin MMag. Alexandra JUNKER sowie die fachkundige Laienrichterin Dr. Elisabeth RIEDER als Beisitzerinnen über die Beschwerde von XXXX gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Tirol (SMS), vom 14.06.2017, Zl. OB: XXXX, betreffend den Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass befristet bis 01.10.2019 vorliegen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Am 05.04.2017 beantragte Herr XXXX (in der Folge als Beschwerdeführer bezeichnet) unter Vorlage medizinischer Beweismittel die Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b Straßenverkehrsordnung 1960 (Parkausweis) einschließlich des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses mit der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" in den Behindertenpass.

In weitere Folge wurde Seiten des Sozialministeriumservice (in der Folge als belangte Behörde bezeichnet) ein Sachverständigengutachten von Dr. F., Facharzt für Kinder- und Jugendheilkunde eingeholt. Dieses Gutachten wurde aufgrund der Aktenlage am 30.04.2017 erstellt. Dabei wurde folgende Funktionseinschränkung festgestellt:

"Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktions-einschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos.Nr.

Gdb %

1

Malignome, Operativ nicht entfernte Malignome bei laufender Therapie je nach Funktionsstörung Metastasierendes Prostatakarzinom (Magenwand sowie paraaortal links). Z.n. endoskopischer extraperitonealer radikaler Prostatektomie ohne Nervenschonung am 18.11.15 bei Adenocarcinom der Prostata, Gleason Score 7, pT3b N0 L0 V0 Pn1 R1. Z.n. diagnostischer Laparoskopie sowie Magenteilresektion und Tumorexstirpation am 31.5.16 bei Metastase des Prostatakarzinoms Gleason Score 10. Da nach Entfernen der Metastase im Bereich der Magenwand weiterhin ein Anstieg des PSA-Wertes auftrat, wurde nach Casodex-Therapie eine antihormonelle Therapie mit Eligard im Juli 2016 begonnen, der PSMA-negative Lymphknoten links paraaortal war 2 Wochen nach Therapiebeginn mit Eligard minimal regredient von 17mm auf 15mm. Laut letztem Arztbrief vom 27.9.16 besteht aktuell keine Indikation zur Chemotherapie im hormonsensitiven Setting. Fortführung der Therapie mit Eligard sowie onkologische Verlaufskontrollen. Aufgrund des Tumorstadiums und der erfolgten Magenteilresektion RS im oberen Bereich.

13.01.04

80

Gesamtgrad der Behinderung 80 v.H.

[...]

Des Weiteren wurde ausgeführt, dass eine Nachuntersuchung notwendig erscheint, weil nach Ablauf der fünfjährigen Heilungsbewährung der Grad der Behinderung unter 50 % abfallen könne.

Das Vorliegen der Voraussetzungen für die begehrte Zusatzeintragung wurde von der Sachverständigen verneint. Zusammenfassend wurde im Gutachten ausgeführt, dass keine Befunde über eine derartig ausgeprägte Einschränkung des Allgemeinen bzw. Ernährungszustandes des Beschwerdeführers vorliegen würden, welche das Zurücklegen kurzer Wegstrecken und das Überwinden einzelner Stufen beim Ein- und Aussteigen unmöglich machen würde bzw. die Sicherheit des Transportes gefährden würde.

Am 09.05.2017 wurde dem Beschwerdeführer ein Behindertenpass befristet bis zum 31.08.2021 ausgestellt.

Mit Schreiben des Sozialministeriumservice vom 11.05.2017 wurde dem Beschwerdeführer hinsichtlich seines Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung in den Behindertenpass das Ergebnis der Beweisaufnahme zur Kenntnis gebracht.

Mit Bescheid vom 14.06.2017 wies die belangte Behörde schließlich die beantragte Zusatzeintragung ab und begründete dies damit, dass das ärztliche Begutachtungsverfahren ergeben habe, dass die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung nicht vorlägen. Das Gutachten vom 30.04.2017 wurde dem Beschwerdeführer als Beilage des Bescheides übermittelt.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer rechtzeitig und zulässig Beschwerde.

Zur Überprüfung des Beschwerdegegenstandes wurde vom Bundesverwaltungsgericht ein Sachverständigengutachten von Dr. P., Fachärztin für Urologie, basierend auf der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 28.08.2017, eingeholt. Die Sachverständige führte im Gutachten vom 22.09.2017 im Wesentlichen aus, dass die geringgradige Belastungsinkontinenz des Beschwerdeführers durch eine Beckenbodenreevaluation verbessert werden könne. Dies stelle in der derzeitigen Form kein Hindernis für die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel dar. Hingegen stellte die Sachverständige beim Beschwerdeführer eine Einschränkung im Bereich des Bewegungsapparates sowie Gleichgewichtsstörungen fest. Daher könne der Beschwerdeführer eine Wegstrecke von 300 bis 400 Meter unter Verwendung zweckmäßiger Behelfe zurücklegen, jedoch sei auf dieser Wegstrecke alle 50 Meter eine Pause erforderlich. Der Beschwerdeführer habe auch im Rahmen der Funktionsbeeinträchtigung Schwierigkeiten beim Überwinden von Niveauunterschiede beim Ein- und Aussteigen. Aus diesen Gründen sei die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel dem Beschwerdeführer nicht zumutbar.

Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 19.03.2018 wurde das Gutachten dem Parteiengehör unterzogen und den Verfahrensparteien die Möglichkeit eingeräumt, zum Ergebnis der Beweisaufnahme innerhalb einer Frist von zwei Wochen ab Zustellung des Schreibens Stellung zu nehmen.

Die belangte Behörde führte in der Stellungnahme vom 26.03.2018 zusammengefasst aus, dass das Gutachten von Dr. P. nicht schlüssig und nachvollziehbar sei, weil der orthopädische Status des Beschwerdeführers vollständig fehlen würde. Daher seien die Ausführungen der Sachverständigen nur wenig aussagekräftig, insbesondere könne nicht abgeleitet werden, dass der Beschwerdeführer keine Niveauunterschiede überwinden könne beziehungsweise keine Wegstrecke ohne Unterbrechung zurücklegen könne.

Aufgrund dieser Stellungnahme der belangten Behörde wurde vom Bundesverwaltungsgericht ein Sachverständigengutachten von Dr. N., Fachärztin für Orthopädie und orthopädische Chirurgie, basierend auf der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 24.05.2018, eingeholt.

Die Sachverständige führte im Gutachten vom 24.05.2018 im Wesentlichen aus, dass der Beschwerdeführer nur mit 2 Gehstöcken maximal eine Wegstrecke von 300 Metern zurücklegen könne, er müsse jedoch alle 50 Meter eine Pause einlegen. Er habe aufgrund von Gleichgewichtsstörungen ein etwas torkelndes und ein hinkendes Gangbild. Das Überwinden von Niveauunterschieden sei nur mit Anhalten möglich. Aufgrund seiner Gleichgewichtsstörungen sei der Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel bis zum Erreichen eines Sitzplatzes mit erhörter Sturzgefahr verbunden. Es bestehe auch eine schmerzhafte Abnützung des rechten Kniegelenkes, sowie Sensibilitätsstörungen der Zehen. Aufgrund der laufenden Hormontherapie sei seine Leistungsfähigkeit reduziert. Abschießend wurde ausgeführt, dass sich beim Beschwerdeführer bei Absetzung der "Eligard" Therapie und operativen und konservativen Therapie die Funktionseinschränkungen derart verbessern könnten, dass die Benützung von öffentlichen Verkehrsmittel wieder möglich sei. Daher wird seitens der Gutachterin eine Nachuntersuchung in einem Jahr empfohlen.

Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 06.06.2018 wurde das Gutachten vom 24.05.2018 dem Parteiengehör unterzogen. Von der Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme nahm weder der Beschwerdeführer noch die belangte Behörde Gebrauch.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der am XXXX geborene Beschwerdeführer hat seinen Wohnsitz im Inland.

Dem Beschwerdeführer wurde am 09.05.2017 ein befristeter Behindertenpass mit einem Grad der Behinderung von 80 v.H. ausgestellt.

Der Beschwerdeführer brachte am 05.04.2017 einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass.

Der Beschwerdeführer kann eine Wegstrecke von maximal 300 Metern nur unter Verwendung zweier Gehstöcke und nur mit Unterbrechungen zurücklegen.

Das Überwinden von Niveauunterschieden ist dem Beschwerdeführer nur mit Anhalten möglich.

Aufgrund seiner Gleichgewichtsstörungen ist der Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel bis zum Erreichen eines Sitzplatzes mit erhöhter Sturzgefahr verbunden.

Der Beschwerdeführer weist eine schmerzhafte Abnützung des rechten Kniegelenkes, sowie Sensibilitätsstörungen der Zehen auf.

Aufgrund der laufenden Hormontherapie ist die Leistungsfähigkeit des Beschwerdeführers reduziert.

Durch operative und konservative Therapien und durch die Absetzung der "Eligard" Therapie können sich die Funktionseinschränkungen soweit verbessern, dass die Benützung von öffentlichen Verkehrsmittel wieder möglich wird.

Eine Nachuntersuchung sollte im September 2019 erfolgen.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers, seinen Wohnsitz und dem Behindertenpass ergeben sich aus dem Verwaltungsakt und sind unstrittig.

Die Feststellungen zu seinem Gesundheitszustand ergeben sich aus dem von der belangten Behörde und dem im Beschwerdeverfahren eingeholten Sachverständigengutachten von Dr. P., Fachärztin für Urologie vom 22.09.2017 sowie von Dr. N., Fachärztin für Orthopädie und orthopädische Chirurgie vom 24.05.2018. Die Sachverständigen führten schlüssig und nachvollziehbar aus, dass dem Beschwerdeführer die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht zumutbar sei. Insbesondere führte Dr. N. aus, dass der Beschwerdeführer eine Wegstrecke von maximal 300 Metern, nur unter Verwendung von Gehstöcken und nur mit Unterbrechungen nach ca. 50 Metern zurückgelegen könne. Auch sei dem Beschwerdeführer das Überwinden von Niveauunterschieden wie zum Beispiel beim Ein- und Aussteigen in das öffentliche Verkehrsmittel nur mit Anhalten möglich. Ebenfalls sei ein sicherer Transport im Verkehrsmittel nur gewährleistet, wenn der Beschwerdeführer einen Sitzplatz erreicht habe, bis zum Erreichen eines Sitzplatzes bestehe erhöhte Sturzgefahr. Zudem sei seine Leistungsfähigkeit - körperliche Belastbarkeit - aufgrund seiner Hormontherapie reduziert und sein rechtes Kniegelenk sowie die Sensibilität der Zehen - unteren Extremitäten - weisen schmerzhafte Abnützungen auf.

Ebenfalls ergibt sich aus dem schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachten vom 24.05.2018, dass sich durch operative und konservative Therapien und durch die Absetzung der "Eligard" Therapie die Funktionseinschränkungen derart verbessern können, dass die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wieder möglich wird. Seitens der Sachverständigen wird Nachuntersuchung in frühestens drei Jahren empfohlen.

Die Gutachten von Dr. P. vom 22.09.2017 sowie von Dr. N. vom 24.05.2018 stehen mit den allgemeinen Gesetzen der Logik in Einklang, sind schlüssig und vollständig. Aus diesen Gründen legte der erkennende Senat diese medizinischen Sachverständigengutachten unter freier Beweiswürdigung seiner Entscheidung zu Grunde.

Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idgF hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur vergleichbaren Regelung des § 67d AVG (vgl. VwGH vom 24.4.2003, 2002/07/0076) wird die Durchführung der Verhandlung damit ins pflichtgemäße Ermessen des Verwaltungsgerichts gestellt, wobei die Wendung "wenn es dies für erforderlich hält" schon iSd rechtsstaatlichen Prinzips nach objektiven Kriterien zu interpretieren sein wird (vgl. VwGH vom 20.12.2005, 2005/05/0017). In diesem Sinne ist eine Verhandlung als erforderlich anzusehen, wenn es nach Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 Abs. 2 GRC geboten ist, wobei gemäß Rechtsprechung des VfGH der Umfang der Garantien und des Schutzes der Bestimmungen ident sind.

In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren geben würde, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten würden oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, Zl. 2012/06/0221).

Maßgebend für die gegenständliche Entscheidung über die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" im Behindertenpass sind die Art und das Ausmaß der beim Beschwerdeführer festgestellten Gesundheitsschädigungen. Zur Klärung des Sachverhaltes wurde daher ein ergänzendes Sachverständigengutachten eingeholt.

Die vorgebrachten Argumente und vorgelegten Beweismittel wurden in den eingeholten ärztlichen Stellungnahmen berücksichtigt. Von der Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme wurde nicht Gebrauch gemacht. Sohin ist der Sachverhalt geklärt und unbestritten. Daher konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben.

3. Rechtliche Beurteilung:

§ 6 und 7 Abs. 1 BVwGG lauten wie folgt:

"Einzelrichter

§ 6. Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Senate

§ 7. (1) Die Senate bestehen aus einem Mitglied als Vorsitzendem und zwei weiteren Mitgliedern als Beisitzern. Für jeden Senat sind mindestens ein Stellvertreter des Vorsitzenden und mindestens zwei Ersatzmitglieder (Ersatzbeisitzer) zu bestimmen."

§ 45 Abs. 3 und 4 BBG lautet wie folgt:

"(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen."

Über die vorliegende Beschwerde war daher durch einen Senat, bestehend aus zwei Berufsrichtern und einem fachkundigen Laienrichter, zu entscheiden.

Die §§ 1, 17 und 58 Abs. 1 und 2 VwGVG lauten wie folgt:

"§ 1. Dieses Bundesgesetz regelt das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes.

§ 17. Soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, sind auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 58. (1) Dieses Bundesgesetz tritt mit 1. Jänner 2014 in Kraft.

(2) Entgegenstehende Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht sind, bleiben unberührt."

Zu A) - Stattgebung der Beschwerde:

Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes in der geltenden Fassung lauten wie folgt:

"ABSCHNITT VI

BEHINDERTENPASS

§ 40 (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpaß auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

(2) Der Behindertenpaß ist unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist.

§ 45 (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluß der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen."

§ 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl III 2016/263, lautet wie folgt:

"Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist jedenfalls einzutragen:

3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und

-

erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder

-

erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder

-

erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder

-

eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder

-

eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1 Abs. 2 Z 1 lit. b oder d

vorliegen."

Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (vgl. VwGH 22.10.2002, 2001/11/0242; VwGH 20.04.2004, 2003/11/0078 [= VwSlg. 16.340 A/2004]; VwGH 01.06.2005, 2003/10/0108; VwGH 29.06.2006, 2006/10/0050; VwGH 18.12.2006, 2006/11/0211; VwGH 17.11.2009, 2006/11/0178; VwGH 23.02.2011, 2007/11/0142; VwGH 23.05.2012, 2008/11/0128; VwGH 17.06.2013, 2010/11/0021, je mwN).

Ein solches Sachverständigengutachten muss sich mit der Frage befassen, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt (20.03.2001, 2000/11/0321 [= VwSlg. 15.577 A/2001]). Dabei ist auf die konkrete Fähigkeit des Beschwerdeführers zur Benützung öffentlicher Verkehrsmittel einzugehen, dies unter Berücksichtigung der hiebei zurückzulegenden größeren Entfernungen, der zu überwindenden Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, der Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt etc. (VwGH 22.10.2002, 2001/11/0242; VwGH 14.05.2009, 2007/11/0080).

Dabei kommt es entscheidend auf die Art und die Schwere der dauernden Gesundheitsschädigung und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel im Allgemeinen an, nicht aber auf andere Umstände, die die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel aus sonstigen, von der Gesundheitsbeeinträchtigung unabhängigen Gründen erschweren, wie etwa die Entfernung des Wohnorts des Beschwerdeführers vom nächstgelegenen Bahnhof (vgl. VwGH 22.10.2002, 2001/11/0258 und 27.05.2014, Ro 2014/11/0013).

Wie oben im Rahmen der Beweiswürdigung ausgeführt, wurde in dem vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Sachverständigengutachten nachvollziehbar ausgeführt, dass im Fall des Beschwerdeführers die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass vorliegen. Zudem hat das Ermittlungsverfahren ergeben, dass der Beschwerdeführer aufgrund seiner Gleichgewichtsstörung und seiner Knieschmerzen eine Wegstrecke von 300 bis 400 Metern nur mit Unterbrechungen und unter Verwendung zweier Gehstöcke zurücklegen kann, auch ist seine körperliche Belastbarkeit reduziert. Ebenfalls kann der Beschwerdeführer Niveauunterschiede nur mit Anhalten überwunden werden, dabei muss der Beschwerdeführer seine Hilfsmittel - Gehstöcke - jedoch in einer Hand tragen. Aufgrund seiner Gleichgewichtsstörung ist auch ein sicherer Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nur gewährleistet, wenn er einen Sitzplatz eingenommen hat, bis zum Erreichen eines Sitzplatzes ist der Beschwerdeführer einer Sturzgefahr ausgesetzt.

Da aber aus Sicht der Sachverständigen sich durch operative und konservative Therapien und durch die Absetzung der "Eligard" Therapie die Funktionseinschränkungen derart verbessern können, dass die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wieder möglich wird, war auszusprechen, dass die Zusatzeintragung befristet bis 01.10.2019 vorliegt.

Sohin war spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Behindertenpass, Sachverständigengutachten, Zusatzeintragung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:I414.2163793.1.00

Zuletzt aktualisiert am

05.02.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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