TE Bvwg Erkenntnis 2018/9/20 G304 2183837-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.09.2018
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Entscheidungsdatum

20.09.2018

Norm

Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1
BBG §42
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

G304 2183839-1/9E

G304 2183837-2/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Beatrix LEHNER als Vorsitzende, sowie den Richter Ing. Mag. Franz SANDRIESSER und den fachkundigen Laienrichter Helmut WEIß als Beisitzer über die Beschwerde der XXXX, geb. XXXX, gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Steiermark, vom 11.01.2018, Sozialversicherungsnummer: XXXX, betreffend Feststellung, dass die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung" nicht vorliegen, zu Recht erkannt:

A)

Gemäß § 28 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF. iVm. §§ 42 und 45 Bundesbehindertengesetz (BBG), BGBl. Nr. 22/1970 idF. BGBl. I Nr. 138/2013 wird die gegen den angefochtenen Bescheid erhobene Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Am 27.10.2017 hat die Beschwerdeführerin (im Folgenden: BF) beim Sozialministeriumservice, Landesstelle Steiermark, (im Folgenden: belangte Behörde) einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses samt Beilagen eingebracht.

Auf dem Antragsformular steht folgender Hinweis:

"Wenn Sie noch nicht im Besitz eines Behindertenpasses mit der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" sind, gilt dieser Antrag auch auf Ausstellung eines Behindertenpasses bzw. auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" in den Behindertenpass."

2. Im Rahmen des seitens der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungsverfahrens wurde ein medizinisches Sachverständigengutachten eingeholt.

In dem eingeholten Gutachten von Dr. XXXX, Arzt für Allgemeinmedizin, vom 08.01.2018 wurde hinsichtlich der beantragten Zusatzeintragung Folgendes festgehalten:

"Trotz der oben genannten Gesundheitsschädigungen besteht keine wesentliche Gehbehinderung des AS. Das Benützen öffentlicher Verkehrsmittel ist zumutbar. Es kann einerseits eine ausreichende Wegstrecke. Zurückgelegt werden, andererseits ist das Ein- und Aussteigen sowie der sichere Transport gewährleistet. Es bestehen keine erheblichen Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit aufgrund einer kardiopulmonalen Funktionseinschränkung. Es bestehen keine erheblichen Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen im Hinblick auf eine Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel. Eine Stuhlinkontinenz liegt nicht vor. Bei der AS besteht eine mittelgradige Harninkontinenz. Zur Vorbeugung von Verunreinigung werden Inkontinenzeinlagen verwendet. Diese müssen am Tag und in der Nacht gewechselt werden. Dabei ist der Harnabgang eher tröpfelnd. Die am Markt üblichen Inkontinenzprodukte beugen den Verunreinigungen der Person und dem Austreten von unangenehmen Geruch ausreichend und sicher vor. In der Versorgung gibt es entsprechend des Schweregrades der Harninkontinenz unterschiedliche Produkte, die als Hilfsmittel eingesetzt werden können. Physiotherapeutische Maßnahmen, wie z.B. Beckenbodengymnastik sind möglich."

3. Mit Schreiben der belangten Behörde vom 09.01.2018 wurde der BF ihr Behindertenpass mit einem festgestellten Grad der Behinderung in Höhe von 60 v.H. übermittelt. Beigelegt wurde das eingeholte Sachverständigengutachten vom 08.01.2018.

Folgende "Anmerkung" wurde noch angefügt:

"Für das Ansuchen über die Gewährung der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" erfolgt in Kürze eine gesonderte Entscheidung."

4. Gegen diesen Behindertenpass erhob die BF fristgerecht Beschwerde erhoben. Dabei wurde die vorgenommene Begutachtung der BF bemängelt.

5. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 11.01.2018 wurde der Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" abgewiesen. Begründend dafür wurde ausgeführt, dass im Ermittlungsverfahren ein Gutachten eingeholt worden sei. Nach diesem Gutachten würden die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung nicht vorliegen. Die wesentlichen Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien der einen Bestandteil der Begründung bildenden Beilage - Sachverständigengutachten vom 08.01.2018 - zu entnehmen. Die Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien als schlüssig erkannt und in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt worden. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel sei dann unzumutbar, wenn eine kurze Wegstrecke (300 bis 400 Meter) nicht aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, auch unter der Verwendung der zweckmäßigsten Behelfe, ohne Unterbrechung zurückgelegt werden könne oder wenn die Verwendung des erforderlichen Behelfs die Benützung des öffentlichen Transportmittels in hohem Maß erschweren würde.

Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel sei auch dann nicht zumutbar, wenn sich die dauerhafte Gesundheitsschädigung auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieses Verkehrsmittels angegebenen Bedingungen auswirke.

Folgende "Anmerkung" wurde noch angefügt:

"Über den Antrag auf Ausstellung eines §29b - Ausweises nach der Straßenverkehrsordnung (StVO) wird nicht abgesprochen, da die grundsätzlichen Voraussetzungen für die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht vorliegen."

6. Gegen den der BF mit Schreiben vom 09.01.2018 übermittelten Behindertenpass wurde fristgerecht Beschwerde erhoben. Es wurde auf die gesundheitlichen Beeinträchtigungen der BF verwiesen und um Vornahme der Zusatzeintragung "Öffentliche Verkehrsmittel unzumutbar" und um Ausstellung eines Parkausweises ersucht.

7. Am 22.01.2018 langte gegenständliche Beschwerde zu Zl. G304 2183839-1. samt dazugehörigen Verwaltungsakt beim Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) ein.

8. Mit Schreiben des BVwG vom 30.01.2018 wurde der belangten Behörde mitgeteilt, dass der zu dem Gerichtsakt, Zl. G304 2183837-1, vorgelegte Verwaltungsakt zuständigkeitshalber wieder rückgemittelt werde, und Folgendes ausgeführt:

"Wie sich aus dem Akteninhalt ergibt, ist der verfahrensgegenständliche Bescheid laut Amtssignatur nachweislich am 11.01.2018 genehmigt worden.

Die letzte im Akt befindliche Äußerung der Verfahrenspartei datiert mit 11.01.2018, erfolgte nachweislich per E-Mail am 11.01.2018.

Am selben Tag der Genehmigung des Bescheides erfolgte die Äußerung der Verfahrenspartei und kann nicht als Beschwerde gegen einen Bescheid gewertet werden, der am gleichen Tag erlassen wurde.

Es liegt somit mangels einer aktenkundigen Äußerung (Beschwerde) der Verfahrenspartei nach dem 11.01.2018 grundsätzlich ein der Rechtskraft fähiger Bescheid des Sozialministeriumservice, Landestelle Steiermark, vor."

9. Mit Schreiben des BVwG vom 13.02.2018, Zahl: G304 2183839-1/2Z, wurde Dr. XXXX, Facharzt für Augenheilkunde und Optometrie, ersucht, ein Sachverständigengutachten auf der Grundlage der Einschätzungsverordnung zu erstellen und dieses binnen sechs Wochen ab Begutachtung dieser Verfügung dem BVwG zu übermitteln.

Mit weiterem Schreiben des BVwG vom 13.02.2018, Zahl: G304 2183839-1/2Z, wurde die BF aufgefordert, sich am 19.03.2018, um 16:00 Uhr bei Dr. XXXX zur ärztlichen Begutachtung einzufinden.

10. In dem eingeholten Gutachten von Dr. XXXX vom 26.03.2018 wird auf Grundlage der Einschätzungsverordnung nach Durchführung einer Begutachtung der BF am 19.03.2018 im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

"Anamnese:

Seit Jahren Sehverschlechterung bds. Nach der Star-OP bds kam es zu keiner deutlichen Sehverbesserung. Danach wurde trockene AMD diagnostiziert.

Die Patientin kann keine Gesichter mehr erkennen, sieht gerade Linien verzogen. Stufen und Gehsteige kann sie kaum mehr erkennen.

(...)

Gesundheitsschädigung:

Störung des zentralen Sehens durch Maculadegeneration (Fixer RSW lt Tab. Z. 3 Sp. 4)

Grad der Behinderung: 30 %

Im Vergleich zum Vorgutachten (Aktengutachten mittels Facharztbefund vom 19.10.2017) hat sich die Sehleistung etwas verschlechtert. Dadurch wird der Grad der Behinderung von 20 auf 30% angehoben.

Der Gesamtgrad der Behinderung von 60% ändert sich von ophthalmologischer Seite jedoch nicht."

11. Am 16.03.2018 langte gegenständliche Beschwerde zu Zl.G304 2183837-2, samt dazugehörigem Verwaltungsakt beim BVwG in Papierform ein.

12. Mit Schreiben des BVwG vom 17.04.2018, Zahl: G304 2183839-1/4Z, wurde Dr. XXXX, Arzt für Allgemeine Medizin, ersucht, ein Sachverständigengutachten auf der Grundlage der Einschätzungsverordnung zu erstellen und dieses binnen sechs Wochen ab Begutachtung dieser Verfügung dem BVwG zu übermitteln.

Mit weiterem Schreiben des BVwG vom 17.04.2018, Zahl: G304 2183839-1/4Z, wurde die BF aufgefordert, sich am 11.06.2018, um 14:30 Uhr bei Dr. XXXX zur ärztlichen Begutachtung einzufinden.

13. In dem eingeholten Gutachten von Dr. XXXX vom 26.06.2018 wurde auf Grundlage der Einschätzungsverordnung nach Durchführung einer Begutachtung der BF am 11.06.2018 keine erhebliche Funktionseinschränkung festgestellt und folgende "Stellungnahme" abgegeben:

"Sämtliche Leiden sind im VGA ausreichend und sogar wohlwollend gewürdigt und eingeschätzt. Die Sehschwäche führt zu keiner Erhöhung des GdB lt. Facharzt.

Bezüglich der Mobilität ist festzustellen, dass eine ausreichende Wegstrecke mit Hilfsmittel genauso wie Niveauunterschiede überwunden werden können und der sichere Transport auf jeden Fall im Sitzen gewährleistet ist.

Bezüglich der Inkontinenz ist unbestritten aus ärztlicher Sicht, dass eine Versorgung mit Inkontinenzprodukten zumutbar und ausreichend ist."

14. Mit Verfügung des BVwG 12.07.2018, Zl. G304 2183839-1/7Z, G304 2183837-2/3Z, der BF zugestellt am 18.07.2018, wurde der BF das eingeholte Sachverständigengutachten übermittelt und ihm zur Wahrung des Parteiengehörs die Gelegenheit eingeräumt, dazu binnen zehn Tagen ab Zustellung dieser Verfügung Stellung zu nehmen.

15. Eine Stellungnahme dazu langte bislang beim BVwG nicht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Die BF ist österreichische Staatsangehörige.

1.2.Die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung "Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung ist nicht zumutbar" liegen nicht vor.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes und des vorliegenden Gerichtsaktes des BVwG.

2.2. Basierend auf der ständigen Rechtsprechung des VwGH bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" in einen Behindertenpass regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, das die Auswirkungen der Gesundheitsschädigung auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilt, sofern diese Frage nicht in einem unmittelbar zuvor durchgeführten Verfahren gemäß § 14 Abs. 2 Behinderteneinstellungsgesetz im Rahmen der ärztlichen Begutachtung ausreichend behandelt wurde oder die Unzumutbarkeit aufgrund der Art der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt (VwGH vom 20.03.2001, GZ 2000/11/0321).

Nach der ständigen Judikatur des VwGH muss ein Sachverständigengutachten einen Befund und das eigentliche Gutachten im engeren Sinn enthalten. Der Befund ist die vom Sachverständigen - wenn auch unter Zuhilfenahme wissenschaftlicher Feststellungsmethoden - vorgenommene Tatsachenfeststellung. Die Schlussfolgerungen des Sachverständigen aus dem Befund, zu deren Gewinnung er seine besonderen Fachkenntnisse und Erfahrungen benötigt, bilden das Gutachten im engeren Sinn. Eine sachverständige Äußerung, die sich in der Abgabe eines Urteiles (eines Gutachtens im engeren Sinn) erschöpft, aber weder die Tatsachen, auf die sich dieses Urteil gründet, noch die Art, wie diese Tatsachen ermittelt wurden, erkennen lässt, ist mit einem wesentlichen Mangel behaftet und als Beweismittel unbrauchbar; die Behörde, die eine so geartete Äußerung ihrer Entscheidung zugrunde legt, wird ihrer Pflicht zur Erhebung und Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes (§ 37 AVG) nicht gerecht (VwGH vom 17.02.2004, GZ 2002/06/0151).

Hat eine Partei grundlegende Bedenken gegen ein ärztliches Gutachten, dann ist es nach Ansicht des VwGH an ihr gelegen, auf gleichem fachlichen Niveau diesem entgegenzutreten oder unter Anbietung von tauglichen Beweismitteln darzutun, dass die Aussagen des ärztlichen Sachverständigen mit dem Stand der medizinischen Forschung und Erkenntnis nicht vereinbar sind (VwGH vom 20.10.1978, 1353/78).

Eine Partei kann ein Sachverständigengutachten nur dann erfolgreich bekämpfen, wenn sie unter präziser Darstellung der gegen die Gutachten gerichteten sachlichen Einwände ausdrücklich erklärt, dass sie die Einholung eines weiteren Gutachtens bestimmter Fachrichtung zur vollständigen Ermittlung des Sachverhaltes für erforderlich halte und daher einen Antrag auf Beiziehung eines weiteren Sachverständigen stellt (VwGH vom 23.11.1978, GZ 0705/77).

Der Verwaltungsgerichtshof führte aber in diesem Zusammenhang auch aus, dass keine Verletzung des Parteiengehörs vorliegt, wenn einem Antrag auf Einholung eines zusätzlichen Gutachtens nicht stattgegeben wird (VwGH vom 25.06.1987, 87/06/0017).

Unter dem Blickwinkel der Judikatur der Höchstgerichte, insbesondere der zitierten Entscheidungen, ist das von Amts wegen eingeholte Gutachten des Amtssachverständigen Dr. XXXX schlüssig, nachvollziehbar und weist dieses keine Widersprüche auf. In diesem Gutachten wird auf die Art und Leiden der BF und deren Ausmaß ausführlich eingegangen.

Der Sachverständige kam im Gutachten vom 26.06.2018 zum Ergebnis, dass "eine ausreichende Wegstrecke mit Hilfsmittel genauso wie Niveauunterschiede überwunden werden können und der sichere Transport auf jeden Fall im Sitzen gewährleistet ist." Bezüglich der Inkontinenz der BF wurde im Gutachten festgehalten, dass eine Versorgung mit Inkontinenzprodukten zumutbar und ausreichend sei.

Da gegen das Sachverständigengutachten vom 26.06.2018 keine Einwendung erhoben wurde, wird dieses in freier Beweiswürdigung gegenständlicher Entscheidung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des BVwG (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - im Folgenden: BVwGG) entscheidet das BVwG durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des BVwG durch den Senat zu erfolgen.

Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die im § 10 Abs. 1 Z 6 des Bundesbehindertengesetzes genannte Vereinigung entsendet die Vertreterin oder den Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung. Hinsichtlich der Aufteilung des Nominierungsrechtes auf gleichartige Vereinigungen ist § 10 Abs. 2 des Bundesbehindertengesetzes anzuwenden. Für die Vertreterin oder den Vertreter ist jeweils auch die erforderliche Anzahl von Ersatzmitgliedern zu entsenden.

Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - im Folgenden: VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.).

Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

3.2. Zu Spruchteil A)

Gemäß § 1 Abs. 2 Z 3 der am 01. Jänner 2014 in Kraft getretenen Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013 ist auf Antrag des Menschen mit Behinderung jedenfalls einzutragen, die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und

-

erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder

-

erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder

-

erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder

-

eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder

-

eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1 Abs. 2 Z 1 lit. b oder d vorliegen.

Das seitens des erkennenden Gerichtes eingeholte ärztliche Gutachten von Dr. Athanasius PUSKURIS vom 26.06.2018 erfüllt den Anspruch der Schlüssigkeit im vollen Umfang. Das Gutachten steht mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch. In diesem Gutachten wurde keine erhebliche Funktionseinschränkung festgestellt und die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel für zumutbar gehalten, wurde vom Sachverständige doch bezüglich der Mobilität der BF festgestellt:

"(...), dass eine ausreichende Wegstrecke mit Hilfsmittel genauso wie Niveauunterschiede überwunden werden können und der sichere Transport auf jeden Fall im Sitzen gewährleistet ist. Bezüglich der Inkontinenz ist unbestritten aus ärztlicher Sicht, dass eine Versorgung mit Inkontinenzprodukten zumutbar und ausreichend ist."

In der Beschwerde wurde ausdrücklich um Vornahme der Zusatzeintragung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung und um die Ausstellung eines Parkausweises ersucht. Gegenständliches Beschwerdeverfahren betrifft nur die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel. Im gegenständlichen Fall konnten die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel aufgrund einer Behinderung in den Behindertenpass nicht festgestellt werden.

Die BF hat keine Einwendung gegen das ihr vorgehaltene Gutachten vom 26.06.2018 erhoben.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden und die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

3.3. Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Der EGMR hat in seinen Entscheidungen vom 10. Mai 2007, Nr. 7401/04 (Hofbauer/Österreich Nr. 2), und vom 3. Mai 2007, Nr. 17.912/05 (Bösch/Österreich), unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal hat, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigten. Der EGMR hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "hoch-technische" Fragen ("exclusively legal or highly technical questions") betrifft. Der Gerichtshof verwies im Zusammenhang mit Verfahren betreffend ziemlich technische Angelegenheiten ("rather technical nature of disputes") auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtige (VwGH 03.10.2013, 2012/06/0221).

In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren gebe, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung aufträten oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, 2012/06/0221).

Im gegenständlichen Fall wurde der GdB der BF unter Mitwirkung eines ärztlichen Sachverständigen unter Berücksichtigung der aktenmäßigen Befunde festgesetzt. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund des vorliegenden, nicht bestrittenen Sachverständigengutachtens vom 26.06.2018, welches als schlüssig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei erachtet wird, geklärt.

3.4. Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des VwGH ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung.

Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des VwGH auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Die Zulassung der Revision war gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zudem zu verneinen, weil die gegenständliche Entscheidung in Wesentlichen nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, sondern von Tatsachenfragen. Maßgebend ist das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen.

Schlagworte

Behindertenpass, Sachverständigengutachten, Zusatzeintragung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:G304.2183837.2.00

Zuletzt aktualisiert am

05.02.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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