TE Bvwg Erkenntnis 2018/10/18 W197 2207572-1

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Veröffentlicht am 18.10.2018
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Entscheidungsdatum

18.10.2018

Norm

BFA-VG §22a Abs1
BFA-VG §22a Abs3
B-VG Art.133 Abs4
Dublin III-VO Art.28 Abs2
FPG §76 Abs2 Z3
Gebührengesetz 1957 §14 TP6 Abs5
VwG-AufwErsV §1 Z3
VwG-AufwErsV §1 Z4
VwGVG §35 Abs3

Spruch

W197 2207572-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Samsinger als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX geboren am XXXX Staatsangehörigkeit Vereinigte Staaten von Amerika, vertreten durch ARGE Rechtsberatung Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.10.2018, Zahl:

1199121701-180959698 zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird gemäß Art. 28 Abs. 2 Dublin III-VO i.V.m. § 76 Abs. 2 Z. 3 FPG i.V.m. mit § 22a Abs. 1 BFA-VG als unbegründet abgewiesen.

II. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG i.V.m. Art. 28 Abs. 2 Dublin III-VO und § 76 Abs. 2 Z. 3 FPG wird festgestellt, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen.

III. Gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG i.V.m. § 1 Z. 3 und Z. 4 VwG-AufwErsV hat die beschwerdeführende Partei dem Bund Aufwendungen in Höhe von € 426,20 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

IV. Der Antrag, den Beschwerdeführer von der Eingabegebühr zu befreien, wird als unzulässig zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

I. Verfahrensgang:

(Feststellungen)

1.1. Der Beschwerdeführer (BF) ist amerikanischer Staatsangehörigkeit, seine Identität steht fest.

1.2. Der BF hat 2018 in Deutschland einen Asylantrag gestellt, entzog sich jedoch dem Verfahren, tauchte unter, setzte sich nach Österreich ab wo er illegal einreiste, war für die Behörden nicht greifbar und hielt sich in der Folge im Verborgenen auf.

1.3. Der BF ist in Deutschland wegen mehrerer Straftaten zur Aufenthaltsermittlung ausgeschrieben.

1.4. Der BF wurde am 08.10.2018 bei einer Zufallskontrolle aufgegriffen, wobei festgestellt wurde, dass er sich illegal im Bundesgebiet aufhielt. In der Folge wurde er festgenommen und der Behörde vorgeführt.

1.5. Anlässlich seiner Einvernahme gab der BF zu, dass er sich in Deutschland dem Asylverfahren entzogen habe, dass er keine Reisedokumente besitze, gesund und illegal ins Bundesgebiet eingereist, hier in keinem Bereich integriert, mittel- und obdachlos sei. Der BF weigerte sich grundlos mehrere Fragen zu beantworten sowie die Unterschrift unter das Einvernahmeprotokoll zu setzen.

1.6. Mit Mandatsbescheid vom 10.10.2018 wurde über den BF gem. Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung die Schubhaft zur Sicherung des Überstellungsverfahrens verhängt. Fluchtgefahr wurde im Sinne des § 76 Abs. 3 Z. 6c und 9 FPG angenommen. Der Bescheid wurde dem BF nach seiner Einvernahme zugestellt.

1.7. Gegen den Schubhaftbescheid und die Anhaltung in Schubhaft erhob der BF durch seinen Rechtsvertreter rechtzeitig Beschwerde und begründete die Rechtswidrigkeit der Schubhaft im Wesentlichen damit, dass keine Fluchtgefahr bestehe und der BF nunmehr bereit sei, freiwillig in die USA oder Deutschland auszureisen. Die Behörde hätte zudem mit einem gelinderen Mittel das Auslangen finden können. Beantragt wurde den Mandatsbescheid, die Schubhaftnahme und Anhaltung in Schubhaft für rechtswidrig zu erklären, eine mündliche Verhandlung anzuberaumen, sowie der Ersatz der Verfahrenskosten.

1.8. Der BF hat bislang keinerlei Aktivitäten gesetzt, freiwillig aus dem Bundesgebiet auszureisen bzw. Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen.

1.9. Die Behörde legte die Akten vor und beantragte im Sinne des Akteninhalts die Beschwerde kostenpflichtig als unbegründet abzuweisen und festzustellen, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgebenden Voraussetzungen vorliegen.

1.10. Sie leitete am 09.10.2018 ein Konsultationsverfahren mit Deutschland für eine Überstellung des BF nach Deutschland ein.

1.11. Der BF ist haftfähig.

1.12. Von der Anberaumung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung konnte wegen geklärten Sachverhalts aus dem vorliegenden Akteninhalt und der Beschwerde abgesehen werden.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt)

1.1. Die im Verfahrensgang als Feststellungen formulierten Punkte werden der vorliegenden Entscheidung zu Grunde gelegt.

1.2. Festgestellt wird, dass der BF in Deutschland einen Asylantrag gestellt hat, er entzog sich dort jedoch dem Verfahren, tauchte unter und war für die Behörden nicht greifbar.

1.3. Der BF reiste illegal ins Bundesgebiet ein und hielt sich hier im Verborgenen auf. Er konnte nur auf Grund einer Zufallskontrolle angetroffen werden. Der BF verhielt sich auch in Österreich unkooperativ, indem er anlässlich seiner Einvernahme Fragen nicht beantwortete und die Unterschrift verweigerte.

1.4. Der BF ist im Bundesgebiet nicht integriert, er ist mittellos, ihm steht keine gesicherte Unterkunft zur Verfügung. Der BF ist haftfähig.

1.5. Der BF will nicht nach Deutschland oder in die USA zurückkehren und hat keinerlei Anstrengungen unternommen freiwillig auszureisen beziehungsweise Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen.

1.6. Die Behörde hat das Verfahren zur Außerlandesbringung rasch eingeleitet und zielführend fortgesetzt.

2. Beweiswürdigung

2.1. Verfahrensgang und die getroffenen Feststellungen ergeben sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten der Behörde, dem Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichts, insbesondere auch der erhobenen Beschwerde.

2.2. Der BF ist auf Grund seines bisherigen Verhaltens nicht vertrauenswürdig, er hat sich Verfahren entzogen und an Behördenverfahren nicht mitgewirkt. Er ist in Deutschland wegen Straftaten zur Aufenthaltsermittlung ausgeschrieben.

2.3. Der BF hat nicht dartun können, dass er im Bundesgebiet in irgendeiner Form integriert ist und eine gesicherte Unterkunft besitzt. Er ist obdach- und mittellos.

2.4. Die Behörde hat aus dem bisherigen Verhalten des BF zu Recht angenommen, dass sich der BF im Falle einer Freilassung der Abschiebung sofort durch Untertauchen entziehen würde und er sich auch im Falle der Vorschreibung gelinderer Mittel nicht den Behörden im Abschiebeverfahren zur Verfügung halten würde. Aus dem Vorbringen und Verhalten des BF ist von akuter Fluchtgefahr auszugehen, der unsubstantiierten Behauptung in der Beschwerde seines Rechtsvertreters, jetzt rückkehrwillig zu sein kommt demgegenüber kein Gewicht zu und dient offenbar nur, um aus der Schubhaft freizukommen und dann unterzutauchen.

2.5. Der BF hat keine Umstände vorgebracht, die bei Abwägung seines Interesses an der Schonung seiner persönlichen Freiheit das bestehende öffentliche Interesse übersteigen würde. Die Verhängung der Schubhaft ist sohin auch verhältnismäßig.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt A. I. - Schubhaftbescheid, Anhaltung in Schubhaft

3.1.1. Gemäß § 76 Abs. 4 FPG ist die Schubhaft mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft.

3.1.2. Gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG hat der Fremde das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist (Z 1), er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde (Z 2), oder gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde (Z 3).

3.1.3. Gemäß § 76 Abs. 2 Z.2 FPG können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Die Schubhaft darf angeordnet werden, wenn die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen. Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder im Sinne des Art. 2 lit.n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird.

3.1.4. Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig. Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann. Die Verhängung der Schubhaft darf stets nur ultima ratio sein.

3.1.5. Die Behörde hat im Sinne der angewendeten gesetzlichen Bestimmungen zu Recht die Schubhaft wegen Fluchtgefahr im Sinne des § 76 Abs. 3 FPG angeordnet, da aus dem vergangenes Verhalten der BF mit Sicherheit geschlossen werden kann, dass er die Abschiebung zu umgehen oder jedenfalls zu behindern beabsichtigt. Die Behörde hat auch alles sichergestellt, die Abschiebung zeitnah durchzuführen. Der Schubhaft liegt ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde, sie ist unter Berücksichtigung der Umstände auch verhältnismäßig. Der BF hat keine berücksichtigungswürdigen Umstände dargetan, wonach die Schonung seiner Freiheit das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung überwiegen würde.

3.2. Zu Spruchpunkt A.II. - Vorliegen der Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft

Die getroffenen Feststellungen und ihre rechtliche Würdigung lassen im Hinblick auf ihre Aktualität und ihres Zukunftsbezuges keine, die Frage der Rechtmäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft ändernde Umstände erkennen. Es war daher spruchgemäß festzustellen, dass zum Zeitpunkt dieser Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

3.3. Zu Spruchpunkt A.III. und A.IV. - Kostenbegehren

3.3.1. Da die Verwaltungsbehörde vollständig obsiegte, steht ihr der Ersatz ihrer begehrten Aufwendungen zu.

3.3.2. Mangels gesetzlicher Bestimmungen war der Antrag des BF auf Befreiung der Entrichtung von Eingabegebühr bzw. dessen Refundierung im Sinne des Antrages auf Ersatz der Verfahrenskosten zurückzuweisen. Dass die Eingabegebühr das Rechts des Beschwerdeführers auf Zugang zu Gericht beschneidet, trifft im Hinblick auf die geringe Höher nicht zu. Dieser Gebührensatz kann keineswegs als prohibitiv hoch angesehen werden.

Zu Spruchpunkt B - Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Wie oben dargelegt sind durch die Novellierung des § 22a BFA-VG und § 76 FPG die Probleme/Unklarheiten hinsichtlich einer Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts für Schubhaftbeschwerden (samt Klarstellung über das anzuwendende Verfahrensrecht) ebenso ausgeräumt, wie es nun gesetzlich definierte Gründe für die Annahme einer Fluchtgefahr gibt. Andere Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem Fortsetzungsausspruch wurden in der Beschwerde nicht aufgeworfen.

Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

Eingabengebühr, Fluchtgefahr, Fortsetzung der Schubhaft, gelinderes
Mittel, Kostentragung, Schubhaft, Schubhaftbeschwerde,
Sicherungsbedarf, Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W197.2207572.1.00

Zuletzt aktualisiert am

05.02.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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