Entscheidungsdatum
21.11.2018Norm
AsylG 2005 §3Spruch
W189 2105915-2/11E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. RIEPL als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , alias XXXX , geb. XXXX , StA. ungeklärt, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.02.2016, Zl. 1049255206-140337005, beschlossen:
A) In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid gemäß §§ 31, 28 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I. Nr. 33/2013 (VwGVG) behoben und in Angelegenheiten zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG
I. Verfahrensgang und Sachverhalt
1. Der minderjährige Beschwerdeführer, Zugehöriger der tschetschenischen Volksgruppe und Moslem, wurde am 28.11.2014 im Bundesgebiet geboren.
2. Am 30.12.2014 wurde für ihn durch seine gesetzliche Vertretung ein Antrag auf internationalen Schutz im Familienverfahren gestellt.
3. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 31.03.2015, Zl. 1049255206-140337005, wurde unter Spruchteil I. der Antrag auf internationalen Schutz vom 30.12.2014 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen und unter Spruchteil II. gemäß § 8 Abs. 1 leg. cit. dieser Antrag auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat "Ukraine" abgewiesen. Unter Spruchteil III. wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG 2005 nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm. § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in die Russische Föderation gemäß § 46 FPG zulässig ist und gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt.
Darin wurde seine Identität nicht festgestellt. Festgestellt wurde, dass er an keiner schwerwiegenden, lebensbedrohenden physischen oder psychischen Erkrankung leide. Rechtlich wurde eingangs festgehalten, dass im vorliegenden Fall ein Familienverfahren vorliege. Zu Spruchteil I. wurde ausgeführt, dass für den Beschwerdeführer keine eigenen Fluchtgründe vorgebracht worden seien. Das Vorbringen seiner gesetzlichen Vertretung stehe mit keinem Konventionsgrund in Zusammenhang und sei nicht glaubhaft. Zu Spruchteil II. wurde insbesondere darauf hingewiesen, dass das Bestehen einer Gefährdungssituation bereits unter Spruchteil I. geprüft und verneint worden sei. Ihm drohe keine Gefahr für Leib und Leben in einem Maße, dass die Abschiebung im Lichte des Art. 3 EMRK unzulässig wäre. Zu Spruchteil III. wurde ausgeführt, dass sich Anhaltspunkte für die Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht ergeben hätten. Schließlich sei die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung im konkreten Fall höher zu bewerten als die privaten Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet weshalb ihm deshalb auch kein Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK zu erteilen gewesen sei.
4. Gegen diesen Bescheid erhob die gesetzliche Vertretung fristgerecht Beschwerde, in der dieser seinem gesamten Umfang nach angefochten wurde. Darin wurde insbesondere nicht beantragt, eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht durchzuführen und wurde auf das Vorliegen eines Familienverfahrens mit seinen Eltern gemäß § 34 AsylG verwiesen. Er habe keine eigenen Fluchtgründe und berufe sich auf dieselben Fluchtgründe wie sein Vater und seine Mutter. Moniert wurde, dass die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Ukraine abgewiesen habe. Derartige Ausführungen würden sich im Spruch des Bescheides und in den Feststellungen finden. Sein Herkunftsstaat sei jedoch die Russische Föderation. Es sei demnach nicht abschließend klar, auf welchen Herkunftsstaat sich die Prüfung im Hinblick auf die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten wirklich bezogen habe. Durch diese Unklarheit sei der Bescheid jedenfalls mit Rechtswidrigkeit belastet.
5. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 10.05.2015, W189 2105915-1/7E, wurde die Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt I. und II. des angefochtenen Bescheides gemäß §§ 3, 8 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen. Weiters wurde beschlossen, dass Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen wird.
6. Im fortgesetzten Verfahren wurde am 20.10.2015 der Vater des Beschwerdeführers einvernommen und gab er befragt nach einem im Bundesgebiet entstandenem schützenswerten Privat- und Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK im Wesentlichen an, dass er gemeinsam mit seinen vier Kindern und seiner Frau in Österreich lebe und sonst keine Verwandten oder nahen Angehörigen habe. Der Vater des Beschwerdeführers habe seine Frau im Jahr 2008 traditionell geheiratet und hätten sie im Jahr 2015 im Bundesgebiet standesamtlich geheiratet, weshalb auch der Name und die Geburtsurkunde des Beschwerdeführers berichtigt worden seien. Er habe sich für eine Deutschprüfung des Niveaus A2 angemeldet und habe im Bundesgebiet sonst keine Schule besucht oder Ausbildungen genossen. Im Herkunftsstaat habe er zehn Jahre am Bauernhof seines Großvaters gearbeitet und verfüge überdies über viele andere Fertigkeiten, etwa Häuser bauen oder Autos reparieren. Im Bundesgebiet habe er nicht offiziell gearbeitet, aber Menschen geholfen, Sanierungsarbeiten gemacht und in der Kirche bei Spenden unterstützt. Er habe einige Bekannte in Österreich. Im Herkunftsstaat (Russische Föderation) würde eine Großmutter seiner Frau leben sowie sein Vater. Weiters habe er einen Onkel, sowie dessen Frau und deren Kinder. Die Familie des Beschwerdeführers habe Kontakt zu den Verwandten. Auch habe sein Vater Freunde im Herkunftsstaat, zu denen der Kontakt bestehe. Für den Fall einer Rückkehr könne er nicht wieder bei seinen Verwandten wohnen und fürchte er sich vor den Widerstandskämpfern an der Grenze zu Georgien; das Leben der Familie wäre dort ständig in Gefahr. Auch habe er kürzlich erfahren, dass die Behörden ständig am Bauernhof auftauchen und von den bewaffneten Leuten berichten würden. Auch habe er einen Drohanruf erhalten.
Am Ende der Einvernahme wurden mit dem Vater des Beschwerdeführers die Länderberichte zur Lage im Herkunftsstaat erörtert und ihm eine zweiwöchige Frist für die Abgabe einer diesbezüglichen Stellungnahme gewährt.
7. Am 20.01.2016 wurde die Mutter des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen und gab sie dabei an, dass sie ihren Gatten zunächst im Herkunftsstaat traditionell und letztes Jahr im Bundesgebiet standesamtlich geehelicht habe. Sie würden sich auf Tschetschenisch unterhalten. Sie hätten vier gemeinsame Kinder, von denen drei in den Kindergarten gehen würden. Sie hätten sonst keine Verwandten oder Familienangehörigen im Bundesgebiet. Am 12.02.2016 beabsichtigte die Mutter des Beschwerdeführers eine Deutschprüfung des Niveaus A2 zu machen und habe sie darüber hinaus keine Schule besucht oder Ausbildung genossen. Im Herkunftsstaat habe sie ihre Großmutter im Haushalt unterstützt und würde sie im Bundesgebiet gerne einer Beschäftigung nachgehen. Zum Freundes- und Bekanntenkreis führte sie an, dass sie gute Nachbarn hätten und sie sich gegenseitig unterstützen würden; auch habe sie gute Kontakte zu den Lehrerinnen ihrer Kinder und zu ihrer Deutschlehrerin. Sie sei nicht in Vereinen oder Organisationen tätig. Im Herkunftsstaat würde ihre Großmutter leben, zu der sie in telefonischem Kontakt stehe und seien ihre Eltern bereits verstorben. Weiters würden dort zwei Cousins ihres Vaters leben und verfüge sie über Freunde und Bekannte. Zu den Rückkehrbefürchtungen gab sie zu Protokoll, dass sie aufgrund der Probleme ihres Mannes Angst habe zurückzukehren, zumal er vor der Ausreise sieben Monate lang im Gefängnis gewesen sei.
Am Ende der Einvernahme wurden mit der Mutter des Beschwerdeführers die Länderberichte zur Lage im Herkunftsstaat erörtert und eine zweiwöchige Frist für die Abgabe einer diesbezüglichen Stellungnahme angeboten. Dabei verzichtete sie auf die Abgabe einer Stellungnahme.
Exkurs: Verfahren der Familienangehörigen:
1. Die Anträge der Eltern und der minderjährigen Geschwister des Beschwerdeführers, wobei die Eltern am 09.10.2009 illegal in das Bundesgebiet eingereist sind und die minderjährigen Geschwister im Bundesgebiet geboren worden sind, wurden jeweils durch das Bundesasylamt negativ entschieden und jeweils eine Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation verfügt. Die dagegen erhobenen Beschwerden wurden nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 12.06.2012 mit Erkenntnissen des Asylgerichtshofes vom 07.08.2012, Zlen. D11 413396-1/2010/15E, D11 413395-1/2010/15E, D11 413394-1/2010/15E, D11 418039-1/2011/16E und D11 427723-1/2012/2E gemäß §§ 3, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005, als unbegründet abgewiesen.
Diese Entscheidungen wurden insbesondere mit der Unglaubwürdigkeit des Vorbringens der Eltern begründet, wobei auch die allgemeine Situation im Herkunftsstaat sich nicht dergestalt darstellen würde, um Asyl oder subsidiären Schutz zu begründen.
2. Laut elektronischer Eingabe des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.03.2018 haben die Beschwerdeführer in ihrem Asylverfahren eine falsche Identität und Nationalität angegeben und würden im Verfahren nun georgische Heimreisezertifikate, gültig bis 31.05.2018, vorliegen.
3. Laut E-Mail des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.10.2018 würden die neuen Heimreisezertifikate bis 30.12.2018 gelten und wurde um "rasche Entscheidung" ersucht.
4. Am 09.10.2018 wurden vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl diverse Unterlagen des Vaters des Beschwerdeführers elektronisch eingebracht, etwa sein georgischer Führerschein und ein auf seine Person ausgestelltes georgisches Heimreisezertifikat.
5. Mit E-Mail des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.10.2018 wurde nochmals darauf hingewiesen, dass das Verfahren der Familie des Beschwerdeführers abgeschlossen sei und die Behörde die Erkenntnis habe, dass es sich dabei nicht um Staatsangehörige der Russischen Föderation, sondern um georgische Staatsangehörige handle. Es sei keine Aufforderung zur Stellungnahme weitergeleitet worden und sei das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Ansicht, dass die Familie sowohl bei der Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, als auch bei ihrer Einvernahme vor der Asylbehörde hingewiesen worden seien, wahrheitsgemäße Angaben zu tätigen. Überdies unterliege die Tatsache, dass die georgischen Behörden ein Heimreisezertifikat ausgestellt hätten, nicht dem Parteiengehör.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Zu A)
1. Zuständigkeit, Entscheidung durch Einzelrichter:
Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz - BFA-VG), BGBl I 87/2012 idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.
Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG), BGBl I 10/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gegenständlich liegt somit mangels anderslautender gesetzlicher Anordnung in den anzuwendenden Gesetzen Einzelrichterzuständigkeit vor.
2. Anzuwendendes Verfahrensrecht
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss. Gemäß Abs. 3 sind auf die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtes § 29 Abs. 1 zweiter Satz, Abs. 4 und § 30 sinngemäß anzuwenden. Dies gilt nicht für verfahrensleitende Beschlüsse.
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht (Z1) oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (Z2).
Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen, in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
3. Zur Entscheidungsbegründung:
Obwohl gemäß § 17 iVm. § 58 VwGVG seit 01.01.2014 der § 66 Abs. 2 AVG in Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht mehr anzuwenden ist und gemäß § 58 VwGVG stattdessen § 28 Abs. 3 VwGVG mit genanntem Datum in Kraft trat, womit das Erfordernis des § 66 Abs. 2 leg.cit, wonach die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, weggefallen ist, und sich die Regelungsgehalte beider Normen somit nicht gänzlich decken, findet die einschlägige höchstgerichtliche Judikatur zu § 66 Abs. 2 AVG grundsätzlich weiterhin Anwendung.
Das Modell der Aufhebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG, setzt im Unterschied dazu aber nicht auch die Notwendigkeit der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung voraus. Voraussetzung für eine Aufhebung und Zurückverweisung ist allgemein (nur) das Fehlen behördlicher Ermittlungsschritte. Sonstige Mängel, abseits jener der Sachverhaltsfeststellung, legitimieren nicht zur Behebung auf Grundlage von § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG. (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013) § 28 VwGVG Anm. 11).
Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in seinem Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063, mit der Sachentscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte auseinandergesetzt und darin folgende Grundsätze herausgearbeitet:
* Die Aufhebung eines Bescheides einer Verwaltungsbehörde durch ein Verwaltungsgericht komme nach dem Wortlaut des § 28 Abs. 1 Z 1 VwGVG nicht in Betracht, wenn der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt feststeht. Dies wird jedenfalls dann der Fall sein, wenn der entscheidungsrelevante Sachverhalt bereits im verwaltungsbehördlichen Verfahren geklärt wurde, zumal dann, wenn sich aus der Zusammenschau der im verwaltungsbehördlichen Bescheid getroffenen Feststellungen (im Zusammenhalt mit den dem Bescheid zu Grunde liegenden Verwaltungsakten) mit dem Vorbringen in der gegen den Bescheid erhobenen Beschwerde kein gegenläufiger Anhaltspunkt ergibt.
* Der Verfassungsgesetzgeber habe sich bei Erlassung der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I 51, davon leiten lassen, dass die Verwaltungsgerichte grundsätzlich in der Sache selbst zu entscheiden haben, weshalb ein prinzipieller Vorrang einer meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte anzunehmen ist.
* Angesichts des in § 28 VwGVG insgesamt verankerten Systems stelle die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte dar. Nach dem damit gebotenen Verständnis stehe diese Möglichkeit bezüglich ihrer Voraussetzungen nicht auf derselben Stufe wie die im ersten Satz des § 28 Abs. 3 VwGVG verankerte grundsätzliche meritorische Entscheidungskompetenz der Verwaltungsgerichte. Vielmehr verlangt das im § 28 VwGVG insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (etwa im Sinn einer "Delegierung" der Entscheidung an das Verwaltungsgericht).
Der Verwaltungsgerichtshof hat danach mit Erkenntnis vom 10.09.2014, Ra 2014/08/0005 die im Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063 angeführten Grundsätze im Hinblick auf Aufhebungs- und Zurückweisungsbeschlüsse des Verwaltungsgerichtes gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG nochmals bekräftigt und führte ergänzend aus, dass selbst Bescheide, die in der Begründung dürftig sind, keine Zurückverweisung der Sache rechtfertigen, wenn brauchbare Ermittlungsergebnisse vorliegen, die im Zusammenhalt mit einer allenfalls durchzuführenden mündlichen Verhandlung im Sinn des § 24 VwGVG zu vervollständigen sind.
Ebenso hat der Verfassungsgerichtshof vielfach ausgesprochen, dass willkürliches Verhalten einer Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, dann anzunehmen ist, wenn in einem entscheidenden Punkt jegliche Ermittlungstätigkeit unterlassen wird oder ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren gar nicht stattfindet, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteienvorbringens oder dem Außer-Acht-Lassen des konkreten Sachverhaltes. Ein willkürliches Vorgehen liegt insbesondere dann vor, wenn die Behörde den Bescheid mit Ausführungen begründet, denen jeglicher Begründungswert fehlt (vgl. VfSlg. 13.302/1992 m. w. N., 14.421/1996, 15.743/2000).
Die Behörde hat die Pflicht, für die Durchführung aller zur Klarstellung des Sachverhaltes erforderlichen Beweise zu sorgen und auf das Parteivorbringen, soweit es für die Feststellung des Sachverhaltes von Bedeutung sein kann, einzugehen. Die Behörde darf sich über erhebliche Behauptungen und Beweisanträge nicht ohne Ermittlungen und ohne Begründung hinwegsetzen (vgl. Erkenntnis des VwGH v. 10.04.2013, Zl. 2011/08/0169 sowie dazu Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren Band I2, E 84 zu § 39 AVG)
Der angefochtene Bescheid erweist sich in Bezug auf den ermittelten Sachverhalt aus folgenden Gründen als mangelhaft:
Im Hinblick auf das Verfahren der Eltern des minderjährigen Beschwerdeführers ist festzuhalten, dass die Staatsangehörigkeit dieser als nicht geklärt zu beurteilen ist. Dies aus dem Grund, dass aus dem nachgelagerten, im Akt aufliegenden elektronischen Verkehr der Behörde und des Bundesverwaltungsgerichtes klar ersichtlich ist, dass das Bundesamt aktuell über Heimreisezertifikate für den Staat Georgien verfügt und eine Abschiebung der gesamten Familie nach Georgien plant. Sowohl die im bekämpften Bescheid erlassene Rückkehrentscheidung, als auch die festgestellte Zulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers beziehen sich jedoch auf den Herkunftsstaat "Russische Föderation".
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ist nun vor dem Hintergrund dieses unklaren Sachverhalts in Bezug auf den tatsächlichen Staatsangehörigkeitsstatus des Beschwerdeführers (und seiner Familie) vorzuwerfen, dass sie sich im angefochtenen Bescheid, ohne überhaupt irgendwelche Ermittlungen in dieser Hinsicht durchzuführen, mit der bloßen Feststellung begnügte, dass sich die Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers auf jene seiner Eltern gründe und diese originär Staatsangehörige der "Russischen Föderation" seien. Wie bereits angeführt ist jedoch gemäß im Akt aufliegender georgischer Heimreisezertifikate eine Abschiebung seiner Eltern nach Georgien geplant. Da dem minderjährigen Beschwerdeführer eine Rückkehr in seinen Herkunftsstaat nur gemeinsam mit seinen Familienangehörigen möglich ist, bleibt ungeklärt, ob diese nun in die Russische Föderation, oder nach Georgien erfolgen soll.
Der belangten Behörde ist dabei vorzuwerfen, dass sie diese neu hervorgekommenen Tatsachen im Verfahren der Eltern zu keinem Zeitpunkt dem Parteiengehör unterworfen und den gesetzlichen Vertretern des Beschwerdeführers vorgehalten hat. In Anbetracht eines derart unklaren Sachverhalts, dessen Klärung allerdings nicht nur für die aktuelle Entscheidung von maßgeblicher Bedeutung ist, sondern auch für die Abschiebung der gesamten Familie ist, hätte die belangte Behörde von Amts wegen Ermittlungen vornehmen müssen, um die Staatsangehörigkeit nicht nur des Beschwerdeführers, sondern jener seiner Familie abschließend zu klären und hätte sie gegebenfalls neue Rückkehrentscheidungen erlassen müssen.
Erst nach einer ergänzenden Befragung der gesetzlichen Vertreter des Beschwerdeführers, allfälligen weiteren Ermittlungsschritten sowie - im Falle der Feststellung der georgischen Staatsangehörigkeit - der Einholung der auf den Fall bezogenen und aktuellen Länderinformationen und der Erlassung neuer Rückkehrentscheidungen, wird es dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl möglich sein, den entscheidungswesentlichen Sachverhalt vollständig festzustellen und eine schlüssige und nachvollziehbare Entscheidung zu treffen. Durch das Unterlassen der Behörde ist damit der angefochtene Bescheid mit Rechtswidrigkeit belastet.
Gerade bei der Feststellung der Staatsangehörigkeit bzw. des Herkunftsstaates handelt es sich zweifellos um eine zentrale Frage im Asylverfahren (vgl. etwa VwGH 16.04.2009, 2008/19/0706; 20.02.2009, 2007/19/0535), welche grundsätzlich von der Behörde erster Instanz zu klären ist, da ansonsten im Fall der Klärung des Herkunftsstaates durch das Bundesverwaltungsgericht das gesamte sich an die Feststellung knüpfende Ermittlungsverfahren zum Herkunftsstaat vor das Bundesverwaltungsgericht verlagert würde.
Im vorliegenden Fall spiegelt der Akteninhalt für den erkennenden Richter sehr klar die Intention der belangten Behörde wieder, welche augenscheinlich mit gegenständlichem Bescheid in nicht zulässiger Weise die notwendige Ermittlungstätigkeit auf das erkennende Gericht zu überwälzen versucht.
Im Sinne der obigen Judikatur kann es nicht Aufgabe des Bundesverwaltungsgerichtes sein, das Ermittlungsverfahren hinsichtlich des Herkunftsstaates neu zu beginnen, wobei in einem solchen Fall dem Beschwerdeführer auch der Instanzenzug abgeschnitten würde.
Durch das mangelhaft geführte Ermittlungsverfahren hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Vornahme weiterer Ermittlungen bzw. überhaupt die Durchführung des Verfahrens über die Erlassung einer Rückkehrentscheidung auf das Bundesverwaltungsgericht verlagert, weshalb im Einklang mit den vorzitierten Erkenntnissen des VwGH zu § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG, Zlen. Ro 2014/03/0063 und Ra 2014/08/0005, der angefochtene Bescheid zu beheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückzuverweisen war.
Im fortgesetzten Verfahren wird das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl insbesondere die Staatsangehörigkeit der Eltern entsprechend zu berücksichtigen haben und den Eltern die neu erworbenen Heimreisezertifikate vorhalten müssen.
Eine Nachholung des durchzuführenden Ermittlungsverfahrens und eine erstmalige Beurteilung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Bundesverwaltungsgericht kann - im Lichte der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes - nicht im Sinne des Gesetzes liegen.
Dass eine unmittelbare weitere Beweisaufnahme durch das Bundesverwaltungsgericht "im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden" wäre, ist - angesichts des mit dem bundesverwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren als Mehrparteienverfahren verbundenen erhöhten Aufwandes - nicht ersichtlich.
Die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 VwGVG sind somit im gegenständlichen Beschwerdefall nicht gegeben.
Gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG konnte eine mündliche Verhandlung unterbleiben, weil bereits auf Grund der Aktenlage feststand, dass der Beschwerde stattzugeben bzw. der angefochtene Bescheid zu beheben war.
Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen, zumal aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben war.
Es ist somit spruchgemäß zu entscheiden.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Wie sich aus der oben wiedergegebenen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ergibt, besteht zur Frage der Anwendbarkeit des § 28 Abs. 3 VwGVG eine Rechtsprechung. Die vorliegende Entscheidung weicht von dieser Rechtsprechung auch nicht ab.
Es ist somit spruchgemäß zu entscheiden.
Schlagworte
Ermittlungspflicht, Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W189.2105915.2.00Zuletzt aktualisiert am
05.02.2019