Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §13 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Bachler, Dr. Rigler, Dr. Schick und Dr. Pelant als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde des AA in W, vertreten durch Dkfm. DDr. Gerhard Grone, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Neubaugasse 12-14/20 (einstweiliger Stellvertreter:
Dr. Peter Prikoszovits, Rechtsanwalt in 1070 Wien,
Kaiserstraße 67), gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 21. März 1997, Zl. 36080/70-IV/4/97, betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Übergang der Entscheidungspflicht in einer Angelegenheit des Personenstandsgesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.800,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 21. März 1997 wies der Bundesminister für Inneres einen Antrag des Beschwerdeführers vom 23. Oktober 1996 auf Übergang der Entscheidungspflicht gemäß § 73 Abs. 2 AVG betreffend einen am 20. Juli 1995 beim Magistrat der Stadt Wien, Standesamt Wien-Innere Stadt eingelangten Antrag auf Berichtigung des Geburtenbuches hinsichtlich des Familiennamens zurück. In der Begründung führte der Bundesminister für Inneres aus, der Antragsteller habe am 22. April 1996 an den Bürgermeister von Wien als Landeshauptmann einen Devolutionsantrag gestellt, der am 23. April 1996 bei der Behörde eingelangt sei. Da der Landeshauptmann von Wien bis dahin untätig geblieben sei, sei am 23. Oktober 1996 ein Devolutionsantrag an den Bundesminister für Inneres als sachlich in Betracht kommende Oberbehörde gestellt worden und am selben Tag beim Bundesminister für Inneres eingelangt.
Gemäß § 73 Abs. 1 AVG seien die Behörden verpflichtet, über Anträge von Parteien ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen, den Bescheid zu erlassen. Nach Abs. 2 leg. cit. gehe die Zuständigkeit zur Entscheidung an die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde über, wenn der Partei nicht innerhalb dieser Frist der Bescheid zugestellt werde. Die verfahrensrechtliche Sanktion des Überganges der Zuständigkeit zur Entscheidung an die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde trete nur bei einem Antrag ein, der nach Ablauf der sechsmonatigen Entscheidungsfrist gestellt wird, weil § 73 Abs. 2 AVG auf die in Abs. 1 dieser Gesetzesstelle bestimmte Frist ausdrücklich Bezug nehme. Da dies im Hinblick auf das Einlangen des Antrages bei der Magistratsdirektion der Stadt Wien am 23. April 1996 erst am 23. Oktober 1996 der Fall gewesen sei, habe der bereits am 23. Oktober 1996 eingebrachte Devolutionsantrag die Rechtsfolge des Zuständigkeitsübergangs nach § 73 Abs. 2 AVG nicht auslösen können, weil die Anrufung der Oberbehörde nur dann den Übergang der Entscheidungspflicht tatsächlich herbeizuführen geeignet gewesen sei, wenn sie nach Ablauf der der zunächst zuständigen Behörde offen stehenden sechsmonatigen Entscheidungsfrist erfolgt sei. Die Frist ende mit Ablauf jenes Tages, der durch seine Zahl dem Tag entspricht, an dem die Frist begonnen habe. Der am 23. Oktober 1996 gestellte Devolutionsantrag an den Bundesminister für Inneres sei am letzten Tag der Frist, d.h. vor deren Ablauf, gestellt worden, weshalb der Devolutionsantrag als verfrüht gestellt zurückzuweisen gewesen sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Sachentscheidung durch die im Entscheidungszeitpunkt gesetzlich zuständige Behörde verletzt. Er habe am 17. Juli 1995 beim Magistrat der Stadt Wien einen Antrag auf Berichtigung des Geburtenbuches gestellt und, da die angerufene Behörde bis dahin über seinen Antrag nicht entschieden gehabt habe, am 22. April 1996 die Entscheidung des Bürgermeisters von Wien als Landeshauptmann als sachlich in Betracht kommende Oberbehörde begehrt. Dieser Devolutionsantrag sei beim Bürgermeister am 22. April 1996 "im Faxwege" eingelangt, er lege eine Kopie des diesbezüglichen Übermittlungsberichtes bei (daraus sei ersichtlich, dass die Sendung am 22. April 1996 um 15.37 Uhr übermittelt wurde). Nach Ablauf der Entscheidungsfrist auch für den Bürgermeister von Wien als Landeshauptmann habe der Antragsteller schließlich am 23. Oktober 1996 die Entscheidung der belangten Behörde als sachlich in Betracht kommende Oberbehörde begehrt. Sein Antrag auf Übergang der Entscheidungspflicht sei entgegen der Annahme der belangten Behörde bereits am 22. April 1996 beim Bürgermeister von Wien eingelangt, die Entscheidungsfrist für den Bürgermeister von Wien als Landeshauptmann daher bereits am 23. Oktober 1996, dem Tag der Stellung des Devolutionsantrages, abgelaufen gewesen.
Über Aufforderung des Verwaltungsgerichtshofes legte die belangte Behörde die Akten ihres Verwaltungsverfahrens vor, aus denen sich jedoch, weil Akten des Landeshauptmannes von Wien nicht vorgelegt wurden, nicht ergibt, wann der Devolutionsantrag beim Landeshauptmann von Wien eingelangt ist.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
Im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (die Zustellung erfolgte nach dem Beschwerdevorbringen am 9. April 1997) ist für die Überprüfung seiner Rechtmäßigkeit durch den Verwaltungsgerichtshof das AVG in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 158/1998 maßgeblich.
§ 13 Abs. 1 und § 73 Abs. 1 und 2 lauteten:
"§ 13. (1) Anträge, Gesuche, Anzeigen, Beschwerden und sonstige Mitteilungen können, soweit in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, bei der Behörde schriftlich oder, soweit es der Natur der Sache nach tunlich erscheint, mündlich oder telefonisch eingebracht werden. Schriftliche Anbringen können nach Maßgabe der zur Verfügung stehenden technischen Mittel auch telegrafisch, fernschriftlich, im Wege automationsunterstützter Datenübertragung oder in jeder anderen technisch möglichen Weise eingebracht werden.
...
§ 73. (1) Die Behörde oder der unabhängige Verwaltungssenat sind verpflichtet, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, über Anträge von Parteien (§ 8) und Berufungen ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen den Bescheid zu erlassen.
(2) Wird der Bescheid der Partei nicht innerhalb dieser Frist zugestellt, so geht auf ihren schriftlichen Antrag die Zuständigkeit zur Entscheidung auf die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde, wenn aber gegen die ausständige Entscheidung die Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat vorgesehen ist, auf diesen über. Ein solcher Antrag ist unmittelbar bei der Oberbehörde (beim unabhängigen Verwaltungssenat) einzubringen. Der Antrag ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht ausschließlich auf ein Verschulden der Behörde zurückzuführen ist."
Unstrittig ist im vorliegenden Fall, dass der Beschwerdeführer am 23. Oktober 1996 einen Antrag auf Übergang der Entscheidungspflicht beim Bundesminister für Inneres einbrachte. Wie die belangte Behörde richtig erkannte, hätte sie diesen Antrag als verfrüht gestellt zurückzuweisen gehabt, wenn der beim Landeshauptmann von Wien gestellte Antrag (auf Übergang der Entscheidungspflicht) erst am 23. April 1996 eingelangt wäre (vgl. z. B. das hg. Erkenntnis vom 14. Oktober 1980, Slg. Nr. 10.263/A).
Wie die Begründung des angefochtenen Bescheides zeigt, ging die belangte Behörde davon aus, dass der Antrag des Beschwerdeführers auf Übergang der Entscheidungspflicht auf den Landeshauptmann von Wien erst am 23. April 1996 eingelangt ist. Diese Annahme hätte sie dem Beschwerdeführer, der in seinem Devolutionsantrag vom 23. Oktober 1996 ausdrücklich ausgeführt hatte, er habe am "22.04.96 einen Devolutionsantrag an den Bürgermeister der Stadt Wien als Landeshauptmann gerichtet", vorzuhalten gehabt. Da sie einen derartigen Vorhalt unterlassen hat, unterliegt das Beschwerdevorbringen auch nicht dem im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltenden Neuerungsverbot.
Das Vorbringen des Beschwerdeführers ist geeignet, die Relevanz des der belangten Behörde anzulastenden Verfahrensmangels aufzuzeigen. Trifft es nämlich zu, dass der Beschwerdeführer bereits am 22. April 1996 seinen Devolutionsantrag "im Faxwege" übermittelt hat, so wäre, auch wenn die Telekopie außerhalb der Amtsstunden auf Grund des empfangsbereit gehaltenen Telefaxgerätes bei der Behörde eingelangt sein sollte (vgl. zu einer fernschriftlichen Versammlungsanmeldung das hg. Erkenntnis vom 4. November 1992, Slg. Nr. 13.733/A, sowie zu einer Berufungseinbringung mittels Telekopie das hg. Erkenntnis vom 20. Dezember 1996, Zl. 96/02/0296), davon auszugehen gewesen, dass der Devolutionsantrag bereits am 22. April 1996 beim Landeshauptmann von Wien eingelangt war und die in § 73 Abs. 2 AVG genannte sechsmonatige Frist bereits mit Ablauf des 22. Oktober 1996 geendet hätte. Der am 23. Oktober 1996 gestellte Devolutionsantrag beim Bundesminister für Inneres erwiese sich dann freilich nicht als verfrüht.
Aus diesen Erwägungen war der angefochtene Bescheid wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Wien, am 6. Juli 1999
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1997010369.X00Im RIS seit
20.11.2000