TE Bvwg Erkenntnis 2018/11/22 I415 2152545-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 22.11.2018
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

22.11.2018

Norm

BFA-VG §21 Abs7
B-VG Art.133 Abs4
FPG §2
FPG §57 Abs1
FPG §57 Abs2
VwGVG §24 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs5

Spruch

I415 2152545-3/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Hannes LÄSSER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX StA. Nigeria, vertreten durch RA DDr. Rainer Lukits, LLM, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA), vom 04.09.2018, Zl. XXXX, zu Recht erkannt:

A)

In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid gemäß § 28 Abs. 1 und 5 VwGVG behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer reiste illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 13.09.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Mit Bescheid vom 17.03.2017, Zl. XXXX, wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten "gemäß § 3 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG 2005, BGBl I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF" (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Nigeria gemäß "§ 8 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG" (Spruchpunkt II.) als unbegründet ab. Zugleich wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen "gemäß § 57 AsylG" nicht erteilt. "Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF" wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung "gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl I Nr. 100/2005 (FPG) idgF" erlassen. Weiters wurde "gemäß § 52 Absatz 9 FPG" festgestellt, dass seine Abschiebung "gemäß § 46 FPG" nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt III.). Letztlich wurde einer Beschwerde "gegen die Rückkehrentscheidung "gemäß § 18 Absatz 1 Ziffer 4 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF", die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt IV.)

3. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht - ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung - mit Erkenntnis vom 14.04.2017, Zl. I416 2152545-1/3, ab.

4. Gegen dieses Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 29.05.2017 eine außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof. Mit Entscheidung des VwGH vom 19.09.2017, Zl. Ra 2017/20/0185-9, wurde das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 14.04.2017, Zl. I416 2152545-1/3E, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

5. Am 30.11.2017 erfolgte in Anwesenheit des Beschwerdeführers und seines Rechtsvertreters eine mündliche Beschwerdeverhandlung am Bundesverwaltungsgericht.

6. Mit Erkenntnis vom 17.01.2018, Zl. I416 2152545-1/23E, wurde die Beschwerde mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass der Spruchpunkt IV. zu lauten hat: "Gemäß § 55 Abs. 2 Fremdenpolizeigesetz (FPG) beträgt die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung." Der Beschwerdeführer kam in weiterer Folge seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach und verblieb rechtswidrig im Bundesgebiet.

7. Gegen dieses Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 20.04.2018 eine außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof. Mit Beschluss des VwGH vom 18.05.2018, Zl. Ra 2018/01/0202-6, wurde die Revision zurückgewiesen, da in der Revision keine Rechtsfragen aufgeworfen wurden, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

8. Mit Mandatsbescheid vom 18.06.2018, Zl. XXXX, wurde dem Beschwerdeführer von der belangten Behörde aufgetragen, innerhalb von drei Tagen in der Rückkehrbetreuungseinrichtung XXXX Unterkunft zu nehmen. Der Mandatsbescheid wurde dem Beschwerdeführer nachweislich am 24.06.2018 durch die zuständige PI ausgefolgt und nahm der Beschwerdeführer am 27.06.2018 fristgerecht in der Rückkehrbetreuungseinrichtung (RÜBE) XXXX Unterkunft.

9. Am 02.07.2018 stellte der Beschwerdeführer einen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Artikel 8 EMRK.

10. Mit Schriftsatz seiner Rechtsvertretung vom 07.07.2018 erhob der Beschwerdeführer Vorstellung gegen den Mandatsbescheid des BFA vom 18.06.2018. Mit Schreiben des BFA vom 11.07.2018 wurde dem Beschwerdeführer Parteiengehör gewährt.

11. Mit Schreiben vom 12.07.2018 gab der Beschwerdeführer seine Eheschließung mit einer österreichischen Staatsbürgerin bekannt und brachte diesbezüglich einen Auszug aus dem Heiratseintrag des Standesamtsverbandes XXXX desselben Datums in Vorlage.

12. Mit undatiertem Schreiben des BFA wurde dem Beschwerdeführer eine Aufforderung zur Stellungnahme / Parteiengehör betreffend sein Familien- und Privatleben, Integrationsmaßnahmen etc. übermittelt.

13. Mit Schreiben seiner Rechtsvertretung vom 18.07.2018 erging ein Antrag auf Aufhebung des Mandatsbescheides bzw. Abänderung der Entscheidung dahingehend, dass dem Verfahrensbeteiligten aufgetragen wird, bei seiner Ehefrau in deren Eigentumswohnung Aufenthalt zu nehmen.

14. Mit ergänzender Stellungnahme seiner Rechtsvertretung vom 15.08.2018 führte der Beschwerdeführer u.a. aus, dass seine Ehefrau in den Jahren 1996 und 1997 zwei Semester an der Universidad de XXXX in Spanien studiert und damit im Sinne von § 57 NAG ihr unionsrechtliches Aufenthaltsrecht von mehr als drei Monaten in einem anderen EWR-Mitgliedsstaat in Anspruch genommen habe. Seine Ehefrau sei im Anschluss an diesen Aufenthalt in Spanien im Sinne von § 57 NAG nicht bloß vorübergehend nach Österreich zurückgekehrt, was u.a. an ihrem Hauptwohnsitz in Österreich und ihrer beruflichen Tätigkeit als XXXX im Bundesgebiet ersichtlich sei. Der Beschwerdeführer sei daher seit der Eheschließung ex lege zum Aufenthalt in Österreich berechtigt und aufgrund des Unionsrechtes nicht mehr zur Ausreise verpflichte, sodass auch eine Wohnsitzauflage nach § 57 FPG nicht mehr anzuwenden sei. Die Aufrechterhaltung einer Wohnsitzauflage würde einen Verstoß gegen die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und das Grundrecht auf Privat- und Familienleben bedeuten.

15. Mit Folgeeingabe seiner Rechtsvertretung vom 24.09.2018 führte der Beschwerdeführer aus, dass während seines Aufenthalts in der Rückkehrbetreuungseinrichtung XXXX Hämorrhoiden aufgetreten seien, die am 10.09.2018 operativ entfernt werden mussten. In der Folge sei es zu einer Nachblutung gekommen und werde im ärztlichen Entlassungsbrief vom 19.09.2018, welcher als Beilage dem Schriftsatz ausdrücklich der Aufenthalt in einer kleineren Wohneinheit auch aus hygienischen Gründen empfohlen. Die Entlassung aus der Rückkehrbetreuungseinrichtung sei aus diesem Grund nunmehr auch medizinisch indiziert.

14. Mit angefochtenem Bescheid des BFA vom 28.09.2018, Zl. XXXX, wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 Abs 1 FPG aufgetragen, bis zu seiner Ausreise durchgängig Unterkunft in der Betreuungseinrichtung

XXXX zu nehmen und dieser Verpflichtung unverzüglich nachzukommen (Spruchpunkt I.). Die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen diesen Bescheid wurde gemäß § 13 Abs 2 VwGVG ausgeschlossen (Spruchpunkt II.).

13. Mit Schriftsatz seiner Rechtsvertretung vom 02.10.2018 erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Im Wesentlichen wurde ausgeführt, dass die Verhängung einer Wohnsitzauflage im vorliegenden Fall nur zulässig sei, wenn gemäß § 57 Abs 1 Z. 1 FPG bestimmte Tatsachen die die Annahme rechtfertigen, dass der Drittstaatsangehörige seiner Ausreiseverpflichtung weiterhin nicht nachkommen werde. Aufgrund seiner aufrechten Ehe mit einer Österreicherin, die von ihrem unionrechtlichen Aufenthaltsrecht Gebrauch gemacht habe, sei der Beschwerdeführer nunmehr unionsrechtlich zum Aufenthalt in Österreich für mehr als drei Monate berechtigt, sodass keine Ausreiseverpflichtung mehr vorliege. Die zu beantragende Aufenthaltskarte für Angehörige eines EWR-Bürgers diene lediglich der Dokumentation und wirke nicht konstitutiv. Weiters sei entgegen der Ansicht der belangten Behörde durch die Eheschließung des Beschwerdeführers sehr wohl eine maßgebliche Sachverhaltsänderung eingetreten. Beantragt wurde (1) die Aufhebung von Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheids bzw. die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung (2) die ersatzlose Behebung des angefochtenen Bescheids sowie (3) die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

14. Mit Schreiben des BFA vom 05.10.2018, bei der zuständigen Gerichtsabteilung I415 eingelangt am 10.10.2018, wurde die Beschwerde samt Akt dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Oben stehender Verfahrensgang ist unbestritten und wird daher zur Feststellung erhoben.

Gegen den Beschwerdeführer besteht eine rechtkräftige Rückkehrentscheidung.

Der Beschwerdeführer befindet sich seit (spätestens) 13.09.2015 im österreichischen Bundesgebiet. Sein Antrag auf internationalen Schutz wurde mit Bescheid des BFA vom 17.03.2017, Zl. XXXX, abgewiesen und gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 17.01.2018, Zl. I416 2152545-1/23, als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer kam seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach.

Mit Mandatsbescheid vom 18.06.2018, dem Beschwerdeführer nachweislich am 24.06.2018 durch die zuständige PI ausgefolgt, wurde dem Beschwerdeführer von der belangten Behörde aufgetragen, innerhalb von drei Tagen in der Rückkehrbetreuungseinrichtung ("RÜBE") Schwechat Unterkunft zu nehmen. Der Beschwerdeführer nahm am 27.06.2018 fristgerecht in der Rückkehrbetreuungseinrichtung (RÜBE) Schwechat Unterkunft.

Am 07.07.2018 brachte der Beschwerdeführer durch seinen rechtsfreundlichen Vertreter eine Vorstellung gegen den Mandatsbescheid ein.

Mit dem nunmehr angefochtenen (Vorstellungs-) Bescheid vom 28.09.2018 wurde dem Beschwerdeführer gem. § 57 Abs. 1 FPG aufgetragen, bis zu seiner Ausreise durchgängig Unterkunft in der Betreuungseinrichtung XXXX, zu nehmen und dieser Verpflichtung unverzüglich nachzukommen (Spruchpunkt I.). Die aufschiebende Wirkung der Beschwerde gegen diesen Bescheid wurde gem. § 13 Abs. 2 VwGVG ausgeschlossen (Spruchpunkt II.).

Der Beschwerdeführer ist aufgrund der Eheschließung mit einer österreichischen Staatsbürgerin vom XXXX2018, die von ihrem unionrechtlichen Aufenthaltsrecht Gebrauch gemacht hat, begünstigter Drittstaatsangehöriger.

2. Beweiswürdigung:

Der erkennende Einzelrichter des Bundesverwaltungsgerichtes hat nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung über die Beschwerde folgende Erwägungen getroffen:

2.1. Zum Sachverhalt:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten der belangten Behörde und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes. Einsicht wurde auch genommen in den Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes zu I416 2152545-1 und damit zum Beschwerdeverfahren des vorangegangenen Asylverfahrens sowie I415 2152545-2 (Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen von Art 8 EMRK). Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Melderegister (ZMR) und der Grundversorgung (GVS) wurden ergänzend zum vorliegenden Akt eingeholt.

Die Eheschließung des Beschwerdeführers mit einer österreichischen Staatsangehörigen ergibt sich aus der im Akt befindlichen Heiratsurkunde vom 12.07.2018 (AS 75).

Mit ergänzender Stellungnahme seiner Rechtsvertretung vom 15.08.2018 (AS 97ff) führte der Beschwerdeführer u.a. aus, dass seine Ehefrau in den Jahren 1996 und 1997 zwei Semester an der Universidad de XXXXin Spanien studiert und damit im Sinne von § 57 NAG ihr unionsrechtliches Aufenthaltsrecht von mehr als drei Monaten in einem anderen EWR-Mitgliedsstaat in Anspruch genommen hat. Seine Ehefrau ist im Anschluss an diesen Aufenthalt in Spanien im Sinne von § 57 NAG nicht bloß vorübergehend nach Österreich zurückgekehrt, was u.a. an ihrem Hauptwohnsitz in Österreich und ihrer beruflichen Tätigkeit als Lehrerin im Bundesgebiet ersichtlich ist.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchpunkt A)

3.1. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides

3.1.1. Rechtliche Grundlagen:

§ 28 VwGVG normiert auszugweise:

Erkenntnisse

§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

[...]

(5) Hebt das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid auf, sind die Behörden verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtes entsprechenden Rechtszustand herzustellen.

§ 57 FPG lautet auszugsweise:

Wohnsitzauflage

§ 57. (1) Einem Drittstaatsangehörigen, gegen den eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und dessen Aufenthalt im Bundesgebiet nicht geduldet (§ 46a) ist, kann aufgetragen werden, bis zur Ausreise in vom Bundesamt bestimmten Quartieren des Bundes Unterkunft zu nehmen, wenn

1. keine Frist zur freiwilligen Ausreise gemäß § 55 gewährt wurde oder

2. nach Ablauf der Frist zur freiwilligen Ausreise gemäß § 55 bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Drittstaatsangehörige seiner Ausreiseverpflichtung weiterhin nicht nachkommen wird.

(2) Bei der Beurteilung, ob bestimmte Tatsachen gemäß Abs. 1 Z 2 vorliegen, ist insbesondere zu berücksichtigen, ob der Drittstaatsangehörige

1. entgegen einer Anordnung des Bundesamtes oder trotz eines nachweislichen Angebotes der Rückkehrberatungsstelle ein Rückkehrberatungsgespräch (§ 52a Abs. 2 BFA-VG) nicht in Anspruch genommen hat;

2. nach Ablauf der Frist für die freiwillige Ausreise seinen Wohnsitz oder den Ort seines gewöhnlichen Aufenthalts gewechselt und das Bundesamt davon nicht in Kenntnis gesetzt hat;

3. an den zur Erlangung einer Bewilligung oder eines Reisedokumentes notwendigen Handlungen im Sinne der § 46 Abs. 2 und 2a nicht mitwirkt;

4. im Rahmen des Asylverfahrens, des Verfahrens zur Erlassung der Rückkehrentscheidung oder des Rückkehrberatungsgesprächs erklärt hat, seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen zu wollen;

5. im Asylverfahren oder im Verfahren zur Erlassung der Rückkehrentscheidung über seinen Herkunftsstaat oder seine Identität getäuscht oder zu täuschen versucht hat.

(3) [...]

(4) Die Verpflichtungen des Drittstaatsangehörigen aufgrund einer Wohnsitzauflage gemäß Abs. 1 oder Abs. 3 ruhen, wenn und solange

1. die Rückkehrentscheidung gemäß § 59 Abs. 6 oder die Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 12a Abs. 4 AsylG 2005 vorübergehend nicht durchführbar,

2. sein Aufenthalt im Bundesgebiet gemäß § 46a geduldet oder

3. ihm die persönliche Freiheit entzogen ist.

(5) Wird eine Rückkehrentscheidung gemäß § 60 Abs. 3 gegenstandslos oder tritt eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 Abs. 4 außer Kraft, tritt auch die Wohnsitzauflage außer Kraft.

(6) Die Wohnsitzauflage gemäß Abs. 1 oder Abs. 3 ist mit Mandatsbescheid (§ 57 AVG) anzuordnen. In diesem sind dem Drittstaatsangehörigen auch die Folgen einer allfälligen Missachtung zur Kenntnis zu bringen."

3.1.2. Aus den Erläuterungen zum FRÄG 2017 betreffend § 57 FPG ergibt sich auszugsweise Folgendes:

"[...] Die Erlassung einer Wohnsitzauflage soll dabei nicht systematisch erfolgen, sondern hat jedenfalls abhängig von den konkreten Umständen des Einzelfalls zu ergehen. Dabei sind insbesondere der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sowie Art. 8 EMRK - insbesondere im Hinblick auf das Bestehen familiärer Strukturen, die Wahrung der Familieneinheit und die besonderen Bedürfnisse von Minderjährigen auch im Sinne der Jugendwohlfahrt - zu berücksichtigen. Die Wohnsitzauflage soll daher als ultima ratio nur dann angeordnet werden, wenn der Drittstaatsangehörige seiner Verpflichtung zur Ausreise bislang nicht nachgekommen ist und aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls anzunehmen ist, dass er auch weiterhin seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen wird.

Zu Abs. 1:

Die Wohnsitzauflage kann in zwei Konstellationen angeordnet werden. Für beide Konstellationen ist die rechtskräftige Erlassung einer Rückkehrentscheidung Voraussetzung. Dies sorgt für eine deutliche Abgrenzung zur Anordnung der Unterkunftnahme gemäß § 15b AsylG, welche nur bis zur Rechtskraft der Entscheidung Gültigkeit besitzen kann. Diesbezüglich wird auf die Erläuterungen zu § 15b Abs. 4 AsylG 2005 verwiesen.

Die erste Konstellation umfasst jene Fälle, in denen eine Frist zur freiwilligen Ausreise gemäß §55 FPG nicht gewährt wurde. Die zweite Konstellation soll auch jene Fälle umfassen, in denen zwar eine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt wurde, der Drittstaatsangehörige aber nicht innerhalb der Frist ausgereist ist und anzunehmen ist, dass er seiner Ausreiseverpflichtung auch weiterhin nicht nachkommen wird.

[...]

Zu Abs. 2:

In Abs. 2 werden jene Tatsachen näher definiert und demonstrativ aufgezählt, welche im Sinne des Abs. 1 Z 2 die Annahme rechtfertigen, dass der Drittstaatsangehörige seiner Ausreiseverpflichtung weiterhin nicht nachkommen wird.

Ein Hinweis auf die mangelnde Bereitschaft zur Ausreise ist naturgemäß dann gegeben, wenn der Drittstaatsangehörige selbst angibt, dass er nicht bereit ist, seiner Ausreiseverpflichtung nachzukommen. Es kann des Weiteren davon ausgegangen werden, dass er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen wird, wenn er ein ihm angebotenes oder angeordnetes Rückkehrberatungsgespräch zum Zweck der freiwilligen Ausreise nicht wahrnimmt. Ebenso wird davon auszugehen sein, dass der Drittstaatsangehörige nicht bereit ist auszureisen, wenn er während einer gewährten Frist zur freiwilligen Ausreise nicht ausgereist ist und anschließend seinen Wohnsitz bzw. den Ort seines gewöhnlichen Aufenthalts ändert, ohne das Bundesamt hiervon in Kenntnis zu setzen. Ferner kann von mangelhafter Bereitschaft zur Ausreise ausgegangen werden, wenn der betreffende Drittstaatsangehörige es unterlässt, an der Beschaffung von für die Ausreise erforderlichen Dokumenten mitzuwirken oder ein vorhandenes Reisedokument vernichtet oder sich dessen auf sonstige Weise entledigt. Hat der Drittstaatsangehörige bereits im Verfahren über seine Identität getäuscht oder zu täuschen versucht und damit die Beschaffung von für die Ausreise erforderlichen Dokumenten erschwert bzw. verhindert, wird ebenfalls von einer mangelnden Bereitschaft zur Ausreise auszugehen sein.

Da es sich bei Abs. 2 um eine demonstrative Aufzählung handelt, kommen auch weitere Umstände in Betracht, welche die Annahme rechtfertigen, dass der Drittstaatsangehörige seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen wird. Weitere denkbare Gründe in diesem Sinne sind etwa falsche oder widersprüchliche Angaben zum Vorliegen einer Voll- oder Minderjährigkeit bzw. voneinander abweichende Altersangaben in Verfahren vor verschiedenen Behörden (dazu VwGH 25.02.2015, Ra 2014/20/0045) sowie die Verschweigung von vorhandenen Identitätsdokumenten. Hievon sollen beispielsweise jene Fälle erfasst sein, in denen Drittstaatsangehörige im Verfahren vor dem Bundesamt angeben, über keine Identitätsdokumente zu verfügen, während sie im Verfahren vor anderen Behörden (bspw. dem Standesamt im Zuge einer Eheschließung) oder Gerichten solche vorlegen.

[...]

Da es sich wie in der Beweiswürdigung dargestellt beim Beschwerdeführer aufgrund seiner Eheschließung vom 02.07.2018 mit einer österreichischen Staatsbürgerin, die von ihrem unionsrechtlichen Freizügigkeitsrecht Gebrauch gemacht hat, um einen begünstigten Drittstaatsangehörigen i.S.d. § 2 Abs. 4 Z. 11 FPG handelt, ist § 57 FPG im konkreten Fall nicht anwendbar, weil der oben zitierte Gesetzestext explizit nur von einem Drittstaatsangehörigen i.S.d. § 2 Abs. 4 Z. 10 FPG spricht.

Aus diesem Grund war der angefochtene Bescheid zu beheben.

4. Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:

Der Beschwerdeführer beantragte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

Eine mündliche Verhandlung kann gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Zu Spruchpunkt B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Im gegenständlichen Fall wurde keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen. Die vorliegende Entscheidung basiert auf den oben genannten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes.

Schlagworte

Auflage, Ausreiseverpflichtung, begünstigte Drittstaatsangehörige,
Behebung der Entscheidung, Ehe, ersatzlose Behebung,
Rückkehrentscheidung, Unterkunft, Wegfall, Wohnsitzauflage

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:I415.2152545.3.00

Zuletzt aktualisiert am

05.02.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten