Entscheidungsdatum
23.11.2018Norm
AVG §19Spruch
W250 2209823-1/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Michael BIEDERMANN als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Pakistan, vertreten durch RA Mag. Thomas KIENBAUER, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.10.2018, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird gemäß § 46 Abs. 2a FPG iVm § 19 AVG stattgegeben und der angefochtene Bescheid behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge als BF bezeichnet) stellte am 24.09.2015 seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in weiterer Folge als Bundesamt bezeichnet) vom 20.02.2017 vollinhaltlich abgewiesen. Gleichzeitig wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung getroffen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Pakistan zulässig sei. Als Frist für die freiwillige Ausreise wurden 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt. Das Bundesamt stellte in der Begründung dieses Bescheides ausdrücklich fest, dass der BF Staatsangehöriger Pakistans sei.
Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 06.06.2017 abgewiesen.
2. Am 05.09.2017 stellte der BF seinen zweiten Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Bundesamtes vom 12.10.2017 gemäß § 68 Abs. 1 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG zurückgewiesen. Unter einem wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung getroffen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Pakistan zulässig sei. Weiters wurde festgestellt, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe. In der Bescheidbegründung wurde wiederum festgestellt, dass der BF pakistanischer Staatsangehöriger sei. Dieser dem BF durch Hinterlegung im Akt zugestellte Bescheid blieb unangefochten und erwuchs in Rechtskraft.
3. Der BF stellte am 03.01.2018 seinen dritten Antrag auf internationalen Schutz im Bundesgebiet. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Bundesamtes vom 22.06.2018 gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen. Gleichzeitig wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass sein Abschiebung nach Pakistan zulässig sei. Weiters wurde festgestellt, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe und ein auf die Dauer von 2 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen. In der Begründung dieses Bescheides stellte das Bundesamt neuerlich fest, dass es sich beim BF um einen Staatsangehörigen Pakistans handle. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 31.07.2018 abgewiesen.
4. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 17.10.2018 verpflichtete das Bundesamt den BF gemäß § 46 Abs. 2a und 2b Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG in Verbindung mit § 19 AVG zur Einholung eines Ersatzreisedokumentes zu einem bestimmten Termin bei der Botschaft der Islamischen Republik Afghanistan als Beteiligter persönlich zu kommen und an den notwendigen Handlungen zur Erlangung eines Ersatzreisedokumentes mitzuwirken. Die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde wurde ausgeschlossen. Begründend führte das Bundesamt aus, dass mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 31.07.2018 gegen den BF eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung erlassen worden sei, der BF seiner Verpflichtung zur Ausreise jedoch bisher nicht nachgekommen sei und über kein gültiges Reisedokument verfüge. Der Delegationstermin mit Vertretern des Heimatlandes des BF ermögliche es dem Bundesamt, die Identität des BF durch autorisierte Vertreter seines Heimatlandes festzustellen und den Ausstellungsprozess zur Erlangung eines Ersatzreisedokumentes zu starten. Ein Behördenvertreter werde bei diesem Termin anwesend sein.
Dieser Bescheid wurde dem BF am 19.10.2018 zugestellt.
5. Der BF erschien zu dem im Bescheid vom 17.10.2018 genannten Termin nicht bei der Botschaft der Islamischen Republik Afghanistan.
6. Am 13.11.2018 erhob der BF durch seinen ausgewiesenen Rechtsvertreter Beschwerde gegen den Bescheid vom 17.10.2018 und brachte im Wesentlichen vor, dass der Bescheid inhaltlich rechtswidrig sei, da der BF pakistanischer Staatsangehöriger sei und es ihm völlig unklar sei, warum er sich bei der Botschaft der Islamischen Republik Afghanistan einfinden solle. In Anbetracht des enorm angespannten Verhältnisses der beiden Staaten Pakistan und Afghanistan habe er auch begründete Furcht und Angst um seine Gesundheit, wenn er versuchen würde, in der Botschaft der Islamischen Republik Afghanistan auf dieses offenkundige Missverständnis hinzuweisen. Es sei auch auffallend, dass die belangte Behörde die Rechtsmittelbelehrung in einer dem BF völlig unverständlichen Sprache und Schrift abgefasst habe und nicht einmal die Staatsangehörigkeit des BF zutreffend angegeben worden sei.
7. Der vom Bundesamt vorgelegte Verwaltungsakt langte am 21.11.2018 beim Bundesverwaltungsgericht ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Der unter Punkt I.1. bis I.7. geschilderte Verfahrensgang wird als entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt.
1.2. In den bisherigen drei den BF betreffenden Asylverfahren wurde Pakistan als Herkunftsstaat des BF festgestellt.
1.3. Weder dem Verwaltungsakt noch dem angefochtenen Bescheid lassen sich Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass der BF afghanischer Staatsangehöriger ist und nach Afghanistan abgeschoben werden kann.
2. Beweiswürdigung:
Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungs- und den Gerichtsakt sowie in das Zentrale Fremdenregister.
2.1. Der Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbedenklichen Inhalt des Verwaltungsaktes sowie aus dem Akt des Bundesverwaltungsgerichtes.
2.2. Die Feststellung, wonach in den bisher in Österreich den BF betreffenden Asylverfahren festgestellt worden ist, dass er pakistanischer Staatsangehöriger ist, ergibt sich aus den diesbezüglichen Bescheiden des Bundesamtes sowie den Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichtes. Aus den Ausführungen in der jeweiligen Begründung dieser Entscheidungen lassen sich auch keine Zweifel am Herkunftsstaat des BF ableiten, da seinen dahingehend gleichlautenden Angaben Glauben geschenkt wurde. Im Zentralen Fremdenregister ist zwar vermerkt, dass die Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den BF am 12.12.2017 abgelehnt worden sei, doch wird dieser Umstand im zeitlich später durchgeführten Verfahren auf Grund des Asylantrages vom 03.01.2018 nicht erwähnt, sodass nicht davon auszugehen ist, dass durch die Ablehnung der Ausstellung eines Heimreisezertifikates Zweifel an der Staatsangehörigkeit des BF bestanden.
2.3. Hinweise darauf, dass der BF afghanischer Staatsangehöriger sei, lassen sich dem Verwaltungsakt nicht entnehmen. So wird er im Verfahrensakt seit seiner Antragstellung vom 24.09.2015 als pakistanischer Staatsangehöriger bezeichnet und auch noch in der internen Aktenübermittlung des Bundesamtes vom 19.09.2018 als pakistanischer Staatsangehöriger geführt. Erst im angefochtenen Bescheid vom 17.10.2018 wird seine Staatsangehörigkeit mit Afghanistan angegeben, während er im Begleitschreiben der Beschwerdevorlage wieder als Staatsangehöriger Pakistans aufscheint. Umstände, die zu einer Änderung der Annahme der Staatsangehörigkeit des BF geführt haben, lassen sich dem Verwaltungsakt ebensowenig entnehmen wie der Begründung des angefochtenen Bescheides.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Stattgabe der Beschwerde
3.1. Gesetzliche Grundlagen
§ 46 Abs. 2a und 2b FPG lautet:
(2a) Das Bundesamt ist jederzeit ermächtigt, bei der für den Fremden zuständigen ausländischen Behörde die für die Abschiebung notwendigen Bewilligungen (insbesondere Heimreisezertifikat oder Ersatzreisedokument) einzuholen oder ein Reisedokument für die Rückführung von Drittstaatsangehörigen (§ 97 Abs. 1) auszustellen. Macht es davon Gebrauch, hat der Fremde an den Amtshandlungen des Bundesamtes, die der Erlangung der für die Abschiebung notwendigen Bewilligung oder der Ausstellung des Reisedokumentes gemäß § 97 Abs. 1 dienen, insbesondere an der Feststellung seiner Identität (§ 36 Abs. 2 BFA-VG) und seiner Herkunft, im erforderlichen Umfang mitzuwirken und vom Bundesamt zu diesem Zweck angekündigte Termine wahrzunehmen.
(2b) Die Verpflichtung gemäß Abs. 2 oder 2a Satz 2 kann dem Fremden mit Bescheid auferlegt werden. Für die Auferlegung der Verpflichtung gemäß Abs. 2a Satz 2 gilt § 19 Abs. 2 bis 4 iVm § 56 AVG sinngemäß mit der Maßgabe, dass an die Stelle der Ladung die Auferlegung der Verpflichtung tritt; ein solcher Bescheid kann mit einer Ladung vor das Bundesamt oder zu einer Amtshandlung des Bundesamtes zur Erlangung der für die Abschiebung notwendigen Bewilligung bei der zuständigen ausländischen Behörde verbunden werden (§ 19 AVG). § 3 Abs. 3 BFA-VG gilt.
Der mit "Ladungen" überschriebene § 19 AVG lautet:
§ 19. (1) Die Behörde ist berechtigt, Personen, die in ihrem Amtsbereich ihren Aufenthalt (Sitz) haben und deren Erscheinen nötig ist, vorzuladen.
(2) In der Ladung ist außer Ort und Zeit der Amtshandlung auch anzugeben, was den Gegenstand der Amtshandlung bildet, in welcher Eigenschaft der Geladene vor der Behörde erscheinen soll (als Beteiligter, Zeuge usw.) und welche Behelfe und Beweismittel mitzubringen sind. In der Ladung ist ferner bekanntzugeben, ob der Geladene persönlich zu erscheinen hat oder ob die Entsendung eines Vertreters genügt und welche Folgen an ein Ausbleiben geknüpft sind.
(3) Wer nicht durch Krankheit, Behinderung oder sonstige begründete Hindernisse vom Erscheinen abgehalten ist, hat die Verpflichtung, der Ladung Folge zu leisten und kann zur Erfüllung dieser Pflicht durch Zwangsstrafen verhalten oder vorgeführt werden. Die Anwendung dieser Zwangsmittel ist nur zulässig, wenn sie in der Ladung angedroht waren und die Ladung zu eigenen Handen zugestellt war; sie obliegt den Vollstreckungsbehörden.
(4) Eine einfache Ladung erfolgt durch Verfahrensanordnung.
3.2. Gegen den BF wurde zuletzt mit Bescheid des Bundesamtes vom 22.06.2018 eine aufenthaltsbeendende Maßnahme erlassen, die nach Abweisung der dagegen erhobenen Beschwerde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 31.07.2018 in Rechtskraft erwachsen ist. Der BF ist bisher weder seiner Ausreiseverpflichtung nachgekommen noch verfügt er über ein Reisedokument. Das Bundesamt ist daher gemäß § 46 Abs. 2a FPG grundsätzlich ermächtigt, bei der für den BF zuständigen ausländischen Behörde die für die Abschiebung notwendigen Bewilligungen einzuholen. Der BF hat in diesem Zusammenhang an den Amtshandlungen des Bundesamtes im dafür erforderlichen Umfang mitzuwirken. Diese Mitwirkungsverpflichtung kann dem Fremden gemäß § 46 Abs. 2b FPG mit Bescheid aufgetragen werden und kann der Fremde auch vor die für ihn zuständige ausländische Behörde geladen werden. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Rechtsgrundlage für die in diesem Zusammenhang ergehende Ladung § 19 AVG, deren Zulässigkeit ihre unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu beurteilende Notwendigkeit voraussetzt (vgl. VwGH vom 29.05.2018, Ro 2018/21/0006).
3.3. Beim BF handelt es sich entsprechend dem Akteninhalt und den bisher ergangenen Entscheidungen um einen pakistanischen Staatsangehörigen. Dass das Bundesamt Zweifel an der Staatsangehörigkeit des BF hat, lässt sich dem Verwaltungsakt nicht entnehmen. Das Bundesamt stellte vielmehr in sämtlichen Entscheidungen fest, dass es sich beim BF um einen pakistanischen Staatsangehörigen handelt. Die für die Ausstellung der für seine Abschiebung erforderlichen Bewilligungen ist daher die Vertretungsbehörde der Islamischen Republik Pakistan. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der BF jedoch zur Vertretungsbehörde der Islamischen Republik Afghanistan geladen. Weder dem Verwaltungsakt noch dem angefochtenen Bescheid lassen sich Hinweise dafür entnehmen, weshalb die afghanische Vertretungsbehörde die für die Abschiebung des BF erforderlichen Bewilligungen erteilen könnte. Das Bundesamt hat auch im Rahmen der Aktenvorlage keine Angaben darüber gemacht, weshalb der Beschwerdeführer, an dessen pakistanischer Staatsangehörigkeit laut dem bisherigen Verfahrensgang kein Zweifel bestand, vor die afghanische Vertretungsbehörde zur Erlangung eines Ersatzreisedokumentes geladen wurde.
3.4. Der angefochtene Bescheid erweist sich daher sowohl was die Ermächtigung des Bundesamtes im Sinne des § 46 Abs. 2a FPG, den BF vor die für ihn zuständige ausländische Behörde zu laden, als auch unter Berücksichtigung der für die Zulässigkeit einer Ladung im Sinne des § 19 AVG erforderlichen Verhältnismäßigkeit als rechtswidrig, da die afghanische Vertretungsbehörde weder für den BF zuständige ausländische Behörde ist noch eine Ladung zur Botschaft Afghanistans zur Erlangung eines Ersatzreisedokumentes für den BF notwendig erscheint.
Der Beschwerde war daher gemäß § 46 Abs. 2a iVm § 19 AVG stattzugeben und der angefochtene Bescheid zu beheben.
Zu B) Unlässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Die Entscheidung folgt der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.
Schlagworte
Behebung der Entscheidung, Ladungsbescheid, ReisedokumentEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W250.2209823.1.00Zuletzt aktualisiert am
05.02.2019