TE Vfgh Erkenntnis 1997/6/10 B717/96

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 10.06.1997
beobachten
merken

Index

62 Arbeitsmarktverwaltung
62/01 Arbeitsmarktverwaltung

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Instanzenzugserschöpfung
B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall
AuslBG §4 Abs7
AuslBG §21
AuslBG §12a

Leitsatz

Zurückweisung der Beschwerde des Zweitbeschwerdeführers (ausländischer Staatsangehöriger) gegen die Versagung der Erteilung der für ihn beantragten Beschäftigungsbewilligung mangels Instanzenzugserschöpfung; Aufhebung des angefochtenen Bescheides aufgrund der Beschwerde der Erstbeschwerdeführerin wegen Quasi-Anlaßfallwirkung der Feststellung der Gesetzwidrigkeit der BundeshöchstzahlV 1995

Spruch

1. Die Beschwerde des Zweitbeschwerdeführers wird zurückgewiesen.

Sein Antrag auf Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wird abgewiesen.

2. Die erstbeschwerdeführende Partei ist durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung in ihren Rechten verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales) ist schuldig, der Erstbeschwerdeführerin zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit S 18.000,-- bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit dem an die Erstbeschwerdeführerin als Arbeitgeberin gerichteten Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Dornbirn vom 23. November 1995 wurde deren Antrag auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung für den Zweitbeschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß §4 Abs7 AuslBG (iVm der Verordnung des Bundesministers für Arbeit und Soziales über die Bundeshöchstzahl 1995, BGBl. 944/1994 idF BGBl. 163/1995, und der Bundeshöchstzahlenüberziehungsverordnung - BHZÜV, BGBl. 278/1995) abgelehnt. Dem beantragten Ausländer wurde eine Bescheidausfertigung gemäß §20 Abs6 AuslBG zugestellt.

Der dagegen von der Erstbeschwerdeführerin erhobenen Berufung gab die Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Vorarlberg mit Bescheid vom 11. Jänner 1996 gemäß §66 Abs4 AVG 1991 iVm §4 Abs7, §12a AuslBG sowie der Kundmachung des Bundesministers für Arbeit und Soziales über die Bundeshöchstzahl 1996, BGBl. 763/1995, (kurz: BHZV 1996) und der BHZÜV keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die beschwerdeführenden Parteien die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte behaupten und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragen.

3. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

1. Die Beschwerde des Zweitbeschwerdeführers ist unzulässig.

a) Gemäß §3 Abs1 AuslBG (idF BGBl. 450/1990) darf ein Arbeitgeber, soweit in diesem Bundesgesetz nichts anderes bestimmt ist, einen Ausländer nur beschäftigen, wenn ihm für diesen eine Beschäftigungsbewilligung erteilt wurde oder wenn der Ausländer eine für die Beschäftigung gültige Arbeitserlaubnis oder einen Befreiungsschein besitzt. Ein Ausländer darf, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, eine Beschäftigung nur antreten, wenn für ihn eine Beschäftigungsbewilligung erteilt wurde oder wenn er eine für diese Beschäftigung gültige Arbeitserlaubnis oder einen Befreiungsschein besitzt (§3 Abs2 leg.cit.).

Der Antrag auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung ist - abgesehen von hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen - gemäß §19 Abs1 AuslBG vom Arbeitgeber einzubringen.

Über die Stellung des Ausländers im Verfahren über die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung bestimmt §21 AuslBG, daß der Ausländer in allen Verfahren, in denen seine persönlichen Umstände maßgeblich für die Entscheidung sind, Parteistellung hat; im übrigen kommt ihm nur die Stellung eines Beteiligten zu. Gemäß §20 Abs6 AuslBG ist eine Bescheidausfertigung unter anderem über die Beschäftigungsbewilligung auch dem Ausländer unabhängig von seiner Stellung im Verfahren (§21) zuzustellen.

b) aa) Aus den oben wiedergegebenen gesetzlichen Bestimmungen ergibt sich, daß das Recht zur Antragstellung und die uneingeschränkte Parteistellung im Verfahren über die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung dem Arbeitgeber zukommt; dem Ausländer kommt lediglich beschränkte Parteistellung zu, und zwar - entsprechend §21 AuslBG - insoweit, als es sich um seine für die Entscheidung über den Antrag des Arbeitgebers maßgebenden persönlichen Umstände handelt. Soweit dem Arbeitnehmer auf diese Weise Parteistellung zukommt, ist er auch berechtigt, gegen die abweisende Entscheidung der Behörde I. Instanz Berufung einzubringen.

bb) Bei der Versagung einer Beschäftigungsbewilligung im Grunde des §4 Abs7 AuslBG ist aufgrund der Verweisung auf §12a Abs2 AuslBG auch zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Anwendung der BHZÜV vorliegen, unter denen sich solche befinden, die persönliche Umstände des Ausländers betreffen. Es sind daher in einem solchen Fall auch die persönlichen Umstände des Ausländers zu würdigen und für die Entscheidung mit von Bedeutung, was diesem im erstinstanzlichen Verfahren nach §21 AuslBG Parteistellung verschafft hat.

cc) Aus dem angefochtenen Bescheid, der an die Arbeitgeberin gerichtet ist und dessen Spruch ausschließlich eine Entscheidung über die Berufung der Arbeitgeberin enthält, sowie aus den Verwaltungsakten ergibt sich, daß eine Berufungsentscheidung der belangten Behörde, mit der über eine Berufung des Zweitbeschwerdeführers entschieden worden wäre, nicht ergangen ist.

Hat aber der Zweitbeschwerdeführer als Arbeitnehmer den erstinstanzlichen (bereits auf §4 Abs7 AuslBG gestützten) Bescheid, soweit die Parteistellung und damit die Berufungslegitimation des Arbeitnehmers reicht, nicht bekämpft, und wird - wie im vorliegenden Fall - durch den angefochtenen Bescheid die Rechtslage nicht zu seinem Nachteil verändert, dann ist der Beschwerdeführer aufgrund des Art144 B-VG mangels Erschöpfung des Instanzenzuges zur Einbringung einer Verfassungsgerichtshofsbeschwerde nicht legitimiert (vgl. VfSlg. 13685/1994 mwH).

Die Beschwerde des Zweitbeschwerdeführers ist daher gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unzulässig zurückzuweisen.

c) Der unter einem gestellte Antrag, die Beschwerde in eventu an den Verwaltungsgerichtshof abzutreten, ist abzuweisen, weil eine solche Abtretung gemäß Art144 Abs3 B-VG und §87 Abs3 VerfGG nur für den - hier nicht gegebenen - Fall vorgesehen ist, daß der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerde ablehnt oder in der Sache selbst abweislich erkennt, nicht aber auch für den Fall der Zurückweisung der Beschwerde.

2. Die Beschwerde der Erstbeschwerdeführerin ist demgegenüber, da sämtliche Prozeßvoraussetzungen vorliegen, zulässig. Sie ist auch begründet.

a) Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 12. März 1997, V114/96, ausgesprochen, daß die BHZV 1996 gesetzwidrig war.

b) Gemäß Art139 Abs6 B-VG ist eine vom Verfassungsgerichtshof für gesetzwidrig erkannte Verordnung im Anlaßfall nicht mehr anzuwenden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes sind einem Anlaßfall (im engeren Sinn) jene Fälle gleichzuhalten, die im Zeitpunkt des Beginns der mündlichen Verhandlung, bei Unterbleiben einer solchen in jenem des Beginns der nichtöffentlichen Beratung über eine in der Beschwerdesache präjudizielle Verordnungsstelle anhängig sind (vgl. VfSlg. 10661/1985, 10736/1985, 10954/1986).

c) Die Beschwerde ist am 26. Februar 1996 beim Verfassungsgerichtshof eingelangt. Der Zeitpunkt des Beginns der nichtöffentlichen Beratung im Normenprüfungsverfahren über die BHZV 1996 war der 12. März 1997. Der Ausspruch, daß die BHZV 1996 gesetzwidrig war (vgl. Pkt. II.2.a)), wirkt daher auch für sie.

Der angefochtene Bescheid ist in Anwendung der als gesetzwidrig erkannten Verordnung ergangen. Es ist nach Lage des Falles (insbesondere im Hinblick darauf, daß §4 Abs7 AuslBG nur dann zur Anwendung gelangen kann, wenn die Gesamtzahl gemäß §12a Abs1 leg.cit. vom Bundesminister kundgemacht wurde; vgl. dazu insbesondere die Ausführungen unter Pkt. II.6.b) des oben unter Pkt. II.2.a) genannten Erkenntnisses) nicht von vornherein ausgeschlossen, daß sich ihre Anwendung für die Erstbeschwerdeführerin als nachteilig erweist. Diese ist demnach durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung in ihren Rechten verletzt worden. Der Bescheid war daher aufzuheben.

d) Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 Z3 VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

III. Die Kostenentscheidung stützt

sich auf §88 VerfGG. Im zugesprochenen Kostenbetrag ist Umsatzsteuer in Höhe von S 3.000,-- enthalten.

Schlagworte

Arbeitsrecht, Ausländerbeschäftigung, VfGH / Instanzenzugserschöpfung, Parteistellung Arbeitsrecht, VfGH / Anlaßfall

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1997:B717.1996

Dokumentnummer

JFT_10029390_96B00717_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten