TE Bvwg Beschluss 2018/12/5 W226 2178149-2

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Veröffentlicht am 05.12.2018
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Entscheidungsdatum

05.12.2018

Norm

B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §33 Abs1
VwGVG §33 Abs4

Spruch

W226 2178149-2/4E

W226 2178152-2/3E

W226 2178148-2/3E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. WINDHAGER über den Antrag von 1.) XXXX , geb. XXXX , 2.) XXXX , geb. XXXX und

3.) XXXX , geb. XXXX , alle StA. Ukraine, eingelangt beim Bundesverwaltungsgericht am 11.09.2018, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der mündlichen Verhandlung über die Beschwerden gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.11.2017, Zl. 1.) 1133921001-171015844, 2.) 1166367300-171015887 und 3.) 1133920908-171015909, beschlossen:

A)

Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird gemäß § 33 Abs. 4 VwGVG idgF stattgegeben.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Die Antragsteller stellten am 27.06.2016 bei der Österreichischen Botschaft in Kiew Anträge auf Erteilung eines Touristenvisums, wobei diese Visa in weiterer Folge erteilt wurden. Nach Aufenthalten in der Schweiz und Deutschland und damit einhergehenden Asylanträgen ergab sich die Zuständigkeit Österreichs und wurden die Antragsteller am 31.08.2017 von Deutschland nach Österreich überstellt.

In weiterer Folge erfolgten Einvernahmen der Antragsteller durch die belangte Behörde. Mit Bescheiden vom 02.11.2017, Zahl:

1133921001-171015844 u.a. wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl jeweils den Antrag auf internationalen Schutz vom 31.08.2017 ab und gewährte den Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Ukraine nicht, erteilte weiters keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen und erließ jeweils eine Rückkehrentscheidung. Weiters wurde festgestellt, dass die Abschiebung der Antragsteller in die Ukraine zulässig ist und wurde die Frist für die freiwillige Ausreise mit 2 Wochen ab Rechtskraft festgelegt.

Im Hinblick auf die fristgerecht eingebrachte Beschwerde wurde vom erkennende Gericht für den 11.09.2018 eine mündliche Beschwerdeverhandlung betreffend die oben genannten Bescheide anberaumt. Die Ladungen wurden an den zugeteilten Rechtsberater, XXXX , am 20. Juli 2018 übermittelt.

Zur Beschwerdeverhandlung am 11.09.2018 sind die Antragsteller selbst nicht erschienen, wobei die Rechtsberatung versuchte, telefonischen Kontakt auf Grund der im Handakt befindlichen Telefonnummer aufzunehmen. Dabei trat zutage, dass die Antragsteller vom Verhandlungstermin keine Kenntnis hatten, wobei es offensichtlich im Bereich des XXXX bei der Übermittlung der Ladungen an die Antragsteller zu Komplikationen gekommen war.

Noch am selben Tag wurde der gegenständliche Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, verbunden mit dem Antrag auf Anberaumung einer neuerlichen mündlichen Verhandlung durch den XXXX eingebracht.

Die Rechtsberatung führte dazu aus, dass unmittelbar nach Erhalt der Ladung ein Schreiben an die bekannte Meldeadresse der Antragsteller übermittelt worden sei, in dem auf die Ladung zur Verhandlung hingewiesen und die Kontaktaufnahme mit dem Vertreter erbeten wurde.

Dabei sei diese Verständigung an eine ältere Adresse geschickt worden, von welcher die Antragsteller bereits im Februar 2018 weggezogen seien, die Änderung des Wohnsitzes sei dem Vertreter niemals bekannt gegeben worden. Aber auch eine Benachrichtigung der Post-AG sei beim Vertreter bislang nicht eingegangen, wonach der Kontaktbrief nicht habe zugestellt werden können. Demzufolge hätten die Antragsteller nicht von der Verhandlung und der Vertreter der Rechtsberatung nicht davon erfahren, dass der Brief gar nicht ordnungsgemäß zugestellt worden sei. Es würde der grundsätzlichen Vorgangsweise des Vertreters entsprechen, den Antragsteller auch telefonisch über die Ladung zu einer Verhandlung zu informieren, dem sei im vorliegenden Fall leider und entgegen allen Regeln nicht nachgekommen worden. Es würde sich dabei um den ersten Fall der betreffenden Geschäftsstelle des XXXX handeln, in dem dies passiert sei.

Von diesem Sachverhalt ausgehend sei die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, da die Antragsteller ohne Verschulden keine Kenntnis vom Verhandlungstermin erlangt hätten.

Im Rahmen der Beschwerdeverhandlung vom 06.11.2018 verwies die Rechtsberatung auf den Inhalt des Antrags vom 11.09.2018 und führte die BF1 aus, dass eine Verständigung der Rechtsberatung betreffend die geänderte Wohnadresse deshalb nicht erfolgt sei, weil der Umzug von der letzten Wohnadresse auf die nunmehrige - welche mit dem Schulbesuch der BF2 in Zusammenhang stehe - von der XXXX organisiert worden sei. Die BF1 sei davon ausgegangen, dass die XXXX dem XXXX von sich aus den geänderten Wohnsitz mitteilen werde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

Das Bundesverwaltungsgericht geht vom oben dargelegten unstrittigen Sachverhalt bzw. vom Zutreffen der Angaben der Antragsteller in ihrem Antrag vom 11.09.2018 aus. Die Sachverhaltsfeststellungen konnten unmittelbar auf Grund der Aktenlage und aufgrund der glaubwürdigen Angaben der Beschwerdeführer im Zuge der mündlichen Beschwerdeverhandlung getroffen werden.

2. Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Im vorliegenden Fall ist in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen und obliegt somit in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I 2013/33 i.d.F. BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu Spruchteil A)

Gemäß § 33 Abs. 1 VwGVG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist oder eine mündliche Verhandlung versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt. Nach Abs. 3 leg. cit. ist der Antrag auf Wiedereinsetzung in den Fällen des Abs. 1 bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde, ab Vorlage der Beschwerde beim Verwaltungsgericht binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Gemäß Abs. 4 leg. cit. hat bis zur Vorlage der Beschwerde über den Antrag die Behörde mit Bescheid zu entscheiden. Ab Vorlage der Beschwerde hat über den Antrag das Verwaltungsgericht mit Beschluss zu entscheiden. Die Behörde oder das Verwaltungsgericht kann dem Antrag auf Wiedereinsetzung aufschiebende Wirkung zuerkennen. Nach Abs. 5 leg. cit. tritt durch die Bewilligung der Wiedereinsetzung das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor dem Eintritt der Versäumung befunden hat.

Vorbilder der Regelung sind ausweislich der ErläutRV 2009 BlgNR 24. GP §§ 71 und 72 AVG. Struktur und Wortlaut der Bestimmung orientieren sich weitgehend an § 46 VwGG.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist als Ereignis iSd § 71 Abs. 1 Z 1 AVG jedes Geschehen ohne Beschränkung auf Vorgänge in der Außenwelt anzusehen (VwGH 26.6.1985, 83/03/0134 u. a.). Ein Ereignis ist dann unabwendbar, wenn es durch einen Durchschnittsmenschen objektiv nicht verhindert werden konnte. Es ist als unvorhergesehen zu werten, wenn die Partei es tatsächlich nicht miteinberechnet hat und dessen Eintritt auch unter Bedachtnahme auf die zumutbare Aufmerksamkeit und Vorsicht nicht erwarten konnte (VwGH 17.2.1994, 93/16/0020).

Der Begriff des minderen Grades des Versehens ist als leichte Fahrlässigkeit iSd § 1332 ABGB zu verstehen. Der Wiedereinsetzungswerber darf also nicht auffallend sorglos gehandelt haben, d.h. die im Verkehr mit Gerichten oder Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen haben (VwGH 14.7.1993, 93/03/0136 u.a.). Dabei ist an berufliche rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen als an rechtsunkundige oder bisher noch nie an gerichtlichen Verfahren beteiligte Personen (Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren I2, E 96 ff zu § 71 AVG). Bei der Beurteilung, ob eine auffallende Sorglosigkeit vorliegt, ist also ein unterschiedlicher Maßstab anzulegen, wobei es insbesondere auf die Rechtskundigkeit und die Erfahrung im Umgang mit Behörden ankommt (VwGH 7.6.2000, 99/01/0337).

Am 11.09.2016 brachten die Antragsteller einen an das Bundesverwaltungsgericht gerichteten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 33 VwGVG ein. Der Wiedereinsetzungsantrag richtete sich gegen die Versäumung der Verhandlung vom selben Tag. Als "Wiedereinsetzungsgrund" wurde seitens der Antragsteller im Wesentlichen angeführt, dass durch ein erstmaliges Versehen keine telefonische Kontaktaufnahme durch den Rechtsberater erfolgt sei, von der Post zudem keine Verständigung erfolgt sei, dass ein Verständigungsschreiben nicht habe zugestellt werden können.

Ein Verschulden der Antragsteller hinsichtlich der Auswahl der Rechtsberatung kann im gegenständlichen Fall bereits insofern ausgeschlossen werden, als dem Antragsteller die Rechtsberatungsorganisation vom BFA zur Seite gestellt wurde. Aber auch hinsichtlich seiner Überwachungspflicht deutet nichts auf ein auffallend sorgloses, einen minderen Grad des Versehens übersteigendes Verhalten des Antragstellers hin. Zur Überwachungspflicht hat der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt judiziert, einen Asylwerber, für den sich kein Anlass ergeben habe, an der Verlässlichkeit eines von ihm beigezogenen Beraters zu zweifeln, treffe kein und jedenfalls kein einen minderen Grad des Versehens übersteigendes, als auffallende Sorglosigkeit zu wertendes Verschulden, wenn er sich nicht im nachhinein davon zu überzeugen versucht, dass der Berater die vom Asylwerber unterfertigte Berufung, wie zugesagt, fristgerecht eingebracht hat (vgl. dazu VwGH 17.12.2009, Zl. 2008/22/0414; VwGH 17.10.2006, Zl. 2005/20/0003; VwGH 21.04.2005, Zl. 2005/20/0080).

Die Rechtsberatung hat zudem zutreffend darauf hingewiesen, dass das - einmalige - Übersehen einer zusätzlichen Kontaktaufnahme mit den Antragstellern angesichts des stetig schwankenden Arbeitsvolums keinesfalls ein Verhalten darstellt, welches den minderen Grad des Versehens übersteigen würde. Auch in der Evidenz des Bundesverwaltungsgerichts gibt es keine Hinweise darauf, dass vergleichbare Versäumnisse bei der gegenständlichen Rechtsberatungsorganisation gehäuft auftreten würden und kann im Ergebnis auch im Verhalten der Antragsteller selbst - insbesonders der Erstbeschwerdeführerin - keine den minderen Grad des Versehens übersteigende Sorglosigkeit erblickt werden. Die Erstantragstellerin hat glaubhaft dargelegt, dass sie aus näher dargestellten Gründen davon ausgegangen ist, dass nach einem erfolgten Umzug und dessen Organisation durch die XXXX eine automatische Verständigung der Rechtsberatungsorganisation erfolgen würde, zudem konnte die Rechtsberatung glaubhaft darstellen, dass aus nicht geklärten Gründen das Verständigungsschreiben von der Post nicht mit dem Vermerk "verzogen" retourniert wurde.

Aus all diesen Gründen sind somit die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung gegeben, auch die Frist von 14 Tagen ab Kenntnisnahme des Hindernisses ist gewahrt, ist der Rechtsberatung doch erst im Rahmen der Beschwerdeverhandlung vom 11.09.2018 das Hindernis bewusst geworden und erfolgte bereits am selben Tag der gegenständliche Antrag auf Wiedereinsetzung.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig. § 33 VwGVG entspricht inhaltlich den §§ 71 AVG und 46 VwGG, eine entsprechende Judikatur des VwGH dazu ist ausreichend vorhanden (vgl. dazu die unter Punkt 2. angeführte Judikatur des VwGH). Die gegenständliche Entscheidung weicht auch nicht von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Die Revision ist sohin gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Schlagworte

minderer Grad eines Versehens, mündliche Verhandlung, Rechtsberater,
unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis, Verständigungspflicht,
Wiedereinsetzung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W226.2178149.2.00

Zuletzt aktualisiert am

05.02.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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