TE Vwgh Erkenntnis 1999/7/6 98/01/0615

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Veröffentlicht am 06.07.1999
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1997 §7;
AVG §60;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Bachler, Dr. Rigler, Dr. Schick und Dr. Pelant als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde des A O in P, geboren am 10. Juni 1965, vertreten durch Dr. Markus Ch. Weinl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Kärntnerring 3, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 15. September 1998, Zl. 203.558/0-IV/29/98, betreffend Asylgewährung (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein jugoslawischer Staatsangehöriger albanischer Nationalität aus dem Kosovo, reiste am 21. August 1995 in das Bundesgebiet ein und beantragte am 23. August 1995 die Gewährung von Asyl.

Zu seinen Fluchtgründen befragt gab er im Wesentlichen an, dass er am 1. August 1995 im Zuge einer Waffensuche von der Polizei festgenommen und zur Polizeistation nach Vucitrn gebracht worden sei, wo man ihn vier Stunden festgehalten habe. Am 10. August 1995 sei er wieder festgenommen und zur Polizeistation gebracht worden; man habe ihm Waffenbesitz vorgeworfen und wissen wollen, warum er an "die albanische Regierung im Kosovo" Spenden schicke; (ein entsprechender Beleg sei gemäß den Angaben des Beschwerdeführers bei der ersten Amtshandlung in seinem Haus gefunden worden). Er sei sich sicher - so der Beschwerdeführer weiter -, dass man genau gewusst habe, dass er keine Waffen besitze, dieser Vorwurf sei nur als Vorwand für Misshandlungen erhoben worden; er habe die Nacht im Keller verbringen müssen und sei dabei immer wieder mit Gummiknüppeln auf Hände und Füße geschlagen worden. Bei seiner Entlassung am nächsten Morgen sei er aufgefordert worden, Waffen abzuliefern, andernfalls werde er wieder festgenommen werden. Am 18. August 1995 sei die Polizei wieder bei ihm erschienen, er sei jedoch nicht zu Hause gewesen. Hievon habe er in der Folge von Verwandten erfahren, weshalb er am 20. August 1995 nur mehr kurz nach Hause zurückgekehrt sei, um seine Frau abzuholen.

Das Bundesasylamt wies den Asylantrag des Beschwerdeführers als unbegründet ab. Einer dagegen erhobenen Berufung gab der Bundesminister für Inneres mit Bescheid vom 16. Oktober 1995 keine Folge. Dieser Berufungsbescheid ist gemäß § 44 Abs. 2 Asylgesetz 1997 - AsylG - der Beschwerdeführer hat Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben - am 1. Jänner 1998 außer Kraft getreten.

Auch der nunmehr zur Entscheidung zuständige unabhängige Bundesasylsenat (die belangte Behörde) wies die Berufung des Beschwerdeführers - ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung oder anderweitige Verfahrensergänzung - ab (gemäß § 7 AsylG).

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde, die von der Erstattung einer Gegenschrift absah, legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach den §§ 58 Abs. 2 und 60 iVm § 67 AVG haben Berufungsbescheide eine Begründung zu enthalten, in der die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen sind. In der Bescheidbegründung ist daher in einer eindeutigen, die Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichenden und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zugänglichen Weise darzutun, welcher Sachverhalt der Entscheidung zugrundegelegt wurde, aus welchen Erwägungen die Behörde zur Ansicht gelangte, dass gerade dieser Sachverhalt vorliege und aus welchen Gründen sie die Subsumtion dieses Sachverhaltes unter einen bestimmten Tatbestand als zutreffend erachtete (vgl. dazu die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, E 8. zu § 67 AVG und E 1. bis 9. zu § 60 AVG nachgewiesene Rechtsprechung). Sind die einen tragenden Teil der Begründung darstellenden Ausführungen für den Verwaltungsgerichtshof jedoch nicht nachvollziehbar und somit nicht überprüfbar, so liegt ein wesentlicher Verfahrensfehler vor, der zur Aufhebung des Bescheides führt.

Im vorliegenden Fall wird im bekämpften Bescheid zunächst zutreffend darauf hingewiesen, dass nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr relevant sein kann; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen zu befürchten habe.

In der Folge beschäftigt sich die belangte Behörde ausschließlich mit den Ereignissen im August 1995. Sie argumentiert wesentlich damit, dass die vom Beschwerdeführer geschilderte Hausdurchsuchung und seine zweimalige Verbringung auf die Polizeistation legitime Maßnahmen der Staatsgewalt zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit dargestellt hätten, wovon alle Angehörigen der albanischen Volksgruppe gleichermaßen betroffen seien. Was die Schläge mit dem Gummiknüppel bei der zweiten Anhaltung anlange, so könnten diese Eingriffe nicht als so gravierend bewertet werden, dass dem Beschwerdeführer ein menschenwürdiges Leben im Heimatstaat verunmöglicht oder in unzumutbarer Weise erschwert worden sei, sodass er sich dieser Zwangssituation nur mehr durch die Ausreise hätte entziehen können.

Diese ausschließlich vergangenheitsbezogenen Ausführungen schlagen keine erkennbare Brücke zur aktuellen Situation, obwohl sich die Verhältnisse im Kosovo seit August 1995 - wie die Beschwerde zutreffend aufzeigt - wesentlich geändert haben. Die belangte Behörde legt nicht dar, wieso es - vor dem Hintergrund des von ihr selbst erkannten Gebots, bei Beurteilung der Verfolgungsgefahr auf den Zeitpunkt der Bescheiderlassung abzustellen - in concreto nicht erforderlich sein soll, das Schicksal des Beschwerdeführers unter dem Blickwinkel der im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides herrschenden Verhältnisse zu beurteilen und - allenfalls nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - eine Prüfung dahingehend vorzunehmen, welche Gefahren einem albanisch-stämmigen Asylwerber, der bereits 1995 in das Gesichtsfeld der Behörden geraten ist, aktuell drohen. Indem die belangte Behörde ihre diesbezüglichen Überlegungen nicht offen gelegt hat, erweist sich der bekämpfte Bescheid gemäß den einleitenden Erwägungen als nicht nachvollziehbar. Er leidet sohin an einem Begründungsmangel, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben war (vgl. das hg. Erkenntnis vom 9. März 1999, Zl. 98/01/0318).

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Ein weiterer Kostenersatz unter dem Titel von Umsatzsteuer steht neben dem Pauschbetrag für den Schriftsatzaufwand nicht zu. Wien, am 6. Juli 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1998010615.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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