TE Bvwg Erkenntnis 2018/12/12 W260 2161530-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 12.12.2018
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

12.12.2018

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W260 2161530-1/15E

W260 2202110-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Markus BELFIN als Vorsitzender und die Richterin Mag. Karin GASTINGER, MAS sowie den fachkundigen Laienrichter Herbert PICHLER als Beisitzer über die Beschwerden von XXXX , geb. XXXX , vertreten durch den Kriegsopfer- und Behindertenverband für Wien NÖ und Bgld.,

1.) gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Niederösterreich, vom 05.04.2017, betreffend die Abweisung des Antrages auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung gemäß §§ 40, 41 und 45 Bundesbehindertengesetz (BBG) und

2.) gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Niederösterreich vom 06.04.2017, betreffend die Abweisung der Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass gemäß §§ 42 und 45 Bundesbehindertengesetz (BBG)

zu Recht erkannt:

A)

Den Beschwerden wird stattgegeben und die angefochtenen Bescheide aufgehoben.

Der angefochtene Behindertenpass wird dahingehend abgeändert, dass der Grad der Behinderung ab 10.02.2017 sechzig von Hundert (60 v.H.) beträgt.

Die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragungen "Dem Inhaber des Passes ist die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" und für die Zusatzeintragung "Der Inhaber/die Inhaberin des Passes ist TrägerIn einer Prothese" in den Behindertenpass liegen vor.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer verfügt seit 02.05.2016 über einen Behindertenpass mit einem Grad der Behinderung über 50 von Hundert (vH).

2. Der Beschwerdeführer stellte am 10.02.2017 beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Kurzbezeichnung:

Sozialministeriumservice; in der Folge belangte Behörde genannt) einen Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung im Behindertenpass sowie den Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" in den Behindertenpass gilt und legte dabei ein Konvolut an medizinischen Befunden vor.

3. Zur Überprüfung des Antrages wurde von der belangten Behörde ein Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin eingeholt. In dem auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 04.04.2017 erstatteten Gutachten vom selben Tag wurden die Leiden "1. Zustand nach mehrmaligen Bandscheibenoperationen L2/3, L3/4, L4/5 und L5/S1 und Zustand nach Implantation einer Knieprothese rechts mit funktionellen Auswirkungen fortgeschrittenen Grades" mit einem Grad der Behinderung von 50 vH, "2. Zustand nach Hepatitis A" mit einem Grad der Behinderung von 10 vH, "3. Bluthochdruck" mit einem Grad der Behinderung von 10 vH und "4. Großzehengrundgelenksarthrose links" mit einem Grad der Behinderung von 10 vH eingestuft und ein Gesamtgrad der Behinderung in Höhe von 50 vH als Dauerzustand festgestellt. Leiden 1 wird durch Leiden 2 bis 4 nicht erhöht, da von zu geringer funktioneller Relevanz.

Zur beantragten Zusatzeintragung führte die Sachverständige aus, dass unter Berücksichtigung der körperlichen Defizite es dem Beschwerdeführer trotzdem möglich sei, eine kurze Wegstrecke und ein paar Stiegen, wenn erforderlich im Nachstellschritt, selbständig zu bewältigen, da ausreichend Kraft und Beweglichkeit in beiden Beinen zu verzeichnen ist und durch das Tragen orthopädischer Schuhe eine Besserung des Gangbildes erzielt werden könne. Daher sei ein sicheres Ein- und Aussteigen dem Beschwerdeführer ohne Verwendung von Hilfsmittel möglich und die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar. Der Beschwerdeführer leide an keiner schweren Erkrankung des Immunsystems.

4. Mit den angefochtenen Bescheiden stellte die belangte Behörde fest, dass es mit einem Grad der Behinderung von 50 vH keine Änderung des Grades der Behinderung des Beschwerdeführers eingetreten sei, und dass die Voraussetzungen für die beantragte Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" nicht vorliegen würde. Die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung "Der Inhaber/die Inhaberin des Passes ist TrägerIn einer Prothese" in den Behindertenpass würden vorliegen.

5. Gegen diese Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde.

6. Mit Schreiben der belangten Behörde vom 16.06.2017 wurde der Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht zur Vorlage gebracht.

7. Das Bundesverwaltungsgericht richtete an den Beschwerdeführer mit Schreiben vom 20.06.2017 einen Mängelbehebungsauftrag, dem der Beschwerdeführer unter Vorlage weiterer Befunde durch seine nunmehrige bevollmächtigte Vertretung teilweise nachkam und beantragte die Einholung weiterer Gutachten aus dem Fachbereich der Neurologie und Orthopädie.

8. Am 24.07.2018 ersuchte der Beschwerdeführer namens seiner Vertretung um Bekanntgabe des Verfahrenstandes.

9. Das Bundesverwaltungsgericht beauftragte einen Facharzt für Unfallchirurgie mit der Erstellung eines medizinischen Sachverständigengutachtens auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers. In diesem Gutachten vom 11.09.2018 wurden die Leiden "Degenerative Veränderungen am Stütz- und Bewegungsapparat", "Sensible Polyneuropathie", "Zustand nach Hepatitis A" und "Bluthochdruck" mit einem Gesamtgrad der Behinderung in Höhe von 60 vH festgestellt. In dem am 11.09.2018 erstatteten Gutachtens kam dieser zusammengefasst zum Ergebnis, dass sich im Vergleich zum von der belangten Behörde eingeholten Vorgutachten die Polyneuropathie des Beschwerdeführers ausgegliedert und als einzelnes Leiden erfasst worden sei, da sie von der Genese her nicht zum Leiden 1 (Zustand nach mehrmaligen Bandscheibenoperationen L2/3, L3/4, L4/5 und L5/S1 und Zustand nach Implantation einer Knieprothese rechts mit funktionellen Auswirkungen fortgeschrittenen Grades) passe, sondern es sich um eine neurologische Symptomatik mit einem Grad der Behinderung von 40 vH handle. Zur Frage der Zusatzeintragung wurde vom Gutachter festgehalten, dass beim Beschwerdeführer erhebliche Einschränkungen der unteren Extremitäten vorliegen würden. Das Gutachten wurde den Verfahrensparteien zur Stellungnahme übermittelt.

10. Die belangte Behörde gab keine Stellungnahme ab. Der Beschwerdeführer erstattete namens seiner bevollmächtigten Vertretung eine Stellungnahme, in welcher er zusammengefasst vorbrachte, dass aus dem vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Gutachten klar hervorgehe, dass es dem Beschwerdeführer nicht möglich sei, die öffentlichen Verkehrsmittel zu benutzen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Da sich der Beschwerdeführer mit dem im angefochtenen Bescheid festgestellten Grad der Behinderung und der beantragten Zusatzeintragung in den Behindertenpass nicht einverstanden erklärt hat, war dieser zu überprüfen.

1. Feststellungen:

1.1. Der Beschwerdeführer erfüllt die allgemeinen Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses. Der Beschwerdeführer hat seinen Wohnsitz im Inland

1.2. Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 60 vH.

1.2.1.Art der Funktionseinschränkungen:

174 cm, 92 kg, AZ gut, EZ adipös. Hat orthopädische Schuhe mit einem Gehstock. Das Gehen in der Ordination wirkt, als ob er steife Füße hätte. Ohne Stöcke und mit orthopädischen Schuhen ist das Gangbild noch hölzerner, das Umdrehen ist schwierig, rasche Bewegungen sind nicht möglich. Es schaut aus, als ob er Klötze an den Füßen hätte. Das Gehen ohne Schuhe ist etwas weniger hölzern, aber dafür unsicherer, breitbeiniger. Beim linken Sprunggelenk besteht kaum eine Abrollbewegung, rechts ist sie leicht vorhanden. Er steigt öfters einmal daneben und muss austarieren. Die Vorfüße sind verbreitert, die Rückfüße valgisch, rechts mehr als links. Rechts besteht eine Posticusinsuffizienz. Der Zehenstand ist praktisch nicht möglich, Fersenstand und -gang gehen, Kniebeuge ist frei möglich, aber wackelig. Einbeinstand ist mit Festhalten möglich.

Status: Wirbelsäule: Becken- und Schulterstand annähernd gerade, Wirbelsäulenachse im Lot, Krümmung normal.

HWS: Rechts/Linksdrehung je 600, KJA 2/18 cm.

BWS: Seitneigung und Rumpfdrehung 350.

LWS: FBA 5 cm, Schoberzeichen 14/10 cm, lumbal mehrere Narben nach Operation, hier keine Klopfempfindlichkeit.

Obere Extremitäten: In allen Gelenksabschnitten aktiv und passiv altersgemäß beweglich, Nacken- und Schürzengriff möglich, kein sensomotorisches Defizit.

Untere Extremitäten: Beine gleich lang, Achse normal. Hüften: S 0/0/1200, R 40/0/200. Knie: Rechts Narben nach Kreuzbandoperation und Knieendoprothese, S 0/0/1200, links Narben nach rezenter Arthroskopie, leicht geschwoften, Gelenkserguss, S 0/0/1300, bandfest. Sprunggelenke: Rechts valgisch, beidseits verdickt, beidseits 5/0/200, Großzehengrundgelenksversteifung in leichter Streckstellung rechts. Sensibilitätsstörung an Zehen und Vorfuß sohlenseitig sowie am Mittelfuß, wobei die Ferse beidseits frei ist, sonst zieht sich die Sensibilitätsstörung bis zum Sprunggelenk. Keine trophischen Hautläsionen. Motorische Abschwächung, aber keine Lähmungserscheinungen.

1.2.2. Beurteilung der Funktionseinschränkungen:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

Pos. Nr.

GdB %

1

Degenerative Veränderungen am Stütz- und Bewegungsapparat

02.02.03

50

2

Polyneuropathie

04.06.01

40

3

Zustand nach Hepatitis A

07.05.01

10

4

Bluthochdruck

05.05.01

10

Gesamtgrad der Behinderung 60 vH

 

 

 

1.3. Der Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung im Behindertenpass und auf Vornahme der Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" in den Behindertenpass langte am 10.02.2017 bei der belangten Behörde ein.

Die Zusatzeintragung "Der Inhaber/die Inhaberin des Passes ist TrägerIn einer Prothese" in den Behindertenpass wurde nicht in Beschwer gezogen und ist nicht zu überprüfen.

1.4. Mit den nunmehr angefochtenen Bescheiden vom 05.04.2017 hinsichtlich des Antrages auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung im Behindertenpass und vom 06.04.2017 hinsichtlich der beantragten Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" in den Behindertenpass, stellte die belangte Behörde fest, dass der Grad der Behinderung des Beschwerdeführers 50 vH betrage und wies den Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" im Behindertenpass mangels Vorliegen der Voraussetzungen ab.

1.5. Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen auf die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel:

Die festgestellten Gesundheitsschädigungen am Stütz und Bewegungsapparat haben eine erhebliche Einschränkung der Mobilität zur Folge. Das Zurücklegen von kurzen Wegstrecken von 300 bis 400 Meter ist dem Beschwerdeführer aus eigener Kraft nicht zumutbar.

Das Überwinden von Niveauunterschieden ist dem Beschwerdeführer nicht möglich. Das Verwenden von Haltegriffen und Aufstiegshilfen ist ebenfalls nur sehr eingeschränkt möglich.

Es liegt eine maßgebende Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit und eine erhebliche Einschränkung der unteren Extremitäten vor.

Es liegt keine schwere Erkrankung des Immunsystems vor.

2. Beweiswürdigung:

Zu 1.1., 1.3. und 1.4.) Die Feststellungen zu den allgemeinen Voraussetzungen und zur Antragsstellung einer Neufestsetzung des Grades der Behinderung und der begehrten Zusatzeintragung ergeben sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen, widerspruchsfreien und unbestrittenen Akteninhalt.

Zu 1.2) Die Feststellungen zu Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen gründen sich - in freier Beweiswürdigung - in nachstehend ausgeführtem Umfang auf die vorgelegten und eingeholten Beweismittel:

Das vom Bundesverwaltungsgericht eingeholte medizinische Sachverständigengutachten eines Facharztes für Unfallchirurgie ist schlüssig und nachvollziehbar, es weist keine Widersprüche auf. Der Gutachter setzte sich mit der Frage der wechselseitigen Leidensbeeinflussungen und dem Zusammenwirken der zu berücksichtigenden Gesundheitsschädigungen auseinander. Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf der Aktenlage sowie den durch den Beschwerdeführer vorgelegten Befunden, entsprechen den festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen.

Das unfallchirurgische Sachverständigengutachten steht mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch. Auch war dem Vorbringen sowie den eingeholten und vorgelegten Beweismitteln kein Anhaltspunkt zu entnehmen, die Tauglichkeit des befassten Sachverständigen oder dessen Beurteilung beziehungsweise Feststellungen in Zweifel zu ziehen.

Im Unterschied zu den seitens der belangten Behörde eingeholten Vorgutachten vom 04.04.2017 wurde jedoch das Leiden "Polyneuropathie" ausgegliedert und nunmehr nach der Positionsnummer 04.06.01 nach der Einschätzungsverordnung mit einem Grad der Behinderung von 40 v.H. eingestuft, da dieses Leiden, wie der Sachverständige zutreffend ausführt, von der Genese her nicht zum Leiden 1 passt, sondern es sich um eine neurologische Symptomatik handelt. Die geänderte Beurteilung durch das neuen Leidens 2 wirkt sich erhöhend auf den Gesamtgrad der Behinderung aus, weil das führende Leiden 1 mit 50 % wird durch das schwerwiegende Leiden 2 um eine Stufe erhöht. Leiden 3 und 4 beeinflussen nicht und erhöhen nicht weiter.

Zu 1.5.) Auch wird im vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Sachverständigengutachten zu den Auswirkungen der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel eingehend Stellung genommen und nachvollziehbar ausgeführt, dass es dem Beschwerdeführer aufgrund der vorliegenden Funktionseinschränkungen nicht möglich und zumutbar ist, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen.

Das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke ist dem Beschwerdeführer nur mit orthopädischen Schuhen und einem verwendeten Stock möglich, er ist dabei jedoch sehr unbeholfen und unsicher. Rasche Richtungswechsel bzw. rasche Reaktion auf äußere Richtungsänderungen, z.B. in einem öffentlichen Verkehrsmittel, können nicht motorisch adäquat beantwortet werden. Beim Beschwerdeführer besteht Sturzgefahr, weil das Gleichgewicht nicht gehalten werden kann. Er ist auf eine visuelle Unterstützung beim Gehen angewiesen. Bergab gehen bzw. gehen in schlecht beleuchtetem Umfeld ist mit Sturzgefahr verbunden. Die Muskulatur der Beine funktioniert zwar, allerdings erschöpft sie sich durch die Nervenfunktionsstörung rascher. Daraus resultiert, dass sowohl das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, als auch das Überwinden von Niveauunterschieden deutlich beeinträchtigt sind, zur Sicherung ist auch ein Handlauf erforderlich. Das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke von 300 bis 400 Meter ist somit selbständig nicht möglich. Auch das Ein- und Aussteigen in öffentliche Verkehrsmittel ist dem Beschwerdeführer ohne fremde Hilfe nicht zumutbar. Ein sicherer Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln durch Festhalten an Haltegriffen ist nicht gewährleistet.

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen folglich keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit, Widerspruchsfreiheit und Schlüssigkeit des vorliegenden Sachverständigengutachtens vom 21.08.2018. Es wird daher in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Zur Entscheidung in der Sache:

3.1.1. Unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten. (§ 1 Abs. 2 BBG)

Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpaß auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderten-einstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

(§ 40 Abs. 1 BBG)

Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist. (§ 40 Abs. 2 BBG)

Die Höhe des Freibetrages bestimmt sich nach dem Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung). Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) richtet sich in Fällen,

1. in denen Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden, nach der hiefür maßgebenden Einschätzung,

2. in denen keine eigenen gesetzlichen Vorschriften für die Einschätzung bestehen, nach § 7 und § 9 Abs. 1 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 bzw. nach der Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 261/2010, für die von ihr umfassten Bereiche.

Die Tatsache der Behinderung und das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) sind durch eine amtliche Bescheinigung der für diese Feststellung zuständigen Stelle nachzuweisen.

Zuständige Stelle ist:

-

Der Landeshauptmann bei Empfängern einer Opferrente (§ 11 Abs. 2 des Opferfürsorgegesetzes, BGBl. Nr. 183/1947).

-

Die Sozialversicherungsträger bei Berufskrankheiten oder Berufsunfällen von Arbeitnehmern.

-

In allen übrigen Fällen sowie bei Zusammentreffen von Behinderungen verschiedener Art das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen; dieses hat den Grad der Behinderung durch Ausstellung eines Behindertenpasses nach §§ 40 ff des Bundesbehindertengesetzes, im negativen Fall durch einen in Vollziehung dieser Bestimmungen ergehenden Bescheid zu bescheinigen.

(§ 35 Abs. 2 Einkommensteuergesetz 1988)

Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376.

Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

(§ 41 Abs. 1 BBG)

§ 1, § 41 Abs. 1 und 2, § 55 Abs. 4 und 5 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 81/2010 treten mit 1. September 2010 in Kraft. (§ 54 Abs. 12 BBG auszugsweise)

Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen. (§ 42 Abs. 1 BBG)

Der Behindertenpass ist unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist. (§ 42 Abs. 2 BBG)

Treten Änderungen ein, durch die behördliche Eintragungen im Behindertenpass berührt werden, hat das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen diese zu berichtigen oder erforderlichenfalls einen neuen Behindertenpass auszustellen. Bei Wegfall der Voraussetzungen ist der Behindertenpass einzuziehen. (§ 43 Abs. 1 BBG)

Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen. (§ 45 Abs. 1 BBG)

Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu. (§ 45 Abs. 2 BBG)

In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden. (§ 46 BBG idF des BGBl. I Nr. 57/2015).

Die maßgebenden Bestimmungen der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung, BGBl. II. Nr. 261/2010 idgF BGBl II. Nr. 251/2012) lauten auszugsweise wie folgt:

"Behinderung

§ 1. Unter Behinderung im Sinne dieser Verordnung ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft, insbesondere am allgemeinen Erwerbsleben, zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten."

Damit wird auf die Auswirkungen einer Funktionsbeeinträchtigung auf das allgemeine Erwerbsleben abgestellt, nicht aber auf die Auswirkungen einer Funktionsbeeinträchtigung auf eine spezielle berufliche Tätigkeit und damit nicht auf die arbeitsspezifische Minderleistungsfähigkeit im Hinblick auf die konkrete Tätigkeit.

"Grad der Behinderung

§ 2. (1) Die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen sind als Grad der Behinderung zu beurteilen. Der Grad der Behinderung wird nach Art und Schwere der Funktionsbeeinträchtigung in festen Sätzen oder Rahmensätzen in der Anlage dieser Verordnung festgelegt. Die Anlage bildet einen Bestandteil dieser Verordnung.

(2) Bei Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen, die nicht in der Anlage angeführt sind, ist der Grad der Behinderung in Analogie zu vergleichbaren Funktionsbeeinträchtigungen festzulegen.

(3) Der Grad der Behinderung ist nach durch zehn teilbaren Hundertsätzen festzustellen. Ein um fünf geringerer Grad der Behinderung wird von ihnen mit umfasst. Das Ergebnis der Einschätzung innerhalb eines Rahmensatzes ist zu begründen.

Gesamtgrad der Behinderung

§ 3. (1) Eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung ist dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.

(2) Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung ist zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 vH sind außer Be¬tracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht. Bei Überschneidungen von Funktionsbeeinträchtigungen ist grundsätzlich vom höheren Grad der Behinderung auszugehen.

(3) Eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, liegt vor, wenn

-

sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt,

-

zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen.

(4) Eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung ist dann gegeben, wenn das Gesamtbild der Behinderung eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheinen lässt, als die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen alleine.

Grundlage der Einschätzung

§ 4. (1) Die Grundlage für die Einschätzung des Grades der Behinderung bildet die Be-urteilung der Funktionsbeeinträchtigungen im körperlichen, geistigen, psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung in Form eines ärztlichen Sachverständigengutachtens. Er-forderlichenfalls sind Experten aus anderen Fachbereichen - beispielsweise Psychologen - zur ganzheitlichen Beurteilung heran zu ziehen.

(2) Das Gutachten hat neben den persönlichen Daten die Anamnese, den Unter-suchungsbefund, die Diagnosen, die Einschätzung des Grades der Behinderung, eine Be-gründung für die Einschätzung des Grades der Behinderung innerhalb eines Rahmensatzes so¬wie die Erstellung des Gesamtgrades der Behinderung und dessen Begründung zu ent-halten.

..."

Im gegenständlichen Fall wurde der Grad der Behinderung des Beschwerdeführers unter Mitwirkung eines ärztlichen Sachverständigen nach den Bestimmungen der Einschätzungsverordnung eingeschätzt. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund der seitens der belangten Behörde eingeholten und nicht substantiell bestrittenen allgemeinmedizinischen Sachverständigengutachten geklärt. In der vorliegenden Beschwerde wurden ausschließlich Rechtsfragen aufgeworfen, zu deren Lösung im Sinne der Judikatur des EGMR eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG nicht entgegen.

Zunächst ist rechtlich festzuhalten, dass der Grad der Behinderung im Beschwerdefall - wie dies auch die belangte Behörde zu Recht annahm - nach der Einschätzungsverordnung einzuschätzen war, was im Verfahren auch unbestritten geblieben ist.

Die Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung hat bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen nicht im Wege der Addition der einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen zu erfolgen, sondern es ist bei Zusammentreffen mehrerer Leiden zunächst von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für welche der höchste Wert festgestellt wurde, und dann ist zu prüfen, ob und inwieweit durch das Zusammenwirken aller zu berücksichtigenden Funktionsbeeinträchtigungen eine höhere Einschätzung des Grades der Behinderung gerechtfertigt ist (vgl. den eindeutigen Wortlaut des § 3 der Einschätzungsverordnung, sowie die auf diese Rechtslage übertragbare Rechtsprechung, VwGH 17.07.2009, 2007/11/0088; 22.01.2013, 2011/11/0209 mwN).

Wie oben unter Punkt 2. (Beweiswürdigung) ausgeführt, wird der gegenständlichen Entscheidung das seitens des Bundesverwaltungsgericht eingeholte Sachverständigengutachten eines Facharztes für Unfallchirurgie vom 11.09.2018, beruhend auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am selben Tage zu Grunde gelegt, wonach der Grad der Behinderung des Beschwerdeführers aktuell 60 v.H. beträgt. Keine der Parteien bestritt dieses Sachverständigengutachten.

Die Beschwerde gegen den Bescheid vom 05.04.2017 war daher spruchgemäß stattzugeben.

3.1.2. § 47. Der Bundesminister für Arbeit und Soziales ist ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpaß und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen."

§ 1 Abs. 4 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, idg F BGBl II Nr. 263/2016 lautet - soweit im gegenständlichen Fall relevant - auszugsweise:

"§ 1 ....

(4) Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist jedenfalls einzutragen:

1. .......

2. ......

3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und

-

erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder

-

erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder

-

erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller

Fähigkeiten, Funktionen oder

-

eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder

-

eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1

Abs. 2 Z 1 lit. b oder d vorliegen.

(5) Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines/einer ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.

(6)......"

In den Erläuterungen zu § 1 Abs. 2 Z 3 zur Stammfassung der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen BGBl. II Nr. 495/2013 wird unter anderem - soweit im gegenständlichen Fall relevant - Folgendes ausgeführt:

"Zu § 1 Abs. 2 Z 3 (neu nunmehr § 1 Abs. 4 Z. 3, BGBl. II Nr. 263/2016):

...

Durch die Verwendung des Begriffes "dauerhafte Mobilitätseinschränkung" hat schon der Gesetzgeber (StVO-Novelle) zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine Funktionsbeeinträchtigung handeln muss, die zumindest 6 Monate andauert. Dieser Zeitraum entspricht auch den grundsätzlichen Voraussetzungen für die Erlangung eines Behindertenpasses.

...

Erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit betreffen vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen. Bei den folgenden Einschränkungen liegt jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor:

-

arterielle Verschlusskrankheit ab II/B nach Fontaine bei fehlender therapeutischer Option

-

Herzinsuffizienz mit hochgradigen Dekompensationszeichen

-

hochgradige Rechtsherzinsuffizienz

-

Lungengerüsterkrankungen unter Langzeitsauerstofftherapie

-

COPD IV mit Langzeitsauerstofftherapie

-

Emphysem mit Langzeitsauerstofftherapie

-

mobiles Gerät mit Flüssigsauerstoff muss nachweislich benützt werden..."

Um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, hat die Behörde nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist, und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung unzumutbar ist (vgl. VwGH 23.02.2011, 2007/11/0142, und die dort zitierten Erkenntnisse vom 18.12.2006, 2006/11/0211, und vom 17.11.2009, 2006/11/0178, jeweils mwN.).

Ein solches Sachverständigengutachten muss sich mit der Frage befassen, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt (VwGH 20.03.2001, 2000/11/0321). Dabei ist auf die konkrete Fähigkeit des Beschwerdeführers zur Benützung öffentlicher Verkehrsmittel einzugehen, dies unter Berücksichtigung der hierbei zurückzulegenden größeren Entfernungen, der zu überwindenden Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, der Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt etc. (VwGH 22.10.2002, 2001/11/0242; VwGH 14.05.2009, 2007/11/0080).

Bei der Beurteilung der zumutbaren Wegstrecke geht der Verwaltungsgerichtshof von städtischen Verhältnissen und der durchschnittlichen Distanz von 300 bis 400 Metern bis zur nächsten Haltestelle eines öffentlichen Verkehrsmittels aus (vgl. das Erkenntnis vom 27. Mai 2014, Zl. Ro 2014/11/0013).

Wie oben im Rahmen der Beweiswürdigung ausgeführt - auf die diesbezüglichen Ausführungen wird verwiesen -, wurde im eingeholten Sachverständigengutachten vom 11.09.2018, beruhend auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers, nachvollziehbar verneint, dass im Fall des Beschwerdeführers aufgrund der bei ihm vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass vorliegen.

Da festgestellt worden ist, dass die dauernden Gesundheitsschädigungen ein Ausmaß erreichen, welches die Vornahme der Zusatzeintragung "Der Inhaberin des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" in den Behindertenpass rechtfertigt, war spruchgemäß zu entscheiden.

3.2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Zu Spruchteil B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Behindertenpass, Grad der Behinderung, Neufestsetzung,
Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W260.2161530.1.00

Zuletzt aktualisiert am

05.02.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten