TE Bvwg Erkenntnis 2018/12/13 W169 2193289-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 13.12.2018
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Entscheidungsdatum

13.12.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52
FPG §55

Spruch

W169 2193289-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Barbara MAGELE als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Indien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.02.2018, Zl. 1179614708-180079396, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 57 AsylG 2005 idgF, § 9 BFA-VG idgF, und §§ 52, 55 FPG idgF als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein indischer Staatsangehöriger, stellte nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 23.01.2018 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Bei der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am selben Tag gab der Beschwerdeführer zu Protokoll, dass er aus dem Bundesstaat Punjab stamme und die Sprachen Punjabi, Hindi und Englisch spreche. Er gehöre der Religionsgemeinschaft der Sikhs und Volksgruppe der Punjabi an. Im Herkunftsstaat habe der Beschwerdeführer zwölf Jahre die Grundschule und danach vier weitere Jahre ein College besucht; zuletzt habe er als Landwirt im Familienbetrieb gearbeitet. In Indien würden die Eltern des Beschwerdeführers leben. Zu seinem Ausreisegrund führte er an, dass er einer Sekte namens "Daira Sacha Sauda" angehöre. Deren Sektenführer sei am 25.10.2017 wegen Vergewaltigung zu zehn Jahren Haft rechtskräftig verurteilt worden. Die Polizei habe die Mitglieder der Sekte des Öfteren befragt und auch gewollt, dass der Beschwerdeführer und andere Mitglieder als Zeugen vor Gericht aussagen. Andererseits hätten Sektenmitglieder vom Beschwerdeführer gefordert, dies zu unterlassen und gegen die Festnahme bzw. Verurteilung öffentlich zu demonstrieren. So habe der Beschwerdeführer von beiden Seiten Druck bekommen und sei bedroht worden, weshalb er Indien verlassen habe.

2. Am 23.01.2018 wurde dem Beschwerdeführer das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zur Lage in Indien vorgelegt und ihm die Möglichkeit einer Stellungnahme eingeräumt.

3. Anlässlich seiner Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 07.02.2018 gab der Beschwerdeführer auf die Frage, ob er bisher im Verfahren der Wahrheit entsprechende Angaben gemacht habe, zu Protokoll, dass der Guru zu 20 Jahren Haft, und nicht zu 10 Jahren, verurteilt worden sei, und das richtige Datum (gemeint: der Verurteilung des GURUS) der "25.08.2017" sei. Weiters gab er an, dass er aus dem Bundesstaat Punjab stamme und die Sprachen Punjabi sowie Hindi und Englisch spreche. Er habe ein College absolviert und in einem Labor eines Pharmabetriebes gearbeitet. Im Herkunftsstaat würden sich noch die Eltern des Beschwerdeführers befinden, mit denen er im gemeinsamen Haushalt gelebt habe und zu denen er in Kontakt stehe. Er sei gesund.

Zu seinem Fluchtgrund brachte der Beschwerdeführer Folgendes vor (VP: nunmehriger Beschwerdeführer; LA: Leiter der Amtshandlung):

"(...)

LA: Sie wurden am 23.01.2018 einer Erstbefragung unterzogen. Entsprechen diese Angaben der Wahrheit?

VP: Ja

LA: Bei der Erstbefragung haben Sie die Gründe angegeben, weswegen Sie Ihr Herkunftsland verlassen haben. Halten Sie diese Gründe aufrecht.

VP: Ja, diese Gründe halte ich aufrecht.

LA: Wollen Sie weitere Fluchtgründe angeben oder Ihr Vorbringen zu Ihren Fluchtgründen, im Hinblick auf die Erstbefragung ergänzen, etwas hinzufügen oder berichtigen?

VP: Nein, ich habe alle Fluchtgründe angegeben. Ich habe nichts mehr zum ergänzen.

LA: Wie heißt der Sektenführer?

VP: Ram Rahim

LA: Was können Sie allgemein über die " Daira Sacha Sauda" angeben?

VP: Früher hatte unser Guru sehr gute Taten getan. Er hat Blut gespendet. Wir haben in unserem Lager hatten wir ein eigenes Blutlager. Außerdem hat er vielen armen Leuten geholfen. Er hat armen Mädchen die Hochzeit organisiert.

LA: Von wann bis wann waren Sie Mitglied der Sekte?

VP: Seit 2011 war ich Mitglied der Sekte. Bis ich Indien verlassen habe.

LA: Was hat dass alles mit Ihrer Ausreise konkret zu tun?

VP. Nach den Unruhen wurde ich von Sektenmitgliedern und von der Polizei belästigt.

LA: Wo wurden Sie belästigt?

LA: In Chandigarh und in Amritar.

LA: Weshalb sollten Sie von anderen Sektenmitgleidern belästigt worden sein?

VP: Sie wollten, dass ich bei den Protesten für die Freilassung des Guru mitmache. Das wollte ich nach der Verurteilung nicht mehr.

LA: Weswegen wurde der Guru verurteilt?

VP: Er wurde wegen Vergewaltigung angeklagt.

LA: Wann wurde die Sekte gegründet?

VP: Das weiß ich nicht.

LA: Wo hat die Sekte Ihren Hauptsitz?

VP: In Sirsa

LA: Wann fanden die Unruhen statt?

VP: Am 25.08.2017

LA: Wo haben diese Unruhen stattgefunden?

VP: In der Stadt Panchkula, 200 km von meinem Wohnsitz entfernt.

LA: Schildern Sie die Situation bei der Veranstaltung?

VP: Eigentlich hatten wir vor, die Demonstration sehr friedvoll zu führen. Einige Mitglieder hatten Waffen und Steine bei sich. Mit denen wurde die Polizei beworfen und angegrifen. Im Gegenzug hat die Polizei auf uns gefeuert. Es sind viele Personen ums Leben gekommen.

LA: Wiele Mitglieder waren bei Demonsration anwesend?

VP: Zirka 25.000

LA: Hatten Sie eine Funktion?

VP: Ich war ein einfacher Anhänger des Guru wie viele 100.000 andere auch.

LA: Gab es einen konkreten Vorfall Ihrerseits bei der Demonstration?

VP: Nein, mir persönlich ist nichts passiert. Ich wurde weder festgenommen noch verletzt. Ich bin weggelaufen.

LA: Was wollte die Polizei von Ihnen wissen?

VP. Sie haben gefragt, weshalb wir Demonstrationen führen. Sie sagten, ich solle auch Beweise gegen unseren Guru herausgeben, welche ich nicht habe.

LA: Wieviele Mitglieder hat die Sekte insgesamt?

VP: Mehrere 100,000

Anm: Im Sinne des Parteiengehörs werden Ihnen die Länderfeststellungen von 09.01.2017 ausgefolgt und Ihnen eine Frist von einer Woche ( 15.02.2018) zur Einbringung einer schriftlichen Stellungnahme gewährt.

LA: Haben Sie sonst Probleme, außer den geschilderten, in Ihrem Heimatland?

VP: Ich hatte auch Probleme mit anderen Sektenmitgliedern. Sie sind sehr mafisiös.

LA: Welche Probleme hatten Sie mit den anderen Sektenmitgliedern?

VP: Sie wollten noch eine weitere Demonstration gegen die Regierung führen. Als ich nein sagte, haben Sie mich bedroht.

LA: Warum haben Sie sich nicht in einem anderen Landesteil von Indien niedergelassen. Indien hat zirka 1,3 000 000 Milliarden Einwohner und da hätte man Sie mit Sicherheit nicht gefudnen?

VP: Es gibt keine Garantie, dass ich in Indien sicher bin.

(...)"

Weiters gab der Beschwerdeführer zu Protokoll, dass er niemals persönlich Probleme mit den Behörden im Heimatland gehabt habe und auch nicht gesucht werde.

Zu den Lebensumständen in Österreich führte der Beschwerdeführer an, dass er keine Verwandten hier habe. Er lebe von Leistungen aus der Grundversorgung und gehe keiner Beschäftigung nach. Er spreche kein Deutsch, habe keine Kurse oder Ausbildungen absolviert und sei nicht Mitglied in einem Verein oder einer sonstigen Organisation.

4. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten

(Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien

(Spruchpunkt II.) abgewiesen. Dem Beschwerdeführer wurde gemäß § 57 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt. Gemäß

§ 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß

§ 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und weiters gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Indien zulässig sei (Spruchpunkt III). Weiters wurde innerhalb des Spruches ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.).

Begründend führte die belangte Behörde aus, dass dem Vorbringen des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen kein Glauben geschenkt werde. Unabhängig davon stehe dem Beschwerdeführer aber eine innerstaatliche Fluchtalternative offen. Auch eine refoulementschutzrechtlich relevante Gefährdung im Falle einer Rückkehr nach Indien sei nicht gegeben. Der Beschwerdeführer erfülle nicht die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG, der Erlassung einer Rückkehrentscheidung stehe sein Recht auf Achtung des Privat- oder Familienlebens angesichts der sehr kurzen Aufenthaltsdauer und des Fehlens von familiären oder privaten Bindungen im Inland nicht entgegen. Angesichts der abweisenden Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz ergebe sich die Zulässigkeit einer Abschiebung des Beschwerdeführers nach Indien. Die Frist für die freiwillige Ausreise von vierzehn Tagen ergebe sich aus § 55 FPG, da besondere Umstände, die der Beschwerdeführer bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen habe, nicht gegeben seien.

5. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde. Nach Wiederholung der Fluchtgründe wurde ausgeführt, dass das Bundesamt den Großteil seiner Aussagen nicht zur Kenntnis genommen, "sondern nur selektiv, in tendenziöser Weise die Aussagen herausklaubt, die der Argumentation des Bundesamtes zuträglich sind". So habe der Beschwerdeführer genaue Ort- und Zeitangaben gemacht, die Ereignisse chronologisch und konsistent geschildert sowie Erklärungen über sämtliche Personen getätigt. Aus den Aussagen des Beschwerdeführers gehe ferner hervor, dass die indischen Behörden ihm gegenüber schutzunfähig und schutzunwillig seien. Auch sei die pauschale Behauptung, in Indien bestehe immer und für jeden eine innerstaatliche Fluchtalternative, nicht zutreffend. Schließlich verletze die Rückkehrentscheidung seine in Art. 8 EMRK geschützten Rechte. Beantragt wurde die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Indien aus dem Bundesstaat Punjab und der Religionsgemeinschaft der Sikhs an. Seine Identität steht nicht fest. Er spricht die Sprachen Punjabi sowie Hindi und Englisch. Im Herkunftsstaat besuchte er 12 Jahre die Grundschule sowie vier weitere Jahre ein College. Er arbeitete sowohl in einem Labor eines Pharmaunternehmens als auch in der elterlichen Landwirtschaft und wohnte im Elternhaus. Der Beschwerdeführer ist ledig, kinderlos und gesund.

Er hatte keine persönlichen Probleme mit den Behörden im Heimatland.

Die Verfolgungsbehauptungen des Beschwerdeführers sind nicht glaubhaft. Es kann nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer in Indien eine an asylrelevante Merkmale anknüpfende Verfolgung droht. Dem Beschwerdeführer steht in Indien eine inländische Schutz- bzw. Fluchtalternative offen.

Der Beschwerdeführer hat keine Verwandten oder sonstigen Familienangehörigen in Österreich und spricht kein Deutsch. Er besucht keine Kurse oder Ausbildungen und ist nicht Mitglied in einem Verein oder sonstigen Organisationen. Der Beschwerdeführer bezieht keine Leistungen aus der Grundversorgung, ist unbescholten und steht im erwerbsfähigen Alter. Im Herkunftsstaat leben auch nach wie vor die Eltern des Beschwerdeführers, zu denen er in Kontakt steht.

Gegen den Beschwerdeführer besteht seitens Italien ein Aufenthalts- bzw. Einreiseverbot im Schengener Gebiet, gültig bis 19.01.2021.

1.2. Zur Situation im Herkunftsstaat wird Folgendes festgestellt:

Punjab

Laut Angaben des indischen Innenministeriums zu den Zahlen der Volkszählung im Jahr 2011 leben von den 21 Mio. Sikhs 16 Millionen. im Punjab (MoHA o.D.) und bilden dort die Mehrheit (USDOS 10.8.2016).

Der Terrorismus im Punjab ist Ende der 1990er Jahre nahezu zum Erliegen gekommen. Die meisten hochkarätigen Mitglieder der verschiedenen militanten Gruppen haben den Punjab verlassen und operieren aus anderen Unionsstaaten oder Pakistan. Finanzielle Unterstützung erhalten sie auch von Sikh-Exilgruppierungen im westlichen Ausland (ÖB 12.2016). Nichtstaatliche Kräfte, darunter organisierte Aufständische und Terroristen, begehen jedoch zahlreiche Morde und Bombenanschläge im Punjab und Konfliktregionen wie etwa Jammu und Kaschmir (USDOS 13.4.2016). Im Juli 2015 griffen Mitglieder einer bewaffneten Gruppe eine Polizeiwache und einen Busbahnhof in Gurdaspur im Bundesstaat Punjab an und töteten drei Zivilpersonen und vier Polizisten. 15 Personen wurden verletzt (USDOS 2.7.2016; vgl. auch: AI 24.2.2016). Es handelte sich dabei um den ersten größeren Anschlag seit den Aktivitäten militanter Sikhs in 1980er und 1990er Jahren (USDOS 2.7.2016).

Im Oktober 2015 gab es in fünf Distrikten des Punjab weitverbreitete und gewalttätige Proteste der Sikhs gegen die Regierung in Punjab. Dabei hat die Polizei auf Protestanten geschossen und zwei Personen getötet sowie 80 Personen verletzt. Grund der Proteste waren Berichte, laut denen unbekannte Täter das heilige Buch der Sikhs entweiht hätten. Die Polizei hat ein Duzend Protestanten wegen versuchten Mordes, Beschädigung öffentlichen Eigentums und des Tragens von illegalen Waffen festgenommen. Was die Aufarbeitung der Gewaltausbrüche im Jahr 1984, bei denen 3.000 Menschen, darunter hauptsächlich Sikhs, ums Leben gekommen seien betrifft, so kommen Gerichtsverfahren nur langsam voran. Zivilgesellschaftliche Aktivisten und Interessensverbände der Sikhs zeigen sich weiterhin besorgt, dass die Regierung die Verantwortlichen noch nicht zur Rechenschaft ziehen konnte (USDOS 10.8.2016).

Der illegale Waffen- und Drogenhandel von Pakistan in den indischen Punjab hat sich in letzter Zeit verdreifacht. Im Mai 2007 wurden dem indischen Geheimdienst Pläne der ISI bekannt, die gemeinsam mit BKI und anderen militanten Sikh- Gruppierungen Anschläge auf Städte im Punjab (Jalandhar, Ludhiana, Pathankot) beabsichtigten. Die Sicherheitsbehörden im Punjab konnten bislang die aufkeimende Wiederbelebung der militanten Sikh-Bewegung erfolgreich neutralisieren (ÖB 12.2016). In Jammu und Kaschmir, im Punjab und in Manipur haben die Behörden besondere Befugnisse ohne Haftbefehl Personen zu suchen und zu inhaftieren (USDOS 13.4.2016; vgl. auch:

BBC 20.10.2015). Menschenrechtsberichten zufolge kommt es im Punjab regelmäßig zu Fällen von Menschenrechtsverletzungen insbesondere der Sicherheitsbehörden (extralegale Tötungen, willkürliche Festnahmen, Folter in Polizeigewahrsam, Todesfolge von Folter etc.) (ÖB 12.2016). Ehrenmorde stellen vor allem in den nördlichen Bundesstaaten Haryana und Punjab weiterhin ein Problem dar. Menschenrechtsorganisationen schätzen, dass bis zu 10% aller Tötungen in diesen Staaten sogenannte Ehrenmorde sind (USDOS 13.4.2016).

Die Staatliche Menschenrechtskommission im Punjab hat in einer Reihe von schweren Menschenrechtsverletzungen durch die Sicherheitskräfte (Folter, Folter mit Todesfolge, extra-legale Tötungen etc.) interveniert. In vielen Fällen wurde die Behörde zu Kompensationszahlungen verpflichtet. Die Menschenrechtskommission erhält täglich 200-300 Beschwerden über Menschenrechtsverletzung und ist in ihrer Kapazität überfordert. Oft sind Unterkastige oder Kastenlose Opfer der polizeilichen Willkür (ÖB 12.2016).

Die Zugehörigkeit zur Sikh-Religion ist kein Kriterium für polizeiliche Willkürakte Die Sikhs, 60% der Bevölkerung des Punjabs, stellen im Punjab einen erheblichen Teil der Beamten, Richter, Soldaten und Sicherheitskräfte. Auch hochrangige Positionen stehen ihnen offen (ÖB 12.2016).

In Indien ist die Bewegungs- und Niederlassungsfreiheit rechtlich garantiert und praktisch von den Behörden auch respektiert; in manchen Grenzgebieten sind allerdings Sonderaufenthaltsgenehmigungen notwendig. Sikhs aus dem Punjab haben die Möglichkeit sich in anderen Landesteilen niederzulassen, Sikh-Gemeinden gibt es im ganzen Land verstreut. Sikhs können ihre Religion in allen Landesteilen ohne Einschränkung ausüben. Aktive Mitglieder von verbotenen militanten Sikh-Gruppierungen, wie Babbar Khalsa International müssen mit polizeilicher Verfolgung rechnen (ÖB 12.2016).

Quellen:

-

AI - Amnesty International (24.2.2016): Amnesty International Report 2015/16 - The State of the World's Human Rights - India, http://www.ecoi.net/local_link/319831/466697_de.html, Zugriff 5.1.2017

-

BBC - British Broadcasting Corporation (20.10.2015): Why are Indian Sikhs angry?,

http://www.bbc.com/news/world-asia-india-34578463, Zugriff 5.1.2017

-

MoHA - Government of India, Ministry of Home Affairs, Office of the Registrar General & Census Commissioner, India (o.D.): C-1 Population By Religious Community, http://www.censusindia.gov.in/2011census/C-01.html, Zugriff 5.1.2017

-

ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (12.2016):

Asylländerbericht Indien

-

USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - India, http://www.ecoi.net/local_link/322482/461959_de.html, Zugriff 5.12.2016

-

USDOS - US Department of State (2.7.2016): Country Report on Terrorism 2015 - Chapter 2 - India, http://www.ecoi.net/local_link/324726/464424_de.html, Zugriff 5.1.2017

-

USDOS - US Department of State (10.8.2016): 2015 Report on International Religious Freedom - India, http://www.ecoi.net/local_link/328426/469205_de.html, Zugriff 21.12.2016

Bewegungsfreiheit

Das Gesetz gewährt landesweite Bewegungsfreiheit, Auslandsreisen, Migration und Repatriierung und die Regierung respektiert diese Rechte im Allgemeinen (USDOS 13.4.2016). Das staatliche Gewaltmonopol wird gebietsweise von den Aktivitäten der "Naxaliten" in Frage gestellt. Abgesehen davon ist Bewegungsfreiheit innerhalb des Landes gewährleistet (AA 16.8.2016).

Die Regierung lockerte Einschränkungen in Bezug auf Reisen nach Arunachal Pradesh, Nagaland, Mizoram, Manipur und Teilen von Jammu und Kaschmir, außer für Ausländer aus Pakistan, China und Burma. Das Innenministerium und die Bundesstaatenregierungen verlangen vor Reiseantritt von den Bürgern spezielle Genehmigungen einzuholen, um in bestimmte gesperrte Regionen bzw. Sperrzonen zu reisen. Die Sicherheitskräfte untersuchen Wagen und deren Inhaber bei Checkpoints im Kaschmirtal, vor öffentlichen Veranstaltungen in Neu Delhi oder nach großen terroristischen Angriffen (USDOS 13.4.2016).

Die Regierung darf die legale Ausstellung eines Passes, an einen Anwärter, von dem geglaubt wird, dass er in Aktivitäten außerhalb des Landes verwickelt ist, die "schädlich für die Souveränität und Integrität der Nation" sind, verweigern Bürger von Jammu und Kaschmir sind auch weiterhin mit massiven Verzögerungen bei der Ausstellung eines Passes konfrontiert, oft dauert es bis zu zwei Jahre, bis ihnen das Außenministerium einen Pass ausstellt oder erneuert. Die Regierung setzt Antragsteller - geboren in Jammu und Kaschmir -, darunter auch Kinder von Militäroffizieren Berichten zufolge zusätzlichen Kontrollen aus, bevor sie einen Pass erhalten (USDOS 16.8.2016).

Mit dem geplanten Datenverbundsystem für die zentralen Sicherheitsbehörden und die Unionsstaaten, Crime and Criminal Tracking Network System (CCTNS), soll künftig ein Informationsaustausch auf allen Ebenen gewährleistet sein. Für 2012 war eine Anbindung von 15.000 Polizeistationen und 6.000 übergeordneten Stellen vorgesehen. Die Umsetzung des ambitionierten Vorhabens liegt jedoch weit hinter dem ursprünglichen Zeitplan (AA 3.3.2014).

Indien ist das siebtgrößte Land der Erde mit über einer Milliarde Einwohnern (ÖB 12.2016). Es ist davon auszugehen, dass Betroffene sich durch Flucht in einen anderen Landesteil jeglicher Art der privaten/halbstaatlichen Probleme entziehen können, da nicht davon auszugehen ist, dass über das Dorf hinaus Anwohner oder lokale Behörden Hinweise erhalten oder recherchieren können oder sich überhaupt dafür interessieren, was ein Zugezogener in der Vergangenheit gemacht haben könnte. Es fehlen jegliche zentrale Aktenführung oder Informationsaustausch. Es bedarf lediglich eines sehr einfachen, öffentlichen Namensänderungsverfahrens, um seine Identität zu verschleiern (AA 3.3.2014).

Es gibt kein staatliches Melde- oder Registrierungssystem, so dass ein Großteil der Bevölkerung keinen Ausweis besitzt. Dies begünstigt die Niederlassung in einem anderen Landesteil im Falle von Verfolgung. Auch bei laufender strafrechtlicher Verfolgung ist nicht selten ein unbehelligtes Leben in ländlichen Bezirken eines anderen Landesteils möglich, ohne dass die Person ihre Identität verbergen muss (AA 16.8.2016). Ob der Betreffende nach der Umsiedlung dort die Möglichkeit hat, sich ein wirtschaftliches Auskommen zu verschaffen, hängt ausschließlich von seiner Eigeninitiative ab (AA 3.3.2014).

In den großen Städten ist die Polizei jedoch personell und materiell besser ausgestattet, so dass die Möglichkeit, aufgespürt zu werden, dort größer ist. Bekannte Persönlichkeiten ("high profile" persons) können nicht durch einen Umzug in einen anderen Landesteil der Verfolgung entgehen, wohl aber weniger bekannte Personen ("low profile" people) (ÖB 12.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (3.3.2014): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Indien

-

AA - Auswärtiges Amt (16.8.2016): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien

-

ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (12.2016):

Asylländerbericht Indien

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USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Pracitces 2015 - India, http://www.ecoi.net/local_link/322482/461959_de.html, Zugriff 28.12.2016

Meldewesen

Es gibt kein Meldewesen in Indien (AA 16.8.2016).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (16.8.2016): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien

Grundversorgung/Wirtschaft

Indiens Wirtschaft hat sich zuletzt erholt und an Dynamik gewonnen. Indien zählt nach wie vor zu den am stärksten expandierenden Volkswirtschaften der Welt. Das Wirtschaftswachstum lag im Haushaltsjahr 2015/2016 bei 7,6% (AA 9.2016).

Das Land hat eine aufstrebende urbane Mittelschicht. Die große Zahl an Facharbeitskräften macht es zu einem beliebten Ziel für internationale Firmen, die versuchen ihre Arbeit auszulagern. Der Großteil der ländlichen Bevölkerung ist weiterhin arm, da deren Leben auch weiterhin durch das altertümliche Hindukastensystem beeinflusst wird, welches jeder Person einen Platz in der sozialen Hierarchie zuweist (BBC 27.9.2016)

Das hohe Wachstum der Jahre bis 2011 hat die regionalen Entwicklungsunterschiede auf dem Subkontinent und das zunehmende Einkommensgefälle zwischen der expandierenden städtischen Mittelschicht und der überwiegend armen Bevölkerung auf dem Lande, wo noch knapp 70% aller Inder leben, schärfer hervortreten lassen. Ende September 2014 verkündete Premierminister Modi die "Make in India" Kampagne und rief ausländische Investoren dazu auf, in Indien bei verbesserten Investitionsbedingungen zu produzieren. Zur Ankurbelung der weiteren Industrialisierung werden groß angelegte Infrastrukturprojekte verfolgt. Auch im Bereich Schiene, den Häfen und im Luftverkehr sind erhebliche Investitionen nötig und geplant. Wachstum und Wohlstand verdankt Indien vor allem dem Dienstleistungssektor mit einem Anteil von über 53% am BIP. Hiervon profitiert aber bei einem Beschäftigungsanteil von etwa 30% nur ein kleiner Teil der Bevölkerung. Zur Überwindung der Massenarmut sollen neue Arbeitsplätze geschaffen werden, vor allem auch für nicht oder gering qualifizierte Kräfte (AA 9.2016).

Indien hat eine Erwerbsbevölkerung von 404,5 Millionen, von welchen 43 Millionen im formellen Sektor und 361 Millionen im informellen Sektor arbeiten, wo sie weder gegen Krankheit oder Arbeitsunfälle abgesichert sind, noch Anspruch auf soziale Leistungen oder Altersversorgung haben (AA 9.2016). Der Hauptteil der Menschen, die im informellen Sektor arbeiten, sind im privaten Sektor tätig (BAMF 12.2015). Die überwiegende Mehrheit der indischen Bevölkerung lebt in ländlich-bäuerlichen Strukturen und bleibt wirtschaftlich benachteiligt. Der Anteil der Landwirtschaft an der indischen Wirtschaftsleistung sinkt seit Jahren kontinuierlich und beträgt nur noch etwa 17,4% (2015/16) der Gesamtwirtschaft, obgleich rund 50% der indischen Arbeitskräfte in diesem Bereich tätig sind (AA 9.2016).

Die Regierung hat überall im Land mehr als 900 Arbeitsagenturen (Employment Exchanges) eingeführt um die Einstellung geeigneter Kandidaten zu erleichtern. Arbeitssuchende registrieren sich selbständig bei den Arbeitsagenturen und werden informiert sobald eine geeignete Stelle im Regierungssekte frei ist. Das MGNREGA Gesetz (Mahatma Gandhi National Rural Employment Guarantee Act) ist ein Arbeitsgarantieprogramm. Erwachsenen eines ländlichen Haushalts, welche gewillt sind Handwerksarbeit zum Mindestlohn zu verrichten, wird hierdurch eine gesetzliche Jobgarantie für 100 Tage im Jahr gewährt. Das Kommissariat oder Direktorat der Industrie (The Commissionerates or Directorates of Industries) bieten Hilfe bei der Geschäftsgründung in den verschiedenen Staaten. Einige Regierungen bieten Arbeitslosenhilfe für Personen, die bereits mehr als drei Jahre bei der Stellenbörse registriert sind (BAMF 12.2015)

Indien steht vor gewaltigen Herausforderungen bei der Armutsbekämpfung und in der Bildungs- und Infrastrukturentwicklung. Das durchschnittliche jährliche Pro-Kopf-Einkommen liegt bei 1.313 Euro. Etwa 30% der Bevölkerung leben unterhalb der Armutsgrenze von 1 USD pro Kopf und Tag. Rund 70% haben weniger als 2 USD pro Tag zur Verfügung. Auf dem Human Development Index des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen (United Nations Development Programme - UNDP) steht Indien auf Platz 135 unter 187 erfassten Staaten. Während es weltweit die meisten Millionäre und Milliardäre beheimatet, liegt Indien bei vielen Sozialindikatoren deutlich unter den Durchschnittswerten von Subsahara-Afrika. Gleichzeitig konnten in den letzten beiden Jahrzehnten hunderte Millionen Menschen in Indien der Armut entkommen (AA 9.2016).

In Indien haben derzeit von 400 Millionen Arbeitskräften nur etwa 35 Millionen Zugang zum offiziellen Sozialen Sicherungssystem in Form einer Altersrentenabsicherung. Dies schließt Arbeiter des privaten Sektors, Beamte, Militärpersonal und Arbeitnehmer von Unternehmen des staatlich öffentlichen Sektors ein (BAMF 8.2014). Die Regierung betreibt eine Vielzahl von Programmen zur Finanzierung von Wohnungen. Diese richten sich jedoch zu meist an Personen unterhalb der Armutsgrenze. Weiters bieten die Regierungen eine Vielzahl an Sozialhilfen an welche sich jedoch an unterprivilegierte Gruppen, wie die Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze richten. Diese Programme werden grundsätzlich durch die lokalen Verwaltungen umgesetzt (Panchayat) (BAMF 12.2015).

Die Arbeitnehmerrentenversicherung ist verpflichtend und mit der Arbeit verknüpft. Das staatliche Sozialversicherungsprogramm (National Social Assistance Programme) erfasst nur die Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze oder physisch Benachteiligte. Das staatliche Rentensystem National Pension System (NPS) ist ein freiwilliges, beitragsbasiertes System, welches es den Teilnehmer ermöglicht systematische Rücklagen während ihres Arbeitslebens anzulegen (BAMF 12.2015).

Etwa ein Viertel der Bevölkerung lebt unter dem Existenzminimum. Sofern es nicht zu außergewöhnlichen Naturkatastrophen kommt, ist jedoch eine für das Überleben ausreichende Nahrungsversorgung auch den schwächsten Teilen der Bevölkerung grundsätzlich sichergestellt. Es gibt keine staatlichen Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer, Sozialhilfe oder ein anderes soziales Netz. Rückkehrer sind auf die Unterstützung der Familie oder Freunde angewiesen. Vorübergehende Notlagen können durch Armenspeisungen im Tempel, insbesondere der Sikh-Tempel, die auch gegen kleinere Dienstleistungen Unterkunft gewähren, ausgeglichen werden (AA 16.8.2016).

Als Teil einer Armutsbekämpfungsinitiative wurde seit 2010 Millionen indischer Bürger eine Aadhaar ID Nummer ausgestellt. Obwohl diese nicht verpflichtend ist, gaben Beamte an, dass der Nichtbesitz den Zugang zur Staatshilfe limitieren werden könnte (FH 3.10.2013). Die unverwechselbare Identitätsnummer ermöglicht es beispielsweise, dass staatliche Zuschüsse direkt an den Verbraucher übermittelt werden. Anstatt diese auf ein Bankkonto zu senden, wird sie an die unverwechselbare Identitätsnummer überwiesen, die mit der Bank verbunden ist und geht so an das entsprechende Bankkonto. 750 Millionen Inder haben derzeit eine derartige Identitätsnummer, ca. 130 Millionen haben diese auch mit ihrem Bankkonto verknüpft (International Business Times, 2.2.2015).

Die Identifizierungsbehörde Indiens wurde eingerichtet, um die rechtliche und technische Infrastruktur zu schaffen, die notwendig ist, um allen indischen Einwohnern eine 12-stellige Identitätsnummer (UID) auszustellen, die online überprüft werden können. Dieses Projekt soll gefälschte und doppelte Identitäten ausschließen. Das neue Identitätssystem wird mit Fotos, demographischen und biometrischen Details (Fingerabdrücke und IrisBild) verbunden. Der Erwerb einer UID ist freiwillig und kostenlos. Es gibt keine rechtliche Verpflichtung, sich registrieren zu lassen (UK Home Office 2.2015).

Da die im Rahmen des UID bzw. Aadhaar Projektes gesammelten Daten nicht in das nationale Bevölkerungsregister (NPR) integriert werden, stellt dieses jedoch nur eine bloße Auflistung von Namen und demographischen Details dar. Bisher wurden 1,04 Milliarden Aadhaar Nummern generiert, mit dem Plan der vollständigen Erfassung der Bevölkerung bis März 2017. Die zuständige Behörde für die einheitliche Identifikationsnummer weigert sich, die gesammelten Daten an das für das Bevölkerungsregister zuständige Innenministerium weiterzuleiten, da sie aufgrund des im Juli 2016 verabschiedeten Gesetzes von einem Datenaustausch ausgeschlossen ist (HT 8.8.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (16.8.2016): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien

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AA - Auswärtiges Amt (9.2016): Indien, Wirtschaft, http://www.auswaertiges-amt.de/sid_8E633C2F61937CFE7189E5065CD31B93/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Indien/Wirtschaft_node.html, Zugriff 23.12.2016

-

BBC - British Broadcasting Corporation (27.9.2016) India profile - Overview, http://www.bbc.co.uk/news/world-south-asia-12557384, Zugriff 28.12.2016

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BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (8.2014):

Länderinformationsblatt Indien, http://www.bamf.de/SharedDocs/MILo-DB/DE/Rueckkehrfoerderung/Laenderinformationen/Informationsblaetter/cfs_indien-dl_de.pdf?__blob=publicationFile, Zugriff 29.12.2016

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BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (12.2015):

Länderinformationsblatt Republik Indien, https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/698578/704870/698704/772099/18364589/Indien_-_Country_Fact_Sheet_2015%2C_deutsch.pdf?nodeid=17927013&vernum=-2, Zugriff 29.12.2016

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FH - Freedom House (3.10.2013): Freedom on the Net 2013 - India, http://www.ecoi.net/file_upload/3714_1380802722_fotn-2013-india.pdf, Zugriff 9.1.2017

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HT - Hindustan Times (8.8.2016): National Population Register project now a Rs 4,800-crore sinkhole, http://www.hindustantimes.com/india-news/national-population-register-project-now-a-rs-4-800-crore-sinkhole/story-xwmSEA3NwijJFoOpxYe3dN.html, Zugriff 9.1.2017

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International Business Times (2.2.2015): One Billion Indians To Have UID Numbers By Year-End As India Seeks To Boost Social Security,

http://www.ibtimes.com/one-billion-indians-have-uid-numbers-year-end-india-seeks-boost-social-security-1802126, Zugriff 9.1.2017

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UK Home Office (2.2015): Country Information and Guidance India:

Background information, including actors of protection, and internal relocation,

https://www.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/402790/cig_india_background_2015_02_04_v2_0.pdf, Zugriff 29.12.2016

Rückkehr

Allein die Tatsache, dass eine Person in Deutschland einen Asylantrag gestellt hat, führt nicht zu nachteiligen Konsequenzen nach der Abschiebung. In den letzten Jahren hatten indische Asylbewerber, die in ihr Heimatland abgeschoben wurden, grundsätzlich - abgesehen von einer intensiven Prüfung der (Ersatz-) Reisedokumente und einer Befragung durch die Sicherheitsbehörden - keine Probleme. Polizeilich gesuchte Personen müssen allerdings bei Einreise mit Verhaftung und Übergabe an die Sicherheitsbehörden rechnen (AA 16.8.2016). Die indische Regierung hat kein Reintegrationsprogramm und bietet auch sonst keine finanzielle oder administrative Unterstützung für Rückkehrer (BAMF 12.2015).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (16.8.2016): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien

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BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (12.2015):

Länderinformationsblatt Republik Indien, https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/698578/704870/698704/772099/18364589/Indien_-_Country_Fact_Sheet_2015%2C_deutsch.pdf?nodeid=17927013&vernum=-2, Zugriff 29.12.2016

2. Beweiswürdigung:

2.1. Mangels Vorlage eines unbedenklichen nationalen Identitätsdokumentes steht die Identität des Beschwerdeführers nicht fest. Seine Staatsangehörigkeit und seine Herkunft erscheinen auf Grund seiner Sprach- und Ortskenntnisse glaubhaft.

Die Feststellungen über die Lebenssituation des Beschwerdeführers im Herkunftsstaat sowie die Feststellungen, dass der Beschwerdeführer in Österreich keine Verwandten hat, kein Deutsch spricht, keinem Erwerb nachgeht, keine Kurse oder Ausbildungen absolviert, nicht Mitglied in einem Verein oder einer Organisation und gesund ist, beruhen auf den Angaben des Beschwerdeführers im Rahmen der Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 07.02.2018.

Dass der Beschwerdeführer keine Leistungen aus der Grundversorgung in Anspruch nimmt und strafgerichtlich unbescholten ist, ergibt sich aus der Einsichtnahme ins Grundversorgungssystem und ins österreichische Strafregister.

Dass seit 19.01.2018 ein durch Italien erlassenes, den Beschwerdeführer betreffendes Aufenthalts- bzw. Einreiseverbot im Schengener Gebiet, gültig bis 19.01.2021, besteht, ergibt sich aus einem im Akt aufliegenden Auszug aus dem IZR.

Dass der Beschwerdeführer keine persönlichen Probleme mit den Behörden im Herkunftsstaat hatte, beruht auf seinen Angaben in der Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 07.02.2018.

Die Beurteilung der belangten Behörde, wonach das Vorbringen des Beschwerdeführers über die Bedrohung durch die Mitglieder der eigenen Sekte bzw. der Polizei nicht glaubhaft sei, ist zutreffend. Der Beschwerdeführer hat zwar eine derartige Bedrohungssituation sowohl im Verlauf der sicherheitsbehördlichen Erstbefragung am 23.01.2018 als auch bei der Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 07.02.2018 behauptet, seine diesbezüglichen Angaben sind jedoch, wie im angefochtenen Bescheid richtig festgehalten, als teilweise widersprüchlich, sowie logisch nicht nachvollziehbar und wenig konkret und detailliert zu qualifizieren.

So gab der Beschwerdeführer in seiner Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes an, dass er Mitglied der Sekte "Daira Sacha Sauda" gewesen sei und der Anführer am 25.10.2017 wegen Vergewaltigung zu 10 Jahren Haft verurteilt worden sei. Völlig widersprüchlich hierzu gab er eingangs seiner Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 07.02.2018 zu Protokoll, dass der Sektenführer zu zwanzig Jahren verurteilt worden sei, und zwar am 25.08.2017. Es ist logisch nicht nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer in seiner Erstbefragung und in seiner Einvernahme völlig unterschiedliche Angaben zu seinem Kernvorbringen tätigt, zumal er aufgrund der Verurteilung und den daraus resultierenden, von ihm behaupteten Problemen das Land verlassen musste und es überdies erst aufgrund dieser Verurteilung Demonstrationen, bei welchen der Beschwerdeführer ebenfalls teilgenommen haben will, gegeben haben soll. Wäre der Sektenführer - wie vom Beschwerdeführer in der Erstbefragung angeben - tatsächlich erst am 25.10.2017 wegen Vergewaltigung rechtskräftig verurteilt worden, so könnten die Angaben des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, wonach die Unruhen bzw. Demonstrationen (nach der Verurteilung) am 25.08.2017 stattgefunden hätten, keinesfalls der Wahrheit entsprechen, hätten doch die Unruhen - laut Angaben des Beschwerdeführers in der Erstbefragung - vor der Verurteilung des Gurus stattgefunden.

Auch blieben die Angaben des Beschwerdeführers zum Ausreisegrund - wie in der Bescheidbegründung zurecht festgehalten -insgesamt nur sehr abstrakt und wenig detailliert. Danach gefragt, was der konkrete Ausreisegrund sei, führte der Beschwerdeführer an, dass er sich nicht sicher gefühlt habe und depressiv gewesen sei. Weiters danach gefragt, was die Mitgliedschaft bei der Sekte konkret mit seiner Ausreise zu tun habe, führte er erneut nur lapidar an, dass er nach den Unruhen von Sektenmitgliedern und der Polizei belästigt worden sei. Nach diesen Unruhen befragt gab er zu Protokoll, dass es eine Demonstration, bei welcher ca. 25.000 Mitglieder teilgenommen hätten, gegeben habe, bei welcher die Polizei angegriffen worden sei und viele Personen ums Leben gekommen seien; dem Beschwerdeführer sei nichts passiert. Er sei weder festgenommen noch verletzt worden, er sei weggelaufen. Wie nun die Polizei in Erfahrung gebracht haben will, dass der Beschwerdeführer auch an dieser Demonstration teilgenommen hat, vermochte der Beschwerdeführer aber nicht nachvollziehbar darlegen. Wie im angefochtenen Bescheid völlig richtig festgehalten, lässt sich daher logisch nicht erklären, warum sich ausgerechnet der Beschwerdeführer durch das äußerste Mittel der Flucht hat retten müssen, während andere Personen, die ebenfalls Mitglieder der betreffenden Sekte sind und auch an der Demonstration teilgenommen haben, sowie in der Hierarchie sogar höher stehen als der Beschwerdeführer, sehr wohl in der Lage sind, sich im Herkunftsstaat aufzuhalten. So gab der Beschwerdeführer auch zu keinem Zeitpunkt seiner Befragungen an, dass er eine Funktion in der Sekte ausgeübt hätte oder über Informationen verfügt hätte, die von besonderer Bedeutung gewesen wären.

Hinsichtlich der vom Beschwerdeführer behaupteten Verfolgung durch die indische Polizei ist weiters anzuführen, dass der Beschwerdeführer in seiner Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ausdrücklich angab, keine Probleme mit den heimatlichen Behörden gehabt zu haben und auch nicht von ihnen gesucht werde. In diesem Zusammenhang ist auch festzuhalten, dass nicht von einer Verfolgung der Person des Beschwerdeführers ausgegangen werden kann, wenn ihm laut eigenen Angaben zwei Monate vor seiner Ausreise die Ausstellung eines Reisepasses beim Passamt möglich war und er mit diesem auch das Land hat verlassen können. Wäre der Beschwerdeführer tatsächlich im gesamten Staatsgebiet Indiens verfolgt worden, so hätte er sich bestimmt kein Reisedokument ausstellen lassen und mit diesem auch problemlos ausreisen können, weshalb dem diesbezüglichen Vorbringen somit die Glaubwürdigkeit abzusprechen war.

Weiters führte der Beschwerdeführer auch an, dass er Probleme mit den Sektenmitgliedern gehabt habe; sie seien sehr "mafiös". Konkret nach diesen Problemen befragt, gab der Beschwerdeführer aber lediglich an: "Sie wollten noch eine weitere Demonstration gegen die Regierung führen. Als ich nein sagte, habe sie mich bedroht." Um welche konkreten Verfolgungshandlungen es sich dabei gehandelt haben soll bzw. weitere Details dazu bliebt der Beschwerdeführe jedoch schuldig. Aufgrund dieser sehr vagen Verfolgungsbehauptungen des Beschwerdeführers hinsichtlich einer Verfolgung aufgrund die Sektenmitglieder war auch dem diesbezüglichen Vorbringen die Glaubwürdigkeit abzusprechen.

Darüberhinaus würde sich auch bei Wahrunterstellung der Bedrohungsbehauptungen des Beschwerdeführers vor dem Hintergrund der getroffenen Feststellungen über die Lage in seinem Herkunftsstaat daraus keine ernsthafte Bedrohungssituation für den Beschwerdeführer ableiten lassen. Aus den Länderberichten ergibt sich deutlich, dass in Indien volle Bewegungsfreiheit gewährleistet ist. Es kann grundsätzlich örtlich begrenzten Konflikten bzw. Verfolgungshandlungen durch Übersiedelung in einen anderen Landesteil ausgewichen werden. Weiters gibt es kein staatliches Melde- oder Registrierungssystem für indische Staatsbürger und diese besitzen in der Mehrzahl keine Ausweise. Die indische Verfassung garantiert indischen Staatsangehörigen das Recht auf Bewegungsfreiheit im Staatsgebiet sowie das Recht auf Niederlassung und Aufenthalt in jedem Teil des Landes. Auch bei strafrechtlicher Verfolgung ist in der Regel ein unbehelligtes Leben in ländlichen Bezirken in anderen Teilen Indiens möglich, ohne dass diese Person ihre Identität verbergen muss. Der Beschwerdeführer würde daher auch bei Zugrundelegung seiner Angaben über eine Bedrohungssituation die Möglichkeit haben, vor einer Verfolgung von dieser Seite durch Niederlassung außerhalb seiner Herkunftsregion Sicherheit zu finden. Dies erscheint für den Beschwerdeführer aufgrund seiner Sprachkenntnisse in Punjabi, Hindi und Englisch, seiner Ausbildung und Arbeitserfahrung zumutbar, zumal er seinen Lebensunterhalt auch durch Gelegenheitsarbeiten und die finanzielle Unterstützung seiner in Indien lebenden Familie sichern könnte.

2.2. Die oben wiedergegebenen Feststellungen zur Situation in Indien ergeben sich aus den im angefochtenen Bescheid herangezogenen Länderberichten, die dieser Entscheidung zugrunde gelegt wurden. Bei den angeführten Quellen handelt es sich um Berichte verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender staatlicher und nichtstaatlicher Organisationen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes, schlüssiges Gesamtbild der Situation in Indien ergeben.

Den Länderberichten wurde weder in den Einvernahmen noch im Beschwerdeschriftsatz substantiiert entgegengetreten.

3. Rechtliche Beurteilung:

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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