TE OGH 2019/1/17 23Ds2/18y

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Veröffentlicht am 17.01.2019
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 17. Jänner 2019 durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek als Vorsitzende, den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel als weiteren Richter und die Rechtsanwälte Dr. Konzett und Mag. Brunar als Anwaltsrichter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Sischka als Schriftführerin der Disziplinarsache gegen *****, Rechtsanwalt in *****, wegen der Disziplinarvergehen der Verletzung von Berufspflichten und der Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehen des Standes nach § 1 Abs 1 DSt über die Berufung des Disziplinarbeschuldigten gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats der Vorarlberger Rechtsanwaltskammer vom 18. Oktober 2017, AZ D 12/15, D 18/15, D 1/16, D 11/16, TZ 18, nach mündlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Mag. Wachberger, des Kammeranwalts der Vorarlberger Rechtsanwaltskammer Dr. Müller und des Disziplinarbeschuldigten zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Dem Disziplinarbeschuldigten fallen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen – auch in Rechtskraft erwachsene Freisprüche enthaltenden – Erkenntnis wurde *****, Rechtsanwalt in *****, jeweils mehrerer Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung (1.1, 1.2, 1.3, 1.4, 1.5, 1.6, 1.7) und der Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehen des Standes (1.2, 1.3, 1.5, 1.6, 1.7) schuldig erkannt und hiefür unter Bedachtnahme gemäß § 16 Abs 5 DSt iVm §§ 31 und 40 StGB auf das Erkenntnis des Disziplinarrats der Vorarlberger Rechtsanwaltskammer vom 19. Dezember 2016, AZ D 1/15, D 11/15, D 16/15, zu einer Zusatzgeldbuße in Höhe von 5.000 Euro verurteilt.

Danach hat er

zu D 12/15

1.1. J***** und Mag. R***** als Vertreter des J***** trotz deren Verlangen zumindest seit 4. März 2015 bis zur disziplinären Behandlung den Bezug habenden Akt bzw Urkunden betreffend den Prozess J***** gegen die G***** AG (AZ 9 Cg 202/12h des Landesgerichts Feldkirch) nicht herausgegeben;

1.2. mit J***** betreffend die Sache J***** gegen die G***** AG bei Mandatsübernahme, die im Zeitraum zwischen 12. Dezember 2012 und 21. Jänner 2013 erfolgte, eine quota litis von 10 % des erstrittenen Betrages vereinbart sowie der Rechtsschutzversicherung des J***** hinsichtlich dieses Verfahrens am 29. Jänner 2013 an Pauschalgebühr 21.865 Euro in Rechnung gestellt und diesen Betrag in der Folge vereinnahmt, obwohl die Pauschalgebühr vom Landesgericht Feldkirch nicht vorgeschrieben wurde, vielmehr J***** in diesem Verfahren Verfahrenshilfe auch in Form der Befreiung von der Pauschalgebühr genoss;

zu D 1/16

1.3. ab Mai 2014 Rechtsanwalt Dr. M***** im Verfahren gegen die Vorarlberger Rechtsanwaltskammer und ab 21. Oktober 2014 – den emeritierten Rechtsanwalt – Dr. F***** gegen Dr. M***** in einem Honorarprozess betreffend Honoraransprüche aus der Vertretung Dris. M***** gegenüber der Vorarlberger Rechtsanwaltskammer vertreten;

1.4. seit zumindest 11. Juli 2014 seinem Mandanten Rechtsanwalt Dr. M***** trotz mehrfacher Anfrage den Inhalt des zu AZ 57 Cg 45/13z des Landesgerichts Feldkirch (Rechtsanwalt Dr. M***** gegen die Vorarlberger Rechtsanwaltskammer) abgeschlossenen Vergleichs nicht bekannt gegeben;

zu D 11/16

1.5. in einem Schreiben vom 1. Dezember 2014 an Ma*****, Je***** und P***** die Behauptung aufgestellt, das Kreditkonto bei der B***** AG mit der Kontonummer ***** sei vollständig abgedeckt worden, obwohl dies nicht den Tatsachen entsprochen und der Disziplinarbeschuldigte dies gewusst hat;

1.6. in einem Schreiben vom 23. Jänner 2015 an die B***** AG sich der Wortfolge „Die Art und Weise, wie hier mit meiner Mandantschaft verfahren wurde, ist in der Bankenbranche bis dato einzigartig und ein Fall, welcher medienwirksam aufgearbeitet werden sollte“ und „Ich wünsche Ihnen auch viel Glück, wenn Sie nämlich den Prozess beim Landesgericht Feldkirch verlieren, werde ich den Fall entsprechend publizieren“ bedient;

1.7. in einem Schreiben vom 15. Dezember 2014 an die B***** AG sich gegenüber der Sachbearbeiterin Re***** der Wortfolge „Da die bisher befassten Sachbearbeiter der B***** fachlich offensichtlich mit der Abwicklung dieser zugegebenermaßen simpel gehaltenen Causa überfordert sind und sich anstelle der Ausstellung und treuhändigen Übermittlung der bereits zur Verfügung stehenden Löschungsquittung in rechtsirrigen E-Mails verlieren“ bedient.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die Berufung des Disziplinarbeschuldigten wegen Nichtigkeit (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a und lit b StPO) sowie des Ausspruchs über die Schuld und die Strafe.

 

Die Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld ist nicht geeignet, Bedenken gegen Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen zu wecken.

Das gilt insbesondere für die zu 1.1. aufgestellte Behauptung, die Glaubwürdigkeit des Beschuldigten sei im Verhältnis zu jener seines ehemaligen Mandanten J***** höher einzuschätzen, zumal der Beschuldigte sich erfolgreich darum bemüht habe, eine 405.000 Euro betragende Forderung des „hoch verschuldeten, spielsüchtigen, alkoholabhängigen und mit strafrechtlichen Problemen konfrontierten J*****“ gegenüber der G***** AG durchzusetzen. Ob eine schriftliche Ausfertigung des bezughabenden Vergleichs und „die Abrechnung“ in der Folge dem Masseverwalter im Insolvenzverfahren des J***** ausgefolgt wurde, ist dem Berufungsstandpunkt zuwider in Bezug auf die vom Beschuldigten zu vertretenden Interessen seines Mandanten J***** ohne Belang.

Zu 1.4. tut es nichts zur Sache, dass jener vom Beschuldigten für seinen Mandanten Dr. M***** mit der Vorarlberger Rechtsanwaltskammer am 5. Juni 2014 geschlossene Vergleich letztlich in das Verfahren AZ 8 Cg 115/14k des Landesgerichts Feldkirch Eingang gefunden hat und auf diese Weise (auch) Dr. M***** zur Kenntnis gelangt ist. Dieser Umstand ändert nämlich nichts am festgestellten Sachverhalt, wonach Dr. M***** den Beschuldigten als seinen Rechtsfreund am 11. Juli 2014 schriftlich um unverzügliche vollinhaltliche Information betreffend den mit der Vorarlberger Rechtsanwaltskammer abgeschlossenen Vergleich ersuchte, dieser aber – an Stelle der von ihm geschuldeten Information – in der Folge lediglich darauf verwies, dass Dr. M***** bereits von Dr. F***** telefonisch über die Höhe der Vergleichssumme, nämlich 130.000 Euro, informiert worden sei (ES 18).

Woraus sich zu 1.5. ergeben sollte, dass der Beschuldigte (nur) subjektiv der Auffassung gewesen sei, dass am 1. Dezember 2014 die – zur Abdeckung einer offenen Kreditschuld erforderliche – Überweisung eines Geldbetrages an die B***** AG bereits erfolgt sei, legt die Berufung unter Hinweis auf Feststellungen im „Verfahren 9 Cg 149/14t“, wonach „am 12. 06. 2015 der gesamte Geldbetrag überwiesen wurde und von der B***** das ganze Geld zurücküberwiesen wurde“, nicht dar.

Der Behandlung der Rechtsrüge (Z 9 lit a und lit b) ist voranzustellen, dass die gesetzmäßige Ausführung eines materiell-rechtlichen Nichtigkeitsgrundes das Festhalten am gesamten im Urteil (hier: Erkenntnis) festgestellten Sachverhalt, dessen Vergleich mit dem darauf anzuwendenden Gesetz und die Behauptung erfordert, dass das Erstgericht bei der Beurteilung dieses Sachverhalts einem Rechtsirrtum unterlegen ist (RIS-Justiz RS0099810). Zudem ist die in der Rechtsrüge behauptete rechtliche Konsequenz methodisch vertretbar, das heißt folgerichtig aus dem Gesetz abzuleiten (RIS-Justiz RS0116565).

Zu 1.1. nimmt die Berufung nicht wie geboten am Erkenntnissachverhalt in seiner Gesamtheit Maß. Dem Rechtsmittelstandpunkt zuwider ist dem Erkenntnis nämlich mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, dass sich der Vorwurf, der Beschuldigte habe seinem ehemaligen Mandanten J***** eine von diesem unterschriebene Urkunde nicht herausgegeben, auf den mit der G***** AG abgeschlossenen Vergleich bezieht (ES 11 f). Dass es sich dabei um eine dem aus der zugrunde liegenden Vereinbarung Berechtigten J***** gehörige Urkunde handelt, ist – bei verständiger Lesart – evident.

Im Übrigen ist es zwar richtig, dass das Aushändigen von Unterlagen eine Holschuld darstellt (Rohregger in Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek, RAO10 § 12 Rz 3), jedoch besteht gemäß § 12 Abs 1 RAO bei Beendigung des Vollmachtsverhältnisses (vgl ES 11, 23) sehr wohl eine Pflicht zur Aushändigung von Unterlagen in Form einer Bringschuld (RIS-Justiz RS0120888 [T1]). Aber auch die Erfüllung einer Holschuld würde die Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft des Schuldners voraussetzen, wobei ein mündliches Leistungsangebot genügt (vgl RIS-Justiz RS0108203). Ein mündliches Leistungsangebot des Beschuldigten hat der Disziplinarrat nicht festgestellt. Vielmehr verweigerte der Beschuldigte gemäß den Konstatierungen ausdrücklich die Herausgabe der geforderten Unterlagen (vgl ES 12).

Zu 1.2. vermag der Berufungswerber nicht darzustellen, weshalb die unter Verschweigung der zum Rechnungslegungszeitpunkt aufrechten – die Vertretung durch einen Rechtsanwalt und die Gebührenbefreiung umfassende – Verfahrenshilfe anlässlich der Klageeinbringung erfolgte Abrechnung gegenüber dem Rechtsschutzversicherer, die an Pauschalgebühr einen Betrag von 21.865 Euro auswies (ES 11), keinen Verstoß gegen § 13 RL-BA 2015 (inhaltlich ident mit § 16 RL-BA 1977) darstellen sollte, wonach der Rechtsanwalt Gelder und andere Vermögenswerte, die ihm zu einem bestimmten Zweck übergeben worden sind, weder widmungswidrig verwenden noch zurückbehalten darf.

Vielmehr hat der Rechtsanwalt fremdes Geld, soferne kein Grund besteht, es zu verwahren, an den Berechtigten ohne unnötigen Verzug auszufolgen (§ 43 Abs 2 RL-BA 1977, wortgleich mit § 43 Abs 2 RL-BA 2015).

Überhaupt gehört der korrekte Umgang des Rechtsanwalts mit Fremdgeldern zu seinen grundlegendsten und wichtigsten Pflichten. Genaue Kenntnis der Konten- und Geldverwaltung ist daher für jeden Rechtsanwalt ebenso unerlässlich wie sorgfältigster Umgang in diesem Bereich. Ein Verstoß gegen das Gebot des korrekten Umgangs mit Fremdgeldern stellt nach gefestigter Standesauffassung nicht nur eine gravierende Berufspflichtenverletzung dar, sondern ist auch geeignet, das Vertrauen in den Rechtsanwaltsstand massiv zu erschüttern (RIS-Justiz RS0055151, RS0055847). Das Vorschreiben und Einbehalten einer tatsächlich nicht angefallenen Pauschalgebühr widerspricht jedenfalls den Grundsätzen einer ordentlichen Fremdgeldverwaltung. Ob der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe vom Beschuldigten selbst gestellt wurde, ist im Übrigen nicht entscheidend.

Der weitere Einwand, die konkrete Rechnungslegung sei für den Fall tatsächlicher Vorschreibung der Gerichtsgebühren erfolgt, wobei im Fall der Verjährung eine Rücküberweisung an den Rechtsschutzversicherer stattgefunden hätte, findet im Erkenntnis keine Deckung und ist zudem spekulativ.

Dem ebenfalls zu 1.2. aus Z 9 lit b vertretenen Berufungsstandpunkt zuwider ist das in § 16 Abs 1 zweiter Satz RAO (vgl auch § 879 Abs 2 Z 2 ABGB) normierte – nach herrschender Auffassung dem Mandantenschutz und der Standesehre dienende (Bollenberger in Koziol/Bydlinski/Bollenberger, ABGB5 § 879 Rz 16; 6 Ob 224/12b) – Verbot einer quota litis-Vereinbarung dem Strafaufhebungsgrund tätiger Reue nicht zugänglich, weil die durch den Abschluss der Vereinbarung verwirklichte Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Rechtsanwaltsstands durch die behauptete freiwillige Aufhebung der – ohnehin nichtigen – quota litis-Vereinbarung nicht beseitigt werden kann.

Zu 1.3. geht der Berufungswerber rechtsirrig davon aus, dass im Rahmen einer sogenannten anwaltlichen Regiegemeinschaft ungeachtet des in § 10 RAO normierten Doppelvertretungsverbots eine wechselseitige Vertretung der Regiepartner bei der Geltendmachung von Honoraransprüchen zulässig wäre. Dies gilt nämlich nur in Ansehung von Kanzleigemeinschaften, die gegenüber dem Mandanten von vornherein als Einheit auftreten, wie dies etwa bei Gesellschaften bürgerlichen Rechts oder Gesellschaften mit beschränkter Haftung der Fall ist. Findet hingegen keine Teilung aller Einnahmen und Ausgaben statt, was auf sogenannte Regiegemeinschaften zutrifft, so handelt es sich bei der Forderung eines Kanzleikollegen um eine fremde Forderung (vgl RIS-Justiz RS0055463 [insbesondere T2]).

Daran ändert im Übrigen auch der Verweis auf den Umstand nichts, dass der Beschuldigte zum mittlerweiligen Stellvertreter Dris. F***** bestellt wurde, nachdem dieser auf die Ausübung der Rechtsanwaltschaft verzichtet hatte (ES 19). Ein nach § 56 RL-BA 2015 (inhaltlich ident mit § 61 RL-BA 1977) bestellter mittlerweiliger Stellvertreter für einen Rechtsanwalt, der auf die Ausübung der Rechtsanwaltschaft verzichtet hat, hat nämlich primär die Interessen der Mandanten des vormaligen Rechtsanwalts zu wahren. Er ist weder verfahrensrechtlicher noch materiell-rechtlicher Vertreter des ehemaligen Rechtsanwalts, auch nicht Unternehmens- oder Betriebsnachfolger des ausgeschiedenen Rechtsanwalts. Seine Mitwirkung hat sich vielmehr auf die im Interesse der Mandanten des ehemaligen Rechtsanwalts gelegene Einhaltung der berufsrechtlichen Vorschriften bei der Abwicklung der Kanzlei zu beschränken. Der mittlerweilige Stellvertreter übernimmt weder Auftrag noch Vollmacht vom früheren Rechtsanwalt; er tritt in dessen Mandatsbeziehung oder sonstige zivilrechtliche Beziehungen also nicht per se ein (Engelhart in Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek, RAO10 § 61 RL-BA 1977 Rz 3 ff).

Insoweit der Berufungswerber die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs 2 Ob 13/02d (JBl 2002, 590) ins Treffen führt, übersieht er, dass dort schuldbefreiende Wirkung einer Zahlung (auch) an den mittlerweiligen Stellvertreter und nicht die klageweise Geltendmachung einer Forderung Gegenstand ist.

Der Disziplinarrat ging allerdings von einem Mandatsverhältnis zwischen dem Beschuldigten und Dr. F***** aus (ES 19), das in Bezug auf das zwischen dem Beschuldigten und Dr. M***** (dem damaligen Mandanten des Dr. F*****) in diesem Zusammenhang bereits zuvor bestandene Mandatsverhältnis den Tatbestand der formellen Doppelvertretung nach § 10 RAO insofern erfüllt, als ein Interessenkonflikt zwischen den beiden besteht (§ 10 Abs 1 Z 3 RL-BA 2015 ident mit § 12a Z 3 RL-BA 1977).

In Ansehung dieses Vorwurfs spielt im Übrigen weder die Verdienstlichkeit des Beschuldigten gegenüber seinen davon betroffenen Mandanten noch ein allfällig disziplinarrechtlich bedenkliches Verhalten eines der beiden eine Rolle.

Zu 1.4. vermeint der Berufungswerber, der Vorwurf, seinen Mandanten Dr. M***** seit zumindest 11. Juli 2014 trotz mehrfacher Anfrage nicht über den Inhalt eines – von ihm – abgeschlossenen Vergleichs informiert zu haben, wäre dadurch entkräftet, dass Dr. M***** am 8. Juli 2014 von seinem vormaligen Rechtsfreund Dr. F***** über die Höhe des Vergleichsbetrags unterrichtet worden sei. Er verkennt, dass sich aus der vornehmsten Berufspflicht eines Rechtsanwalts, nämlich der Treue zu seiner Partei (§ 10 RL-BA 1977 ident mit § 6 RL-BA 2015), ergibt, dass ein Mandant einen unmittelbar gegen seinen aktuellen rechtsanwaltlichen Vertreter gerichteten Anspruch auf vollständige und zeitnahe (vgl Bkd 30/74, AnwBl 1976, 230: „sogleich“) Information über eine für ihn wirksame Beilegung eines Rechtsstreits hat (RIS-Justiz RS0055525), und zwar auch dann, wenn dies von der Partei nicht besonders verlangt wurde (vgl erneut AnwBl 1976, 230).

Nach § 17 RL-BA 2015 (ident mit § 2 RL-BA 1977) darf der Rechtsanwalt Ansprüche nicht mit unangemessener Härte verfolgen und sachlich nicht gerechtfertigte Druckmittel weder ankündigen noch anwenden. Aufträge, durch welche Ehre und Ansehen des Standes verletzt werden oder welche mit seinen Berufspflichten nicht vereinbar sind, darf ein Rechtsanwalt nicht annehmen. Die Androhung inadäquater Maßnahmen zur Durchsetzung der Ansprüche des Klienten bildet, selbst wenn dazu ein Klientenauftrag vorlag, ein disziplinär zu ahndendes Fehlverhalten (RIS-Justiz RS0055970).

Es mag nach sorgfältiger Überlegung aller Umstände im Interesse des Klienten zulässig sein, dessen Standpunkt medial zu verbreiten. In der Ankündigung der Bekanntgabe des Prozessgegenstands an einschlägige Medien (auch) zu dem Zweck, den Prozessgegner zur Erfüllung der geltend gemachten Forderung zu veranlassen, liegt aber eine nach § 2 RL-BA 1977 (§ 17 RL-BA 2015) unzulässige Ankündigung eines sachlich nicht gerechtfertigten Druckmittels (vgl Engelhart in Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek, RAO10 § 2 RL-BA 1977 Rz 16; RIS-Justiz RS0072439).

Fallbezogen vermag der Beschuldigte zu 1.6. unter Hinweis auf sein jahrelanges Bemühen, die außergerichtlich geführte Korrespondenz und die Löschungsklage beim Landesgericht Feldkirch, die letztlich zum Erfolg geführt und erbracht habe, dass die B***** AG die begehrte Löschung des Pfandrechts zu Unrecht abgelehnt habe, nicht überzeugend darzulegen, dass seine während des bereits angestrengten Prozesses (ES 21) erfolgte Ankündigung, im Fall des Obsiegens die Medien einzuschalten, ein sachlich gerechtfertigtes Mittel zur Vertretung des Anspruchs seiner Mandantschaft gewesen sei.

Soweit der Rechtsmittelwerber zu 1.7. sein Unverständnis für den Rechtsstandpunkt der B***** AG im Zusammenhang mit der Löschung eines Pfandrechts seiner Mandantschaft betont, ändert dies nichts daran, dass die im gegenständlichen Schreiben an eine Mitarbeiterin dieser Bank verwendete Ausdrucksweise ein Mittel im Sinn des § 17 RL-BA 2015 (§ 2 RL-BA 1977) darstellte, das mit Ehre und Ansehen des Standes nicht vereinbar ist, weil sich der Beschuldigte darin einer unnötig herabsetzenden und beleidigenden Äußerung bedient hat.

Der Rechtsanwalt als qualifizierter Jurist hat sich nämlich stets in Wort und Schrift einer sachlichen Ausdrucksweise zu bedienen und jede unsachliche oder beleidigende Äußerung zu unterlassen (RIS-Justiz RS0055208). Unsachliche und (durch Herabsetzung des Adressierten) auch beleidigende Äußerungen gehen über die Befugnis des § 9 RAO zu unumwundenem Vorbringen jedenfalls hinaus, wenn sie mit einer energischen und zielbewussten Vertretung des Mandanten kaum in Zusammenhang zu bringen und lediglich Ausdruck einer mit persönlicher Animosität geführten Kontroverse sind (RIS-Justiz RS0117215, vgl auch RS0072230).

Der Berufung des Beschuldigten wegen Nichtigkeit und wegen des Ausspruchs über die Schuld war
– wie bereits die Generalprokuratur zutreffend ausgeführt hatte – nicht Folge zu geben.

Gleiches trifft auf die Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe zu, mit der der Beschuldigte unter anderem mit den Behauptungen einer Abstandnahme von der Ausnützung der quota litis-Vereinbarung, eines sozialen Verhaltens bei seiner Honorargestaltung in Betreff von J***** und Dr. M***** sowie des Abschlusses „guter“ Vergleiche in diesen beiden Fällen eine mildere Strafe begehrt.

Die weiters reklamierte unverhältnismäßige Verfahrensdauer im Sinn des § 34 Abs 2 StGB liegt nicht vor. Bei der Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrensdauer sind stets die Umstände des Einzelfalls an Hand der Komplexität des Falls, des Verhaltens des Beschwerdeführers und jenes der zuständigen Behörden zu berücksichtigen (RIS-Justiz RS0054839 [T5], vgl auch RS0116663).

Fallaktuell hatte sich der Disziplinarrat mit einer Vielzahl von Vorwürfen auseinanderzusetzen und hat der Beschuldigte durch die Stellung eines
– unberechtigten – Ablehnungsantrags sowie mehrfaches unentschuldigtes Fernbleiben von den Verhandlungen des Disziplinarrats (vgl ES 7 f) selbst zur Verzögerung des Verfahrens beigetragen. Längere Phasen der Untätigkeit des Kammeranwalts, des Untersuchungskommissärs oder des Disziplinarrats sind den Akten nicht zu entnehmen (vgl auch ES 5 ff).

Dass, wie vom Berufungsweber zutreffend kritisiert, nach der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 28. August 2017, GZ 23 Ds 6/17k-12, auf eine Geldbuße in Höhe von 800 Euro – und nicht wie in erster Instanz ausgesprochen in Höhe von 1.000 Euro (vgl nämlich ES 30) – Bedacht zu nehmen war, ändert nichts an der Angemessenheit der vom Disziplinarrat rechtsrichtig (vgl Lehner in Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek, RAO10 § 16 DSt Rz 22 ff) verhängten Zusatzgeldbuße.

Nach § 16 Abs 6 DSt ist bei der Verhängung der (Zusatz-)Strafe auf die Größe des Verschuldens und die daraus entstandenen Nachteile, vor allem für die Recht suchende Bevölkerung, bei Bemessung der Geldbuße auch auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Disziplinarbeschuldigten Bedacht zu nehmen. Es gelten die maßgebenden Grundsätze der §§ 32 ff StGB (RIS-Justiz RS0054839), es sind sohin spezial- und generalpräventive Bedürfnisse bei der Strafzumessung auch im Disziplinarrecht zu berücksichtigen (Lehner in Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek, RAO10 § 16 DSt Rz 17 mwN). Dabei ist vor allem maßgeblich, ob die Taten auf einer gegenüber rechtlich geschützten Werten ablehnenden oder gleichgültigen Einstellung des Täters beruhen oder ob sie auf äußere Umstände und Beweggründe zurückzuführen, durch die auch ein mit rechtlich geschützten Werten verbundener Mensch straffällig werden könnte (§ 32 Abs 2 zweiter Satz StGB; vgl Ebner in WK2 StGB § 32 Rz 7).

Schon weil derartige Beweggründe nicht erkennbar sind und angesichts der Vielzahl der – zufolge ungerechtfertigter Vereinnahmung einer Pauschalgebühr und Abschluss einer quota litis-Vereinbarung (1.2.), mag diese auch nicht schlagend geworden sein, sowie der Doppelvertretung (1.3.) und des Verstoßes gegen die Treuepflicht (1.4.) – teils besonders schwerwiegenden Vergehen sowie unter Berücksichtigung der Vorstrafenbelastung und dem Fehlen von Milderungsgründen ist die vom Disziplinarrat verhängte Zusatzgeldbuße – bei einer möglichen Gesamtgeldbuße von bis zu 45.000 Euro (§ 16 Abs 1 Z 2 DSt) – auch unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens keineswegs korrekturbedürftig.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 54 Abs 5 DSt iVm § 38 Abs 2 DSt.

Textnummer

E123873

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2019:0230DS00002.18Y.0117.000

Im RIS seit

05.02.2019

Zuletzt aktualisiert am

07.01.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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