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41/02 Staatsbürgerschaft;Norm
StbG 1985 §10 Abs1 Z6;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Bachler und Dr. Rigler als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde der DB in G, vertreten durch Dr. Klaus Kocher, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Sackstraße 36, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 22. Dezember 1998, Zl. 2-11.B/ 327-98/9, betreffend Verleihung der Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Steiermark hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 22. Dezember 1998 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin - einer am 15. September 1959 geborenen rumänischen Staatsangehörigen - vom 25. Mai 1998 auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß § 11a in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 6 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985, BGBl. Nr. 311 - StbG -, abgewiesen.
Aus dem Akteninhalt ergibt sich, dass die Beschwerdeführerin seit 19. Juli 1991 in Österreich gemeldet und in dritter Ehe seit 1. März 1996 mit einem österreichischen Staatsbürger verheiratet sei.
Die belangte Behörde begründete ihre Entscheidung ausschließlich damit, dass die Verleihungsvoraussetzung des § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG nicht gegeben sei und führte dazu aus:
"Im durchgeführten Ermittlungsverfahren ist hervorgekommen, dass die Obgenannte vom Landesgericht für Strafsachen in Graz gem. §§ 146 und 269/1 StGB (Zechbetrug u. Widerstand gegen die Staatsgewalt) zu 2 Monaten Freiheitsstrafe bedingt, Probezeit 3 Jahre verurteilt wurde.
Bei der Beurteilung der Frage, ob eine Person mit Rücksicht auf von ihr begangener strafbarer Handlungen eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit im Sinne des § 10 Abs. 1 Ziffer 6 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 bildet, kommt es lediglich darauf an, ob es sich um einen Rechtsbruch handelt, der den Schluss gerechtfertigt erscheinen lässt, die Betreffende werde auch in Zukunft wesentliche zur Abwehr und Unterdrückung von Gefahren für Leben, Gesundheit, Sicherheit, öffentliche Ruhe und Ordnung, erlassene Vorschriften missachten. Fest steht, dass sich die Genannte gegen mehrere zum Teil schwer wiegende Verstöße österreichischer strafgesetzlicher Bestimmungen schuldig gemacht hat."
Zu diesem Verfahrensergebnis sei der Beschwerdeführerin Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt worden, welche nicht genützt worden sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Im gegenständlichen Fall ist das StbG aufgrund der Zustellung des angefochtenen Bescheides am 24. Dezember 1998 in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 124/1998, welche mit 1. Jänner 1999 in Kraft trat, anzuwenden.
Gemäß § 11a StbG ist einem Fremden unter den Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z. 2 bis 8 und Abs. 2 leg. cit. die Staatsbürgerschaft zu verleihen, wenn
1.
sein Ehegatte Staatsbürger ist,
2.
die Ehe weder von Tisch und Bett noch sonst ohne Auflösung des Ehebandes gerichtlich geschieden ist,
3. er nicht infolge der Entziehung der Staatsbürgerschaft nach § 33 Fremder ist und
4. a) die Ehe seit mindestens einem Jahre aufrecht ist und er seinen Hauptwohnsitz seit mindestens vier Jahren ununterbrochen im Gebiet der Republik hat oder bei einer Ehedauer von mindestens zwei Jahren ein solcher Wohnsitz seit mindestens drei Jahren besteht oder
b) die Ehe seit mindestens fünf Jahren aufrecht und sein Ehegatte seit mindestens zehn Jahren ununterbrochen Staatsbürger ist.
Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG darf die österreichische Staatsbürgerschaft einem Fremden nur verliehen werden, wenn er nach seinem bisherigen Verhalten Gewähr dafür bietet, dass er zur Republik Österreich bejahend eingestellt ist und keine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit bildet.
Die belangte Behörde ging - ohne dies im angefochtenen Bescheid ausdrücklich anzuführen - offensichtlich davon aus, dass die Beschwerdeführerin die Voraussetzungen der Z. 1 bis 4 des § 11a StbG erfülle, vertrat jedoch die Ansicht, dass die Einbürgerungsvoraussetzung nach § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG nicht gegeben sei. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der nach der letztgenannten Bestimmung vorzunehmenden Beurteilung - anders als bei der Beurteilung der Verleihungsvoraussetzung gemäß § 10 Abs. 1 Z. 2 StbG, wofür es lediglich auf das Vorliegen von Verurteilungen mit einem bestimmten Strafausmaß ankommt - vom Gesamtverhalten des Einbürgerungswerbers auszugehen, welches wesentlich - aber nicht ausschließlich - durch das sich aus der Art, Schwere und Häufigkeit der von ihm begangenen Straftaten ergebende Charakterbild bestimmt wird. Hiebei sind auch solche Straftaten zu beurteilen, für welche der Fremde zu einer Strafe verurteilt wurde, die das in § 10 Abs. 1 Z. 2 StbG umschriebene Ausmaß nicht erreicht (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 25. Februar 1998, Zl. 96/01/0107). Bei der Verleihungsvoraussetzung gemäß § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG stellt der Gesetzgeber nicht auf formelle Gesichtspunkte ab, sondern ist es lediglich maßgebend, ob es sich um Rechtsbrüche handelt, die den Schluss rechtfertigen, der Betreffende werde auch in Zukunft wesentliche, zum Schutz vor Gefahren für das Leben, die Gesundheit, die Sicherheit oder die öffentliche Ruhe und Ordnung erlassene Rechtsvorschriften missachten. Aus der Art, der Schwere und der Häufigkeit solcher Verstöße kommt die - allenfalls - negative Einstellung des Betreffenden gegenüber den zur Hintanhaltung solcher Gefahren erlassenen Gesetzen deutlich zum Ausdruck.
Der vorliegende Bescheid enthält zur Beurteilung dieser Kriterien jedoch keine ausreichenden Feststellungen. Die belangte Behörde hat lediglich die Verurteilung der Beschwerdeführerin festgestellt. Für die Beurteilung des Gesamtverhaltens und die auf dieser Grundlage zu erstellende Prognose über das künftige Verhalten der Beschwerdeführerin u.a. erforderliche Feststellungen über die Art und Schwere der zugrundeliegenden Straftaten sind im angefochtenen Bescheides in nicht ausreichender Weise nur als Schlagworte "Zechbetrug u. Widerstand gegen die Staatsgewalt" erwähnt. Erwägungen zum übrigen Verhalten der Beschwerdeführerin fehlen zur Gänze. Dieser Verfahrensmangel hindert den Verwaltungsgerichtshof an der Überprüfung der von der belangten Behörde vertretenen Ansicht, die Beschwerdeführerin biete aufgrund ihres bisherigen Verhaltens keine Gewähr, keine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit darzustellen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 11. November 1997, Zl. 96/01/1047).
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Wien, am 6. Juli 1999
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1999010040.X00Im RIS seit
20.11.2000