TE Bvwg Erkenntnis 2018/10/10 G313 2151669-1

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Veröffentlicht am 10.10.2018
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Entscheidungsdatum

10.10.2018

Norm

B-VG Art.133 Abs4
FPG §67

Spruch

G313 2151669-1/23E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Birgit WALDNER-BEDITS als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA. Bulgarien, vertreten durch RA Dr. Rudolf MAYER, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.03.2017, Zl. XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 29.05.2018 zu Recht erkannt:

A) Der Beschwerde wird insofern stattgegeben, als die Dauer des Aufenthaltsverbotes auf 2 (zwei) Jahre herabgesetzt wird.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Mit dem angefochtenen Bescheid des BFA vom 08.03.2017, wurde über den BF gemäß § 67 Abs. 1 und Abs. 2 FPG ein fünfjähriges Aufenthaltsverbot verhängt (Spruchpunkt I.) und dem BF gemäß § 70 Abs. 3 FPG ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat ab Durchsetzbarkeit dieser Entscheidung erteilt (Spruchpunkt II.).

2. Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben. Es wurde beantragt, den angefochtenen Bescheid gänzlich zu beheben, in eventu das gegen den BF erlassene Aufenthaltsverbot wesentlich zu verkürzen, in eventu den angefochtenen Bescheid zu beheben und die Angelegenheit zur Verfahrensergänzung an die belangte Behörde zurückzuverweisen.

3. Am 30.03.2017 langten beim Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) die gegenständliche Beschwerde samt dazugehörigem Verwaltungsakt ein.

4. Mit Entscheidung des BVwG vom 09.11.2017 wurde der Beschwerde insofern Folge gegeben, als die Dauer des Aufenthaltsverbotes auf drei Jahre herabgesetzt wurde. Im Übrigen wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und die Revision für nicht zulässig erklärt.

5. Gegen diese Entscheidung wurde fristgerecht Revision erhoben.

6. Mit Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes (im Folgenden: VwGH) vom 15.03.2018, Zl. Ra 2018/21/0007-6, wurde das Erkenntnis des BVwG vom 09.11.2017 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Dies wurde im Wesentlichen damit begründet, es sei unter Berücksichtigung des Gesamtverhaltenes des BF eine Gefährdungsprognose zu treffen und im Zuge einer mündlichen Verhandlung auch die Verschaffung eines persönlichen Eindrucks nötig gewesen.

7. Am 29.05.2018 wurde vor dem BVwG, Außenstelle Graz, eine mündliche Verhandlung durchgeführt, in welcher der rechtlich vertretene BF und sein Onkel näher befragt wurden.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der BF ist bulgarischer Staatsangehöriger. Er wurde in Bulgarien geboren.

1.2. Wann der BF genau in das österreichische Bundesgebiet eingereist ist, war nicht feststellbar.

Der BF war jedenfalls nach seiner Einreise im Bundesgebiet zunächst nur mit Nebenwohnsitz gemeldet, und zwar von 17.11.2006 bis 22.12.2006 und von 06.02.2007 bis 21.08.2007. Nach einer Meldelücke weist der BF von 08.02.2008 bis 06.07.2009 und nach einer Meldeunterbrechung, in welcher der BF von 02.09.2010 bis 29.06.2011 obdachlos gemeldet war, nunmehr seit 29.06.2011 eine durchgehende Hauptwohnsitzmeldung auf.

1.3. Dem BF wurde am 09.12.2014 unbefristet ein Aufenthaltstitel mit dem Aufenthaltszweck "Anmeldebescheinigung (Arbeitnehmer)" ausgestellt.

1.4. Der BF wurde im Bundesgebiet auch einmal von einem inländischen Strafgericht rechtskräftig strafrechtlich verurteilt, und zwar

mit Urteil von Juni 2016 wegen Begehung des Verbrechens des gewerbsmäßig schweren Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von 20 Monaten, bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren.

Diesem Strafrechtsurteil lag zugrunde, dass der BF als Mittäter mit seinem Bruder zusammen im Zeitraum von Jänner 2015 bis Ende April 2015 und allein im Zeitraum von April 2015 bis Februar 2016 mehrmals Verfügungsberechtigten gewerbsmäßig fremde bewegliche Sachen, nämlich Bargeld in jeweils nicht mehr feststellbarer Höhe aus Opferstöcken in Kirchen, mit dem Vorsatz, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, weggenommen hat.

Bei der Strafbemessung dieses Urteils wurden der wesentliche Beitrag des BF zur Wahrheitsfindung - sei er doch monatelang der anonyme Hinweisgeber der Polizei, durch den man überhaupt auf die restlichen Angeklagten gekommen sei, gewesen, sein reumütiges Geständnis und seine Unbescholtenheit mildernd und die "mehrfache Tatbegehung innerhalb der Gewerbsmäßigkeit" erschwerend berücksichtigt.

1.5. Bereits zuvor wurde der BF im Jahr 2012 wegen Verstoßes gegen das Suchtmittelgesetz, im Jahr 2013 wegen Entwendung und im Jahr 2015 wegen Raufhandels angezeigt, deswegen jedoch nicht strafrechtlich verurteilt, weil diese Strafverfahren wegen Geringfügigkeit bzw. Zahlung eines Geldbetrages eingestellt wurden.

1.6. Der BF hat in seinem Herkunftsland zwei Brüder. Diese wurden, wie er der belangten Behörde per E-Mail vom 21.12.2016 mitteilte, bereits im Sommer 2016 in ihren Herkunftsstaat abgeschoben. Der BF hat mit dem Bruder, mit dem er im Bundesgebiet zusammen Straftaten begangen hat, keinen Kontakt mehr. Zu seinem zweiten Bruder, der behindert ist und in seinem Herkunftsstaat eine Behindertenpension bezieht, hält der BF Telefonkontakt.

Der BF ist nicht verheiratet, hat keine Kinder und lebt auch nicht in einer Lebensgemeinschaft.

1.7. Der BF ging im Bundesgebiet bei verschiedenen Dienstgebern mehreren - jeweils nur kurzfristigen und geringfügigen - Beschäftigungen nach. Für seine Beschäftigung in den Monaten März und April 2017 wurde der BF nachweislich mit EUR 361,59 netto und für seine Beschäftigung in der Probezeit bei einem weiteren Dienstgeber zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung am 29.05.2018 mit EUR 700,- netto monatlich entlohnt. Dieses Dienstverhältnis wurde jedoch nicht, wie der BF in mündlicher Verhandlung am 29.05.2018 angegeben hat, verlängert. Es folgte daraufhin eine paartägige geringfügige Beschäftigung bei einem weiteren Dienstgeber im Juli 2018. Nunmehr steht der BF in einem seit 26.07.2018 laufenden Arbeitsverhältnis.

Dem BF wurden von der zuständigen Magistratsabteilung für den Zeitraum von 15.07.2016 bis 31.07.2017 "Geldaushilfen" zugesprochen, und zwar anfangs für den Zeitraum von 15.07.2016 bis 31.07.2016 EUR 456,31, dann von 01.08.2016 bis 31.08.2016 EUR 620,57, daraufhin bis einschließlich 30.06.2017 EUR 584,92 und zuletzt von 01.07.2017 bis 31.07.2017 EUR 234,92.

Für seine Wohnung zahlt der BF nachweislich monatlich rund EUR 440 netto.

1.8. In seinem Herkunftsstaat ging der BF vom 13. bis 18. Lebensjahr einer Beschäftigung als Autowäscher nach.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Verfahrensgang:

Der oben angeführte Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des BFA sowie des nunmehr dem BVwG vorliegenden Gerichtsaktes.

2.2. Zur Person des BF und seinen individuellen Verhältnissen:

2.2.1. Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität (Namen, Geburtsdatum, Geburtsort), Staatsangehörigkeit, des BF getroffen wurden, beruhen diese auf den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, denen in der Beschwerde nicht entgegengetreten wurde.

2.2.2. Die Feststellungen zu den Wohnsitzmeldungen des BF in Österreich beruhen auf einem aktuellen Zentralmelderegisterauszug

2.2.3. Dass dem BF am 09.12.2014 unbefristet ein Aufenthaltstitel mit dem Aufenthaltszweck "Anmeldebescheinigung (Arbeitnehmer)" ausgestellt wurde, war aus einem Fremdenregisterauszug und einer dem Verwaltungsakt einliegenden Anmeldebescheinigung (AS 116) ersichtlich.

2.2.4. Die Feststellungen zu den familiären Verhältnissen des BF ergaben sich aus den vom BF unbestritten gebliebenen Feststellungen im angefochtenen Bescheid, seinem diesbezüglichen Beschwerdevorbringen und seinen Angaben in mündlicher Verhandlung am 29.05.2018. Dass seine beiden Brüder bereits im Sommer 2016 in ihr Herkunftsland Bulgarien abgeschoben wurden, hat der BF gegenüber der belangten Behörde mit E-Mail vom 21.12.2016 glaubhaft gemacht (AS 128). Dass der BF zu seinem Bruder, mit welchem er im Bundesgebiet kriminellen Machenschaften nachgegangen ist, keinen und zu seinem zweiten Bruder Telefon - Kontakt hat, beruht auf seinen diesbezüglich glaubhaften Angaben in mündlicher Beschwerdeverhandlung.

2.2.5. Die Feststellungen hinsichtlich der strafrechtlichen Verurteilung des BF stützen sich auf den aktuellen Strafregisterauszug. Der Inhalt seiner strafrechtlichen Verurteilung ergibt sich aus einer dem Verwaltungsakt eiliegenden gekürzten Urteilsausfertigung vom 0XXXX.2016 (AS 83ff). Dass der BF im Zeitraum von Jänner 2015 bis Ende April 2015 zusammen mit seinem Bruder und im Zeitraum von April 2015 bis Februar 2016 allein mehrere Diebstähle begangen hat, war aus dem Inhalt der gekürzten Urteilsausfertigung vom XXXX2016 (AS 84f) ersichtlich.

Dass der BF bereits vor seiner strafrechtlichen Verurteilung im Jahr 2016 im Jahr 2012 wegen Verstoßes gegen das Suchtmittelgesetz, im Jahr 2013 wegen Entwendung und im Jahr 2015 wegen Raufhandels angezeigt wurde, diese Strafverfahren jedoch wegen Geringfügigkeit und Zahlung eines Geldbetrages eingestellt wurden, ergab sich aus einem Auszug aus dem Kriminalpolizeilichem Aktenindex (AS 135f).

2.2.6. Die Feststellungen zur zeitweisen legalen Erwerbstätigkeit des BF im Bundesgebiet ergaben sich aus einer Einsichtnahme in das AJ WEB-Auskunftsverfahren, seinen diesbezüglichen Angaben und vorgelegten Nachweisen.

2.2.7. Seinen Schulbesuch in seinem Herkunftsstaat wies der BF mit einem Abschlusszeugnis der sechsten Schulklasse von 1995/1996 nach. Der BF gab in mündlicher Verhandlung am 29.05.2018 glaubhaft an, keinen Schulabschluss zu haben und in seinem Herkunftsstaat mit 13 Jahren zu arbeiten begonnen zu haben. Vom 13. Bis zum 18. Lebensjahr sei er als Autowäscher beschäftigt gewesen.

2.2.8. Ein Nachweis für eine gesundheitliche Beeinträchtigung wurde nicht vorgelegt. Der BF gab in seiner mündlichen Verhandlung an, gesund zu sein und an keinen chronischen Krankheiten oder anderen Leiden oder Gebrechen zu leiden. Auch davor hat er gegenüber der belangten Behörde zu Beginn seiner niederschriftlichen Einvernahme angegeben, gesund zu sein, keine Medikamente zu benötigen und der Einvernahme folgen zu können. Der Rechtsvertreter des BF hielt in der mündlichen Verhandlung am 29.05.2018 fest, der BF sei - verbunden mit dem Tod seiner Mutter - psychisch sehr mitgenommen. Ein ärztlicher Nachweis für eine psychische Beeinträchtigung wurde jedoch nicht vorgelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

Spruchpunkt I):

3.1. Anzuwendendes Recht:

3.1.1. Der mit "Aufenthaltsverbot" betitelte § 67 FPG lautet:

"(1) Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige ist zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

(2) Ein Aufenthaltsverbot kann, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden.

(3) Ein Aufenthaltsverbot kann unbefristet erlassen werden, wenn insbesondere

1. der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;

2. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB);

3. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet oder

4. der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt.

(4) Bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes ist auf die für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen. Die Frist beginnt mit Eintritt der Durchsetzbarkeit zu laufen."

Gemäß § 70 Abs. 3 FPG ist EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen bei der Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich.

Gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG kann bei EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot aberkannt werden, wenn deren sofortige Ausreise oder die sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist."

Der mit "Schutz des Privat- und Familienlebens" betitelte § 9 BFA-VG lautet:

"§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, darf eine Rückkehrentscheidung nicht erlassen werden, wenn

1. ihm vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG), BGBl. Nr. 311, verliehen hätte werden können, es sei denn, eine der Voraussetzungen für die Erlassung eines Einreiseverbotes von mehr als fünf Jahren gemäß § 53 Abs. 3 Z 6, 7 oder 8 FPG liegt vor, oder

2. er von klein auf im Inland aufgewachsen und hier langjährig rechtmäßig niedergelassen ist.

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.

(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt."

3.1.2. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides war teilweise stattzugeben, dies aus folgenden Gründen:

Gemäß § 67 Abs. 1 Satz 5 FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde.

Der BF hält sich im gegenständlichen Fall nunmehr jedenfalls seit seiner Erstmeldung ab 02.09.2010, somit seit mehr als zehn Jahren, durchgehend im Bundesgebiet auf.

Da der BF, der aufgrund seiner bulgarischen Staatsangehörigkeit in den persönlichen Anwendungsbereich von § 67 FPG fällt, die Voraussetzung eines (durchgehenden) zehnjährigen Aufenthalts im Bundesgebiet erfüllt, kommt für diesen der erhöhte Prüfungsmaßstab nach § 67 Abs. 1 Satz 5 FPG zur Anwendung.

Dieser fordert im Gegensatz zu § 67 Abs. 1 Satz 2 FPG, wonach eine vom BF ausgehende tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit für die Zulässigkeit der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes verlangt wird, eine vom BF im Bundesgebiet ausgehende nachhaltige und maßgebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit, um ein Aufenthaltsverbot erlassen zu können.

§ 67 Abs. 1 FrPolG 2005 idF FrÄG 2011 enthält zwei Stufen für die Gefährdungsprognose, nämlich einerseits (nach dem ersten und zweiten Satz) die Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, wobei eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche, ein Grundinteresse der Gesellschaft berührende Gefahr auf Grund eines persönlichen Verhaltens vorliegen muss, und andererseits (nach dem fünften Satz) die - nunmehr zur Anwendung kommende - nachhaltige und maßgebliche Gefährdung der öffentlichen Sicherheit der Republik Österreich im Fall von EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen mit mindestens zehnjährigem Aufenthalt im Bundesgebiet (bzw. im Fall von Minderjährigen). Es muss aber angenommen werden, dass hinsichtlich Personen, die das Daueraufenthaltsrecht erworben haben, nicht nur bei der Ausweisung, sondern (arg. a minori ad maius) auch bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes der in Art. 28 Abs. 2 der Unionsbürgerrichtlinie und § 66 Abs. 1 letzter Satzteil FrPolG 2005 idF FrÄG 2011 vorgesehene Maßstab - der im abgestuften System der Gefährdungsprognosen zwischen jenen nach dem ersten und dem fünften Satz des § 67 Abs. 1 FrPolG 2005 idF FrÄG 2011 angesiedelt ist - heranzuziehen ist. Dies gebietet im Anwendungsbereich der Unionsbürgerrichtlinie eine unionsrechtskonforme Interpretation, weil das Aufenthaltsverbot eine Ausweisungsentscheidung im Sinn der Richtlinie beinhaltet.

Für Unionsbürger und ihre Familienangehörigen, die das Recht auf Daueraufenthalt genießen, bestimmt aber Art. 28 Abs. 2 der Unionsbürgerrichtlinie, dass eine Ausweisung nur aus "schwerwiegenden" Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit verfügt werden darf, wobei zwar auch hier gemäß Art. 27 Abs. 2 der Richtlinie auf das persönliche Verhalten abzustellen ist, das eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen muss, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, insgesamt aber ein größeres Ausmaß an Gefährdung verlangt wird. Diese Vorgaben der Unionsbürgerrichtlinie wurden im FrPolG 2005 insofern umgesetzt, als nach dessen § 66 Abs. 1 idF FrÄG 2011 die Ausweisung von EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen, die bereits das Daueraufenthaltsrecht erworben haben, nur dann zulässig ist, wenn ihr Aufenthalt eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt (VwGH 13.12.2012, 2012/21/0181; 15.09.2016, Ra 2016/21/0262).

Eine vom BF ausgehende "schwerwiegende Gefahr" wird zudem auch im Einreiseverbotstatbestand nach § 53 Abs. 3 FPG gefordert.

Nach § 53 Abs. 3 FPG ist ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 ist für die Dauer von höchstens zehn Jahren, in den Fällen der Z 5 bis 8 auch unbefristet zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt. Als bestimmte Tatsache, die bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes neben den anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen relevant ist, hat insbesondere zu gelten, wenn

1. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer bedingt oder teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist

Im gegenständlichen Fall wurde der BF im Juni 2016 wegen gewerbsmäßig schweren Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von 20 Monaten, bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren, rechtskräftig strafrechtlich verurteilt.

Wie auch bei Erlassung eines Einreiseverbotes ist es auch bei Erlassung eines Aufenthaltsverbotes geboten, neben einem strafrechtlichen Verhalten das Gesamtverhalten des BF im Bundesgebiet zu berücksichtigen.

Der Verwaltungsgerichtshof betonte in seiner Entscheidung vom 15.03.2018, Zl. Ra 2018/21/0007-6:

"Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Erstellung der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährdungsprognose das gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils anzuwendende Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Bei der nach § 67 Abs. 1 FPG zu erstellenden Gefährdungsprognose geht schon aus dem Gesetzeswortlaut klar hervor, dass auf das "persönliche Verhalten" des Fremden abzustellen ist und strafrechtliche Verurteilungen allein nicht ohne weiteres ein Aufenthaltsverbot begründen können (vgl. VwGH 22.1.2015, Ra 2014/21/0052, Punkt 2. Der Entscheidungsgründe, mwN)."

Zur strafrechtlichen Verurteilung des BF in Österreich und seinem weiteren Verhalten:

Im Juni 2016 wurde der BF von einem inländischen Strafgericht wegen gewerbsmäßig schweren Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von 20 Monaten, bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren, rechtskräftig strafrechtlich verurteilt.

Dieser strafrechtlichen Verurteilung lag zugrunde, dass der BF als Mittäter mit seinem Bruder zusammen von Jänner 2015 bis Ende April 2015 und als alleiniger Täter von April 2015 bis Februar 2016 fremden Personen Bargeld aus Opferstöcken in Kirchen weggenommen hat.

Der Zeitraum von Jänner bis April 2015, währenddessen der BF zusammen mit seinem Bruder kriminell tätig war und zumindest 32 Angriffe verübt hat, betraf die Zeit einer nur von einer paartägigen geringfügigen Beschäftigung unterbrochenen Erwerbslosigkeit des BF, der zehnmonatige Zeitraum seiner als alleiniger Täter von April 2015 bis Februar 2016 begangenen strafbaren Handlungen betraf einen nur durch eine zweimonatige geringfügige Beschäftigung unterbrochenen erwerbslosen Zeitraum.

Diese Taten hat der BF begangen, obwohl er auch Geldaushilfen vom österreichischen Staat bekam.

Der Verwaltungsgerichtshof wies in seiner Entscheidung vom 15.0.32018, Zl. Ra 2018/21/0007-6, darauf hin, dass das BVwG in seiner zuvor ergangenen Entscheidung vom 09.11.2017 zugunsten des BF ausgeführt hat, der BF "habe sich nach der Verurteilung nachweislich bemüht, "auf rechtmäßige Weise regelmäßige Einnahmen zu verschaffen", indem er ab Juli 2016 ein Jahr lang einer Arbeit nachgegangen sei und nach weiteren (geringfügigen) Arbeitsverhältnissen am 10.07.2017 seine nunmehrige (Voll-) Beschäftigung begonnen habe".

Diesbezüglich ist festzuhalten, dass der BF in der Zwischenzeit auch die angeführte am 10.07.2017 begonnene Beschäftigung Anfang November 2017 beendet hat und nach einer weiteren kurzzeitigen Beschäftigung von 24.05.2018 bis 19.06.2018, d. h. weniger als ein Monat. Seit 26.07.2018 steht der BF in einem laufenden Arbeitsverhältnis. Seine mehrmaligen kurzfristigen Beschäftigungen sind jedenfalls kein Beweis für ein beständiges Einkommen und seine zahlreichen während Erwerbslosigkeit begangen Vermögensstraftaten jedenfalls ein Indiz für die grundsätzliche Bereitschaft zu Vermögensstraftaten in wirtschaftlicher Notsituation, woran auch die von seinem Onkel in mündlicher Beschwerdeverhandlung abgegebene Zusicherung, den BF im Notfall (finanziell) unterstützen und ihn auch bei sich in seiner Firma arbeiten zu lassen, nichts ändert.

Der Verwaltungsgerichtshof wies in seiner Entscheidung vom 15.03.2018, Zl. Ra 2018/21/0007-6, darauf hin, dass das Beschwerdevorbringen, der BF "sei durch seine (mittlerweile abgeschobenen) Brüder in "diese kriminelle Sache hineingezogen" worden und es habe sich um seine erste strafrechtliche Verurteilung, die er "zutiefst" bereue, gehandelt", sei im zuvor ergangenen Erkenntnis des BVwG vom 09.11.2017 nicht konkret eingegangen worden sei.

Der BF brachte in seiner mündlichen Verhandlung am 25.09.2018 vor, die strafbaren Handlungen mit seinem Bruder nicht aus finanziellen Gründen, sondern nur, um auf seinen Bruder aufzupassen, begangen zu haben. Bei einer Notlage würde er sich an seinen Onkel wenden.

Soweit der BF und sein Rechtsvertreter in mündlicher Verhandlung betonte, der BF habe auf seinen Bruder bei seinen Straftaten nur aufpassen und herausfinden wollen, mit welchen Leuten er zu tun hat, ist festzuhalten, dass der BF bei den zusammen mit seinem Bruder von Jänner 2015 bis April 2015 als Mittäter begangenen Straftaten in zumindest 32 Angriffen jedenfalls auch selbst kriminell tätig war.

Der BF hat jedoch nicht nur zusammen mit seinem Bruder - von Jänner bis April 2015 - sondern auch nach Beendigung der zusammen mit seinem Bruder begangenen Straftaten im Zeitraum von April 2015 bis Februar 2016 in einer nicht mehr festzustellenden Anzahl von Angriffen auch allein mehrmals Diebstähle begangen, was zeigt, dass sich der BF nicht davor scheut, sich in einer wirtschaftlicher Notsituation auch über einen längeren Zeitraum hinweg regelmäßig auf illegale Weise Einnahmen zu verschaffen, und das Argument "nur auf den Bruder habe aufpassen müssen" nicht glaubwürdig ist.

Die Tatsache, dass der BF über einen längeren Zeitraum hinweg - zusammen mit seinem Bruder von Jänner bis April 2015 und danach auch allein - im Zeitraum von April 2015 bis Februar 2016 und während dieser Zeit großteils in erwerbsloser Zeit mehrere Diebstähle begangen hat, spricht jedenfalls für die grundsätzliche Bereitschaft des BF zu Vermögensstraftaten in wirtschaftlicher Notsituation.

Mit E-Mail vom 21.12.2016 teilte der BF dem BFA mit, mithilfe seiner im Bundesgebiet lebenden Familienangehörigen imstande zu sein, seinen finanziellen Verpflichtungen nachzukommen.

In mündlicher Beschwerdeverhandlung gab der BF zwar an, sich in einer Notsituation Unterstützung von seinem Onkel zu holen, wozu dieser auch sicher bereit sei, habe er doch bei ihm auch immer etwas zu essen bekommen. Der BF ist jedoch offensichtlich nicht tatsächlich bereit, sich an seinen Onkel zu wenden, erklärte er doch zuvor in mündlicher Beschwerdeverhandlung nur, er habe sich nicht an seinen Onkel wenden wollen, weil dieser Kinder aus erster Ehe habe, womit er offensichtlich nur einen Grund angeben wollte, warum sich der BF anstelle sich auf illegale Weise an fremdem Vermögen zu bereichern nicht hilfesuchend an seinen Onkel gewandt hat.

Auch die in der mündlichen Beschwerdeverhandlung abgegebene Zusicherung des Onkels des BF, den BF bei einer Arbeitssuche zu unterstützen, ändert nichts daran, dass der BF, wie er durch seine zahlreichen im Bundesgebiet als Mittäter und auch als alleiniger Täter begangenen strafbaren Handlungen gezeigt hat, offensichtlich selbst nicht bereit ist, Hilfe von seinem Onkel anzunehmen, sondern es bevorzugt, sich auf illegale Weise regelmäßig Einnahmen zu verschaffen.

Soweit der BF in mündlicher Beschwerdeverhandlung angab, auch seine zahlreichen Freunde in Österreich um finanzielle kurzfristige Unterstützung bitten zu können, wird darauf hingewiesen, dass diese Freunde namentlich nicht genannt wurden und sich der BF schon in der Vergangenheit hätte sich an diese wenden können, sondern sich stattdessen auf rechtswidrige Weise behelfen würde, wie er durch seine mehrfache Vermögensstraftatbegehung 2015 und Anfang des Jahres 2016 gezeigt hat.

Sein im Bundesgebiet wechselnden sehr kurzfristigen Beschäftigungen spricht jedenfalls nicht für eine Einkommensbeständigkeit und die zahlreichen im - vorwiegend erwerbslosen - Gesamtzeitraum von Jänner 2015 bis Februar 2016 zunächst mit seinem Bruder und ab April 2015 allein begangenen Diebstähle für die Bereitschaft des BF zu Vermögensstraftaten in einer wirtschaftlichen Notsituation.

Der Rechtsvertreter des BF in mündlicher Beschwerdeverhandlung hob hervor, der BF habe nun ein regelmäßiges Einkommen, einen geregelten Tagesablauf, betreibe regelmäßig Sport und halte auch den Kontakt zu seinen Verwandten und Freunden aufrecht, was gegen eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit spreche.

Dazu ist auszuführen, dass der BF bereits einen Tag nach der mündlichen Verhandlung das Dienstverhältnis, welches lediglich ein Monat dauerte, abgebrochen hat, was nicht dafür spricht, dass sich der BF glaubwürdig verhalten hat. Hat der BF doch in der mündlichen Verhandlung angegeben, dass dieses Dienstverhältnis unbefristet werden wird. Einen Tag nach der Verhandlung hat der BF Notstandshilfe beantragt.

Gerade die Art der Begehung der Straftat in Räumen für die Religionsausübung und das Ausraubens von Opferstätten zeigt, dass der BF skrupellos Gelegenheiten ausnützt, das Argument selbst, eigentlich nicht schuldig zu sein, auch nicht glaubwürdig ist.

Aufgrund dieser in mündlicher Verhandlung angeführten derzeitigen Lebensführung des BF kann wegen noch laufender Probezeit nach strafrechtlicher Verurteilung des BF im Juni 2016 zu einer auf drei Jahre bedingten Freiheitsstrafe von 20 Monaten jedenfalls noch nicht von einem positiven Gesinnungswandel des BF gesprochen werden.

Der zuletzt vom BF Anfang Februar 2016 begangene Diebstahl liegt zudem auch nicht allzu lange Zeit zurück und hat der Vorhalt der gegen den BF wegen seiner strafrechtlichen Verurteilung im Juni 2016 beabsichtigten Erlassung eines Aufenthaltsverbotes in niederschriftlicher Einvernahme im Dezember 2016 den BF offensichtlich zur strafrechtlichen Enthaltsamkeit seither bewegt.

In Gesamtbetrachtung kann aufgrund im Zeitraum von Jänner 2015 bis Februar 2016 zahlreich begangener Diebstähle aus Opferstöcken in Kirchen und damit sogar, wie im Strafrechtsurteil angeführt, "in der Religionsausübung dienenden Räumen", und seiner damit gezeigten Bereitschaft zu wiederholten Vermögensstraftaten in Zeiten der Beschäftigungslosigkeit und wirtschaftlicher Notsituation zum gegenständlichen Entscheidungszeitpunkt von keiner positiven Zukunftsprognose und bei einem weiteren Verbleib des BF im Bundesgebiet von weiteren (Vermögens)- Straftaten und einer nachhaltigen und maßgeblichen Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgegangen werden.

Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes ist somit grundsätzlich dem Grunde nach zulässig.

Zu prüfen war, ob einem Aufenthaltsverbot familiäre oder private Interessen entgegenstehen.

Der BF hat den Zeugenangaben seines Onkels in mündlicher Beschwerdeverhandlung zufolge ein gutes Verhältnis zu seinen in Österreich aufhältigen Verwandten - seinem Onkel und seiner Tante. Der BF trifft sich regelmäßig an den Wochenenden mit seinen Verwandten und unterstützt seinen Onkel mit seinen drei Kindern auch bei der Kinderbetreuung.

Der BF hat abgesehen von im Bundesgebiet aufhältigen Verwandten auch zahlreiche Freunde, wie er zuletzt in mündlicher Verhandlung am 29.05.2018 betonte.

Eine besondere Nahebeziehung zu seinen in Österreich aufhältigen Verwandten und Freunden zum Zeitpunkt seiner Einreise war jedoch noch nicht feststellbar, war der BF im Zeitraum von 02.09.2010 bis 29.06.2011 doch "obdachlos" gemeldet, obwohl sich der Onkel zu diesem Zeitpunkt bereits langjährig im Bundesgebiet aufgehalten hat und einer langjährigen Tätigkeit bei derselben Firma nachgegangen ist, und konnte der BF in diesem Zeitraum offenbar auch nicht bei seiner Tante oder seinen Freunden in Österreich unterkommen.

Die Beziehung zu seinen in Österreich aufhältigen Verwandten hat sich laut den Angaben des BF und seines Onkels offenbar zuletzt in Österreich verbessert, wofür spricht, dass der BF "am Sonntag immer bei seinem Onkel etwas zu essen bekommen", ihm bei der Kinderbetreuung geholfen und sich regelmäßig an den Wochenenden mit all seinen Verwandten getroffen hat.

Das gegen den BF mit angefochtenem Bescheid erlassene Aufenthaltsverbot wird wegen der zahlreichen über einen langen insgesamt 13-monatigen Zeitraum begangenen Straftaten, weswegen der BF im Juni 2016 zu einer auf drei Monate bedingten Freiheitsstrafe von 20 Monaten rechtskräftig strafrechtlich verurteilt wurde, wobei die dreijährige Probezeit noch nicht abgelaufen ist und die Freiheitsstrafe demnach noch nicht endgültig nachgesehen werden konnte, jedenfalls dem Grunde nach als notwendig, aufgrund der doch vorhandenen familiären und privaten Bindung zu Österreich jedoch als zu lange erachtet.

Berücksichtigt man den längeren Aufenthalt des BF im Bundesgebiet, während welcher Zeit, mehrere Sozialkontakte geschlossen hat und bei mehreren Dienstgebern mehreren kurzzeitigen und geringfügigen Beschäftigungen nachgegangen ist, und demzufolge seine familiäre und private Bindung zu Österreich verbessert hat, wird die Dauer des von der belangten Behörde auf die Dauer von fünf Jahren befristet erlassenen Aufenthaltsverbotes jedoch als zu hoch angesehen und auf die Dauer von zwei Jahren herabgesetzt.

Der BF kann jedenfalls in seinem Herkunftsstaat zumindest über einen seiner Brüder, mit welchem er seinen Angaben in mündlicher Verhandlung am 25.09.2018 zufolge aufrechten (Telefon-) Kontakt hat, wieder (familiären) Anschluss in Bulgarien finden und sich dort um seinen behinderten Bruder kümmern und während der zweijährigen Aufenthaltsverbotszeit auch vom Ausland aus den Kontakt zu seinen in Österreich verbleibenden Verwandten über moderne Kommunikationsmittel oder über Besuche durch seine in Österreich aufhältigen Verwandten aufrecht halten.

Aufgrund bestehender nachhaltiger und maßgeblicher Gefährdung der öffentlichen Sicherheit iSv § 67 Abs. 1 Satz 5 FPG war gegenständlicher Beschwerde teilweise stattzugeben und spruchgemäß zu entscheiden.

3.1.3. Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides:

Gemäß § 70 Abs. 3 FPG ist EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen bei der Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich.

Aus Sicht des erkennenden Gerichtes wurde von der belangen Behörde zu Recht ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat erteilt, weil nicht davon ausgegangen werden könne, dass der BF in diesem Zeitraum ein Verhalten setzen werde, das aufgrund Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit die sofortige Umsetzung der Maßnahme erfordern würde.

Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzlichen Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

Aufenthaltsverbot, strafrechtliche Verurteilung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:G313.2151669.1.00

Zuletzt aktualisiert am

04.02.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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