Entscheidungsdatum
30.10.2018Norm
AsylG 2005 §2 Abs1 Z22Spruch
W256 1420353-3/5E
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Caroline KIMM als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , StA Afghanistan, vertreten durch die Diakonie-Flüchtlingsdienst gem. GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13. März 2017, Zl. XXXX , zu Recht:
A) Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen,
dass es im Spruch des angefochtenen Bescheids anstelle von "gemäß § 3 Absatz 1 iVm § 34 Abs. 2 iVm § 2 Abs. 1 Ziffer 22 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, abgewiesen." "wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen." zu lauten hat.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang und Sachverhalt:
Die Beschwerdeführerin stellte am 6. Juni 2011 gemeinsam mit ihrem Ehemann und ihren beiden minderjährigen Kindern, XXXX , einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005). Dabei führte sie in Übereinstimmung mit ihrem Ehemann im Rahmen ihrer Erstbefragung und auch ihrer Befragung vor der belangten Behörde zum Fluchtgrund befragt im Wesentlichen aus, ihrem Ehemann werde die Tötung seines Geschäftspartners durch dessen Familie vorgeworfen, weshalb die gesamte Familie in Afghanistan bedroht worden und auch aktuell einer Bedrohung ausgesetzt sei.
Mit Bescheid vom 8. Juli 2011 wies das Bundesasylamt diese Anträge auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status von Asylberechtigten ab (Spruchpunkt I.), der Status der subsidiär Schutzberechtigten wurde ihnen jedoch zuerkannt (Spruchpunkt II.) und eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt (Spruchpunkt III.). Begründend wurde zu Spruchpunkt I) ausgeführt, dass das behauptete Fluchtvorbringen nicht glaubhaft sei.
Die gegen Spruchpunkt I.) dieser Bescheide erhobenen Beschwerden der Betroffenen wurden mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 12. September 2011 zu den GZ.: XXXX , XXXX , XXXX und XXXX jeweils rechtskräftig als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass das behauptete Fluchtvorbringen in Bezug auf die Bedrohung durch die Gegner des Ehemannes der Beschwerdeführerin nicht glaubhaft sei.
Die weiteren Kinder der Beschwerdeführerin, XXXX , geboren am XXXX , XXXX , geboren am XXXX und XXXX , geboren am XXXX , stellten nach zwischenzeitiger Einreise in Österreich am 26. Februar 2013 jeweils einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem AsylG 2005, welcher von der belangten Behörde mit Bescheid vom 3. Mai 2013 hinsichtlich der Zuerkennung des Status von Asylberechtigten jeweils abgewiesen wurde (Spruchpunkt I.). Der Status der subsidiär Schutzberechtigten wurde ihnen jedoch jeweils zuerkannt (Spruchpunkt II.) und eine befristete Aufenthaltsberechtigung jeweils erteilt (Spruchpunkt III.).
Die gegen Spruchpunkt I. dieser Bescheide erhobenen Beschwerden des XXXX wurden mit den Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. August 2014, XXXX und XXXX jeweils rechtskräftig als unbegründet abgewiesen. Dabei wurde u.a. die von ihnen behauptete Verfolgung durch Gegner ihres Vaters als nicht glaubhaft gewertet.
Der gegen Spruchpunkt I. eingebrachten Beschwerde der XXXX wurde hingegen mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 7. August 2014, XXXX Folge gegeben und dieser aufgrund ihrer im Verfahren hervorgekommenen westlichen Orientierung Asyl gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 zuerkannt. Ihre ansonsten behauptete Verfolgung durch Gegner ihres Vaters wurde als nicht glaubhaft gewertet.
Die Beschwerdeführerin stellte daraufhin - ebenso wie ihr Ehemann und ihre Söhne - am 14. November 2014 einen neuen Antrag auf internationalen Schutz nach dem AsylG 2005. Dabei führte sie aus, dass ihrer Tochter positiv Asyl gewährt worden sei, weshalb auch sie gegenständlichen Antrag stellen würde, um somit Asyl zu erhalten.
Mit den Bescheiden der belangten Behörde vom 24. November 2014 wurden diese Anträge jeweils als unzulässig zurückgewiesen. Die Tochter sei im Zeitpunkt der Asylantragsstellung bereits volljährig gewesen, weshalb im vorliegenden Fall kein Familienverfahren vorgelegen sei.
Gegen diese Bescheide erhoben die anwaltlich vertretene Beschwerdeführerin, ihr Ehemann und ihre Söhne Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht mit dem Begehren, es wolle dem Antrag der Beschwerdeführer "auf Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gem. § 3 i.V.m. § 34 Abs. 2 i.V.m. § 2 Abs. 1 Z 2 AsylG stattgeben". In dieser Beschwerde wird begründend allein die rechtliche Beurteilung der belangten Behörde, es liege kein Familienverfahren vor, bekämpft.
Mit den Beschlüssen des Bundesverwaltungsgerichtes vom 12. November 2015 XXXX wurden die Bescheide der belangten Behörde vom 24. November 2014 gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG jeweils behoben und die Angelegenheiten zur Erlassung von neuen Bescheiden an die belangte Behörde zurückverwiesen. Die belangte Behörde habe nicht geprüft, ob u.a. auch bei der Beschwerdeführerin nicht auch Nachfluchtgründe vorliegen würden, die in ihrer Person gelegen seien.
In der daraufhin erfolgten Befragung durch die belangte Behörde am 4. Oktober 2016 führte die Beschwerdeführerin in Übereinstimmung zum Vorbringen ihres Ehemannes und ihrer Söhne zu ihren Fluchtgründen befragt aus, es gebe keine neuen Gründe. Ihr Mann habe sich nach dem Vorfall in Afghanistan 2 Wochen versteckt. Der - den Taliban zugehörige - Bruder des Geschäftspartners sei in dieser Zeit zur restlichen Familie gekommen und habe dieser ihre Tochter heiraten wollen. Weiters führt die Beschwerdeführerin (wortwörtlich wiedergegeben) im Wesentlichen folgendes aus: "Wir hätten am Anfang in Österreich das alles erzählen müssen. Die Fluchtgründe meiner Tochter sind eigentlich unsere Fluchtgründe. Sie war mutig und tapfer und hat hier alles ehrlich erzählt und auch Asyl bekommen. Mein Mann und ich waren schüchtern und zurückhaltend, sehr traditionell und haben uns geschämt solche sehr privaten Sachen zu erzählen. Ansonsten hätten wir auch am Anfang Asyl hier bekommen. Ich bin auch eine Frau. Die Frauen haben in Afghanistan überhaupt kein Recht und natürlich auch überhaupt keinen Mut. Die Frauen werden hier unterstützt und führen ein normales Leben. Ich als eine Frau in Afghanistan müsste in Afgh. nur zuhause sein und den Haushalt führen. Die Frauen haben dort überhaupt keinen Wert. Bitte helfen sie uns, wir sind wirklich schutzbedürftig. Ich will einen Asylstatus in Österreich." Letztlich nennt die Beschwerdeführerin auch allgemein Probleme aufgrund ihrer Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, als schiitische Hazara, in Afghanistan.
Daraufhin wurden die Anträge der Beschwerdeführerin, ihres Ehemannes und ihrer Söhne auf internationalen Schutz vom 14. November 2014 hinsichtlich der Zuerkennung des Status von Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 2 iVm § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 mit den Bescheiden der belangten Behörde vom 13. März 2017 jeweils abgewiesen. In der Begründung des die Beschwerdeführerin betreffenden und hier auch allein gegenständlichen Bescheids wird ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin im Zuge ihres ersten Asylverfahrens mehrfach die Möglichkeit gehabt habe, jegliche für die Entscheidung relevanten Geschehnisse vorzubringen. Ihre Tochter habe allein aufgrund ihrer "westlichen Orientierung" Asyl zugesprochen bekommen. Die mit jener der Beschwerdeführerin übereinstimmende Fluchtgeschichte sei hingegen nicht als glaubhaft gewertet worden. Das nunmehrige aus Scham nicht erstattete Vorbringen sei nicht glaubhaft. Eine allfällige "Verwestlichung" der Beschwerdeführerin als subjektiver Nachfluchtgrund liege ebenfalls nicht vor. Zwar gehe die das Kopftuch als Zeichen ihrer Religionszugehörigkeit tragende Beschwerdeführerin einer Beschäftigung nach. Eine Verständigung in deutscher Sprache sei mit der Beschwerdeführerin allerdings - wie im Rahmen der Befragung hervorgekommen sei - nicht möglich und seien bislang auch lediglich Teilnahmebestätigungen zu Deutschkursen, nicht hingegen Prüfungsbestätigungen dazu vorgelegt worden. Insofern sei zu bezweifeln, dass es der Beschwerdeführerin außerhalb ihres Familienumfeldes und ohne sie begleitende Familienangehörige überhaupt möglich sei, nach immerhin 6-jährigem Aufenthalt in Österreich mit der österreichischen Gesellschaft in Kontakt zu treten. Vor dem Hintergrund, dass die Sprache ein wichtiger Faktor bei der Integration sei, könne insofern nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerin an einem auf Selbstbestimmtheit ausgerichtetem Frauenbild orientiert sei. Auch eine allgemeine Verfolgung der Beschwerdeführerin allein aufgrund ihrer Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit in Afghanistan ist aufgrund der im Verfahren eingeholten Länderberichte nicht hervorgekommen. Da somit keine asylrelevanten Ausreisegründe oder Nachfluchtgründe vorgebracht worden seien, sei der gegenständliche Folgeantrag abzuweisen gewesen.
Gegen den die Beschwerdeführerin betreffenden Bescheid richtet sich die getrennt von der übrigen Familie erstattete vorliegende Beschwerde. Darin wiederholt die Beschwerdeführerin ihr bisher erstattetes Vorbringen in Bezug auf die Bedrohung durch die Familie des ermordeten Geschäftspartners ihres Mannes. Aus einer verständlichen Scham heraus begründet, ihre Familie nicht schützen zu können, hätten die Beschwerdeführerin, ihr Gatte und deren Söhne, den Fluchtgrund der Tochter, der sämtliche Familienmitglieder betreffe, vorerst nicht vorgetragen. Der den Taliban zugehörige Bruder des ermordeten Geschäftspartners habe "sozusagen aus Rache" die Zwangsverheiratung der Tochter verlangt. Nachdem sich der Ehemann der Beschwerdeführerin zu Freunden "in doch 5-6 stündiger Entfernung zum Heimatdorf" begeben habe, sei die restliche Familie von der Familie des ermordeten Geschäftspartners mehrmals bedroht worden. Dabei sei insbesondere auch die Beschwerdeführerin schwersten Qualen und Erniedrigungen in der Weise ausgesetzt gewesen, dass sie vergewaltigt und dabei fotografiert worden sei. Die Beschwerdeführerin leide heute noch unter diesen Erlebnissen. Insbesondere habe sie Depressionen und könne sie erst heute darüber sprechen. Sogar ihr Mann wisse nichts von diesen Geschehnissen, weshalb sie die vorliegende Beschwerde auch getrennt von ihrer Familie erstattet habe. Die Beschwerdeführerin habe ihr Vorbringen - in Anbetracht ihrer schlimmen Erlebnisse - lebensnah gestaltet und über die weiter drohende Verfolgung und Bedrohung bei einer möglichen Rückkehr nach Afghanistan frei erzählt. Viele der traumatischen Erlebnisse seien nunmehr zugänglich und könne die Beschwerdeführerin erst jetzt darüber Auskunft geben. Die im Fall der Beschwerdeführerin Flucht auslösenden Ereignisse seien hauptsächlich die dargestellte, schlichtweg menschenrechtswidrige Betroffenheit in einem Fall von "Blutrache" wie auch - wohl aber nicht in demselben Maß ausschlaggebend - die fehlende Zugehörigkeit zu den im Heimatdorf der Beschwerdeführerin sehr mächtigen Taliban-Milizen, denen auch die Polizei- und Sicherheitsbehörden oftmals machtlos gegenüberstehen würden. Die belangte Behörde habe es unterlassen, die Beschwerdeführerin detailliert und viel ausführlicher hinsichtlich ihrer konkreten Betroffenheit in punkto etwaiger schändlicher Handlungen, insbesondere bei Abwesenheit des Ehemannes zu befragen. Es hätte wohl so manches menschenunwürdiges Verhalten besser und nachvollziehbar offenbart werden können, zumal es naheliege, dass die Beschwerdeführerin aufgrund ihrer "zarten und verletzlichen Statur" und "ihrer psychischen Behandlung" ein "diesbezüglich willkommenes Angriffsziel gewesen" sei. Zudem seien die im angefochtenen Bescheid getroffenen Länderfeststellungen teilweise veraltet und teilweise auch unvollständig. So würden sich diese zwar allgemein mit Afghanistan befassen, nicht jedoch mit dem konkreten Fluchtvorbringen. Die belangte Behörde habe es gänzlich unterlassen, sich eingehend mit der Thematik Blutrache in Afghanistan auseinanderzusetzen. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan drohe der Beschwerdeführerin aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe jener Personen, die zu Unrecht falschen Verdächtigungen und daher mit Blutrache konfrontiert seien sowie "wegen ihrer politischen Gesinnung, nicht irgendwelchen Taliban-Milizen zugerechnet werden zu können, eine Verletzung ihres Rechtes auf Leben". Abschließend beantragt die Beschwerdeführerin die Durchführung einer mündlichen Verhandlung, damit sie die Gelegenheit erhalte, ihre erlittenen Erniedrigungen und Qualen sowie ihre Fluchtgründe detailliert darzulegen.
Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 12. Juli 2017, XXXX wurde der minderjährige Sohn der Beschwerdeführerin, XXXX , wegen des Verbrechens der absichtlich schweren Körperverletzung nach den §§ 15 Abs. 1, 87 Abs. 1 StGB zu einer Geldstrafe bzw. im Nichteinbringungsfall zu einer Freiheitsstrafe von 180 Tagen verurteilt.
Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom heutigen Tag, XXXX wurden die Beschwerden des Ehemannes und ihrer Söhne gegen die sie betreffenden Bescheide der belangten Behörde vom 13. März 2017 mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass der Folgeantrag nicht ab-, sondern zurückgewiesen wird.
II. Beweiswürdigung: Der oben wiedergegebene Verfahrensgang und Sachverhalt ergibt sich aus den vorgelegten die Beschwerdeführerin, ihren Ehemann und ihre Söhne betreffenden Verwaltungs- und Gerichtsakten sowie durch Einsichtnahme in das Strafregister und in das im Rechtsinformationssystem des Bundes veröffentlichte
Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 7. August 2014, GZ.:
W175 1435402-1/7E.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Rechtliche Beurteilung:
zu Spruchpunkt A.
Im vorliegenden Fall wurde der ursprüngliche Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung eines Asylstatus bereits mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 12. September 2011, XXXX rechtskräftig als unbegründet abgewiesen. Darin wurde das Fluchtvorbringen, dem Ehemann der Beschwerdeführerin werde der Tod eines Geschäftspartners von dessen Familie vorgeworfen und sei insofern die gesamte Familie von dessen Familie bedroht (worden), als unglaubhaft gewertet.
Der nunmehr hier gegenständliche (zweite) Asylantrag wurde zunächst allein mit der (auf die westliche Orientierung erfolgte) Asylgewährung der bereits volljährigen Tochter der Beschwerdeführerin, sowie im Rahmen der Befragung vor der belangten Behörde mit dem Umstand, dass die Beschwerdeführerin, aber auch ihr Ehemann und deren Söhne aus Scham, das gesamte Ausmaß der Bedrohung durch die - den Taliban zugehörige - Familie des ermordeten Geschäftspartners nicht eingehend geschildert habe, begründet. Letztlich führte die Beschwerdeführerin im Rahmen ihrer Befragung vor der belangten Behörde auch aus, dass Frauen in Afghanistan keine Rechte hätten und sie im Übrigen auch Probleme aufgrund ihrer Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit habe.
Dazu ist zunächst auszuführen, dass die Tochter der Beschwerdeführerin bereits seit XXXX und damit schon im Zeitpunkt ihrer eigenen Asylgewährung volljährig gewesen ist, weshalb - wie von der belangten Behörde auch zutreffend erkannt - in keinem Zeitpunkt des Folgeantragsverfahrens von einem Familienverfahren im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 auszugehen war (siehe dazu ausdrücklich das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. Jänner 2016, Ra 2015/21/0230, wonach aufgrund der Bestimmung des § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 mit dem Erreichen der Volljährigkeit eines bei Verfahrensbeginn zunächst noch Minderjährigen seine Eltern nicht mehr als "Familienangehörige" zu betrachten sind).
Die Beschwerdeführerin wendet sich in ihrer Beschwerde aber auch gar nicht (mehr) gegen diese Rechtsansicht der belangten Behörde. Auch bekämpft sie darin die Ansicht der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid, es sei aufgrund der eingeholten Länderberichte keine (Gruppen)Verfolgung der schiitischen Hazara in Afghanistan anzunehmen sowie habe die Beschwerdeführerin im Folgeantragsverfahren auch keinen selbstbestimmten Lebensstil und damit keine diesbezügliche Verfolgung in Afghanistan aufzeigen können, nicht, weshalb darauf im vorliegenden Fall auch nicht einzugehen war (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Jänner 2018, Ra 2017/20/0286).
Vielmehr bringt die Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerde alleine vor, die belangte Behörde habe sich mit dem Vorbringen der Beschwerdeführerin, sie sei von der - den Taliban zugehörigen - Familie des ermordeten Geschäftspartners ihres Ehemannes aus Rache bedroht (worden), nicht hinreichend auseinandergesetzt. Die Beschwerdeführerin habe - wie auch ihr Ehemann und ihre Söhne - aus Scham darüber nicht eingehend erzählen können. Hinzu komme, dass die Beschwerdeführerin bislang selbst ihrem Ehemann nichts von den schändlichen Handlungen durch die Familie des Geschäftspartners erzählt habe und sie überhaupt auch jetzt erst psychisch in der Lage sei, darüber zu reden.
Mit diesem Vorbringen übersieht die Beschwerdeführerin aber, dass dieses - wie sie nunmehr behauptet damals aus Scham oder aufgrund ihrer psychischen Verfassung nicht eingehend geschilderte - Bedrohungsszenario durch die Familie des ermordeten Geschäftspartners ihres Ehemannes bereits Gegenstand des rechtskräftig abgeschlossenen ersten Asylverfahrens gewesen ist.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes steht die Rechtskraft einer Entscheidung einem neuerlichen Antrag entgegen, wenn keine relevante Änderung der Rechtslage oder des Begehrens vorliegt und in dem für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt keine Änderung eingetreten ist (siehe dazu den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. Juni 2015, Ra 2015/18/0122 u.v.m.). Im Folgeantragsverfahren können - bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen - nur neu entstandene Tatsachen, die einen im Vergleich zum rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren geänderten Sachverhalt begründen, zu einer neuen Sachentscheidung führen, nicht aber solche, die bereits vor Abschluss des vorangegangenen Asylverfahrens bestanden haben (siehe dazu den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 8. September 2015, Ra 2014/18/0089 u. v.m.; vgl. dazu insbesondere auch zur Abgrenzung zwischen Wiederaufnahme und neuem Antrag das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 8. August 2017, Ra 2017/19/0120 m. w.H.).
Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdeführerin ihren (zweiten) Asylantrag auf behauptete Tatsachen (Bedrohungssituation durch die den Taliban zugehörige Familie des ermordeten Geschäftsmannes) gestützt, die bereits im Zeitpunkt des ersten Asylverfahrens bestanden haben, die sie jedoch aus Gründen der Scham oder ihrer psychischen Verfassung nicht bereits im ersten Asylverfahren vorgebracht hat. Auf eine nunmehr ausführlichere bzw. eingehendere Schilderung der bereits im ersten Asylverfahren geltend gemachten Bedrohungssituation ist im Zuge eines neuen Antrages (Folgeantrags) nach der obigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes jedoch nicht einzugehen.
Es kann daher der Ansicht der belangten Behörde, es seien im vorliegenden Fall keine asylrelevanten Ausreisegründe bzw. Nachfluchtgründe und damit keine entscheidungsrelevant maßgeblichen Sachverhaltsänderungen hervorgekommen, nicht entgegengetreten werden.
Da die belangte Behörde jedoch den Antrag der Beschwerdeführerin abgewiesen und nicht wie erforderlich wegen entschiedener Sache zurückgewiesen hat, war der Spruch des angefochtenen Bescheids dementsprechend abzuändern (siehe dazu den Beschluss des Verwaltungsgerichtsgerichtshofes vom 9. März 2015, Ra 2015/19/0048 m. w.H., wonach auch im Falle, dass Ermittlungen der Behörde ergeben, dass eine Sachverhaltsänderung, die eine andere Beurteilung nicht von vornherein ausgeschlossen erscheinen ließe, entgegen den Behauptungen der Partei in Wahrheit nicht eingetreten ist, der Antrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückzuweisen ist).
Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Ungeachtet eines entsprechenden Antrags kann gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG die Durchführung einer Verhandlung auch dann unterbleiben, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung Art. 6 Abs. 1 EMRK bzw. Art. 47 GRC nicht entgegenstehen.
Im vorliegenden Fall wendet sich die Beschwerdeführerin ausschließlich dagegen, dass die belangte Behörde ihre bereits im ersten Asylverfahren geschilderte Fluchtgeschichte als nicht glaubhaft befunden habe und wird auch ausschließlich zur diesbezüglichen detaillierteren Darlegung die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt. Der von der belangten Behörde ansonsten angenommene Sachverhalt wurde im Rahmen der Beschwerde hingegen nicht bekämpft. Vor dem Hintergrund, dass - wie oben ausgeführt - eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem bereits im ersten Asylverfahren geschilderten Fluchtvorbringen gar nicht erforderlich ist, konnte daher die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben.
Zu Spruchpunkt B.
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.
Weder mangelt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. die oben angeführten Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes), noch weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab; diese ist auch nicht uneinheitlich.
Sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage liegen nicht vor.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Schlagworte
Familienverfahren, Folgeantrag, Identität der Sache,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W256.1420353.3.00Zuletzt aktualisiert am
04.02.2019