Entscheidungsdatum
15.11.2018Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W226 1436776-2/17E
W226 1438515-2/17E
W226 1436777-2/18E
W226 1438516-2/15E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch Richter Mag. WINDHAGER als Einzelrichter über die Beschwerden von 1) XXXX (früher: XXXX), geb. XXXX, 2) XXXX (früher: XXXX oder XXXX), geb. XXXX, 3) XXXX (früher: XXXX), geb. XXXX, und 4) XXXX (früher: XXXX), geb. XXXX, alle Staatsangehörigkeit Republik Tadschikistan, vertreten durch RA Mag. Doris EINWALLNER, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.10.2017, Zahlen 1) 13-610452403 (12 16.835-BAI), 2) 13-643270409 (13 12.411-BAI), 3) 13-610452501 (12 16.836-BAI) und 4) 13-643270507 (13 12.412-BAI) beschlossen:
A)
Die Beschwerden werden als unzulässig zurückgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
1. Der Erstbeschwerdeführer (in Folge: BF1) und die Zweitbeschwerdeführerin (in Folge: BF2) sind Lebensgefährten. Die Drittbeschwerdeführerin (in Folge: BF3) und der Viertbeschwerdeführer (in Folge: BF4) sind die gemeinsamen minderjährigen Kinder. Alle (gemeinsam in der Folge als BF bezeichnet) sind Staatsangehörige Tadschikistans.
2. Der BF1 und die BF3 stellten nach ihrer Einreise in das Bundesgebiet am 17.11.2012 Anträge auf internationalen Schutz. Die BF2 und der BF4 folgten ihnen nach und beantragten am 27.08.2013 gleichfalls die Gewährung von internationalen Schutz.
3. Die genannten Asylanträge wurden jeweils mit Bescheiden des Bundesasylamtes vom 02.07.2013 bzw. 15.10.2013 vollumfänglich abgewiesen und die BF nach Tadschikistan ausgewiesen.
4. Die dagegen erhobenen Beschwerden wurden mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichtes vom 18.08.2017 betreffend Asyl und subsidiären Schutz als unbegründet abgewiesen. Im Übrigen wurde das Verfahren gemäß § 75 Abs. 20 AsylG 2005 zur jeweiligen Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) zurückverwiesen.
5. Mit Bescheiden, jeweils vom 02.10.2017, wurden den BF Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß den §§ 57 und 55 AsylG nicht erteilt. Gegen die BF wurde gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG Rückkehrentscheidungen erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung nach Tadschikistan zulässig ist. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt.
6. Das Bundesverwaltungsgericht wies die dagegen erhobenen Beschwerden mit Erkenntnis vom 20.03.2018 als unbegründet ab und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig. Das Bundesverwaltungsgericht ging von rechtswirksam zugestellten Bescheiden der BF aus und begründete dies damit, dass die Bevollmächtigung der RA vom 22.12.2015 im Verfahren vor dem BFA nicht weiterwirke und die Behörde nicht verpflichtet gewesen sei, die Bescheide zu Handen der bevollmächtigten Vertreterin zuzustellen.
7. Gegen dieses Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes erhoben die BF eine außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof. Es wurde geltend gemacht, dass die BF seit Dezember 2015 anwaltlich vertreten seien, das BFA im fortgesetzten Verfahren aber dennoch sowohl die Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 24.08.2017, als auch die Bescheide vom 02.10.2017 den BF selbst und nicht deren Rechtsvertreterin zugestellt habe. Die Verfahren vor der Verwaltungsbehörde und das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht seien als einheitliche Rechtssache zu sehen und wären sämtliche Zustellungen an die Rechtsvertreterin und nicht an die BF selbst vorzunehmen gewesen. Eine Heilung des Zustellmangels komme nicht in Frage. Das Bundesverwaltungsgericht hätte daher die Beschwerde der BF bei richtiger rechtlicher Beurteilung mangels dem Rechtsbestand angehörender Bescheide zurückweisen müssen.
8. Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25.09.2018 wurde das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 20.03.2018 wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtes aufgehoben.
Am 31.10.2018 wurden die Akten wieder dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die Bescheide des BFA vom 02.10.2017 wurden nicht ordnungsgemäß zugestellt und sind daher nicht rechtwirksam erlassen.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen ergeben sich aus den Verwaltungsakten und den Ausführungen im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
Der Verwaltungsgerichtshof führte in seiner Entscheidung aus wie folgt:
"§ 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 lautet:
"Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme
§ 10. (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit
einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur
Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden,
wenn
1. ... 2.
3. der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich
der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird, ..."
§ 52 Abs. 2 Z 2 FPG sieht in diesem Zusammenhang vor:
" (2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn ...
2. dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl
bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird, ..."
Die Übergangsbestimmung des § 75 Abs. 20 AsylG 2005 lautet auszugsweise:
"(20) Bestätigt das Bundesverwaltungsgericht in den Fällen des Abs. 18 und 19 in Bezug auf Anträge auf internationalen Schutz
----------
1.-den abweisenden Bescheid des Bundesasylamtes,
2.-...6.,
so hat das Bundesverwaltungsgericht in jedem Verfahren zu entscheiden, ob in diesem Verfahren die Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist oder das Verfahren zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt zurückverwiesen wird. Wird das Verfahren zurückverwiesen, so sind die Abwägungen des Bundesverwaltungsgerichtes hinsichtlich des Nichtvorliegens der dauerhaften Unzulässigkeit der Rückkehrentscheidung für das Bundesamt nicht bindend. ..."
1 Hieraus ist abzuleiten, dass es sich bei dem (nach Zurückverweisung gemäß § 75 Abs. 20 AsylG 2005) fortgesetzten Verfahren über die Rückkehrentscheidungen um ein Verfahren handelt, das mit dem Verfahren über die Anträge auf internationalen Schutz eine Einheit bildet. Es liegt also kein "anderes Verfahren" als dasjenige vor, in dem sich die Bevollmächtigte (mit dem erwähnten Schriftsatz vom 22. Dezember 2015) bereits gemäß § 17 VwGVG iVm § 10 AVG ausgewiesen und sich auf ihre Vollmacht als Rechtsanwältin berufen hat.
12 Diese Verfahrenseinheit wird nicht dadurch durchbrochen, dass die Verfahren einerseits - zuletzt - vom BVwG und andererseits vom BFA zu führen waren. Denn die im angefochtenen Erkenntnis ins Treffen geführte Judikatur - im Übrigen ausdrücklich zur Rechtslage vor der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 ergangen -, wonach von einer Einheit hinsichtlich des Verwaltungsverfahrens und des Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof keine Rede sein könne, ist jedenfalls auf das Verhältnis Verwaltungsgericht zu Behörde nicht zu übertragen. Dem Verwaltungsgericht kommt nämlich verfahrensrechtlich in vielfacher Weise jene Funktion zu, die früher die Berufungsbehörde nach § 66 Abs. 4 AVG innehatte, insbesondere hat es - anders als seinerzeit der Verwaltungsgerichtshof - nicht nur die gegen den verwaltungsbehördlichen Bescheid eingebrachte Beschwerde, sondern auch die Angelegenheit zu erledigen, die von der Verwaltungsbehörde zu entscheiden war (vgl. dazu VwGH 26.6.2014, Ro 2014/03/0063, Punkt B 2.3. der Entscheidungsgründe, mwN). Ferner handelt es sich bei der Beschwerde um ein Rechtsmittel, das den Parteien im regelmäßigen Gang des Verfahrens zur Verfügung steht und dessen Einbringung grundsätzlich (wie früher die Berufung) gemäß § 13 Abs. 1 VwGVG aufschiebende Wirkung hat. Die Sachentscheidung der Verwaltungsgerichte ist an jener Sach- und Rechtslage auszurichten, die zum Zeitpunkt der Erlassung ihres Erkenntnisses maßgeblich ist (vgl. VwGH 21.10.2014, Ro 2014/03/0076, Punkt B 5.1. der Entscheidungsgründe). Das Erkenntnis tritt - wie die Entscheidung der Berufungsbehörde - an die Stelle des bekämpften Bescheides, der aus dem Rechtsbestand ausscheidet (vgl. VwGH 23.7.2018, Ra 2018/07/0349, Rn. 8).
13 All das verbietet die Annahme, das verwaltungsgerichtliche Verfahren einerseits und das behördliche Verfahren andererseits stellten im hier vorliegenden Zusammenhang keine Einheit dar, weshalb sich schlussfolgernd die im angefochtenen Erkenntnis - unter Berufung auf eine nicht näher begründete Ausführung in Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht10, Rz. 144 - vertretene Auffassung, eine Bevollmächtigung im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht wirke nicht eo ipso in einem fortgesetzten Verwaltungsverfahren, in dieser Allgemeinheit als verfehlt erweist.
14 Demzufolge wären die nur den Revisionswerbern persönlich zugestellten Bescheide des BFA vom 2. Oktober 2017 richtigerweise ihrer Rechtsvertreterin zuzustellen gewesen (vgl. etwa VwGH 26.4.2011, 2010/03/0186, Punkt II.1.2.; weiters Hengstschläger/Leeb, AVG I (2. Ausgabe 2014), § 10, Rz. 23).
15 Da diese Zustellung (trotz des diesbezüglichen Hinweises im Schriftsatz vom 10. Oktober 2017) unterblieben ist, sind die genannten Bescheide des BFA vom 2. Oktober 2017 nicht rechtswirksam erlassen worden. Dies hat den Mangel der Zuständigkeit des BVwG zu einem meritorischen Abspruch über die Beschwerden der Revisionswerber zur Folge. Vielmehr reicht seine Zuständigkeit in derartigen Fällen nur soweit, die Beschwerden als unzulässig zurückzuweisen (vgl. in diesem Sinn VwGH 4.7.2002, 2001/11/0072, a. E.)."
Die angefochtenen Bescheide vom 02.10.2017 wurden mangels ordnungsgemäßer Zustellung nicht erlassen und konnten daher keine Rechtswirkungen entfalten. Eine Beschwerde dagegen ist in Folge nicht zulässig und zurückzuweisen.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Bescheiderlassung, Bescheidqualität, Nichtbescheid, Nichtigkeit,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W226.1436776.2.01Zuletzt aktualisiert am
04.02.2019