Entscheidungsdatum
21.11.2018Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W261 2170549-3/3E
I M N A M E N D E R R E P U B L I K !
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Karin GASTINGER, MAS über die Beschwerde von XXXX, geboren am XXXX, StA. Afghanistan, vertreten durch die DIAKONIE Flüchtlingsdienst gem. GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.10.2018, Zl. XXXX, zu Recht:
A)
Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid wird ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Der nunmehrige Beschwerdeführer (in der Folge BF), ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste nach eigenen Angaben am 19.03.2015 als unbegleiteter Minderjähriger Flüchtling in die Republik Österreich ein und stellte am 20.03.2018 einen Antrag auf internationalen Schutz.
Bei der Erstbefragung am 20.03.2015 vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der BF im Beisein einer Dolmetscherin für die Sprache Dari an, dass er Afghanistan bereits als Kleinkind verlassen habe, und im Iran aufgewachsen sei. Er könne nicht nach Afghanistan zurück, weil er dort niemanden habe. In Österreich sei dies anders, hier seien die Leute nett und höflich, und er möchte hier eine Ausbildung machen.
Am 16.02.2017 erfolgte die niederschriftliche Ersteinvernahme des BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Außenstelle Wien (in der Folge BFA) im Beisein einer Vertrauensperson sowie eines Dolmetschers für die Sprache Dari. Er gab an, er sei in der Provinz Daikundi geboren, und seine Eltern seien, als er zwei Jahre alt gewesen sei, mit der Familie in den Iran gezogen. Er könne nicht nach Afghanistan zurückkehren, weil es dort einen Mann gebe, vor dem er sich fürchte. Dies habe damit zu tun, dass er einem Freund im Iran ein Motorrad geborgt habe. Dieser habe ein Verhältnis mit einer verheirateten Frau gehabt, deren Ehemann habe sie erwischt, und der Freund habe den Ehemann im Streit getötet und sei geflohen, wobei er das Motorrad des BF dort gelassen habe. Der Bruder des Getöteten glaube, dass der BF den Ehemann getötet habe und habe nach ihm gesucht. Dieser habe eine große Familie in Afghanistan, und er habe gedroht, ihn überall zu finden. Zwei Tage nach diesem Vorfall habe der BF den Iran verlassen.
In seiner Stellungnahme vom 07.03.2017 gab der BF bekannt, dass er Asyl aufgrund der Tatsache begehre, dass er als verwestlichte Person wahrgenommen werde, er sei ein Mann im wehrpflichtigem Alter, sei Angehöriger der schiitischen Minderheit der Hazara und sei als Person in Blutfehenden verwickelt.
Mit Bescheid vom 29.08.2017 wies das BFA den Antrag des BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) ab. Gemäß § 57 AsylG 2005 erteilte das BFA dem BF keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen und erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG (Spruchpunkt III.). Das BFA stellte § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei. Weiters sprach das BFA aus, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des BF gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV).
Zu den Gründen für das Verlassen des Irans bzw. zu der Situation im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat stellte das BFA insbesondere fest, der BF habe eine Furcht vor Verfolgung nicht glaubhaft gemacht. Zudem bestehe für den BF eine taugliche innerstaatliche Fluchtalternative. Der BF sei gesund und arbeitsfähig und könne seinen Lebensunterhalt in Kabul bestreiten.
Der BF erhob mit Eingabe vom 06.09.2017, bevollmächtigt vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, gegen diesen Bescheid fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde.
Das Bundesverwaltungsgericht wies mit Erkenntnis vom 15.02.2018, Zl. XXXX die Beschwerde als unbegründet ab. Damit ist die Entscheidung des BFA in Rechtskraft erwachsen.
Der BF hielt sich in weiterer Folge in der Zeit vom 02.03.2018 bis 01.08.2018 in Deutschland auf und wurde von den deutschen Behörden am 01.08.2018 mit dem Flugzeug nach Österreich überstellt.
Im Zuge seiner Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 01.08.2018 stellte der BF neuerlich einen Antrag auf internationalen Schutz. Zu seinen Fluchtgründen befragt gab der BF an, dass er in Deutschland Menschen kennengelernt habe, die ihm geholfen hätten. Daher sei er zum Christentum übergetreten. Er könne nicht nach Afghanistan zurück, weil nach islamischen Recht die Übertretung zu einem anderen Glauben mit der Todesstrafe bedroht sei. Der BF legte in weiterer Folge eine Taufurkunde der XXXX vom 06.05.2018 vor.
Am 17.08.2018 fand die Ersteinvernahme des BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Erstaufnahmestelle Ost (in der Folge kurz belangten Behörde) statt. Dabei gab der BF an, dass er Christ geworden sei, dies sei der Grund seiner neuerlichen Antragstellung. Auch die übrigen Fluchtgründe halte er aufrecht. Die belangte Behörde wies den BF darauf hin, dass sein Antrag auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sei, nachdem sich im Vergleich zum Erstverfahren kein glaubhafter neuer Fluchtgrund ergeben habe.
In weiterer Folge wies die belangte Behörde den Antrag des BF vom 01.08.2018 gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück (Spruchpunkt I.) Im Spruchpunkt II. wies die belangte Behörde den Antrag vom 01.08.2018 hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück. Die belangte Behörde erteilte den BF keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG (Spruchpunkt III.), erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG (Spruchpunkt IV.). Die belangte Behörde stellte fest, dass die Abschiebung des BF gemäß § 52 Abs. 9 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Weiters sprach die belangte Behörde aus, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe (Spruchpunkt VI).
In der Begründung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass diese nach dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens zu dem Schluss komme, dass die behauptete Konversion des BF aus verfahrenstaktischen Gründen erfolgt sei. Somit sei für die belangte Behörde kein neuer entscheidungsrelevanter Sachverhalt möglich, weswegen diese verpflichtet sei, den Folgeantrag wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.
Gegen diesen Bescheid erhob der BF, bevollmächtigt vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, rechtzeitig das Rechtsmittel der Beschwerde. Darin führte der BF aus, dass Rechtswidrigkeit hinsichtlich der Spruchpunkte I. und II. vorliege. Voraussetzung für die Zurückweisung wegen entschiedener Sache iSd § 68 Abs. 1 AVG ist die tatsächliche Identität der Sache. Im gegenständlichen Fall würden jedoch nova producta vorliegen, die erst nach Erlassung des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes, mit welchem der Antrag auf internationalen Schutz in letzter Instanz rechtskräftig abgewiesen wurden, entstanden seien. Es könne daher nicht von einer Identität der Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG gesprochen werden, weswegen die Erlassung einer zurückweisenden Entscheidung nach § 68 Abs. 1 AVG unzulässig und rechtswidrig gewesen sei. Daher sei das Verfahren zuzulassen und inhaltlich zu prüfen, da keine entschiedene Sache vorliege.
Die belangte Behörde legte den Aktenvorgang mit Schreiben vom 13.11.2018 vor, wo dieser am 15.11.2018 einlangte.
Mit Eingabe vom 21.11.2018 legte der BF, bevollmächtigt vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, ein Schreiben von The Oasis vom 12.11.2018 vor, wonach der BF unter anderem eine Bibelstunde besucht habe, um die Bibel besser zu verstehen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1 Zum ersten Asylantrag des Beschwerdeführers
Der BF stellte am 20.03.2018 seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz.
Er begründete diesen Antrag in der Erstbefragung am 20.03.2018 (AS
17 - 27) vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes damit,
dass er als Kleinkind Afghanistan verlassen habe, und im Iran aufgewachsen sei. Er habe niemanden in Afghanistan, weswegen er dorthin nicht zurückkehren könne.
Bei seiner Ersteinvernahme am 17.02.2017 (AS 133 - 139) vor dem BFA gab der BF an, dass sein Vater vor seiner Ausreise in den Iran vor ca. 17 Jahren mit einem Hazara zusammengearbeitet habe, der die Kontrolle über einen Distrikt innehatte. Diese Person sei von seinen Feinden getötet worden, weswegen auch die Eltern des BF gemeinsam mit diesen aus Furcht, dass diesen Ähnliches passieren könne, Afghanistan verlassen hätten. In Afghanistan gebe es auch einen Mann, der den BF umbringen wolle, weil er glaube, dass dieser etwas mit dem Tod dessen Bruders, der vom Freund des BF getötet worden sein soll, zu tun habe.
In seiner Stellungnahme vom 07.03.2017 (AS 167 - 170) machte der BF als Fluchtgründe geltend, dass für ihn folgende Risikoprofile laut UNHCR-Richtlinie vom April 2016 relevant seien: Er sei eine als verwestlicht wahrgenommene Person, er sei ein Mann im wehrpflichtigen Alter, er gehöre der Minderheit der schiitischen Hazara an, und sei eine in eine Blutfehde verwickelte Person.
Das BFA wies diesen Antrag des BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten mit Bescheid vom 29.08.2017 (AS 203 - 293) ebenso ab, (Spruchpunkt I.) wie dessen Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.). Dieser Bescheid erwuchs nach einem die dagegen erhobene Beschwerde abweisenden Erkenntniss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 15.02.2018 am 23.03.2018 in Rechtskraft.
1.2. Zum zweiten Asylantrag des Beschwerdeführers
Der BF stellte am 01.08.2018 (AS 8) seinen zweiten Antrag auf internationalen Schutz.
Er begründete diesen Antrag in der Erstbefragung am 01.08.2018 (AS 7 - 11) vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes damit, dass er in Deutschland, wo er nach der negativen Asylentscheidung ausgereist sei, zum Christentum konvertiert sei, weswegen er nicht mehr nach Afghanistan zurückkehren könne.
Bei seiner Ersteinvernahme am 17.08.2018 (AS 91 - 113) vor der belangten Behörde gab der BF neuerlich an, dass er in Deutschland zum Christentum konvertiert sei, und legte dazu im Verfahren eine Taufurkunde der XXXX vom 06.05.2018 (AS 43) vor. Er hielt auch seine ursprünglichen Fluchtgründe laut seinem ersten Asylantrag aufrecht.
Mit dem angefochtenen Bescheid (AS 117 - 265) wies die belangte Behörde unter anderem den Antrag des BF vom 01.08.2018 auf internationalen Schutz gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache ebenso zurück (Spruchpunkt I.) wie dessen Antrag vom 01.08.2018 hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten.
2. Beweiswürdigung:
Die oben genannten Feststellungen beruhen auf den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsverfahrensakten zu den Anträgen des BF auf internationalen Schutz, sowie aus dem Akt des Bundesverwaltungsgerichtes im Vorverfahren. Zu den einzelnen Feststellungen sind die entsprechenden Aktenseiten (AS) des verfahrensgegenständlichen Verwaltungsverfahrensaktes angeführt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
3.1 Zur Entscheidung in der Sache
Gemäß § 68 Abs 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wenn die Behörde nicht den Anlass zu einer Verfügung gemäß § 68 Abs 2 bis 4 AVG findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes steht die Rechtskraft einer Entscheidung einem neuerlichen Antrag entgegen, wenn keine relevante Änderung der Rechtslage oder des Begehrens vorliegt und in dem für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt keine Änderung eingetreten ist (VwGH 29.06.2015, Ra 2015/18/0122). Die objektive (sachliche) Grenze dieser Wirkung der Rechtskraft wird durch die "entschiedene Sache", also durch die Identität der Verwaltungssache, über die bereits mit einem formell rechtskräftigen Bescheid abgesprochen wurde, mit der im neuen Antrag intendierten bestimmt (VwGH 17.02.2015, Ra 2014/09/0029). Identität der Sache als eine der Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des § 68 Abs 1 AVG ist dann gegeben, wenn sich der für die Entscheidung maßgebende Sachverhalt, der dem rechtskräftigen Vorbescheid zugrunde lag, nicht geändert hat. Im Übrigen ist bei der Überprüfung, ob sich der Sachverhalt maßgeblich verändert hat, vom rechtskräftigen Vorbescheid auszugehen, ohne dass dabei dessen sachliche Richtigkeit nochmals zu ergründen wäre, weil die Rechtskraftwirkung ja gerade darin besteht, dass die von der Behörde entschiedene Sache nicht neuerlich untersucht und entschieden werden darf. Eine andere fachliche Beurteilung unverändert gebliebener Tatsachen berührt die Identität der Sache nicht. In Bezug auf die Rechtslage kann nur eine Änderung der maßgeblichen Rechtsvorschriften selbst bei der Frage, ob Identität der Sache gegeben ist, von Bedeutung sein, nicht aber eine bloße Änderung in der interpretativen Beurteilung eines Rechtsbegriffs oder einer Rechtsvorschrift bei unverändertem Normenbestand (VwGH 24.06.2014, Ro 2014/05/0050). Erst nach Erlassung des Bescheides hervorgekommene Umstände, die eine Unrichtigkeit des Bescheides dartun, stellen keine Änderung des Sachverhaltes dar, sondern bilden lediglich unter den Voraussetzungen des § 69 AVG einen Wiederaufnahmegrund (VwGH 17.02.2015, Ra 2014/09/0029). Im Folgeantragsverfahren können - bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen - nur neu entstandene Tatsachen, die einen im Vergleich zum rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren geänderten Sachverhalt begründen, zu einer neuen Sachentscheidung führen, nicht aber solche, die bereits vor Abschluss des vorangegangenen Asylverfahrens bestanden haben (VwGH 08.09.2015, Ra 2014/18/0089). In Hinblick auf wiederholte Anträge auf internationalen Schutz kann nur eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung - nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen - berechtigen und verpflichten, der für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen rechtlich Relevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein. Die behauptete Sachverhaltsänderung muss zumindest einen "glaubhaften Kern" aufweisen, dem Relevanz zukommt (VwGH 09.03.2015, Ra 2015/19/0048). Nur dann, wenn die die Ermittlungen der Behörde ergeben, dass eine Sachverhaltsänderung, die eine andere Beurteilung nicht von vornherein ausgeschlossen erscheinen ließe, entgegen den Behauptungen der Partei in Wahrheit nicht eingetreten ist, ist der Antrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückzuweisen (VwGH 19.02.2009, 2008/01/0344). Neues Sachverhaltsvorbringen in der Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Bescheid nach § 68 AVG ist von der "Sache" des Beschwerdeverfahrens nicht umfasst und daher unbeachtlich (VwGH 29.06.2015, Ra 2015/18/0122).
Das Bundesverwaltungsgericht hat fallbezogen zu prüfen, ob die Behörde auf Grund des von ihr zu berücksichtigenden Sachverhalts zu Recht zum Ergebnis gelangt ist, dass im Vergleich zum rechtskräftig entschiedenen ersten Asylverfahren keine wesentliche Änderung der maßgeblichen Umstände eingetreten ist (vgl VwGH 25.04.2017, Ra 2016/01/0307).
Maßstab der Rechtskraftwirkung bildet die Entscheidung, mit der zuletzt in der Sache entschieden wurde (VwGH 06.11.2009, 2008/19/0783), im vorliegenden Fall somit das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 15.02.2018, Zl.XXXX, welches mit 23.03.2018 in Rechtskraft erwuchs.
Insoweit sich der BF auf sein bereits bisher erstattetes Fluchtvorbringen (siehe Punkt 1.1), welches bereits durch das genannte Erkenntnis des Bundesverwaltungsgericht vom 15.02.2018 rechtskräftig entschieden wurde, bezieht, ist die belangte Behörde richtigerweise davon ausgegangen, dass es sich hierbei um eine bereits entschiedene Sache handelt, welche nach § 68 Abs. 1 AVG zurückzuweisen ist.
Im gegenständlichen Beschwerdefall handelt es sich bei den Ausführungen des BF, wonach er am 06.05.2018 getauft worden und damit zum christlichen Glauben konvertiert worden sei, wie der BF in seiner Beschwerde richtig ausführt, jedoch um einen neuen Sachverhalt, welcher erst nach der genannten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes eintrat. Er legte dazu der belangten Behörde seine Taufurkunde vor.
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist eine Änderung des Vorbringens nur dann wesentlich, wenn sie für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluss zulässt, dass nunmehr bei Bedachtnahme auf die damals als maßgeblich erachteten Erwägungen eine andere Beurteilung jener Umstände, die der angefochtenen Entscheidung zu Grunde lagen, nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann, und daher die Erlassung eines inhaltlich anders lautenden Bescheides zumindest möglich ist (VwGH 24.03.2011, 2007/07/0155; Hengstschläger/Leeb, AVG2 § 68, Rz 26 mit Judikaturnachweisen; vlg iZm auch VwGH 05.05.2015, Ra 2014/22/0115:
"Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes liegt ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht erst dann vor, wenn der vorgebrachte Sachverhalt auch konkret dazu führt, dass nunmehr der begehrte Aufenthaltstitel erteilt werden müsste").
Im konkreten Beschwerdefall ergibt sich aus den Feststellungen, dass das erstmalige Vorbringen des BF, er sei zum Christentum konvertiert, entgegen der Ansicht der belangten Behörde, welche diesem Vorbringen gänzlich die Glaubhaftigkeit absprach, sehr wohl über einen glaubhaften Kern verfügt, und ein anderes Verfahrensergebnis nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann. Der BF hat zur Bekräftigung seines Vorbringens eine Taufurkunde einer baptistischen Freikirche vorgelegt. Die belangte Behörde hat in diesem Zusammenhang jegliche Ermittlung darüber unterlassen, ob es sich bei diesem Dokument um eine echte Taufurkunde, oder um eine Fälschung handelt, und ob der BF tatsächlich getauft wurde, oder nicht. Auch wenn der belangten Behörde zu folgen ist, dass der BF nur über marginale Kenntnisse seiner neuen Religion verfügt, hätte diese dennoch detaillierter zu prüfen gehabt, ob sich der BF auch in Österreich aus innerer Überzeugung für das Christentum interessiert, und falls ja, in welcher Form sich dieses Interesse zeigt bzw. er dieses ausübt.
Mit seinem Vorbringen, in Deutschland zum Christentum konvertiert zu sein und im Fall seiner Rückkehr nach Afghanistan wegen seiner Konversion aus religiösen Gründen verfolgt zu werden, macht der BF einen (subjektiven) Nachfluchtgrund im Sinne des § 3 Abs. 2 AslyG geltend.
Hat die belangte Behörde einen Antrag zurückgewiesen, so ist Sache des BF lediglich die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung. Eine erstmalige inhaltliche Entscheidung über den zugrundeliegenden Antrag hätte demgegenüber den Gegenstand des Beschwerdeverfahrens überschritten (VwGH 12.10.2015, Ra 2015/22/0115).
Der Beschwerde war daher stattzugeben und der angefochtene Bescheid war ersatzlos zu beheben. Für das von der belangten Behörde in weiterer Folge fortzusetzende Verfahren ergibt sich, dass durch die im vorliegenden Fall gebotene Aufhebung des angefochtenen Bescheides in der Sache der verfahrensgegenständliche Antrag des Beschwerdeführers wieder unerledigt ist und über diesen von der belangten Behörde - unter Beachtung der höchstgerichtlichen Judikatur neuerlich, nämlich meritorisch - in der Sache - abzusprechen ist (vgl VwGH 17.11.2016, Ra 2016/21/0314). Eine zurückweisende Entscheidung wegen entschiedener Sache kommt im vorliegenden Fall nicht mehr in Frage.
Damit liegen auch die Voraussetzungen die Beurteilung der Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen, für die Erlassung einer Rückkehrentscheidung, für die Zulässigkeit der Abschiebung und eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht mehr vor, weshalb Spruchpunkt III bis VI mangels einer gesetzlichen Grundlage keinen Bestand mehr haben können, und diese ebenso ersatzlos zu beheben sind.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
3.2 Zum Entfall der mündlichen Verhandlung
Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte im gegenständlichen Fall gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG unterbleiben, da einerseits der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei zum Teil zurückzuweisen war und andererseits der angefochtene Bescheid aufzuheben war.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Artikel 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Artikel 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung (siehe die oben zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, aber auch des Verfassungsgerichtshofes und des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte); weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Behebung der Entscheidung, ersatzlose Behebung, Folgeantrag,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W261.2170549.3.00Zuletzt aktualisiert am
04.02.2019