TE Bvwg Erkenntnis 2018/11/26 W161 2208345-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 26.11.2018
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

26.11.2018

Norm

AsylG 2005 §35 Abs1
AsylG 2005 §35 Abs4
AsylG 2005 §35 Abs5
AsylG 2005 §60 Abs2
B-VG Art.133 Abs4
EMRK Art.8
FPG §11a Abs2
FPG §26
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs3 Satz2

Spruch

W161 2208343-1/2E

W161 2208346-1/2E

W161 2208345-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Monika LASSMANN über die Beschwerden von 1. XXXX, geb. XXXX, 2. XXXX, geb. XXXX sowie 3. XXXX, geb. XXXX, 2. und 3. gesetzlich vertreten durch die Kindesmutter XXXX, alle StA. Syrien, sämtlich vertreten durch Dr. Robert KERSCHBAUMER, Rechtsanwalt in 9900 Lienz, gegen den Bescheid der Österreichischen Botschaft XXXX GZ. ÖB/KONS/1003/2018, beschlossen:

A)

Den Beschwerden wird gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG stattgegeben, der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheiten zur Erlassung einer neuerlichen Entscheidung an die Behörde zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Die Erstbeschwerdeführerin ist syrische Staatsangehörige und stellte am 15.5.2018 bei der Österreichischen Botschaft XXXX (im Folgenden: "ÖB - XXXX") einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 35 Abs. 1 AsylG für sich ihre beiden minderjährigen Töchter (Zweit- und Drittbeschwerdeführerin). Begründend führte sie aus, sie möchte zu ihrem Ehegatten ALISSA Ziad, geb. 25.05.1977, reisen. Nach Angaben der 1.BF heiratete das Paar am 26.09.2009 in Aleppo, Syrien. Die Beschwerdeführer würden sich derzeit in Gaziantep, Türkei, aufhalten. Der Bezugsperson wäre in Österreich Asyl gewährt worden.

2. Den Anträgen waren einige Dokumente angeschlossen, nicht jedoch eine Urkunde über die behauptete Asylgewährung der Bezugsperson. Diesbezüglich wurde nur eine schlechtleserliche zweite Seite mit einer Rechtsbelehrung in arabischer Sprache vorgelegt, der nicht zu entnehmen ist, auf welchen Bescheid sie sich bezieht. Die erste, wichtige Seite des Dokumentes fehlt und wurde im gesamten Verfahren nicht vorgelegt.

Der Dokumentenberater an der Botschaft führte zu den Dokumenten aus, dass insbesondere bei der Erstbeschwerdeführerin ein vorgelegter Personalausweis, ein Auszug aus dem Familienstandsregister und ein Auszug aus dem Personenstandsregister vorgelegt und echt seien, nachstehende Dokumente seien nicht vorgelegt worden: Reisepass, Heiratsurkunde, Heiratsvertag und Geburtsurkunde.

3. Die Mitteilung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in Folge: "BFA") gemäß § 35 Abs. 4 AsylG vom 06.08.2018 führte aus, die Gewährung des Status eine subsidiär Schutzberechtigten oder Asylberechtigten sei nicht wahrscheinlich. "Der Antragsteller" habe die Erfüllung der Erteilungsvoraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1-3 AsylG 2005 nicht nachweisen können und erscheine die Einreise des Antragstellers zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK nicht geboten. Die von den Antragstellern vorgelegten Dokumente würden nicht genügen um die Angehörigeneigenschaft nachzuweisen. Zu diesem Nachweis wäre noch die Durchführung einer DNA-Analyse erforderlich.

4. Am 08.08.2018 wurde der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerinnen zu einer Stellungnahme aufgefordert (Parteiengehör). Gleichzeitig wurden die Ergebnisse der Mitteilung des BFA gemäß § 35 Abs. 4 AsylG mitgeteilt.

5. Am 14.08.2018 brachte der Rechtsanwalt der Beschwerdeführerinnen eine Stellungnahme ein, mit welcher einige bereits vorgelegte Dokumente neuerlich vorgelegt wurden, darüber hinaus auch ein Mietvertrag und eine ZMR, betreffend die Bezugsperson sowie zahlreiche leere Seiten.

In der Stellungnahme wird ausgeführt, Ziad ALISSA sei der Ehegatte der Erstbeschwerdeführerin und Kindesvater der Zweit- und Drittbeschwerdeführerinnen. Ihm sei in Österreich Asyl gewährt worden. Die Familienzusammenführung sei zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinn des § 8 EMRK geboten.

Ziad ALISSA sei als Ehegatte und Kindesvater unterhaltspflichtig und auch verpflichtet, seiner Familie Unterkunft zu gewähren. Er verfüge in Österreich über eine Wohnung, stehe in einem Beschäftigungsverhältnis und verfüge daher auch über einen alle Risiken abdeckenden Krankenversicherungsschutz, der sich ex lege auf die sich sodann bei ihm im Haushalt aufhaltenden Antragstellerinnen erstrecke. Darüber hinaus wurde beantragt, zum Beweis der Angehörigeneigenschaft die DNA-Analyse zu veranlassen.

6. Nach Übermittlung dieser Stellungnahme führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl in seiner Mitteilung gemäß § 35 Abs. 4 AsylG 2005 vom 21.08.2018 neuerlich aus, dass die Gewährung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten oder Asylberechtigten nicht wahrscheinlich sei. Die Gründe hierfür wurden gleichlautend zur ersten Stellungnahme vom 06.08.2018 angegeben (Erteilungsvoraussetzungen gemäß § 60 Abs.2 Z.1-3 AsylG nicht nachgewiesen, Durchführung einer DNA-Analyse wäre noch erforderlich).

7. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 22.08.2018, zugestellt am selben Tag, verweigerte die ÖB XXXX die Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 26 FPG iVm § 35 AsylG mit der Begründung, das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl habe nach Prüfung mitgeteilt, dass in dem dem Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels zugrunde liegenden Fall die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten nicht wahrscheinlich sei.

Die Antragsteller hätten "die Erfüllung folgender Erteilungsvoraussetzung/en gemäß § 60 Abs. 2 Z 1-3 AsylG 2005" nicht nachweisen können und erscheine die Einreise der Antragsteller zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinn des Art. 8 EMRK nicht geboten. Die von den Antragstellern vorgelegten Dokumente würden nicht genügen, um die Angehörigeneigenschaft nachzuweisen. Zu diesem Nachweis wäre noch die Durchführung einer DNA-Analyse erforderlich.

8. Ungeachtet der Tatsache, dass ihm bereits am 22.08.2018 ein über die Anträge absprechender Bescheid zugestellt wurde, brachte der Rechtsanwalt der Beschwerdeführerinnen am 29.08.2018 eine ausgefüllte Zustimmungserklärung zur Datenverarbeitung bezüglich einer DNA-Analyse bei der Botschaft ein.

Auch die Botschaft leitete ungeachtet der Tatsache, dass sie über die Anträge der nunmehrigen Beschwerdeführer bereits entschieden hatte, die Zustimmungserklärung an das BFA weiter.

Das BFA gab am 30.08.2018 eine "3. endgültige Stellungnahme" ab, in welcher die bisherige Beurteilung aufrechterhalten wird.

In der Mitteilung gemäß § 35 Abs.4 AsylG vom 30.08.2018 wird begründend allerdings nur mehr angegeben: "Der Antragsteller konnte die Erfüllung folgender Erteilungsvoraussetzung/en gemäß § 60 Abs.2 Z.1-3 AsylG 2005 nicht nachweisen und die Einreise der Antragsteller zur Aufrechterhaltung der Privat- und Familienlebens erscheint im Sinn des Art. 8 EMRK nicht geboten." In dieser 3. Stellungnahme wird erstmals ausgeführt: "Die DNA-Analyse wird vom BFA nicht durchgeführt, da bereits die allgemeinen Voraussetzungen gemäß § 60 Abs.2 Z.1-3 AsylG 2005 nicht vorliegen."

9. Die Österreichische Botschaft XXXX erließ am 30.08.2018 in dieser Rechtsangelegenheit neuerlich einen abweisenden Bescheid, welcher sich inhaltlich vom Bescheid vom 22.08.2018 nur in einem Absatz verändert darstellt. Dieser ausdrücklich in der Übermittlungsnote als "zweiter Bescheid" bezeichnete Bescheid wurde dem Rechtsvertreter der Beschwerdeführerinnen am 30.08.2018 zugestellt.

10. Am 18.09.2018 brachte der Rechtsanwalt der Beschwerdeführerinnen eine ausdrücklich gegen den Bescheid der Österreichischen Botschaft

XXXX vom 22.08.2018 gerichtete Beschwerde ein.

11. Mit Schreiben des Bundesministeriums für Inneres vom 22.10.2018 wurde dem Bundesverwaltungsgericht der gegenständliche Verwaltungsakt übermittelt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die beschwerdeführenden Parteien stellten am 15.05.2018 bei der Österreichischen Botschaft XXXX einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 Abs. 1 Asylgesetz 2005.

Als Bezugsperson wurde ALISSA Ziad, geb. 24.05.1977, StA. Syrien, genannt, welcher der Vater der beiden minderjährigen Beschwerdeführerinnen sei.

Ein Nachweis zur behaupteten Asylgewährung an die Bezugsperson wurde im gesamten Verfahren nicht erbracht. Ebenso wenig wurden Dokumente für die behauptete Eheschließung vorgelegt.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl teilte nach Prüfung des Sachverhaltes mit, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten nicht wahrscheinlich sei, da die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1-3 AsylG 2005 von den Antragstellern nicht erfüllt worden wären und eine Einreise der Antragsteller im Sinn des Art. 8 EMRK nicht geboten erscheine. Die von den Antragstellern vorgelegten Dokumente würden nicht ausreichen, um die Angehörigeneigenschaft nachzuweisen. Zu diesem Nachweis wäre noch die Durchführung einer DNA-Analyse erforderlich.

Diese Einschätzung wurde auch nach Einbringung einer Stellungnahme der Antragstellerinnen aufrechterhalten.

In einer 3. Stellungnahme, die erst nach Zustellung des nunmehr angefochtenen 1. Bescheides vom 22.08.2018 erging, wich das BFA von seiner bisherigen Rechtsansicht insofern ab, als nunmehr ausgeführt wurde, die DNA-Analyse werde vom BFA nicht durchgeführt, da bereits die allgemeinen Voraussetzungen nach § 60 Abs.2 Z.1-3 AsylG nicht vorlägen.

2. Beweiswürdigung:

Die festgestellten Tatsachen ergeben sich zweifelsfrei aus dem Akt der Österreichischen Botschaft XXXX und wurden von den beschwerdeführenden Parteien nicht bestritten.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Stattgebung der Beschwerde:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt {§ 1 leg.cit). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Gemäß Abs. 2 leg. cit. hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht gemäß Abs. 3 leg. cit. im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

§ 26 FPG lautet:

Teilt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 35 Abs. 4 AsylG 2005 mit, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asyl berechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist, ist dem Fremden ohne Weiteres zur einmaligen Einreise ein Visum mit viermonatiger Gültigkeitsdauer zu erteilen.

§ 35 AsylG lautet:

(1) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei der mit konsularischen Aufgaben betrauten österreichischen Vertretungsbehörde im Ausland (Vertretungsbehörde) stellen. Erfolgt die Antragstellung auf Erteilung eines Einreisetitels mehr als drei Monate nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des Asylberechtigten, sind die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 zu erfüllen.

(2) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 2 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 frühestens drei Jahre nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei der Vertretungsbehörde stellen, sofern die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 erfüllt sind. Diesfalls ist die Einreise zu gewähren, es sei denn, es wäre auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegen oder in drei Monaten nicht mehr vorliegen werden. Darüber hinaus gilt Abs. 4.

(2a) Handelt es sich beim Antragsteller um den Elternteil eines unbegleiteten Minderjährigen, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, gelten die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 als erfüllt.

(3) Wird ein Antrag nach Abs. 1 oder Abs. 2 gestellt, hat die Vertretungsbehörde dafür Sorge zu tragen, dass der Fremde ein in einer ihm verständlichen Sprache gehaltenes Befragungsformular ausfüllt; Gestaltung und Text dieses Formulars hat der Bundesminister für Inneres im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres und nach Anhörung des Hochkommissärs der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (§ 63) so festzulegen, dass das Ausfüllen des Formulars der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts dient. Außerdem hat die Vertretungsbehörde auf die Vollständigkeit des Antrages im Hinblick auf den Nachweis der Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 hinzuwirken und den Inhalt der ihr vorgelegten Dokumente aktenkundig zu machen. Der Antrag auf Einreise ist unverzüglich dem Bundesamt zuzuleiten.

(4) Die Vertretungsbehörde hat dem Fremden aufgrund eines Antrags auf Erteilung eines Einreisetitels nach Abs. 1 oder 2 ohne weiteres ein Visum zur Einreise zu erteilen (§ 26 FPG), wenn das Bundesamt mitgeteilt hat, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist. Eine derartige Mitteilung darf das Bundesamt nur erteilen, wenn

1. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§§ 7 und 9),

2. das zu befassende Bundesministerium für Inneres mitgeteilt hat, dass eine Einreise den öffentlichen Interessen nach Art. 8 Abs. 2 EMRK nicht widerspricht und

3. im Falle eines Antrages nach Abs. 1 letzter Satz oder Abs. 2 die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 erfüllt sind, es sei denn, die Stattgebung des Antrages ist gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten.

Bis zum Einlangen dieser Mitteilung ist die Frist gemäß § 11 Abs. 5 FPG gehemmt. Die Vertretungsbehörde hat den Fremden über den weiteren Verfahrensablauf in Österreich gemäß § 17 Abs. 1 und 2 zu informieren.

(5) Nach dieser Bestimmung ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die österreichische Vertretungsbehörde im Ausland in Bezug auf die Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG 2005 an die Mitteilung des Bundesasylamtes (nunmehr: des Bundeamtes für Fremdenwesen und Asyl) über die Prognose einer Asylgewährung bzw. Gewährung subsidiären Schutzes gebunden, und zwar auch an eine negative Mitteilung. Diesbezüglich kommt ihr keine eigene Prüfungskompetenz zu (vgl. das im Beschwerdefall im ersten Rechtsgang ergangene Erkenntnis VwGH 16.12.2014, Ro 2014/22/0034 unter Hinweis auf VwGH 17.10.2013, 2013/21/0152; VwGH 19.06.2008, 2007/21/0423).

Nach dieser Rechtsprechung ist zur Frage des Prüfungsumfangs der österreichischen Vertretungsbehörde bei der Entscheidung über den Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels im Sinne des § 35 Abs. 1 letzter Satz AsylG 2005 auf die Gesetzesmaterialien zur Stammfassung der Vorgängerbestimmung (§ 16 AsylG 1997) zurückzugreifen. Danach sollten die bei den österreichischen Berufsvertretungsbehörden im Ausland gestellten Asylanträge an die Durchführung eines Vorverfahrens gebunden sein. Bei diesem speziellen Sichtvermerksantrag sollte nämlich ein relativ formalisiertes Ermittlungsverfahren betreffend eine mögliche Asylgewährung stattfinden, in welches das Bundesasylamt einzubinden sei. Treffe das Bundesasylamt die Prognose, dass eine Asylgewährung wahrscheinlich sei, habe die Berufsvertretungsbehörde ohne Weiteres einen entsprechend befristeten Sichtvermerk zur Einreise zu erteilen, worauf das eigentliche Asylverfahren stattzufinden habe. Dieser Mechanismus solle auf der Ebene eines Sichtvermerksverfahrens dazu dienen, die im Hinblick auf eine potentielle Schutzbedürftigkeit heiklen Fälle aus der Vielzahl der Asylanträge im Ausland herauszufiltern, ohne zugleich - im Hinblick auf das relativ formalisierte Verfahren vor der österreichischen Vertretungsbehörde - durch eine negative Asylentscheidung res iudicata zu bewirken und den Asylwerber für immer von einem ordentlichen Asylverfahren auszuschließen. Werde ein Sichtvermerk nicht erteilt, sei der betreffende Asylantrag als gegenstandslos abzulegen (RV 686 BlgNR 20.GP 23).

Schon diese Ausführungen lassen erkennen, dass die österreichische Vertretungsbehörde im Ausland in Bezug auf die Visumserteilung an die Mitteilung des (nunmehr) Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl über die Prognose einer Schutzgewährung gebunden ist. Das Gesetz stellt nur klar, dass es bei einer positiven Mitteilung über die voraussichtliche Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten keiner weiteren Voraussetzungen für die Visumserteilung bedarf, somit die Erteilungsvoraussetzungen und Versagungsgründe des FPG diesfalls unbeachtet zu bleiben haben. Daraus kann nicht abgeleitet werden, dass die Vertretungsbehörde im Falle einer negativen Mitteilung des Bundesamtes noch einmal eine eigene Beurteilung der Wahrscheinlichkeit einer Asylgewährung vorzunehmen hätte und zu einem gegenteiligen Ergebnis als die zur Entscheidung über Asylanträge sachlich zuständige Behörde kommen könnte. Für diese Auffassung gibt das Gesetz keine ausreichenden Anhaltspunkte. Es würde auch dem Zweck der Erteilung dieses Einreisetitels zuwiderlaufen, dem Familienangehörigen einer schutzberechtigten Ankerperson im Hinblick auf die voraussichtliche Gewährung von Asyl bzw. subsidiären Schutz die Einreise zu ermöglichen, wenn das zur Beurteilung des Schutzantrages zuständige Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Stattgebung unter diesem Titel nicht für wahrscheinlich erachtet (siehe zu dem ganzen BVwG 12.01.2016, W184 2112510-1ua).

Die Grundsätze eines geordneten rechtsstaatlichen Verfahrens erfordern, dass der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt zumindest im Akt nachvollziehbar ist; (...) (VwGH 24.10.2007, 2007/21/0216).

Im vorliegenden Fall ist die belangte Behörde von einem Nichtbestehen der Ehe bzw. des Familienlebens zwischen der BF und der Bezugsperson in der Heimat bzw. davon ausgegangen, dass die Bezugsperson nicht der Ehemann der Erstbeschwerdeführerin und nicht der Vater der 2.- und 3. Beschwerdeführerinnen ist und hat basierend darauf die Anträge der BF auf Erteilung eines Einreisetitels abgewiesen. Für das erkennende Gericht entspricht jedoch die Vorgehensweise der erstinstanzlichen Behörde, die die Behörde letztlich zu einer abweisenden Entscheidung veranlasst habe, nicht den in casu anzuwendenden Bestimmungen und ist nicht nachvollziehbar, aus welchen konkreten Gründen die Behörde im Bescheid vom 22.08.2018 davon ausgegangen ist, dass keine Ehe und kein (relevantes) Familienleben zwischen den Beschwerdeführerinnen und der Bezugsperson in der Heimat bestanden haben soll.

Aufgrund der mangelhaften Urkundenvorlage bei der Antragstellung wäre die erstinstanzliche Behörde zunächst verhalten gewesen, einen Verbesserungsauftrag an die Beschwerdeführerinnen zu erteilen, mit welchem sie insbesondere aufzufordern gewesen wären, die vom Dokumentenberater als fehlend angegebenen Urkunden vorzulegen, sowie ein Dokument zum Nachweis der behaupteten Asylerlangung der Bezugsperson. Auch wurden die Beschwerdeführerinnen nicht darauf hingewiesen, dass sie auch die Voraussetzungen nach § 60 Abs. 2 Z 1-3 AsylG 2005 nachzuweisen haben.

Ein solcher Verbesserungsauftrag wurde nicht erteilt und die unvollständigen Anträge unmittelbar dem BFA zur Stellungnahme vorgelegt.

Das BFA verwies in seiner negativen Stellungnahme auf die fehlenden Voraussetzungen gem. § 60 Abs. 2 Z 1-3 AsylG, die fehlenden Urkunden und wies darauf hin, dass eine DNA-Analyse erforderlich wäre. In der Aufforderung zur Stellungnahme wurden die Beschwerdeführerinnen auf die vom BFA genannten fehlenden Voraussetzungen hingewiesen.

In der Stellungnahem vom 14.08.2018 erklärten sich die Beschwerdeführerinnen zur Durchführung einer DNA-Analyse aber ausdrücklich bereit und stellten den Antrag, eine solche DNA-Analyse zum Beweis der Angehörigeneigenschaft zu veranlassen. In der Stellungnahme wurde auch angegeben, dass die Bezugsperson in Österreich in einem aufrechten Beschäftigungsverhältnis stehe. Entsprechende Unterlagen dafür wurden zwar nicht vorgelegt, jedoch hätte man die Beschwerdeführerinnen durchaus auffordern können, solche vorzulegen, wenn das Vorbringen in der Stellungnahme für nicht hinreichend erachtet wird. Auch wurde ein Mietvertrag über eine 39m² große Wohnung in Graz vorgelegt.

In der Folge wurde ihre Stellungnahme dem BFA weitergeleitet, welches am 21.08.2018 neuerlich feststellte, dass durch die vorgelegte Stellungnahme vom 08.08.2018 keine neuen Beweise vorgelegt worden wären, und es zu keiner Änderung der Wahrscheinlichkeitsprognose gekommen wäre. Zum Nachweis wäre noch die Durchführung einer DNA-Analyse erforderlich.

Bereits am 22.08.2018 erließ die Österreichische Botschaft XXXX den ersten abweisenden Bescheid, in welchem sie begründend u.a. darauf verweisen, dass zum Nachweis der Angehörigeneigenschaft noch die Durchführung einer DNA-Analyse erforderlich wäre. Darüber hinaus wird auf die Erteilungsvoraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1-3 AsylG verwiesen. Auf das Vorbringen in der Stellungnahme der Beschwerdeführerinnen und den vorgelegten Mietvertrag der Bezugsperson, aus dem wohl zumindest die Erfüllung der Voraussetzung des § 60 Abs. 2 Z 1 AsylG abgeleitet werden muss, wird im angefochtenen Bescheid überhaupt nicht eingegangen.

Der erste Bescheid wurde somit erlassen, ohne die von den Beschwerdeführerinnenn angebotene Durchführung einer DNA-Analyse durchzuführen und ohne Würdigung der von den Beschwerdeführerinnen in der Stellungnahme schon mittels Vorlage des Mietvertrages dargelegten Wohnmöglichkeit und der behaupteten finanziellen Absicherung durch das Einkommen der Bezugsperson zu überprüfen.

Für das erkennende Gericht ist nicht nachvollziehbar, aus welchen konkreten Gründen im vorliegenden Fall davon ausgegangen wurde, dass keine Ehe und kein (relevantes) Familienleben zwischen der BF und der Bezugsperson in der Heimat bestanden haben soll.

Die Begründung der getroffenen negativen Entscheidung des angefochtenen Bescheides erweist sich somit in ihren verfahrenswesentlichen Punkten als aus dem vorliegenden Verwaltungsakt selbst heraus nicht nachvollziehbar. Damit sind die tragenden Entscheidungsgründe im gegenständlichen Verfahren auch für das Bundesverwaltungsgericht aufgrund des gegenwärtig vorliegenden Akteninhaltes nicht überprüfbar, bzw. kann das Bundesverwaltungsgericht aufgrund des Akteninhaltes selbst keine Einschätzung betreffend des Vorliegens der Voraussetzungen des gegenständlichen Antrages vornehmen.

Aufgrund dieser Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG aufzuheben und der ÖB XXXX die Erlassung eines neuen Bescheides nach Verfahrensergänzung aufzutragen.

Die erstinstanzliche Behörde wird im fortgesetzten Verfahren daher zuerst zu prüfen haben, ob die Beschwerdeführerinnen tatsächlich in einem familiären Verhältnis zur Bezugsperson stehen, dies durch Vorlage entsprechender Urkunden zu einer behaupteten Heirat und durch Durchführung der angebotenen DNA-Analysen. Sollte sich herausstellen, dass die Beschwerdeführerinnen tatsächlich antragslegitimiert sind, werden in der Folge die weiteren Voraussetzungen für die Erteilung des beantragten Einreisetitels zu überprüfen sein.

Nicht nachvollziehbar und rechtswidrig ist die Vorgehensweise, wenige Tage nach Erlass des "ersten Bescheides" (22.08.2018), am 30.08.2018 über dieselben Anträge einen neuerlichen, zweiten Bescheid zu erlassen. Ein Bescheid ist ein antragsbedingter Verwaltungsakt. Die bescheiderlassende Behörde ist, wie auch jede andere, an den Bescheid gebunden, sie darf ihn nicht ändern, d.h. auch nicht aufheben, widerrufen oder für nichtig erklären, außer sie ist durch eine spezielle, gesetzliche Ermächtigung ausdrücklich dazu befugt. Wie aus § 68 Abs. 1 iVm Abs. 2-4 AVG hervorgeht, tritt die Unabänderlichkeit durch die Behörde von Amts wegen bereits mit Erlassung des Bescheides und nicht erst mit Ablauf der Rechtsmittelfrist ein. Die im vorliegenden Fall gewählte Vorgangsweise ist zu beanstanden. Ein Fall des § 68 Abs. 2 AVG lag eindeutig nicht vor. Der zweite Bescheid vom 30.08.2018 kann somit keinerlei Rechtswirkung entfalten.

Gemäß § 11a Abs. 2 FPG war das Beschwerdeverfahren ohne mündliche Verhandlung durchzuführen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG idF BGBl. I Nr. 51/2012 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im den vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidungen nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Hinsichtlich der Einordnung des Sachverhaltes konnte sich das Bundesverwaltungsgericht auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den obigen Erwägungen wiedergegeben.

Schlagworte

Angehörigeneigenschaft, Behebung der Entscheidung, Bindungswirkung,
DNA-Daten, Einreisetitel, Ermittlungspflicht, Kassation,
mangelhaftes Ermittlungsverfahren, mangelnde
Sachverhaltsfeststellung, Nachreichung von Unterlagen,
Nachvollziehbarkeit, Nachweismangel, Privat- und Familienleben,
Prognose, Prüfungsumfang, Unvollständigkeit, Verbesserungsauftrag,
Wahrscheinlichkeit, Zurückverweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W161.2208345.1.00

Zuletzt aktualisiert am

04.02.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten