TE Bvwg Beschluss 2018/11/29 G311 2210190-1

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Veröffentlicht am 29.11.2018
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Entscheidungsdatum

29.11.2018

Norm

B-VG Art.133 Abs4
FPG §67 Abs1
VwGVG §28 Abs3

Spruch

G311 2210190-1/2E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Dr. Eva WENDLER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX, geboren am

XXXX, Staatsangehörigkeit: Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch RA Dr. PRANKL, gegen den Bescheid des Bundesamtes für

Fremdenwesen und Asyl vom 24.10.2018, Zahl XXXX:

A) In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid zur Gänze aufgehoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.10.2018 wurde über den Beschwerdeführer gemäß § 67 Abs. 1 und 2 FPG ein auf drei Jahre befristetes Aufenthaltsverbot erlassen. Gemäß § 70 Abs. 3 FPG wurde kein Durchsetzungsaufschub erteilt. Einer Beschwerde gegen das Aufenthaltsverbot wurde gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt. In der Bescheidbegründung wurde festgehalten, das folgende Beweismittel von der Behörde herangezogen wurden:

"-

Urteil vom XXXX2018 des BG XXXX

-

Verständigung über die Beabsichtigung der Erlassung eines Aufenhaltsverbotes und Aufforderung zur Stellungnahme vom 06.09.2018.

-

Androhung eines Aufenthaltsverbotes vom 25.08.2017.

-

gesamter unter IFA-Zahl XXXX im BFA-Salzburg aufliegender Bezugsakt.

-

Auszüge aus dem ZMR, IFA, EKIS, AJWEB, VStV, ECRIS."

Festgestellt wurde, dass der Beschwerdeführer seit 01.10.2018 in Tirol seinen Nebenwohnsitz gemeldet habe und er dort seit 26.09.2018 bei einem Gastronomiebetrieb beschäftigt sei. Er sei bereits viermal von einem österreichischen Gericht rechtskräftig verurteilt worden, von der Landespolizeidirektion XXXX sei er vierzehnmal wegen Verwaltungsübertretungen bestraft worden. Zum Privat- und Familienleben wurde festgehalten, dass eine besondere Aufenthaltverfestigung nicht festgestellt habe werden können. Zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes wurde zunächst auf die genannte strafgerichtliche Verurteilung vom 16.08.2018 Bezug genommen und diesbezüglich die Tat näher beschrieben. Weiters wurde das Urteil des Landesgerichtes XXXX vom XXXX2016 samt Tathergang geschildert. Auf zwei weitere Urteile des Bezirksgerichtes XXXX wurde ohne nähere Angaben hingewiesen. In der rechtlichen Beurteilung wurde zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes explizit auf des Urteil des Bezirkgerichtes XXXX vom XXXX2008 wegen der Vergehen der fahrlässigen Körperverletzung und der Gefährdung der körperlichen Sicherheit verwiesen. Pauschal wurde auf die übrigen drei Verurteilungen verwiesen, allerdings ohne näher darauf einzugehen. Hinsichtlich der Versagung des Durchsetzungsaufschubes und der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde wurde pauschal auf die durch das Verhalten gezeigte negative Einstellung zu den maßgeblichen Rechtsvorschriften der Republik Österreich verwiesen.

Dagegen wurde fristgerecht Beschwerde erhoben.

Im Verwaltungsakt liegen lediglich das Urteil des Bezirksgerichtes XXXX vom XXXX2018, XXXX ein Verwaltungsstrafregisterauszug der Landespolizeidirektion XXXX vom 07.09.2018 sowie eine ECRIS-Abfrage vom 10.09.2018 ein.

Das Bundesverwaltungsgericht holte am 27.11.2018 einen Strafregisterauszug ein. Demnach liegen vier strafgerichtliche Verurteilungen gegen den Beschwerdeführer vor.

II. Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchteil A):

Gemäß § 28 Absatz 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Absatz 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 28 Absatz 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen, im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Ausführlich hat sich der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 27.06.2018, Ra 2017/09/0031, insbesondere Rz 13 und 14 mit der Sachentscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte auseinandergesetzt und darin folgende Grundsätze herausgearbeitet:

" 13 Von der Möglichkeit der Zurückverweisung kann nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden; eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt daher nur dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterlassen hat, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (vgl. etwa VwGH 10.9.2014, Ra 2014/08/0005; 24.3.2015,

Ra 2014/09/0043, 14.12.2015, Ra 2015/09/0057, und 20.2.2018, Ra 2017/20/0498, jeweils mwN).

14 Sind (lediglich) ergänzende Ermittlungen vorzunehmen, liegt die (ergänzende) Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht im Interesse der Raschheit im Sinn des § 28 Abs. 2 Z 2 erster Fall VwGVG, zumal diesbezüglich nicht bloß auf die voraussichtliche Dauer des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens alleine, sondern auf die Dauer des bis zur meritorischen Entscheidung insgesamt erforderlichen Verfahrens abzustellen ist. Nur mit dieser Sichtweise kann ein dem Ausbau des Rechtsschutzes im Sinn einer Verfahrensbeschleunigung Rechnung tragendes Ergebnis erzielt werden, führt doch die mit der verwaltungsgerichtlichen Kassation einer verwaltungsbehördlichen Entscheidung verbundene Eröffnung eines neuerlichen Rechtszugs gegen die abermalige verwaltungsbehördliche Entscheidung an ein Verwaltungsgericht insgesamt zu einer Verfahrensverlängerung (vgl. etwa das zit. Erkenntnis Ra 2017/20/0498, mwN)."

Die belangte Behörde hat das von ihr verhängte Aufenthaltsverbot primär auf die Verurteilung durch das Bezirksgericht XXXX wegen der Vergehen der fahrlässigen Körperverletzung und Gefährdung der körperlichen Sicherheit vom XXXX2018 gestützt.

Zu einer weiteren Verurteilung wurde zwar der Tathergang geschildert, das diesbezügliche Urteil sowie die beiden weiteren gegen den Beschwerdeführer ergangenen strafgerichtlichen Urteile sind nicht aktenkundig, ebensowenig die den verwaltungsstrafrechtlichen Vormerkungen zugrunde liegenden Verwaltungsstrafverfügugen bzw. Verwaltungsstraferkenntnisse.

Unter diesen Gesichtspunkten leidet der angefochtene Bescheid unter erheblichen Ermittlungsmängeln.

§ 67 Abs. 1 FPG lautet:

"Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige ist zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist."

Im Rahmen der Gefährdungsprognose hinsichtlich eines Aufenthaltsverbotes ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung eines Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zugrunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen (VwGH 01.03.2018, Ra 2018/19/0014).

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wird sich daher im fortgesetzten Verfahren durch Einholung der restlichen strafgerichtlichen Verurteilungen und allenfalls auch der Strafverfügungen bzw. Straferkenntnisse sowie deren Einbringung in den Verwaltungsakt mit dem konkreten Verhalten des Beschwerdeführers auseinanderzusetzen haben und daraus resultierend eine Gefährdungsprognose im Lichte des § 67 Abs. 1 FPG und der dazu ergangenen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu treffen haben.

Aufgrund des von der belangten Behörde bisher durchgeführten Beweisverfahrens kann nämlich seitens des erkennenden Gerichts lediglich das der Verurteilung vom 16.08.2018 zugrundeliegende Fehlverhalten zur Erstellung einer Gefährdungsprognose herangezogen werden. Zweifelhaft erscheint, ob dies alleine eine Gefährdungsprognose gemäß § 67 Abs. 1 FPG tragen kann.

Zur Versagung des Druchsetzungsaufschubes und zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung hat das Bundesverwaltungsgericht bereits mehrfach auf die diesbezügliche Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hingewiesen. Mit der vorliegenden Bescheidbegründung wurde dieser Judikatur nicht Rechnung getragen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat zum Durchsetzungsaufschub und zur aufschiebenden Wirkung ausgeführt, dass gesondert zu begründen ist, inwieweit die sofortige Ausreise des Beschwerdeführers nach § 86 Abs. 3 FPG (Dursetzungsaufschub, Rechtslage vor Inkrafttreten des FrÄG 2011) geboten sein soll. Die auf die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung Bezug nehmenden Überlegungen, die schon bei der Entscheidung über die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes anzustellen sind, vermögen die Begründung für die Versagung eines Durchsetzungsaufschubes nicht zu ersetzen. Gleiches gilt für enthaltenen Überlegungen zum Ausschluss einer aufschiebenden Wirkung der Berufung, weil die aufschiebende Wirkung einer Berufung und die Gewährung eines einmonatigen Durchsetzungsaufschubes von ihren Zwecken und ihren Wirkungen her nicht vergleichbar sind (VwGH 21.11.2006, 2006/21/0171 mwN).

Eine derartige Begründung ist im angefochtenen Bescheid weder hinsichtlich Durchsetzungsaufschubes noch der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung enthalten.

Die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 VwGVG sind im gegenständlichen Beschwerdefall nicht gegeben. Da der maßgebliche Sachverhalt noch nicht feststeht, war in Gesamtbeurteilung der dargestellten Erwägungen der angefochtene Bescheid des Bundesamtes gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG zu beheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückzuverweisen.

Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Schlagworte

Aufenthaltsverbot, Behebung der Entscheidung, Ermittlungspflicht,
Gefährdungsprognose, Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:G311.2210190.1.00

Zuletzt aktualisiert am

04.02.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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