Entscheidungsdatum
30.11.2018Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W259 2184521-1/8E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Mag. Ulrike RUPRECHT als Einzelrichterin über die Beschwerde des Magistrats XXXX - Amt für Jugend und Familie gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX, Zl. XXXX:
A) Die Beschwerde wird als unzulässig zurückgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
1. Ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 06.11.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.
2. Im Rahmen der am 07.11.2015 erfolgten Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der Antragsteller an, am XXXX geboren zu sein.
3. Mit Beschluss des Bezirksgerichts XXXX vom 22.04.2016 zu GZ 8 PS 98/16h wurde die Obsorge für den minderjährigen Antragsteller gemäß §§ 209 und 211 ABGB dem Kinder- und Jugendhilfeträger für XXXX übertragen.
4. Mit rechtsmedizinischem Sachverständigengutachten zum Lebensalter des Antragstellers vom 03.08.2016 wurde das spätestmögliche fiktive Geburtsdatum des Antragstellers mit XXXX festgehalten.
5. Bei der Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge kurz "BFA") am 30.03.2017 wurde dem Antragsteller und seiner gesetzlichen Vertretung das Ergebnis der Altersfeststellung zur Kenntnis gebracht. Der Antragsteller gab in Anwesenheit seiner gesetzlichen Vertretung an, die Altersfeststellung gerne zur Kenntnis zu nehmen und die Entscheidung zu akzeptieren (Seite 3 des Einvernahmeprotokolls).
6. Mit Bescheid vom XXXX wies das BFA den Antrag des Antragstellers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I.), erkannte ihm den Status eines Asylberechtigten ebenso wie gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 den Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan nicht zu (Spruchpunkt II.) und erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005. Weiters wurde gegen den Antragsteller gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Antragstellers nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise des Antragstellers 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).
7. Der Bescheid wurde dem Antragsteller am 09.11.2017 mittels Rsb-Brief durch Hinterlegung zugestellt.
8. Mit Schreiben vom 22.11.2017 teilte der Magistrat XXXX mit, dass hinsichtlich der Vertretungsbefugnis des Kinder- und Jugendhilfeträger (in der Folge "KJHT") im Asylverfahren auf die ständige Rechtsprechung verwiesen werde, wonach die Entscheidung des Pflegschaftsgerichts in diesem Punkt des Asylverfahrens für die befassten Verwaltungsbehörden bindend sei. Solange der Obsorgebeschluss dem Rechtsbestand angehöre, sei dieser bindend und könne auch durch ein im Verwaltungsverfahren eingeholtes Altersgutachten nicht geändert werden. Zugleich wurde darauf hingewiesen, dass die Zustellung an den Antragsteller nicht ordnungsgemäß erfolgt sei und dass sämtliche Zustellungen an den KJHT zu richten seien.
9. Am 28.11.2017 erfolgte eine erneute Zustellung des gegenständlichen Bescheides erfolgte an den Magistrat XXXX.
10. Eine Beschwerde gegen den gegenständlichen Bescheid, verfasst und unterzeichnet durch den Magistrat XXXX, langte am 21.12.2017 beim BFA ein.
11. Mit Schreiben vom 18.05.2018 teilte das Bundesverwaltungsgericht dem KJHT mit, dass gemäß § 183 Abs. 1 ABGB die Vollmacht mit Volljährigkeit des Antragstellers erloschen ist und somit kein aufrechtes Vertretungsverhältnis vorliegt, weshalb der KJHT aufgefordert wurde, eine entsprechende Vertretungsvollmacht vorzulegen. Zugleich wurde ein Verspätungsvorhalt übermittelt, nachdem der gegenständliche Bescheid bereits am 09.11.2017 an den Antragsteller wirksam zugestellt wurde, weshalb die Beschwerde, eingelangt am 21.12.2017, als verspätet angesehen wird.
12. Mit Stellungnahme vom 15.06.2018 verwies der KJHT darauf, dass eine Verfahrensanordnung oder ein Gutachten hinsichtlich einer Altersfeststellung trotz aufrechter Obsorge nie ausgehändigt worden sei. Auch im Grundversorgungssystem sei eine Änderung des Geburtsdatums erst am 23.10.2018 erfolgt, somit nach vermeintlicher Volljährigkeit. Der Bescheid sei von der belangten Behörde fälschlicherweise dem Antragsteller persönlich zugestellt worden und es werde daher um inhaltliche Behandlung der Beschwerde ersucht. Zudem seien Beschlüsse der Bezirksgerichte hinsichtlich der Übertragung der Obsorge im Asylverfahren verbindlich, auch wenn dies mit Angaben des Asylwerbers oder einem Altersgutachten in einem Spannungsverhältnis stehe.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Antragsteller ist afghanischer Staatsangehöriger und stellte am 06.11.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.
Mit Beschluss des Bezirksgerichts XXXX vom 22.04.2016 zu GZ 8 PS 98/16h wurde die Obsorge für den minderjährigen Antragsteller gemäß §§ 209 und 211 ABGB dem Kinder- und Jugendhilfeträger XXXX übertragen.
Das spätestmögliche "fiktive" Geburtsdatum des Antragstellers lautet
XXXX.
Der Antragsteller hat am XXXX sein 18. Lebensjahr vollendet.
Der gegenständliche Bescheid wurde am 09.11.2017 dem Antragsteller durch Hinterlegung zugestellt. Es erfolgte eine weitere Zustellung an Kinder- und Jugendhilfeträger XXXX am 28.11.2017.
Die Rechtsmittelfrist im Ausmaß von vier Wochen endete somit am 07.12.2017.
Am 21.12.2017 langte eine Beschwerde beim BFA ein. Diese wurde vom Kinder- und Jugendhilfeträger XXXX verfasst. Zugleich wurde der Kinder- und Jugendhilfeträger XXXX als Vertreter des Antragstellers angeführt.
Dem Kinder- und Jugendhilfeträger XXXX wurde am 18.05.2018 sowohl ein Verbesserungsauftrag zwecks Vorlage einer Vollmacht als auch ein Verspätungsvorhalt übermittelt. Eine Vollmacht langte bis dato nicht ein.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen ergeben sich zweifelsfrei aus den Akten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl sowie des Bundesverwaltungsgerichts.
Mit rechtsmedizinischem Sachverständigengutachten zum Lebensalter des Antragstellers vom 03.08.2016 wurde das spätestmögliche fiktive Geburtsdatum des Antragstellers mit XXXX festgehalten. Das fiktive Geburtsdatum wurde dem Antragsteller bzw. dessen damaliger gesetzlicher Vertretung bei der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Kenntnis gebracht.
Das rechtsmedizinische Gutachten, aus dem sich das festgestellte fiktive Geburtsdatum ergibt, ist in sich schlüssig und nachvollziehbar und es gibt keinen Grund an dessen Richtigkeit zu zweifeln. Weder der Antragsteller noch seine damalige gesetzliche Vertretung haben das rechtsmedizinische Gutachten bestritten. Der Antragsteller gab bei seiner Einvernahme vor dem BFA in Anwesenheit seiner gesetzlichen Vertretung vielmehr an, dass er die Altersfeststellung zur Kenntnis nehme und die Entscheidung respektiere (Seite 3 des Einvernahmeprotokolls).
3. Rechtliche Beurteilung: § 28 Abs. 1 VwGVG normiert, dass das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen hat, sofern die Beschwerde nicht zurückgewiesen oder das Verfahren einzustellen ist.
Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen des Bundesverwaltungsgerichtes, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, durch Beschluss.
Es ist zunächst zu prüfen, ob die Zustellung des Bescheides vom XXXX an den Antragsteller rechtswirksam war und ob die Zustellung des Bescheides aufgrund des Obsorgebeschlusses an den KHJT für XXXX überhaupt hätte erfolgen müssen. Dahingehend ist zur festgestellten Volljährigkeit und einer allfälligen Bindungswirkung eines gerichtlichen Obsorgebeschlusses vorab Folgendes festzuhalten:
Nach § 9 AVG iVm § 17 VwGVG sind Fragen der persönlichen Rechts- und Handlungsfähigkeit von am Verwaltungsverfahren Beteiligten nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes zu beurteilen, wenn in den Verwaltungsvorschriften nichts anderes bestimmt ist. Nach § 10 Abs. 1 BFA-VG ist für den Eintritt der Handlungsfähigkeit in Verfahren vor dem Bundesamt und vor dem Bundesverwaltungsgericht (gemäß § 3 Abs. 2 Z 1 bis 6 BFA-VG) ungeachtet der Staatsangehörigkeit des Fremden österreichisches Recht maßgeblich. Danach bestimmt sich die Geschäftsfähigkeit eines Menschen primär nach seinem Alter. Mit der Volljährigkeit (=Vollendung des 18. Lebensjahres) erreicht der geistig gesunde österreichische Staatsbürger die volle Geschäftsfähigkeit und ist daher jedenfalls auch prozessfähig. Dies gilt zufolge § 10 Abs. 1 BFA-VG auch für Fremde, die sich in einem in dieser Bestimmung genannten Verfahren befinden. Hingegen stehen Minderjährige, also Personen, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben (§ 21 Abs. 2 ABGB), unter dem besonderen Schutz der Gesetze (§ 21 Abs. 1 ABGB) und können daher an sich ohne ausdrückliche oder stillschweigende Einwilligung des gesetzlichen Vertreters rechtsgeschäftlich weder verfügen noch sich verpflichten. Sie sind also grundsätzlich geschäftsunfähig und damit auch prozessunfähig. Personen, die nicht prozessfähig sind, nehmen durch ihren gesetzlichen Vertreter am Verwaltungsverfahren teil. Wer gesetzlicher Vertreter ist, richtet sich gemäß § 9 AVG primär nach den Verwaltungsvorschriften und subsidiär nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts. Minderjährige werden grundsätzlich durch ihre Eltern oder den Obsorgebetrauten vertreten. Ausgehend von der Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 10 Abs. 3 BFA-VG, dass die Interessen des mündigen Minderjährigen von seinem gesetzlichen Vertreter nicht wahrgenommen werden können, soll in diesem Fall im Hinblick auf die besonders schutzwürdige Gruppe der unbegleiteten minderjährigen Asylwerber eine gesetzliche Vertretung im Asylverfahren gewährleistet werden, konkret durch die zwingende Beiziehung des Rechtsberaters im Zulassungsverfahren und nach Zulassung des Verfahrens und nach Zuweisung an eine Betreuungsstelle durch den örtlich zuständigen Jugendwohlfahrtsträger. Erst wenn mittels pflegschaftsgerichtlichem Beschluss eine geeignete Person oder - wenn eine solche geeignete Person nicht zu finden ist - der Jugendwohlfahrtsträger (§ 209 ABGB) mit der Obsorge betraut ist, fallen die Voraussetzungen des § 10 Abs. 3 erster Satz BFA-VG weg, weil nunmehr keine Vertretungsvakanz mehr vorliegt und der nun betraute Obsorgeberechtigte als gesetzlicher Vertreter die Interessen des Minderjährigen wahrnehmen kann (VwGH vom 18.10.2017, Ra 2016/19/0351).
Mit Beschluss des Bezirksgerichts XXXX vom 22.04.2016 zu GZ 8 PS 98/16h wurde die Obsorge für den minderjährigen Antragsteller gemäß §§ 209 und 211 ABGB dem KJHT XXXX übertragen.
§ 183 Abs. 1 ABGB normiert, dass die Obsorge für ein Kind mit dessen Volljährigkeit erlischt.
Nach den getroffenen Feststellungen hat der Antragsteller seine Volljährigkeit am XXXX erreicht. Somit ist die Obsorge des KJHT mit Erreichen der Volljährigkeit ex lege, somit vor Zustellung des Bescheides am 09.11.2017, erloschen.
Die Zustellung des Bescheides erfolgte aufgrund der festgestellten Volljährigkeit durch die belangte Behörde daher direkt an den Antragsteller.
Für den gegenständlichen Fall kann hinsichtlich der Wirksamkeit der Zustellung an den Antragsteller aus § 11 Abs. 5 BFA-VG nichts gewonnen werden, zumal diesem die Fallkonstellation zu Grunde liegt, dass eine Zustellung an einen Rechtsberater (§ 49) oder Kinder- und Jugendhilfeträger (§ 10) als gesetzlichen Vertreter auf Grund der Angaben des Fremden zu seinem Alter ergeht und, diese auch wirksam bewirkt ist, wenn der Fremde zum Zeitpunkt der Zustellung volljährig ist.
Es ist weiters zu prüfen, ob ein Beschluss des Pflegschaftsgerichts, mit dem einem Jugendwohlfahrtsträger die Obsorge für einen Asylwerber übertragen wurde, hinsichtlich des im Beschluss festgehaltenen Geburtsdatums eine Bindungswirkung für das Bundesverwaltungsgericht entfaltet und ob über die Vorfrage - nämlich das tatsächliche Geburtsdatum des Asylwerbers - bereits für das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl und das Bundesverwaltungsgericht verbindlich abgesprochen wurde.
Behörden, Gerichte sowie Parteien sind an rechtskräftige Entscheidungen (Beschlüsse, Urteile, Bescheide) der Verwaltungsbehörden und Gerichte im Vorfragenbereich gebunden. Bei der Prüfung der Bindungswirkung einer solchen konkreten Entscheidung ist zunächst zu beachten, dass diese Ausfluss ihrer formellen und Teil ihrer materiellen Rechtskraft ist und daher nur in deren subjektiven und objektiven Grenzen eintreten kann. Sie setzt daher zum einen voraus, dass die Vorfragenentscheidung auch gegenüber den (allen) Parteien des Verwaltungsverfahrens - auf Grund ihrer Parteistellung im anderen Verfahren oder ausnahmsweise auf Grund einer Rechtskrafterstreckung - verbindlich geworden ist. Zum anderen besteht eine Bindung nur insoweit, als inzwischen keine Änderung der maßgeblichen Sach- oder Rechtslage eingetreten ist. Ansonsten ist die Behörde der Verpflichtung zur Durchführung eines Ermittlungsverfahrens (und zur eigenständigen rechtlichen Beurteilung) nicht enthoben. Ferner kann nur der Spruch der Vorfragenentscheidung in Rechtskraft erwachsen, sodass lediglich diesem, nicht aber den Entscheidungsgründen unmittelbar Bindungswirkung zukommen kann. Allerdings entfaltet auch ein rechtskräftiger (Bescheid-)Spruch nach der Rsp. des VwGH insofern keine Bindungswirkung, als er ein - im Hinblick auf seine Rechtsgrundlage - überflüssiges (überschießendes) Element enthält (Hengstschläger/Leeb, AVG § 38 RZ 21-24).
Es muss sich bei der Vorfrage um eine Frage handeln, über die von einer anderen Behörde bzw. einem Gericht als Hauptfrage zu entscheiden war, da immer nur eine Entscheidung über eine Hauptfrage eine Bindungswirkung entfalten kann (VwGH vom 23.11.2017, Ra 2017/22/0081). Die gegenseitige Bindung der Gerichte und der Verwaltungsbehörden erstreckt sich auch nur so weit, wie die Rechtskraft reicht, daher erfasst sie nur den Inhalt des Spruchs, nicht aber die Entscheidungsgründe (VwGH vom 23.11.2017, Ra 2017/22/0081; VwGH vom 12.08.2014, 2011/06/0121; VwGH vom 30.1.2013, 2012/03/0072).
Das Pflegschaftsgericht hat auf Grund der Bestimmung des § 209 ABGB die Obsorge auf den KJHT XXXX übertragen. Gemäß § 209 ABGB hat das Gericht die Obsorge dem KJHT zu übertragen, wenn eine andere Person mit der Obsorge für einen Minderjährigen ganz oder teilweise zu betrauen ist und sich dafür Verwandte oder andere nahe stehende oder sonst besonders geeignete Personen nicht finden lassen.
Die wesentlichen Elemente des Spruches des Pflegschaftsgerichts sind daher die Minderjährigkeit des Asylwerbers zum Zeitpunkt des Beschlusses des Pflegschaftsgerichts und das Fehlen von Verwandten oder von anderen nahe stehenden oder sonst besonders geeigneten Personen zur Obsorgeübertragung. Nur diese stellen die vom Pflegschaftsgericht zu klärenden Hauptfragen dar.
Das genaue Geburtsdatum war vom Pflegschaftsgericht daher nur als Vorfrage hinsichtlich der zu beurteilenden Minderjährigkeit des Antragstellers zum Zeitpunkt der Erlassung des Obsorgebeschlusses zu klären. Das genaue im Spruch eines Obsorgebeschlusses angegebene Geburtsdatum des Antragstellers entfaltet daher keine
Bindungswirkung für das BFA oder das Bundesverwaltungsgericht. Eine Bindungswirkung für das BFA und das Bundesverwaltungsgericht bewirkt der Spruch des Pflegschaftsgerichtes lediglich hinsichtlich der obengenannten Hauptfragen.
Es bedarf auch keines Aufhebungsbeschlusses, da die Obsorge ex lege - wie bereits weiter oben ausgeführt - mit Erreichen der Volljährigkeit endet.
Im gegenständlichen Fall war der Antragsteller zum Zeitpunkt der Zustellung des gegenständlichen Bescheides am 09.11.2017 volljährig. Der Beschluss des Pflegschaftsgerichtes, mit dem dem KJHT die Obsorge für den Antragsteller übertragen wurde, entfaltet hinsichtlich des im Spruch enthaltenen Geburtsdatums weder für die belangte Behörde noch für das Bundesverwaltungsgericht Bindungswirkung.
Der Bescheid wurde sohin am 09.11.2017 an den volljährigen Antragsteller wirksam zugestellt.
3.1. Zu Spruchpunkt A) Zurückweisung der Beschwerde:
3.1.1. Gemäß § 7 Abs. 4 erster Satz VwGVG beträgt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Behörde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG vier Wochen.
Gemäß § 7 Abs. 4 Z 1 VwGVG iVm Art 132 Abs. 1 Z 1 B-VG beginnt die Beschwerdefrist, da der Bescheid dem Antragsteller zugestellt (und nicht mündlich verkündet) wurde, mit dem Tag der Zustellung.
Ist ein Dokument zugestellt, so löst die neuerliche Zustellung des gleichen Dokuments gemäß § 6 ZustG keine Rechtswirkungen aus.
Die Zustellung des gegenständlichen Bescheides erfolgte am 09.11.2017 an den volljährigen Antragsteller durch Hinterlegung. Durch diese ordnungsgemäße Zustellung wurde die Rechtsmittelfrist ausgelöst. Die vierwöchige Frist zur Beschwerdeerhebung begann daher am 09.11.2017 und endete am 07.12.2017. Die weitere Zustellung des Bescheides an den KJHT fürXXXX am 28.11.2017 löst keine weitere Rechtswirkung aus.
Gemäß § 10 Abs. 1 AVG können sich die Beteiligten und ihre gesetzlichen Vertreter, sofern nicht ihr persönliches Erscheinen ausdrücklich gefordert wird, durch eigenberechtigte natürliche Personen, juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften vertreten lassen. Bevollmächtigte haben sich durch eine schriftliche, auf Namen oder Firma lautende Vollmacht auszuweisen. Vor der Behörde kann eine Vollmacht auch mündlich erteilt werden; zu ihrer Beurkundung genügt ein Aktenvermerk.
Im vorliegenden Fall ergab sich aus den in der Beweiswürdigung angeführten Erwägungen die Volljährigkeit des Antragstellers. Entsprechend der oben getroffenen Feststellung, dass der Antragsteller zum Zeitpunkt der Erhebung der gegenständlichen Beschwerde bereits volljährig war, kommt eine gesetzliche Vertretung durch den KJHT für XXXX nicht in Betracht. Eine gewillkürte Vertretung wurde weder behauptet noch durch Vorlage einer Vollmachtsurkunde bescheinigt.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt die Nichtvorlage einer schriftlichen Vollmacht gemäß § 10 Abs. 2 AVG ein iSd § 13 Abs. 3 AVG behebbares Formgebrechen dar (vgl. etwa VwGH 13.10.2011, 2010/22/0093).
Gemäß § 13 Abs. 3 AVG ermächtigen Mängel schriftlicher Anbringen die Behörde nicht zur Zurückweisung. Die Behörde hat vielmehr von Amts wegen unverzüglich deren Behebung zu veranlassen und kann dem Einschreiter die Behebung des Mangels innerhalb einer angemessenen Frist mit der Wirkung auftragen, dass das Anbringen nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist zurückgewiesen wird. Wird der Mangel rechtzeitig behoben, so gilt das Anbringen als ursprünglich richtig eingebracht.
Mangels einer gesetzlichen Vertretung des Antragstellers zum Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung und mangels schriftlichen Nachweises einer Vollmacht zur Erhebung der Beschwerde im Namen des Antragstellers konnte die Beschwerde nicht dem Antragsteller zugerechnet werden. Da eine Eingabe bis zum Nachweis der Bevollmächtigung dem Einschreiter zuzurechnen ist, ist diese als vom Einschreiter im eigenen Namen eingebracht zu behandeln (vgl. VwGH 22.05.2012, 2008/04/0208). Da der Einschreiter jedoch nicht Adressat des von ihm angefochtenen Bescheides ist, fehlt diesem mangels Parteistellung im Verwaltungsverfahren die Legitimation zur Einbringung der gegenständlichen Beschwerde im eigenen Namen. Die Beschwerde war daher bereits mangels Beschwerdelegitimation KJHT für XXXX (Einschreiter) als unzulässig zurückzuweisen.
Der Vollständigkeit halber wird ergänzend angeführt, dass die gegenständliche Beschwerde zudem nach Ablauf der vierwöchigen Beschwerdefrist beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl - nämlich am 21.12.2017 - eingebracht wurde, und somit auch verspätet war.
Es war daher insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.
3.1.2. Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist.
Aufgrund der Zurückweisung der Beschwerde aus den dargestellten Gründen konnte eine Verhandlung gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen. Zudem war auf Grund des unbestrittenen Akteninhalts durch eine mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht zu erwarten.
3.2. Zu Spruchpunkt B) Zulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, weil es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt.
Der Verfassungsgerichtshof verweist in seiner Entscheidung vom 07.03.2012 zu Zl. U 1558/11 lediglich auf die Judikatur des Asylgerichtshofes, in der wiederum angeführt wird, dass Beschlüsse des Bezirksgerichts hinsichtlich der Übertragung der Obsorge verbindlich seien. Da es jedoch an einer Rechtsprechung sowohl des Verfassungsgerichtshofes als auch des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, inwieweit ein Beschluss des Pflegschaftsgerichts, mit dem einem Jugendwohlfahrtsträger die Obsorge für einen Asylwerber übertragen wurde, hinsichtlich des im Spruch enthaltenen Geburtsdatums eine Bindungswirkung für das BFA oder das Bundesverwaltungsgericht entfaltet, gänzlich fehlt, war die Revision zuzulassen und spruchgemäß zu entscheiden.
Schlagworte
Beschwerdelegimitation, Hinterlegung, Rechtsmittelfrist, Verspätung,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W259.2184521.1.00Zuletzt aktualisiert am
04.02.2019