TE Bvwg Erkenntnis 2018/12/7 G311 2193603-1

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Veröffentlicht am 07.12.2018
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Entscheidungsdatum

07.12.2018

Norm

B-VG Art.133 Abs4
FPG §67
FPG §70 Abs3

Spruch

G311 2193603-1/7E

SCHRIFTLICHE AUSFERTIGUNG DES AM 23.08.2018 VERKÜNDENTEN

ERKENNTNISSES

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Eva WENDLER als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX, geboren am XXXX, Staatsangehörigkeit: Rumänien, vertreten durch RA Dr. GRUBER, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.11.2017, Zahl XXXX, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A) Der Beschwerde wird insofern stattgegeben als das Aufenthaltsverbotes auf

acht (8) Monate herabgesetzt wird und gemäß § 70 Abs. 3 FPG ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat erteilt wird. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 16.11.2017 wurde über die Beschwerdeführerin gemäß § 67 Abs. 1 iVm Abs. 2 FPG ein auf ein Jahr befristetes Aufenthaltsverbot verhängt (Spruchpunkt I.) und gemäß § 70 Abs. 3 FPG kein Durchsetzungsaufschub (Spruchpunkt II.). Der Beschwerde wurde gemäß § 18 Abs. 3 FPG die aufschiebende Wirkung aberkannt. Begründend wurde im Wesentlichen auf die zwei vorliegenden strafgerichtlichen Verurteilung verwiesen. Es seien keine familiären, wirtschaftlichen, beruflichen oder sonstigen Bindungen zum Bundesgebiet geltend gemacht worden. Hinsichtlich der Nichtzuerkennung eines Durchsetzungsaufschubes und der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung wurde ebenfalls pauschal auf die strafgerichtlichen Verurteilungen verwiesen.

Erste Zustellversuche schlugen fehl. Mit dem an die Landespolizeidirektion XXXX gerichteten Schreiben 12.03.2018 ersuchte die belangten Behörde sodann um Zustellung an die Beschwerdeführerin. Dazu teilte die Landespolizeidirektion XXXX mit Schreiben vom 28.03.2018 mit, dass die Zustellung nicht durchgeführt werden konnte, da die Beschwerdeführerin unbekannten Aufenthaltes verzogen sei.

Die belangte Behörde veranlasste sodann die Zustellung durch Hinterlegung im Akt am 30.03.2018. Die Beschwerde wurde am 20.04.2018 eingebracht. Unter einem beantragte die rechtsfreundliche Vertretung der Beschwerdeführerin die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

In der Beschwerde wurde ausgeführt, dass strafgerichtliche Verurteilungen alleine nicht ohne weiteres ein Aufenthaltsverbot rechtfertigen. Die belangte Behörde hätte auf den strafrechtlichen Sachverhalt Bezug nehmen müssen. Die Beschwerdeführerin habe seit August 2017 einen Lebensgefährten in Österreich.

Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 27.04.2018 wurde der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

Das Bundesverwaltungsgericht führte am 23.08.2018 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der die Beschwerdeführerin und ihr Rechtsvertreter teilnahmen.

Die Vorsitzende Richterin führte einleitend aus, dass das erkennende Gericht von einer fristgerechten Einbringung der Beschwerde ausgeht, der Rechtsvertreter zog daraufhin den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurück.

Die Beschwerdeführerin gab an:

"Ich lebe in XXXX, habe aber zur Zeit gesundheitliche Probleme, weshalb ich zur Behandlung gerade in Rumänien war. Wenn diese Probleme vorbei sind, möchte ich fix in XXXX leben. Ich war jetzt für ca. 2 Wochen in Rumänien.

Ich habe ein Kind verloren. Das sind meine gesundheitlichen Probleme. Ich möchte meinen Beruf als Prostituierte deswegen nicht mehr ausüben. Der Vater des Kindes war mein Lebensgefährte. Mein Lebensgefährte ist österreichischer Staatsangehöriger.

Ich war 8 Jahre auf der Grundschule in Rumänien. Ich habe danach nicht gearbeitet. Ich habe bei der Familie gewohnt und mein Vater hat mich bis zu meinem 18. Lebensjahr finanziell unterstützt. Als ich 6 Jahre alt war, ist meine Mutter verstorben.

Ich gehe davon aus, dass ich ca. seit 2 Jahren in Österreich bin. Mit meinem Lebensgefährten bin ich ca. 1 Jahr und 3 Monate zusammen.

Ich hatte die grüne Karte als Prostituierte und habe auch regelmäßig die Untersuchungen durchführen lassen. Aktuell habe ich keine Untersuchungen mehr durchführen lassen, da ich diese Arbeit aufgegeben habe und es auch in Zukunft nicht mehr machen möchte.

Ich weiß, dass ich etwas Falsches getan habe und ich würde nie mehr soetwas tun. Ich habe erst jetzt so richtig verstanden, als ich das Kind verloren habe, dass andere Dinge wichtiger sind.

Meine Familie wohnt in XXXX. Das ist mein Vater und 2 Brüder. Mein Vater hat eine Mietwohnung in XXXX.

Ich bin gestern extra aus XXXX mit dem Flugzeug angereist, da es mir sehr wichtig war, zur Verhandlung zu kommen und hier alles zu regeln."

Im Anschluss an die Verhandlung wurde die Entscheidung verkündet. Die Beschwerdeführerin beantragte eine Ausfertigung gemäß § 29 Abs. 4 VwGVG.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

Der Beschwerdeführer ist rumänische Staatsangehörige. Sie weist beginnend ab 08.06.2016 Wohnsitzmeldungen im Bundesgebiet auf. Sie war im Bundesgebiet als Prostituierte tätig, diesbezüglich sind keine verwaltungsstrafrechtlichen Vormerkungen aktenkundig. Im Entscheidungszeitpunkt ist die Beschwerdeführerin dieser Tätigkeit nicht mehr nachgegangen.

Mit Urteil des Bezirksgerichtes XXXX vom XXXX.2017, Zahl XXXX, rechtskräftig am XXXX.2017, wurde die Beschwerdeführerin wegen des Vergehens der versuchten Diebstahls zu einer Geldstrafe von 70 Tagessätzen zu je Euro 40,-- und im Nichteinbringungsfall zu einer Ersatzfreiheitstrafe von 35 Tagen verurteilt

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom XXXX.2017, Zahl XXXX, rechtskräftig am XXXX.2017, erging über die Beschwerdeführer (I.C.S.) folgender Schuldspruch:

"Die Angeklagte I.C.S. ist schuldig im Sinne des Strafantrages der Staatsanwaltschaft XXXX vom XXXX 2017,

sie hat am XXXX 2017 in G., mit dem Vorsatz, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, Berechtigten nachfolgender Unternehmen fremde bewegliche Sachen in einem insgesamt EUR 5.000,00 nicht übersteigenden Gesamtwert teils weggenommen, teils wegzunehmen versucht, wobei sie in der Absicht handelte, sich durch die wiederkehrende Begehung von Diebstählen längere Zeit hindurch ein nicht bloß geringfügiges fortlaufendes Einkommen zu verschaffen und bereits zwei solche Taten begangen hat und auch bereits einmal wegen einer solchen Tat verurteilt worden war, und zwar:

1. Berechtigten der Firma K. zwei hochpreisige Parfüms im Wert von EUR 484,90, wobei es aufgrund der Beobachtung und Anhaltung durch die Ladendetektive beim Versuch blieb;

2. Berechtigten der Firma D. mehrere hochpreisige Parfüms im Wert von EUR 1.962,90 sowie

3. Berechtigten der Firma N. Modeschmuck im Wert von EUR 13,85.

Strafbare Handlung:

I.C. S. hat hierdurch das Vergehen des teils versuchten gewerbsmäßigen Diebstahls nach

§§ 127, 130 Abs 1 erster Fall, teils 15 StGB begangen.

Kostenentscheidung:

Gemäß § 389 Abs 1 StPO wird die Angeklagte zum Ersatz der Kosten dieses Verfahrens ver-urteilt.

Strafe:

I.C. S. wird hiefür nach § 130 Abs 1 StGB

zu einer Freiheitsstrafe von 7 (sieben) Monaten verurteilt,

wobei ihr gemäß § 43 Abs 3 StGB ein Teil der Freiheitsstrafe von 6 (sechs) Monaten unter Setzung einer Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen wird (unbedingter Teil 1 Monat).

Die Vorhaft vom XXXX 2017 0.10 Uhr bis XXXX 2017, 13.25 Uhr (Schluss der Verhandlung) wird auf die verhängte Freiheitsstrafe angerechnet.

Strafzumessungsgründe:

mildernd - umfassende geständige Verantwortung, geringer Schaden, teilweiser Versuch

erschwerend - eine einschlägige Vorstrafe"

Aufgrund des zitierten strafgerichtlichen Urteiles wird festgestellt, dass die Beschwerdeführerin die im genannten Urteil festgestellte strafbaren Handlungen begangen und sie das umschriebene Verhalten gesetzt hat.

Der Beschwerdeführer verfügte bisher im Bundesgebiet über keine Anmeldebescheinigung. Der Lebensgefährte der Beschwerdeführerin ist österreichischer Staatsangehöriger. Die Beschwerdeführer hat nach wie vor Bezugspunkte nach Rumänien, ihr Vater und ihre Brüder leben in XXXX. Sie befand sich vor der Beschwerdeverhandlung zur medizinischen Behandlung in Rumänien.

Die Beschwerdeführerin konnte der Beschwerdeverhandlung ohne Beiziehung eines Dolmetschers folgen und beantwortete die an sie gerichteten Fragen auf Deutsch.

2. Beweiswürdigung:

Zum Verfahrensgang:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl sowie des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

Zur Person und zum Vorbringen der beschwerdeführenden Partei:

Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität und zur Staatsangehörigkeit der Beschwerdeführers getroffen wurden, beruhen diese auf den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, denen in der gegenständlichen Beschwerde nicht entgegengetreten wurde.

Das Bundesverwaltungsgericht holte einen Strafregisterauszug, einen Auszug aus dem Fremdenregister sowie einen Auszug aus dem zentralen Melderegister ein.

Die übrigen Feststellungen zur persönlichen Situation der Beschwerdeführerin basieren auf ihren eigenen glaubhaften Angaben.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

§ 67 FPG lautet:

"(1) Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige ist zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

(2) Ein Aufenthaltsverbot kann, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden.

(3) Ein Aufenthaltsverbot kann unbefristet erlassen werden, wenn insbesondere

1. der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;

2. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB);

3. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet oder

4. der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt.

(4) Bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes ist auf die für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen. Die Frist des Aufenthaltsverbotes beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise."

Gemäß § 70 Abs. 1 FPG werden die Ausweisung und das Aufenthaltsverbot spätestens mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar; der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige hat dann unverzüglich auszureisen. Der Eintritt der Durchsetzbarkeit ist für die Dauer eines Freiheitsentzuges aufgeschoben, auf den wegen einer mit Strafe bedrohten Handlung erkannt wurde.

Gemäß § 70 Abs. 3 FPG ist EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen bei der Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich.

Der mit "Schutz des Privat- und Familienlebens" betitelte § 9 BFA-VG lautet wie folgt:

"(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist."

Da von der Beschwerdeführerin, der aufgrund ihrer rumänischen Staatsangehörigkeit in den persönlichen Anwendungsbereich von §§ 66 und 67 FPG fällt, die Voraussetzung eines Aufenthalts im Bundesgebiet seit fünf bzw. zehn Jahren nicht erfüllt ist, kommt für diese der Prüfungsmaßstab des § 67 Abs. 1 Satz 2 FPG zur Anwendung.

Nun ist im Sinne des § 67 FPG das persönliche Verhalten der Betroffenen zu beurteilen und insbesondere auf die durch die konkreten Straftaten bewirkten Eingriffe in die öffentliche Ordnung, die genauen Tatumstände und Begleitumstände der Taten und auch sonstige Besonderheiten Bedacht zu nehmen. Es ist in weiterer Folge abzuwägen, ob das Allgemeininteresse an der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes schwerer wiegt als andere relativierende Momente, wie etwa auch das Familien- und Familienleben der Betroffenen.

Die Beschwerdeführerin wurde zunächst am XXXX.2017 wegen versuchten Diebstahls zu einer doch empfindlichen Geldstrafe verurteilt. Diese Verurteilung konnte sie jedoch nicht davon abhalten, am XXXX.2017 wieder straffällig zu werden. Dabei ist festzuhalten, dass die Beschwerdeführerin nicht unüberlegt, aufgrund einer sich plötzlich bietenden Gelegenheit, die Straftaten gesetzt hat, sondern vielmehr in drei Angriffen in drei verschiedenen Warenhäusern diverse Produkte stahl. Bei zwei Angriffen hatte sie offenbar gezielt hochpreisige Parfums im Auge. Aus der dargestellten Verhaltensweise der Beschwerdeführerin ergibt sich jedenfalls eine tatsächliche Gefahr für die Grundinteressen der Gesellschaft, insbesondere an der Verhinderung von Eigentumsdelikten.

Auch dem Aspekt der Gewerbsmäßigkeit kommt große Bedeutung zu. Gerade die in der gewerbsmäßigen Tatbegehung gelegene Tendenz eine Fremden, sich durch die wiederkehrende Begehung einer strafbaren Handlung eine fortlaufende Einnahme zu sichern, stellt für sich eine erhebliche Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit dar (vgl. VwGH 24.05.2005, 2002/18/0289), weshalb auch die Erheblichkeit der Gefährdung im Fall der Beschwerdeführerin evident ist. Die letzte Tatbegehung lag zum Entscheidungszeitpunkt erst elf Monate zurück, von einem Wegfall oder einer erheblichen Minderung der von der Beschwerdeführerin ausgehenden Gefährdung war daher nicht auszugehen, weshalb auch eine gegenwärtige Gefährdung zum Entscheidungszeitpunkt vorlag.

Bei Gesamtbetrachtung liegt daher eine tatsächliche, erhebliche Gefahr und auch gegenwärtige Gefahr vor, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, die Voraussetzungen des § 67 Abs. 1 Satz 2 FPG sind somit gegeben.

Auch die im Lichte des § 9 BFA-VG gebotene Abwägung der privaten und familiären Interessen der Beschwerdeführerin mit den entgegenstehenden öffentlichen Interessen konnte eine Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht rechtfertigen.

Die Beschwerdeführerin konnte in der Verhandlung ohne Dolmetscher befragt werden, sie spricht gut Deutsch und lebt seit zwei Jahren mit Unterbrechungen in Österreich. Ihr Lebensgefährte ist österreichischer Staatsangehöriger. Sie hat somit familiäre und private Bindungen zum Bundesgebiet. Private Bezugspunkte zu Rumänien sind nach wie vor gegeben, leben doch der Vater und die Brüder in Rumänien und hat sie sich selbst für zwei Wochen zur Heilbehandlung nach Rumänien begegeben. Die familiären und privaten Beziehungen der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet haben jedoch durch die von ihr begangenen Straftaten auch eine erhebliche Beeinträchtigung erfahren.

Angesichts des besagten wiederholten und in seiner Gesamtheit gravierenden Fehlverhaltens der Beschwerdeführerin ist davon auszugehen, dass das gegen die Beschwerdeführerin erlassene Aufenthaltsverbot gemäß § 9 BFA-VG zulässig ist, ist es doch zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, Verhinderung von weiteren strafbaren Hanldungen durch den Beschwerdeführer, Schutz der Rechte Dritter) dringend geboten.

Die öffentlichen Interessen an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes sind demnach höher zu gewichten als die gegenläufigen familiären und privaten Interessen der Beschwerdeführerin. Unter diesen Umständen ist die Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung nach § 9 BFA-VG als zulässig zu werten.

Die Bemessung des Aufenthaltsverbotes mit einer Dauer von einem Jahr erscheint jedoch in Hinblick auf die familiären und privaten Bindungen und dem Umstand, dass das Strafgericht mit einer teilbedingten Freiheitsstrafe das Auslangen gefunden hat, als zu hoch, weshalb die spruchgemäße Herabsetzung erfolgte.

Zur Erteilung des Durchsetzungsaufschubes ist festzuhalten, dass das Bundesverwaltungsgericht schon mehrfach auf die diesbezügliche Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen, dieser Judiktaur wurde mit dem angefochtenen Bescheid nicht Rechnung getragen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat zum Durchsetzungsaufschub und zur aufschiebenden Wirkung ausgeführt, dass gesondert zu begründen ist, inwieweit die sofortige Ausreise des Beschwerdeführers nach § 86 Abs. 3 FPG (Durchsetzungsaufschub, Rechtslage vor Inkrafttreten des FrÄG 2011) geboten sein soll. Die auf die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung Bezug nehmenden Überlegungen, die schon bei der Entscheidung über die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes anzustellen sind, vermögen die Begründung für die Versagung eines Durchsetzungsaufschubes nicht zu ersetzen (vgl. VwGH vom 21.11.2006, Zl. 2006/21/0171 mwN).

Eine derartige Begründung ist im angefochtenen Bescheid nicht enthalten, zumal sich diese lediglich auf die, das Aufenthaltsverbot begründende, Verurteilung beziehen. Weitere Anhaltspunkte wurden im angefochtenen Bescheid nicht angeführt und sind auch im Beschwerdeverfahren nicht hervorgekommen, weshalb der Durchsetzungsaufschub zuzuerkennen war.

Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen, umfangreichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch ist diese Rechtsprechung als uneinheitlich zu bewerten. Vielmehr hat sich das Bundesverwaltungsgericht bei der Erstellung der Gefährdungsprognose des Beschwerdeführers sowie auch bei der Interessenabwägung nach § 9 BFA-VG an der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes orientiert und diese - soweit erforderlich - auch in der Entscheidungsbegründung zitiert. Sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der gegenständlich zu lösenden Rechtsfragen liegen nicht vor.

Schlagworte

Aufenthaltsverbot, mündliche Verkündung, schriftliche Ausfertigung,
strafrechtliche Verurteilung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:G311.2193603.1.01

Zuletzt aktualisiert am

04.02.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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