TE Bvwg Erkenntnis 2018/6/15 W168 2173097-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 15.06.2018
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Entscheidungsdatum

15.06.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52
FPG §55

Spruch

W168 2173097- 1/14E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Bernhard MACALKA als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Afghanistan, vertreten durch Mag. Szabo, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.09.2017, Zl. 15-1066149500/150422617, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß den §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 57 AsylG 2005 idgF., § 9 BFA-VG idgF., und §§ 52, 55 FPG idgF. als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Afghanistan, reiste schlepperunterstützt unberechtigt in das Bundesgebiet ein und stellte am 26.04.2015 gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Bei der am gleichen Tag erfolgten Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes brachte er zusammengefasst vor, dass er in Logar, Afghanistan, geboren sei. Er sei ledig, wäre Moslem und gehöre der Volksgruppe der Tadschiken an. Als Wohnsitzadresse gab er eine Anschrift in einem Stadtteil Logars an. Er habe in Logar 8 Klassen der Grundschule besucht und im Herkunftsstaat zuletzt als Verkäufer gearbeitet. Er sei vor ca. 10 Monaten mit einem PKW über Pakistan und den Iran gereist. Beim Grenzübertritt sei er im PKW eines Schleppers bis zur türkischen Grenze weitertransportiert worden und diese mit dem Schlauchboot überquert. Anschließend sei er von Mazedonien nach Serbien gegangen und in weiterer Folge mit dem Kastenwagen nach Österreich gebracht worden.

Als Fluchtgrund brachte der Beschwerdeführer vor, dass er den Herkunftsstaat wegen den Taliban verlassen habe und ständig von ihnen bedroht und belästigt worden sei. Sie hätten gewollt, dass er sich ihnen anschließe. Da sein Leben in Afghanistan in Gefahr gewesen sei, sei er aus Afghanistan geflüchtet. Ansonsten habe er keine weiteren Fluchtgründe. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan habe er Angst vor den Taliban, da diese ihn töten würden.

3. Der Beschwerdeführer wurde am 16.09.2016 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen und brachte dabei zusammengefasst vor, dass er in Logar, Zarghun Shahr, Afghanistan mit seinen Eltern und Geschwistern im Haus seines Vaters gelebt habe, dort aufgewachsen und auch zur Schule gegangen sei. Nach der Schule habe er sein Lebensmittelgeschäft eröffnet. Dort habe er auch Telefonguthaben verkauft, bis er von den Taliban gewarnt und bedroht worden sei und in weiterer Folge das Land verlassen habe. Sein Vater sei Taxifahrer gewesen, aufgrund seines hohen Alters habe der Beschwerdeführer jedoch als Lebensmittelverkäufer den Unterhalt der Familie bestritten. Seine Mutter sei Hausfrau und lebe auch weiterhin mit zwei seiner Geschwister im gemeinsamen Haushalt in Logar.

Der Beschwerdeführer stehe mit seiner Familie in wöchentlichen telefonischen Kontakt und sein Vater führe im Herkunftsstaat sein Lebensmittelgeschäft weiter, wovon er den Lebensunterhalt seiner Familie finanziere. Zur Frage, ob der Beschwerdeführer im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan an seiner früheren Wohnadresse leben könnte, entgegnete der Beschwerdeführer, dass ihn in diesem Fall die Taliban umbringen würden. Wenn er diese Probleme nicht hätte, würde ihn seine Familie selbstverständlich wieder aufnehmen. Er habe im Herkunftsstaat ausschließlich in Logar gewohnt und seit seiner Ausreise keinen Kontakt mehr mit Freunden aus Afghanistan. Der Beschwerdeführer sei mit den gesellschaftlichen und kulturellen Gegebenheiten seines Landes gut vertraut und beherrsche seine Muttersprache in Wort und Schrift.

Zum Fluchtgrund befragt, gab der Beschwerdeführer zu Protokoll, dass er in seinem Geschäft Telefonwertkarten verkauft habe und auch Soldaten von ihm Karten erworben hätten. Eines Tages seien Mitglieder der Taliban auf dem Motorrad zu ihm gekommen und ihn aufgefordert, keine Karten mehr an Soldaten zu verkaufen, da diese keine Moslems mehr seien und von Amerikanern Geld erhalten würden. Anschließend seien sie mit zwei weiteren Personen in ein benachbartes Dorf gefahren und hätten dort eine Auseinandersetzung mit der Polizei begonnen, im Zuge derer zwei Taliban ermordet worden seien. Da der Cousin des Beschwerdeführers bei den Taliban arbeite, habe er seiner Mutter erzählt, dass diese den Beschwerdeführer aufgrund seines angeblichen Verrates bei der Polizei suchen würden. Sein Vater habe in weiterer Folge aus Angst mit seinem Nachbar gesprochen, der ihn nach Kabul gebracht habe, wo er sich etwa fünf oder sechs Tage aufgehalten habe. Die Taliban hätten bemerkt, dass sein Geschäft geschlossen sei und ihm einen Drohbrief ins Geschäft geschickt, den sein Vater gefunden habe. Anschließend sei der Beschwerdeführer mit einem Schlepper nach Pakistan, in den Iran und in weiterer Folge nach Europa gereist.

An das genaue Datum des Vorfalls könne er sich nicht erinnern. Befragt, weshalb er wisse, was im Nachbardorf passiert sei, erwiderte der Beschwerdeführer, dass er aufgrund der geringfügigen Nähe eine Schießerei gehört habe. Zum Vorhalt, wie er nur aufgrund des Gehörten gewusst habe, was passiert sei, erklärte der Beschwerdeführer, dass ihm der Vorfall auch von den Nachbarn berichtet worden sei. Zur Frage, was er zu den Taliban nach Eintreffen in seinem Geschäft konkret gesagt habe, entgegnete der Beschwerdeführer, dass der Verkauf von Telefonwertkarten sein Job sei und nach seiner Einverständniserklärung, die weitere Veräußerung von Wertkarten an Soldaten zu unterlassen, hätten die Talibanmitglieder sein Geschäft verlassen. Im Juni 2014 habe er den Herkunftsstaat mittels Schlepper verlassen, da sein Vater der Meinung gewesen war, dass er in Afghanistan nicht mehr in Sicherheit leben könne.

Befragt, wie der Drohbrief der Taliban in sein Geschäft gelangt sei, erwiderte der Beschwerdeführer, dass die Mitglieder der Terrormiliz den Brief hinter der Tür seines Geschäftes angebracht hätten, da sie ihn nicht angetroffen hätten. Sein Vater habe den Brief in weiterer Folge gefunden und ihn aufgrund einer Stampiglie den Taliban zuordnen können. In diesem sei festgehalten worden, dass dem Beschwerdeführer die Schuld an der Ermordung zweier Taliban gegeben werde und ihm deshalb der Tod drohe. Der Chef der Taliban habe den Brief persönlich unterzeichnet. Der Drohbrief befinde sich derzeit zwar in Afghanistan, da der Beschwerdeführer jedoch ein Foto davon auf seinem Handy habe, könne er den Drohbrief jedoch übermitteln. Das Lebensmittelgeschäft werde vom Vater des Beschwerdeführers weitergeführt, der weiterhin Lebensmittel und Telefonwertkarten, jedoch nicht mehr an die Polizei verkaufe.

Die Frage, ob er sich bezüglich seiner Probleme an die Polizei gewandt habe, wurde von Beschwerdeführer verneint. Er sei weder vorbestraft noch festgenommen worden und habe in seiner Heimat auch keine Probleme mit den Behörden gehabt. Weiters sei er in Afghanistan kein Mitglied einer politischen Gruppierung oder Partei gewesen und sei nicht wegen seiner politischen Gesinnung, seiner Rasse, Religion oder Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe verfolgt worden. Vor den besagten Vorfällen habe es von den Taliban keine weiteren Übergriffe auf den Beschwerdeführer gegeben.

Auf Vorhalt, dass er in der Erstbefragung angegeben habe, dass er ständig von den Taliban bedroht und belästigt worden sei, er jedoch nunmehr angebe, dass die Taliban nur einmal zu ihm gekommen seien, entgegnete der Beschwerdeführer, dass sie ihn selbst insgesamt nur einmal aufgesucht hätten, sie seinen Vater jedoch seit seiner Ausreise nach seinem Verbleib gefragt hätten. Dieser habe den Taliban jedoch repliziert, dass er über den Verbleib des Beschwerdeführers keine Ahnung habe. Befragt, was er bei einer Rückkehr in die Heimat zu befürchten habe, erwiderte der Beschwerdeführer, dass er Angst habe, von den Taliban umgebracht zu werden. Er habe keine Probleme mit den örtlichen Behörden in Afghanistan gehabt. Befragt, wieso er nicht in einen anderen Landesteil gezogen sei, erklärte der Beschwerdeführer, dass ihn die Taliban überall gefunden hätten und sie seine Familie nach wie vor bedrohen würden, indem sie seinen Vater unter Druck setzen, dass er ihnen den Aufenthaltsort des Beschwerdeführers verrate. Die Terrormiliz frage sowohl in den Nachbardörfern als auch im Geschäft, ob er bei seinen Eltern sei. Der Beschwerdeführer verzichtete auf die Möglichkeit, zu den Länderfeststellungen zu Afghanistan eine Stellungnahme abzugeben.

Zu seinem Privatleben in Österreich befragt brachte der Beschwerdeführer vor, dass er in Österreich niemals einen gültigen Aufenthaltstitel zur Begründung eines legalen Aufenthaltes gehabt habe und zweimal in der Woche einen Deutschkurs besuche. Er sei seit seiner Einreise keiner Beschäftigung nachgegangen und lebe von der Grundversorgung. Zu seinem Alltag in Österreich befragt, führte dieser aus, dass er manches Mal gemeinnützige Arbeiten für die Gemeinde Imst durchführen würde. Hierüber könnten Bestätigungen vorgelegt werden. Auch hätte er 2x in der Woche einen Deutschkurs besucht. Er sei niemandem gegenüber unterhaltspflichtig und wohne im Flüchtlingsheim. Über einen Deutschkursabschluss auf Niveau A2 würde er nicht verfügen, bzw. verfüge er über keinen höheren Schulabschluss. In Österreich hätte er auch keine weiteren Kurse oder Ausbildungen abgeschlossen. Der Beschwerdeführer sei kein Mitglied in einem Verein oder einer sonstigen Organisation. In Österreich hätte er aufgrund der Verrichtung von gemeinnützigen Arbeiten Kontakt mit Österreichern, jedoch habe er nicht viele österreichische Freunde, bzw. hätt er keine Verwandte in Österreich und lebe in keiner Lebensgemeinschaft.

Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme wurden vom Beschwerdeführer ein Identitätsdokument (Tazkira) in Dari, eine Bestätigung der Stadtgemeinde Imst hinsichtlich gemeinnütziger Arbeiten im Ausmaß von 40 Stunden im Monaten vom 30.08.2016 sowie eine Teilnahmebestätigung vom 02.09.2016, wonach der Beschwerdeführer am Kurs "Deutsch Alphabetisierung" zwischen 30.05.2016 und 02.09.2016 teilgenommen habe, vorgelegt.

4. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.09.2017, Zl. 15-1066149500/150422617, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Dem Beschwerdeführer wurde gemäß §§ 57 und 55 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und weiters gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei. Weiters wurde innerhalb des Spruches ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.

In der Begründung wurden seitens der belangten Behörde zunächst Feststellungen zur Sicherheitslage in Kabul, sowie zu Bewegungsfreiheit, Bewegungsmöglichkeiten und zur Behandlung nach der Rückkehr getroffen. Sodann wurde beweiswürdigend ausgeführt, dass die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Asylgründe nicht glaubwürdig gewesen seien, da sich seine Angaben im Zuge der polizeilichen Erstbefragung vom 26.04.2015 und der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eklatant unterscheiden würden. Demnach schildere der Beschwerdeführer in der Erstbefragung "ständig" von den Taliban belästigt und bedroht worden zu sein, da diese das Ziel verfolgen würden, dass er sich den Taliban anschließe. Im Laufe der Einvernahme habe er mit keinem Wort erwähnt, dass die Taliban dahingehend Interesse aufwenden würde, den Beschwerdeführer als Mitglied zu gewinnen. Ganz im Gegenteil habe er geschildert, dass die Taliban ihn verfolgen würde, da diese glaube, dass sie zwei Taliban Mitglieder bei der Polizei verraten hätten. Aus diesem Umstand lasse sich klar schließen, dass der Beschwerdeführer das Motiv der Verfolgungsakteure inhomogen dargestellt habe und dadurch die Essenz seiner Ausreisegründe an Glaubwürdigkeit verliere. Aufgrund der demonstrierten Divergenz betreffend den Grundgedanken, den die Taliban ihm gegenüber gehegt habe, sei daher ersichtlich gewesen, dass es sich die Problematik mit den Taliban betreffend um reine Fiktion handle, schließlich dürfte eine Person, welche wahrlich aufgrund von Furcht um Leib und Leben die Heimat verlassen habe, wissen, was der Auslöser einer derartigen Lebensentscheidung darstelle. Ferner habe der Beschwerdeführer im Laufe der Einvernahme zusammenfassend geschildert, dass die Taliban zu ihm gekommen sei und ihn bedroht hätten, seine Arbeit als Verkäufer zu unterlassen, womit er sich dann in weiterer Folge auch einverstanden erklärt habe. Anschließend habe er Schüsse gehört und habe am nächsten Tag erfahren, dass zwei Taliban Mitglieder durch Polizisten erschossen worden seien. Anschließend habe die Taliban ihn bezichtigt, für den genannten Vorfall verantwortlich zu sein, woraufhin ihm sein Vater geraten habe, auszureisen. Im Hinblick auf seine Angaben im Zuge der Erstbefragung hätten sich auch hierbei Unplausibilitäten ergeben, welche äußerst fragwürdig anzusehen seien. Der Beschwerdeführer habe in der Erstbefragung "lediglich" ein Aufeinandertreffen mit den Taliban geschildert, wohingegen er in der Erstbefragung erklärt habe, "ständig bedroht und belästigt worden zu sein". Bemerkenswert sei zudem, dass der Beschwerdeführer den besagten Drohbrief und Aufforderung, seine Arbeit als Verkäufer zu unterlassen, in der Erstbefragung unerwähnt gelassen habe. Vollkommen lebensfremd seien seine Angaben, dass die Taliban ihm einen Drohbrief geschickt habe, um ihn darüber zu informieren, dass er als Verräter gesucht werde. Wenn die Taliban tatsächlich den Verdacht gehabt hätte, dass er ein Verräter sei, dann hätten diese ihn sofort aufgesucht und ihm nicht schon im Vorfeld zwei Briefe zukommen lassen, um ihn zu warnen und ihm die Möglichkeit geben, zu flüchten. Eine derartig absurde Vorgangsweise der Taliban könne jedenfalls ausgeschlossen werden. Zudem würden sich diesbezüglich etwaige Divergenzen ergeben, zumal der Beschwerdeführer in der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl lediglich von einem Drohbrief berichte. Bemerkenswert sei jedoch, dass er auf Aufforderung hin, den Drohbrief vorzulegen, zwei Drohbriefe abgegeben habe. Die Zustellung eines Drohbriefs einer Terrormiliz dürfte, bei Wahrheitsunterstellung, wohl kein alltäglicher Umstand sein, sondern dürfte ein einschneidendes Erlebnis darstellen. Im Fall des Beschwerdeführers sei ein zweiter Drohbrief jedoch unerwähnt geblieben, wodurch er an Glaubwürdigkeit verloren habe. Darüber hinaus habe er auch den Inhalt des Drohbriefs bzw. in Folge der Drohbriefe nicht widerspruchfrei darlegen können. In der Gesamtschau ergebe sich demnach eine Sinnwidrigkeit, welche das Befinden nahe liege, dass der Beschwerdeführer sich niemals zur Gänze mit dem Inhalt des Drohbriefs auseinandergesetzt habe bzw. die Drohbriefe zur Gänze als Widerspruch zu seinen Angaben gewertet hätten können. Schon aufgrund der Widersprüche und seiner mangelnden Fähigkeit, sein Ausreisekonstrukt mit den vorgelegten Drohbriefen in schlussfolgender und nachvollziehbarer Verbindung zu stellen, könne ausgeschlossen werden, dass die von ihm vorgelegte Drohbriefe echt seien. Zusammenfassen sei zu den vom Beschwerdeführer vorgelegten Drohbriefen zu befinden, dass diese aufgrund der vorhin erwähnten Widersprüche und Unplausibilitäten keinen tauglichen Beweis darstellen würden, um die vom Beschwerdeführer behauptete Verfolgungsgefahr auch nur annähernd erhärten zu können, sondern im Gegenteil sei es offensichtlich, dass er sich diese beschafft habe, um seine Geschichte zu unterstützen und auszuschmücken. Ein weiteres Indiz für die Annahme der Behörde, dass die von ihm vorgelegten Drohbriefe nicht echt seien, ergebe sich aus dem Umstand, dass sie diese Umstände mit keinem einzigen Wort bei der Erstbefragung erwähnt habe.

5. Gegen diese Entscheidung wurde im Namen des Beschwerdeführers, am 05.10.2017 fristgerecht Beschwerde erhoben. Darin wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass sich die Behörde mit den vom Beschwerdeführer vorgebrachten Fluchtgründen nicht eingehend auseinandergesetzt habe. Soweit sich die Behörde auf die Angaben in der Erstbefragung stütze, so werde ja dort entsprechend kursorisch gefragt, um feststellen zu können, ob überhaupt internationaler Schutz aufgrund irgendeiner Flucht geltend gemacht werde. Dass die Taliban zuerst Drohbriefe versenden, bevor sie zur Tat schreiten, sei nicht lebensfremd, sondern auch notorisch bekannter Usus. Gerade wenn eine Terrorgruppe so stark sei, dass sie Landesteile kontrolliere, genüge zum Erreichen ihrer Ziele, nämlich, dass ihr Opfer aus dem Territorium verschwinde, schon die Drohung. Erst wenn die nicht helfe, werde zur nächsten Eskalationsstufe gegriffen. Eine innerstaatliche Fluchtalternative sei entgegen den Ausführungen der Behörde nicht gegeben. Gerade die jüngste Geschichte aus Kabul zeige, dass die Sicherheitslage dort noch bei Weitem nicht so sei, wie es zu wünschen wäre, sondern es laufend zu gewaltsamen Übergriffen komme, so dass es bereits zu massiver Kritik vor Ort gegen die Abschiebepraxis mancher Europäischer Länder gekommen sei.

6. Dem gewillkürt vertretenen Beschwerdeführer wurde die Ladung zur Verhandlung vor dem BVwG mit Schreiben vom 25.04.2018 übermittelt. Der Beschwerdeführer ist zur am 29.05.2018 stattgefunden mündlichen Verhandlung unentschuldigt nicht erschienen. Dem Beschwerdeführer wurde mit Schreiben des BVwG vom 29.05.2018 eine Frist von einer Woche eingeräumt valide Bescheinigungsmittel vorzulegen, bzw. nachprüfbare Ausführungen zu erstatten, die ein allfällig berechtigtes Fernbleiben von der Verhandlung begründen könnten. Diese Frist verstrich ungenutzt, bzw. wurden diesbezüglich ergänzende Ausführungen seitens des Beschwerdeführers oder seines Vertreters nicht erstattet.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1 Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsangehöriger, und gehört der Volksgruppe der Tadschiken an. Der Beschwerdeführer beherrscht die Sprache Dari. Der Beschwerdeführer ist in Afghanistan, Logar, aufgewachsen und hat dort 8 Jahre die Grundschule besucht. Die Familie des BF besitzt ein Geschäft, welches nach dem Verlassen Afghanistans der Vater des BF weiterführt. Mit den Familienangehörigen steht der Beschwerdeführer mittels Telefon in regelmäßigen in Kontakt. Der Beschwerdeführer hält sich seit April 2015 im Bundesgebiet auf. Er ist strafrechtlich unbescholten. Bei dem Beschwerdeführer handelt es sich um einen jungen gesunden Mann im arbeitsfähigen Alter. Der Beschwerdeführer leidet an keinen schweren körperlichen oder psychischen Erkrankungen. Der Beschwerdeführer lebt von der Grundversorgung und ist nicht selbsterhaltungsfähig. Im Bundesgebiet verfügt er über keinerlei Familienangehörige und hat keine sonstigen intensiven sozialen Kontakte. Das Vorliegen eines besonders zu berücksichtigenden Nahe - bzw. Abhängigkeitsverhältnisses zu Personen im Bundesgebiet ist nicht dargelegt worden. Das Bestehen einer besonderen Integration, bzw. von besonderen Gründen die für ein Verbleiben der beschwerdeführenden Partei im Bundesgebiet sprechen sind dem vorliegenden Verwaltungsakt nicht zu entnehmen.

1.2. Zu den angegebenen Fluchtgründen:

Die angegebenen Fluchtgründe des Beschwerdeführers sind nicht glaubwürdig und werden dem Verfahren nicht zugrunde gelegt. Es konnte vom Beschwerdeführer nicht glaubhaft dargelegt werden, dass er im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan einer Verfolgung aus asylrelevanten Gründen ausgesetzt wäre.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer Afghanistan aufgrund einer unmittelbaren Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verlassen hat.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Ansichten von staatlicher Seite oder von Seiten Dritter bedroht wäre.

Bei einer Rückkehr nach Afghanistan und einer Niederlassung insbesondere in der Stadt Kabul, besteht für den Beschwerdeführer als arbeitsfähigen Mann im berufsfähigen Alter ohne festgestellten besonderen Schutzbedarf keine berücksichtigungswürdige Bedrohungssituation, bzw. läuft dieser dort auch nicht in Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten.

Das BFA hat ein insgesamt mängelfreies Verfahren durchgeführt. Die belangte Behörde ist im gegenständlichen Verfahren ihrer Ermittlungspflicht durch die Vornahme einer detaillierten Befragung nachgekommen und dem angefochtenen Bescheid ist ein im vorliegenden Verwaltungsakt dokumentiert umfassendes Ermittlungsverfahren vorangegangen. Der Sachverhalt wurde unter schlüssiger Beweiswürdigung des Bundesamtes festgestellt und rechtlich korrekt durch das BFA gewürdigt.

Der Beschwerdeführer wurde zu einer mündlichen Verhandlung vor dem BVwG geladen, ist zu dieser jedoch unentschuldigt nicht erschienen, bzw. hat auch von der Möglichkeit hierzu Stellung zu nehmen keinen Gebrauch gemacht.

Der Beschwerde konnten keine wesentlichen, bzw. verfahrensrelevant neuen Sachverhaltselemente entnommen werden, welche geeignet wären, die von der belangten Behörde getroffenen Entscheidungen grundlegend in Frage zu stellen. Das BVwG konnte sich hinsichtlich sämtlicher verfahrensrelevanter Ausführungen auf die bereits erfolgte umfassende Ermittlungstätigkeit des BFA stützen. Die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung waren vollinhaltlich durch das BVwG zu teilen.

Für die in der Beschwerde gestellten Anträge ergeben sich keine konkreten Anhaltspunkte.

Im gegenständlichen Verfahren konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

1.3. Zur Situation in Afghanistan wird Folgendes festgestellt:

(gekürzt und zusammengefasst durch das BVwG)

KI vom 25.9.2017: Aktualisierung der Sicherheitslage in Afghanistan - Q3.2017 (betrifft: Abschnitt 3 Sicherheitslage)

Die Sicherheitslage in Afghanistan ist nach wie vor höchst volatil; die Regierung und die Taliban wechselten sich während des Berichtszeitraumes bei Kontrolle mehrerer Distriktzentren ab - auf beiden Seiten waren Opfer zu beklagen (UN GASC 21.9.2017). Der Konflikt in Afghanistan ist gekennzeichnet von zermürbenden Guerilla-Angriffen, sporadischen bewaffneten Zusammenstößen und gelegentlichen Versuchen Ballungszentren zu überrennen. Mehrere Provinzhauptstädte sind nach wie vor in der Hand der Regierung; dies aber auch nur aufgrund der Unterstützung durch US-amerikanische Luftangriffe. Dennoch gelingt es den Regierungskräften kleine Erfolge zu verbuchen, indem sie mit unkonventionellen Methoden zurückschlagen (The Guardian 3.8.2017).

Der afghanische Präsident Ghani hat mehrere Schritte unternommen, um die herausfordernde Sicherheitssituation in den Griff zu bekommen. So hielt er sein Versprechen den Sicherheitssektor zu reformieren, indem er korrupte oder inkompetente Minister im Innen- und Verteidigungsministerium feuerte, bzw. diese selbst zurücktraten; die afghanische Regierung begann den strategischen 4-Jahres Sicherheitsplan für die ANDSF umzusetzen (dabei sollen die Fähigkeiten der ANDSF gesteigert werden, größere Bevölkerungszentren zu halten); im Rahmen des Sicherheitsplanes sollen Anreize geschaffen werden, um die Taliban mit der afghanischen Regierung zu versöhnen; Präsident Ghani bewilligte die Erweiterung bilateraler Beziehungen zu Pakistan, so werden unter anderen gemeinsamen Anti-Terror Operationen durchgeführt werden (SIGAR 31.7.2017).

Zwar endete die Kampfmission der US-Amerikaner gegen die Taliban bereits im Jahr 2014, dennoch werden, laut US-amerikanischem Verteidigungsminister, aufgrund der sich verschlechternden Sicherheitslage 3.000 weitere Soldaten nach Afghanistan geschickt. Nach wie vor sind über 8.000 US-amerikanische Spezialkräfte in Afghanistan, um die afghanischen Truppen zu unterstützen (BBC 18.9.2017).

Sicherheitsrelevante Vorfälle

In den ersten acht Monaten wurden insgesamt 16.290 sicherheitsrelevante Vorfälle von den Vereinten Nationen (UN) registriert; in ihrem Berichtszeitraum (15.6. bis 31.8.2017) für das dritte Quartal, wurden 5.532 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert - eine Erhöhung von 3% gegenüber dem Vorjahreswert. Laut UN haben sich bewaffnete Zusammenstöße um 5% erhöht und machen nach wie vor 64% aller registrierten Vorfälle aus. 2017 gab es wieder mehr lange bewaffnete Zusammenstöße zwischen Regierung und regierungsfeindlichen Gruppierungen. Im Gegensatz zum Vergleichszeitraums des Jahres 2016, verzeichnen die UN einen Rückgang von 3% bei Anschlägen mit Sprengfallen [IEDs - improvised explosive device], Selbstmordangriffen, Ermordungen und Entführungen - nichtsdestotrotz waren sie Hauptursache für zivile Opfer. Die östliche Region verzeichnete die höchste Anzahl von Vorfällen, gefolgt von der südlichen Region (UN GASC 21.9.2017).

Laut der internationalen Sicherheitsorganisation für NGOs (INSO) wurden in Afghanistan von 1.1.-31.8.2017 19.636 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (Stand: 31.8.2017) (INSO o.D.).

Zivilist/innen

Landesweit war der bewaffnete Konflikt weiterhin Ursache für Verluste in der afghanischen Zivilbevölkerung. Zwischen dem 1.1. und 30.6.2017 registrierte die UNAMA 5.243 zivile Opfer (1.662 Tote und 3.581 Verletzte). Dies bedeutet insgesamt einen Rückgang bei zivilen Opfern von fast einem 1% gegenüber dem Vorjahreswert. Dem bewaffneten Konflikt in Afghanistan fielen zwischen 1.1.2009 und 30.6.2017 insgesamt 26.512 Zivilist/innen zum Opfer, während in diesem Zeitraum 48.931 verletzt wurden (UNAMA 7.2017).

Im ersten Halbjahr 2017 war ein Rückgang ziviler Opfer bei Bodenoffensiven zu verzeichnen, während sich die Zahl ziviler Opfer aufgrund von IEDs erhöht hat (UNAMA 7.2017).

Die Provinz Kabul verzeichnete die höchste Zahl ziviler Opfer - speziell in der Hauptstadt Kabul: von den 1.048 registrierten zivilen Opfer (219 Tote und 829 Verletzte), resultierten 94% aus Selbstmordattentaten und Angriffen durch regierungsfeindliche Elemente. Nach der Hauptstadt Kabul verzeichneten die folgenden Provinzen die höchste Zahl ziviler Opfer: Helmand, Kandahar, Nangarhar, Uruzgan, Faryab, Herat, Laghman, Kunduz und Farah. Im ersten Halbjahr 2017 erhöhte sich die Anzahl ziviler Opfer in 15 von Afghanistans 34 Provinzen (UNAMA 7.2017)

High-profile Angriffe:

Der US-Sonderbeauftragten für den Aufbau in Afghanistan (SIGAR), verzeichnete in seinem Bericht für das zweite Quartal des Jahres 2017 mehrere high-profil Angriffe; der Großteil dieser fiel in den Zeitraum des Ramadan (Ende Mai bis Ende Juni). Einige extremistische Organisationen, inklusive dem Islamischen Staat, behaupten dass Kämpfer, die während des Ramadan den Feind töten, bessere Muslime wären (SIGAR 31.7.2017).

Im Berichtszeitraum (15.6. bis 31.8.2017) wurden von den Vereinten Nationen folgende High-profile Angriffe verzeichnet:

Ein Angriff auf die schiitische Moschee in der Stadt Herat, bei dem mehr als 90 Personen getötet wurden (UN GASC 21.9.2017; vgl.: BBC 2.8.2017). Zu diesem Attentat bekannte sich der ISIL-KP (BBC 2.8.2017). Taliban und selbsternannte ISIL-KP Anhänger verübten einen Angriff auf die Mirza Olang Region im Distrikt Sayyad in der Provinz Sar-e Pul; dabei kam es zu Zusammenstößen mit regierungsfreundlichen Milizen. Im Zuge dieser Kämpfe, die von 3.-5.August anhielten, wurden mindestens 36 Menschen getötet (UN GASC 21.9.2017). In Kabul wurde Ende August eine weitere schiitische Moschee angegriffen, dabei wurden mindestens 28 Zivilist/innen getötet; auch hierzu bekannte sich der ISIL-KP (UN GASC 21.9.2017; vgl.: NYT 25.8.2017).

Manche high-profile Angriffe waren gezielt gegen Mitarbeiter/innen der ANDSF und afghanischen Regierungsbeamte gerichtet; Zivilist/innen in stark bevölkerten Gebieten waren am stärksten von Angriffen dieser Art betroffen (SIGAR 31.7.2017).

"Green Zone" in Kabul

Kabul hatte zwar niemals eine formelle "Green Zone"; dennoch hat sich das Zentrum der afghanischen Hauptstadt, gekennzeichnet von bewaffneten Kontrollpunkten und Sicherheitswänden, immer mehr in eine militärische Zone verwandelt (Reuters 6.8.2017).

Eine Erweiterung der sogenannten Green Zone ist geplant; damit wird Verbündeten der NATO und der US-Amerikaner ermöglicht, auch weiterhin in der Hauptstadt Kabul zu bleiben ohne dabei Risiken ausgesetzt zu sein. Kabul City Compound - auch bekannt als das ehemalige Hauptquartier der amerikanischen Spezialkräfte, wird sich ebenso innerhalb der Green Zone befinden. Die Zone soll hinkünftig vom Rest der Stadt getrennt sein, indem ein Netzwerk an Kontrollpunkten durch Polizei, Militär und privaten Sicherheitsfirmen geschaffen wird. Die Erweiterung ist ein großes öffentliches Projekt, das in den nächsten zwei Jahren das Zentrum der Stadt umgestalten soll; auch sollen fast alle westlichen Botschaften, wichtige Ministerien, sowie das Hauptquartier der NATO und des US-amerikanischen Militärs in dieser geschützten Zone sein. Derzeit pendeln tagtäglich tausende Afghaninnen und Afghanen durch diese Zone zu Schulen und Arbeitsplätzen (NYT 16.9.2017).

Nach einer Reihe von Selbstmordattentaten, die hunderte Opfer gefordert haben, erhöhte die afghanische Regierung die Sicherheit in der zentralen Region der Hauptstadt Kabul - dieser Bereich ist Sitz ausländischer Botschaften und Regierungsgebäude. Die Sicherheit in diesem diplomatischen Bereich ist höchste Priorität, da, laut amtierenden Polizeichef von Kabul, das größte Bedrohungsniveau in dieser Gegend verortet ist und eine bessere Sicherheit benötigt wird. Die neuen Maßnahmen sehen 27 neue Kontrollpunkte vor, die an 42 Straßen errichtet werden. Eingesetzt werden mobile Röntgengeräte, Spürhunde und Sicherheitskameras. Außerdem werden 9 weitere Straßen teilweise gesperrt, während die restlichen sechs Straßen für Autos ganz gesperrt werden. 1.200 Polizist/innen werden in diesem Bereich den Dienst verrichten, inklusive spezieller Patrouillen auf Motorrädern. Diese Maßnahmen sollen in den nächsten sechs Monaten schrittweise umgesetzt werden (Reuters 6.8.2017).

Eine erweiterter Bereich, die sogenannte "Blue Zone" soll ebenso errichtet werden, die den Großteil des Stadtzentrums beinhalten soll - in diesem Bereich werden strenge Bewegungseinschränkungen, speziell für Lastwagen, gelten. Lastwagen werden an einem speziellen externen Kontrollpunkt untersucht. Um in die Zone zu gelangen, müssen sie über die Hauptstraße (die auch zum Flughafen führt) zufahren (BBC 6.8.2017; vgl. Reuters 6.8.2017).

ANDSF - afghanische Sicherheits- und Verteidigungskräfte

Die Stärkung der ANDSF ist ein Hauptziel der Wiederaufbaubemühungen der USA in Afghanistan, damit diese selbst für Sicherheit sorgen können (SIGAR 20.6.2017). Die Stärke der afghanischen Nationalarmee (Afghan National Army - ANA) und der afghanischen Nationalpolizei (Afghan National Police - ANP), sowie die Leistungsbereitschaft der Einheiten, ist leicht gestiegen (SIGAR 31.7.2017).

Die ANDSF wehrten Angriffe der Taliban auf Schlüsseldistrikte und große Bevölkerungszentren ab. Luftangriffe der Koalitionskräfte trugen wesentlich zum Erfolg der ANDSF bei. Im Berichtszeitraum von SIGAR verdoppelte sich die Zahl der Luftangriffe gegenüber dem Vergleichswert für 2016 (SIGAR 31.7.2017).

Die Polizei wird oftmals von abgelegen Kontrollpunkten abgezogen und in andere Einsatzgebiete entsendet, wodurch die afghanische Polizei militarisiert wird und seltener für tatsächliche Polizeiarbeit eingesetzt wird. Dies erschwert es, die Loyalität der Bevölkerung zu gewinnen. Die internationalen Truppen sind stark auf die Hilfe der einheimischen Polizei und Truppen angewiesen (The Guardian 3.8.2017).

Regierungsfeindliche Gruppierungen:

Taliban

Die Taliban waren landesweit handlungsfähig und zwangen damit die Regierung erhebliche Ressourcen einzusetzen, um den Status Quo zu erhalten. Seit Beginn ihrer Frühjahrsoffensive im April, haben die Taliban - im Gegensatz zum Jahr 2016 - keine größeren Versuche unternommen Provinzhauptstädte einzunehmen. Nichtsdestotrotz, gelang es den Taliban zumindest temporär einige Distriktzentren zu überrennen und zu halten; dazu zählen der Distrikt Taywara in der westlichen Provinz Ghor, die Distrikte Kohistan und Ghormach in der nördlichen Provinz Faryab und der Distrikt Jani Khel in der östlichen Provinz Paktia. Im Nordosten übten die Taliban intensiven Druck auf mehrere Distrikte entlang des Autobahnabschnittes Maimana-Andkhoy in der Provinz Faryab aus; die betroffenen Distrikte waren: Qaramol, Dawlat Abad, Shirin Tagab und Khwajah Sabz Posh. Im Süden verstärkten die Taliban ihre Angriffe auf Distrikte, die an die Provinzhauptstädte von Kandahar und Helmand angrenzten (UN GASC 21.9.2017).

IS/ISIS/ISKP/ISIL-KP/Daesh

Die Operationen des ISIL-KP in Afghanistan sind weiterhin auf die östliche Region Afghanistans beschränkt - nichtsdestotrotz bekannte sich die Gruppierung landesweit zu acht nennenswerten Vorfällen, die im Berichtszeitraum von den UN registriert wurden. ISIL-KP verdichtete ihre Präsenz in der Provinz Kunar und setze ihre Operationen in Gegenden der Provinz Nangarhar fort, die von den ANDSF bereits geräumt worden waren. Angeblich wurden Aktivitäten des ISIL-KP in den nördlichen Provinzen Jawzjan und Sar-e Pul, und den westlichen Provinzen Herat und Ghor berichtet (UN GASC 21.9.2017).

Im sich zuspitzenden Kampf gegen den ISIL-KP können sowohl die ANDSF, als auch die Koalitionskräfte auf mehrere wichtige Erfolge im zweiten Quartal verweisen (SIGAR 31.7.2017): Im Juli wurde im Rahmen eines Luftangriffes in der Provinz Kunar der ISIL-KP-Emir, Abu Sayed, getötet. Im August wurden ein weiterer Emir des ISIL-KP, und drei hochrangige ISIL-KP-Führer durch einen Luftangriff getötet. Seit Juli 2016 wurden bereits drei Emire des ISIL-KP getötet (Reuters 13.8.2017); im April wurde Sheikh Abdul Hasib, gemeinsam mit 35 weiteren Kämpfern und anderen hochrangigen Führern in einer militärischen Operation in der Provinz Nangarhar getötet (WT 8.5.2017; vgl. SIGAR 31.7.2017). Ebenso in Nangarhar, wurde im Juni der ISIL-KP-Verantwortliche für mediale Produktionen, Jawad Khan, durch einen Luftangriff getötet (SIGAR 31.7.2017; vgl.: Tolonews 17.6.2017).

Politische Entwicklungen

Die Vereinten Nationen registrierten eine Stärkung der Nationalen Einheitsregierung. Präsident Ghani und CEO Abdullah einigten sich auf die Ernennung hochrangiger Posten - dies war in der Vergangenheit Grund für Streitigkeiten zwischen den beiden Führern gewesen (UN GASC 21.9.2017).

Die parlamentarische Bestätigung einiger war nach wie vor ausständig; derzeit üben daher einige Minister ihr Amt kommissarisch aus. Die unabhängige afghanische Wahlkommission (IEC) verlautbarte, dass die Parlaments- und Distriktratswahlen am 7. Juli 2018 abgehalten werden (UN GASC 21.9.2017).

Quellen:

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BBC (18.9.2017): US sends 3,000 more troops to Afghanistan, http://www.bbc.com/news/world-us-canada-41314428, Zugriff 20.9.2017

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BBC (2.8.2017): Herat mosque blast: IS says it was behind Afghanistan attack, http://www.bbc.com/news/world-asia-40802572, Zugriff 21.9.2017

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INSO - International NGO Safety Organisation (o.D.): Afghanistan - Total incidents per month for the current year to date, http://www.ngosafety.org/country/afghanistan, Zugriff 19.9.2017

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INSO - The International NGO Safety Organisation (2017):

Afghanistan - Gross Incident Rate, http://www.ngosafety.org/country/afghanistan, Zugriff 19.9.2017

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NYT - The New York Times (16.9.2017): U.S. Expands Kabul Security Zone, Digging In for Next Decade, https://www.nytimes.com/2017/09/16/world/asia/kabul-green-zone-afghanistan.html?mcubz=3, Zugriff 20.9.2017

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NYT - The New York Times (25.8.2017): ISIS Claims Deadly Attack on Shiite Mosque in Afghanistan,

https://www.nytimes.com/2017/08/25/world/asia/mosque-kabul-attack.html?mcubz=3, Zugriff 21.9.2017

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Reuters (13.8.2017): Senior Islamic State commanders killed in Afghanistan air strike: U.S. military, https://www.reuters.com/article/us-afghanistan-airstrike/senior-islamic-state-commanders-killed-in-afghanistan-air-strike-u-s-military-idUSKCN1AT06J, Zugriff 19.9.2017

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Reuters (6.8.2017): Kabul 'Green Zone' tightened after attacks in Afghan capital,

https://www.reuters.com/article/us-afghanistan-security/kabul-green-zone-tightened-after-attacks-in-afghan-capital-idUSKBN1AM0K7, Zugriff 20.9.2017

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SIGAR - Special Special Inspector General for Afghanistan Reconstruction (30.7.2017): QUARTERLY REPORT TO THE UNITED STATES

CONGRESS,

https://www.sigar.mil/pdf/quarterlyreports/2017-07-30qr.pdf, Zugriff 19.9.2017

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SIGAR - Special Special Inspector General for Afghanistan Reconstruction (20.6.2017): Afghan national army: dod may have spent up to $28 million more than needed to procure camouflage uniforms that may be inappropriate for the Afghan environment, https://www.sigar.mil/pdf/special%20projects/SIGAR-17-48-SP.pdf, Zugriff 20.9.2017

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The Guardian (3.8.2017): The war America can't win: how the Taliban are regaining control in Afghanistan, https://www.theguardian.com/world/2017/aug/03/afghanistan-war-helmand-taliban-us-womens-rights-peace, Zugriff 19.9.2017

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Tolonews (17.6.2017): Daesh Media Leader Killed In Nangarhar Air Strike,

http://www.tolonews.com/afghanistan/daesh-media-leader-killed-nangarhar-air-strike, Zugriff 19.9.2017

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UNAMA - UN Assistance Mission in Afghanistan: Afghanistan (7.2017): Protection of Civilians in Armed Conflict; Midyear Report 2017,

https://unama.unmissions.org/sites/default/files/protection_of_civilians_in_armed_conflict_midyear_report_2017_july_2017.pdf, Zugriff 20.9.2017

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UN GASC - General Assembly Security Council (21.9.2017): The situation in Afghanistan and its implications for international peace and security, as of September 15th 2017, https://unama.unmissions.org/report-secretary-general-situation-afghanistan-and-its-implications-international-peace-and-7, Zugriff 21.9.2017

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WT - The Washington Times (8.5.2017): Pentagon confirms Abdul Hasib, head of ISIS in Afghanistan, killed by U.S., Afghan special forces,

http://www.washingtontimes.com/news/2017/may/8/abdul-hasib-head-isis-afghanistan-killed-us-afghan/, Zugriff 19.9.2017

KI vom 22.6.2017: Aktualisierung der Sicherheitslage in Afghanistan - Q2.2017 (betrifft: Abschnitt 3 Sicherheitslage)

Den Vereinten Nationen zufolge war die Sicherheitslage in Afghanistan im Berichtszeitraum weiterhin volatil: zwischen 1.3. und 31.5.2017 wurden von den Vereinten Nationen 6.252 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert - eine Erhöhung von 2% gegenüber dem Vorjahreswert. Bewaffnete Zusammenstöße machten mit 64% den Großteil registrierter Vorfälle aus, während IEDs [Anm.:

improvised explosive device] 16% der Vorfälle ausmachten - gezielte Tötungen sind hingegen um 4% zurückgegangen. Die östlichen und südöstlichen Regionen zählten auch weiterhin zu den volatilsten; sicherheitsrelevante Vorfälle haben insbesondere in der östlichen Region um 22% gegenüber dem Vorjahr zugenommen. Die Taliban haben hauptsächlich folgende Provinzen angegriffen: Badakhshan, Baghlan, Farah, Faryab, Helmand, Kunar, Kunduz, Laghman, Sar-e Pul, Zabul und Uruzgan. Talibanangriffe auf afghanische Sicherheitskräfte konnten durch internationale Unterstützung aus der Luft abgewiesen werden. Die Anzahl dieser Luftangriffe ist mit einem Plus von 112% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Jahres 2016 deutlich gestiegen (UN GASC 20.6.2017).

ANDSF - afghanische Sicherheits- und Verteidigungskräfte

Laut einem Bericht des amerikanischen Verteidigungsministeriums behielten die ANDSF, im Berichtszeitraum 1.12.2016-31.5.2017 trotz aufständischer Gruppierungen, auch weiterhin Kontrolle über große Bevölkerungszentren: Die ANDSF waren im Allgemeinen fähig große Bevölkerungszentren zu schützen, die Taliban davon abzuhalten gewisse Gebiete für einen längeren Zeitraum zu halten und auf Talibanangriffe zu reagieren. Die ANDSF konnten in städtischen Gebieten Siege für sich verbuchen, während die Taliban in gewissen ländlichen Gebieten Erfolge erzielen konnten, in denen die ANDSF keine dauernde Präsenz hatten. Spezialeinheiten der afghanischen Sicherheitskräfte (ASSF - Afghan Special Security Forces) leiteten effektiv offensive Befreiungsoperationen (US DOD 6.2017).

Bis Ende April 2017 lag die Truppenstärke der afghanischen Armee [ANA - Afghan National Army] bei 90,4% und die der afghanischen Nationalpolizei [ANP - Afghan National Police] bei 95,1% ihrer Sollstärke (UN GASC 20.6.2017).

Hauptstadt Kabul

Kabul wird immer wieder von Attentaten erschüttert (DW 31.5.2017):

Am 31.5.2017 kamen bei einem Selbstmordattentat im hochgesicherten Diplomatenviertel Kabuls mehr als 150 Menschen ums Leben und mindestens 300 weitere wurden schwer verletzt als ein Selbstmordattentäter einen Sprengstoff beladenen Tanklaster mitten im Diplomatenviertel in die Luft sprengte (FAZ 6.6.2017; vgl. auch:

al-Jazeera 31.5.2017; The Guardian 31.5.2017; BBC 31.5.2017; UN News Centre 31.5.2017). Bedeutend ist der Angriffsort auch deswegen, da dieser als der sicherste und belebteste Teil der afghanischen Hauptstadt gilt. Kabul war in den Wochen vor diesem Anschlag relativ ruhig (al-Jazeera 31.5.2017).

Zunächst übernahm keine Gruppe Verantwortung für diesen Angriff; ein Talibansprecher verlautbarte nicht für diesen Vorfall verantwortlich zu sein (al-Jazeera 31.5.2017). Der afghanische Geheimdienst (NDS) macht das Haqqani-Netzwerk für diesen Vorfall verantwortlich (The Guardian 2.6.2017; vgl. auch: Fars News 7.6.2017); schlussendlich bekannte sich der Islamische Staat dazu (Fars News 7.6.2017).

Nach dem Anschlag im Diplomatenviertel in Kabul haben rund 1.000 Menschen, für mehr Sicherheit im Land und eine Verbesserung der Sicherheit in Kabul demonstriert (FAZ 2.6.2017). Bei dieser Demonstration kam es zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen den Demonstranten und den Sicherheitskräften (The Guardian 2.6.2017); dabei wurden mindestens sieben Menschen getötet und zahlreiche verletzt (FAZ 2.6.2017).

Auf der Trauerfeier für einen getöteten Demonstranten- den Sohn des stellvertretenden Senatspräsidenten - kam es am 3.6.2017 erneut zu einem Angriff, bei dem mindestens 20 Menschen getötet und 119 weitere verletzt worden waren. Polizeiberichten zufolge, waren während des Begräbnisses drei Bomben in schneller Folge explodiert (FAZ 3.6.2017; vgl. auch: The Guardian 3.6.2017); die Selbstmordattentäter waren als Trauergäste verkleidet (The Guardian 3.6.2017). Hochrangige Regierungsvertreter, unter anderem auch Regierungsgeschäftsführer Abdullah Abdullah, hatten an der Trauerfeier teilgenommen (FAZ 3.6.2017; vgl. auch: The Guardian 3.6.2017).

Regierungsfeindliche Gruppierungen:

Afghanistan ist mit einer anhaltenden Bedrohung durch mehr als 20 aufständische Gruppen bzw. terroristische Netzwerke, die in der AfPak-Region operieren, konfrontiert; zu diesen Gruppierungen zählen unter anderem die Taliban, das Haqqani Netzwerk, der Islamische Staat und al-Qaida (US DOD 6.2017).

Taliban

Die Fähigkeiten der Taliban und ihrer Operationen variieren regional signifikant; sie verwerten aber weiterhin ihre begrenzten Erfolge, indem sie diese auf sozialen Medien und durch Propagandakampagnen als strategische Siege bewerben (US DOD 6.2017).

Die Taliban haben ihre diesjährige Frühjahrsoffensive "Operation Mansouri" am 28. April 2017 eröffnet (UN GASC 20.6.2017; vgl. auch:

BBC 7.5.2017). In einer Stellungnahme verlautbarten sie folgende Ziele: um die Anzahl ziviler Opfer zu minimieren, wollen sie sich auf militärische und politische Ziele konzentrieren, indem ausländische Kräfte in Afghanistan, sowie ihre afghanischen Partner angegriffen werden sollen. Nichtdestotrotz gab es bezüglich der Zahl ziviler Opfer keine signifikante Verbesserung (UN GASC 20.6.2017).

Während des Berichtszeitraumes der Vereinten Nationen gelang es den Taliban den strategischen Distrikt Zaybak/Zebak in der Provinz Badakhshan zu erobern (UN GASC 20.6.2017; vgl. auch: Pajhwok 11.5.2017); die afghanischen Sicherheitskräfte konnten den Distrikt einige Wochen später zurückerobern (Pajhwok 11.5.2017). Kurzfristig wurden auch der Distrikt Sangin in Helmand, der Distrikt Qal'ah-e Zal in Kunduz und der Distrikt Baha' al-Din in Takhar von den Taliban eingenommen (UN GASC 20.6.2017).

Bei einer Friedens- und Sicherheitskonferenz in Kabul wurde unter anderem überlegt, wie die radikal-islamischen Taliban an den Verhandlungstisch geholt werden könnten (Tagesschau 6.6.2017).

Präsident Ghani verlautbarte mit den Taliban reden zu wollen:

sollten die Taliban dem Friedensprozess beiwohnen, so werde die afghanische Regierung ihnen erlauben ein Büro zu eröffnen; dies sei ihre letzte Chance (WP 6.6.2017).

Quellen:

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al-Jazeera (11.6.2017): US troops killed in 'insider attack' in Nangarhar,

http://www.aljazeera.com/news/2017/06/troops-killed-insider-attack-nangarhar-170610143131831.html, Zugriff 21.6.2017

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al-Jazeera (31.5.2017): Kabul bombing: Huge explosion rocks diplomatic district,

http://www.aljazeera.com/news/2017/05/huge-blast-rocks-kabul-diplomatic-area-170531040318591.html, Zugriff 20.6.2017

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BBC (10.6.2017): Afghanistan: US soldiers 'killed by commando' in Achin district, http://www.bbc.com/news/world-asia-40232491, Zugriff 21.6.2017

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BBC (31.5.2017): Kabul bomb: Diplomatic zone attack kills dozens, http://www.bbc.com/news/world-asia-40102903, Zugriff 20.6.2017

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Dawn (16.7.2017): IS captures Tora Bora, Bin Laden's former hideout, https://www.dawn.com/news/1339807, Zugriff 21.6.2017

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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