TE Bvwg Erkenntnis 2018/8/24 W105 2176316-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 24.08.2018
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Entscheidungsdatum

24.08.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52
FPG §55

Spruch

W105 2176316-1/13E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Harald Benda als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.10.2017, Zahl 1114456607-160661899/BMI-BFA_STM_AST_01, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 20.02.2018 zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 55, 57 AsylG 2005, § 9 BFA-VG, und §§ 52, 55 FPG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: "BF" genannt) stellte nach unrechtmäßiger Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 11.05.2016 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 2 Abs. 1 Z 13 des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005).

2. Am 11.05.2016 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung des BF statt, bei der er zu seinem Fluchtgrund befragt vorbrachte, sein Vater habe beim Militär gearbeitet und hätten die Taliban ihm gedroht er solle damit aufhören. Daraufhin hätten die Taliban seinen Vater verschleppt und wüsste er seit fünf Monaten nicht, wo er sich aufhalte und habe er selbst Afghanistan deshalb verlassen.

3. Am 06.10.2017 wurde der BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Außenstelle Salzburg (im Folgenden: "BFA" genannt), im Asylverfahren niederschriftlich einvernommen. Hiebei führte der Antragsteller auf Befragen nach seinem Gesundheitszustand an, dass er derzeit wegen einer bakteriellen Magenentzündung in Behandlung sei; sonst sei er aber gesund und nehme er keine Medikamente. Im Weiteren verwies der Antragsteller auf seinerseits getätigte Integrationsbemühungen in Form der Teilnahme an mehreren Deutschkursen. Er sei in der Stadt XXXX in Afghanistan geboren und Angehöriger der Volksgruppe der Pashtunen. Seine Familie lebe derzeit seit 2014 in Pakistan. In Afghanistan würden sich nur mehr wenige Familienangehörige aufhalten, darunter eine Schwester, deren Ehemann und Familie sowie eine Tante väterlicherseits. Er selbst habe die zehnte Klasse der Schule beendet.

Zu seinen Fluchtgründen befragt gab der BF zusammenfassend an, sein Vater habe als Chauffeur gearbeitet und sei er eingerückt und als Soldat in den Wohnbezirk überstellt worden. Eines Tages habe die Armee die Taliban in einem Dorf in der Nähe angreifen sollen und sei auch die Einheit des Vaters bei dem Angriff beteiligt gewesen, weshalb er eines Tages nach diesem großen Angriff Ziel eines Hinterhalts der Taliban geworden sei. Bei der Übernahme des Leichnams des Vaters in der Moschee habe der Prediger gesagt, dass der Vater keine gute Arbeit gemacht habe, da er an diesem Angriff mitgewirkt habe und viele Mujaheddin- Kämpfer umgekommen seien. Er selbst habe sich daraufhin beim Dorfvorsteher gemeldet und ihm dies geschildert und habe ihm dieser gesagt, dass man davon ausgehen müsse, dass auch sein Leben in Gefahr sei und habe er ihm empfohlen die Region zu verlassen und irgendwo anders zu leben. Der Dorfvorsteher habe ihm geraten sein Haus zu verkaufen und das Dorf zu verlassen. Auch ein bereits in Pakistan aufhältiger Bruder des Antragstellers habe ihm geraten das Haus zu verkaufen und gemeinsam mit der Familie nach Pakistan zu gehen. Im Weiteren führte der Antragsteller aus wie folgt:

"A: Mein Vater war mit anderen Soldaten in einer Kolonne einiger Militärfahrzeuge unterwegs, ein anderes Dorf anzugreifen, als der Konvoi plötzlich von hinten oder von der Seite angegriffen wurde.

F: Wo genau war das?

A: Das war im Bezirk XXXX .

F: Was war das für ein Dorf und warum wollten Sie das angreifen?

A: Ich weiß nicht, welches Dorf sie hätten angreifen sollen oder wohin sie unterwegs waren.

F: Wo haben Sie die letzte Nacht vor Ihrer Ausreise aus Afghanistan verbracht?

A: In unserem Haus. Dort hat uns der Schlepper abgeholt.

F: Was genau waren die Aufgaben Ihres Vaters?

A: Er war Soldat.

F: Was waren seine Aufgaben?

A: Er musste teilnehmen an Kampfhandlungen.

F: An welchen Kampfhandlungen?

A: Gegen Staatsgegner.

F: Wie viele Leute hatte Ihr Vater unter sich oder ober sich?

A: Er war unter anderen Befehlshabern. Er hatte keine Position.

F: Wie haben die Befehlshaber geheißen?

A: Keine Ahnung, das kann ich nicht sagen.

F: Wo genau war Ihr Vater stationiert?

A: Im Bezirk XXXX . Das war ca. 20-25 Minuten zu Fuß von unserem Dorf entfernt.

F: Wie war Ihr Vater ausgerüstet?

A: Ich kann das nicht sagen, ich weiß das nicht.

F: Hat er nie seine Waffen nach Hause mitgenommen?

A: Nein, er durfte das nicht.

F: Seit wann war Ihr Vater beim Militär?

A: Eineinhalb bis zwei Jahre ungefähr war er erst im Dienst.

F: Ist er nicht mehr mit den LKWs gefahren?

A: Nein, er wollte nur mehr als Soldat arbeiten.

F: Wie haben Sie vom Tod Ihres Vaters erfahren?

A: Leute in Zivilbekleidung kamen zu uns und haben uns mitgeteilt, dass der Vater in der Kaserne abzuholen sei.

F: Wo war die Kaserne?

A: In Sholana.

F: Was waren das für Leute, die gekommen sind?

A: Wir wussten das nicht, wer die waren, sie waren in Zivilkleidung.

F: Haben sich die Ihnen nicht vorgestellt?

A: Nein.

F: Wie viele Leute waren mit Ihrem Vater im Konvoi unterwegs?

A: Ich war nicht dabei, ich weiß das nicht.

F: Spricht man darüber nicht im Dorf?

A: Nein.

F: Kamen andere auch um?

A: Ja.

F: Wer war das?

A: Natürlich passiert es, dass Soldaten und Angreifer umkommen, ich kann das nicht sagen, ich war nicht dort.

F: Haben Sie mit den Leuten gesprochen, die gekommen sind und Ihnen das mit Ihrem Vater mitgeteilt haben?

A: Ja, auf Nachfrage gebe ich an, dass sie mich gefragt haben, ob ich der Sohn bin und haben mir gesagt, dass ein Angriff war und haben mir das Beileid ausgesprochen, einer von den Getöteten wäre mein Vater und wir könnten seinen Leichnam abholen.

F: Was genau ist Ihrem Vater passiert?

A: Er wurde sowohl mit Kugeln beschossen, es waren auch Splitter am Körper.

F: Wann genau war der Angriff auf die Mujaheddin, an dem Ihr Vater beteiligt war?

A: Es war irgendwann einmal nach dem Sommer. Datum weiß ich keines. Auf Nachfrage gebe ich an, dass mein Vater mit mir nie darüber gesprochen hat. Das durfte er nicht, es waren Dienstgeheimnisse.

F: Im Dorf sprach man auch nicht darüber?

A: Ja, es wird darüber gesprochen, dass es Angriffe gegen die Taliban gab, aber genau wird nicht darüber gesprochen.

F: Wen genau und wo hat Ihr Vater die Mujaheddin angegriffen?

A: Das kann ich nicht genau sagen. Es war in XXXX . Wie oft das war, kann ich nicht sagen, es gab immer Angriffe gegen die Taliban.

F: Was sollten diese Leute von Ihnen und Ihrer Familie wollen?

A: Die Talibananhänger, die bei den beiden Angriffen umgekommen sind, waren Bewohner unserer Region und kannten uns, daher wollten sie sich an uns rächen.

F: Kannten Sie diese?

A: Ja, auf Nachfrage gebe ich an, dass ich sie nicht namentlich kannte, sie wussten aber, wer ich bin.

F: Haben Sie diese schon jemals gesehen?

A: Nein. Persönlich nicht. Ich gehe davon aus, dass der Dorfvorsteher informiert war, dass sie uns irgendwann angreifen.

F: Haben Sie sich mit Ihrem Anliegen an die Polizei oder an das Militär gewandt, da dort ja so viele Stationen in Ihrer Nähe waren?

A: Das hätte nicht geholfen, hunderte Soldaten und Polizisten sterben täglich, das hätte keinen interessiert. Wir hatten Angst und trauten uns nichts zu tun. Wir haben sogar wegen dem Begrägnis Angst gehabt und waren froh, dass wir so heil davon kommen konnten.

F: Wo sind die Taliban hergekommen?

A: Die befinden sich in jedem Dorf.

F: Wie gibt es das dann, dass Sie diese nicht kennen?

A: Persönlich habe ich sie ja nicht gekannt, allerdings wusste ich, dass die immer in der Nacht in unser Dorf kamen. Sie haben Leute besucht und waren bei anderen im Dorf.

F: Wie sahen diese Leute aus, wenn sie zu Ihnen ins Dorf kamen?

A: Ganz normal angezogen, mit einem gerollten Schal am Kopf mit weiteren Hosen. Je nach Saison, warm oder nicht. Mit einem Riesentuch auf der Schulter.

F: Ist sonst noch etwas bis zu Ihrer Ausreise passiert?

A: Ich bin ja dort nicht lange geblieben. Passiert ist dort nichts mehr. Aber ich weiß, dass diese Leute mich gesucht haben. Der Dorfvorsteher hat es gesagt.

F: Woher weiß dieser es?

A: Er hatte Verbindungen zu anderen Dorfvorstehern, wo die Taliban waren und haben ihn über alles informiert.

F: Wie hieß Ihr Dorfvorsteher?

A: XXXX .

F: Haben Sie irgendwann einmal überlegt, mit Ihrer Familie an einen anderen Ort nach Afghanistan zu gehen?

A: Wir haben niemanden in Afghanistan gehabt. Wir wussten auch nicht, ob wir dort in Sicherheit sind. Mein älterer Bruder hat uns gesagt, wir sollen zu ihm oder zur Tante geben. Es gäbe dort genug zum Leben, er hätte eine Arbeit und Platz zum Leben.

V: Warum sind Sie dann dort nicht geblieben?

A: Ich hatte keine Papiere und mein Bruder ist auch viel früher nach Pakistan gegangen. Ohne Papiere hätte man mich nach Afghanistan zurück geschickt.

V: Hier hatten Sie auch niemanden, hier hatten Sie auch keine Papiere, noch dazu waren Sie in einem Land, in dem Sie die Sprache kannten. Hier kannten Sie diese nicht. Was sagen Sie dazu?

A: Aber hier gibt es Gesetze. Hätte ich Unterlagen gehabt, wäre ich dort geblieben. Sicherheit hätte ich nur zu Hause gehabt, man hätte mich festgenommen und nach Afghanistan zurück geschickt.

F: Würde Ihnen im Falle Ihrer Abschiebung in Ihre Heimat Afghanistan Verfolgung, unmenschliche Behandlung oder die Todesstrafe drohen?

A: Mit dem Staat habe ich keine Probleme. Nur dort, wo mein Leben in Gefahr war, könnte ich von den Terroristen getötet werden.

F: Es gibt in Afghanistan kein Meldewesen. Könnten Sie sich vorstellen oder können Sie sich vorstellen, in eine andere große Stadt zu gehen wie zB. Kabul, Mazar-e-Sharif, Herat? Könnten Sie dort bleiben? Hätten Sie dort bleiben können?

A: Ich habe niemanden dort, zu wem sollte ich gehen, ich habe kein Dach über dem Kopf, keine Wohnung, keine Arbeit und keine Familie.

F: Haben Sie sonst noch irgendwelche Fluchtgründe?

A: Nein. Das waren alle.

F: Hat sich sonst noch etwas ereignet. Möchten Sie noch irgendetwas anführen, was Ihnen wichtig erscheint?

A: Nein. Ich habe alles gesagt. Ich möchte noch meinen Dank zum Ausdruck bringen, dass ich hier gut aufgenommen und behandelt wurde. Ich werde auch gesundheitlich behandelt.

F: Zur Rückkehrentscheidung:

Wollen Sie Gründe geltend machen, die gegen eine Rückkehr aus dem österreichischen Bundesgebiet in Ihre Heimat Afghanistan sprechen? Haben Sie besondere Bindungen zu Österreich und / oder önnen Sie irgendwelche sonstigen Gründe namhaft machen, die für Ihre Integration in Österreich sprechen? (zB Tätigkeit in einem Verein, ehrenamtliche Tätigkeit etc.)

A: Ich habe einen Deutschkurs besucht. Ich bemühe mich, die Sprache zu lernen. Ich helfe, wenn ich gebraucht werde. Wir putzen die Stadt oder die Gemeinde, wo wir leben. Letztes Jahr haben wir zu Weihnachten in der Kirche geholfen, wir haben die Kirche geschmückt. Ich habe immer den Adventkranz zusammengebaut und an die Kirche gegeben. Wir putzen die Straßen und helfen bei der Mülltrennung in Leoben.

F: Sprechen Sie Deutsch? (Der AW wird auf Deutsch angesprochen.)

A: Ja.

F: Wie ist das Wetter heute? (Anm.: Der Asylwerber versteht erst nach dreimaliger Wiederholung.)

A: Es ist schön, die Sonne scheint. (Der AW spricht schon Deutsch. Die weitere Einvernahme wird wieder gedolmetscht.)

F: Wie lange waren Sie in Pakistan aufhältig?

A: Drei oder vier Monate ungefähr bin ich in Pakistan geblieben. Ich bin weiter nach Pakistan gegangen, da ich immer zu Hause gehockt bin und mich nicht aus dem Haus traute aus Angst, dass ich abgeschoben werde.

F: Können Sie im Falle der Rückkehr nach Afghanistan wieder an Ihrer Wohnadresse bzw. bei Verwandten in Afghanistan wohnen?

A: Nein. Aus den Gründen, die ich schon erklärt habe. Ich habe niemanden, bei dem ich leben könnte.

F: Wollen Sie noch etwas ausführen? Haben Sie alles vorgebracht? Gibt es noch etwas Wichtiges, das Sie sagen möchten?

A: Nein. Ich habe alles gesagt.

F: Haben Sie den Dolmetscher gut verstanden?

A: Ja, ich habe den Dolmetscher gut verstanden. Danke. (Anm.: Der AW sagt den Satz auf Deutsch.)

F: Wie stellen Sie sich Ihre Zukunft in Österreich vor?

A: Solange in Österreich das Gesetz eine Rolle steht, kann ich davon ausgehen, dass es mir gut geht, die Menschen sind hilfsbereit und freundlich. Ich treffe mich jeden Mittwoch mit Österreicherinnen im Caféhaus. Es sind alte Frauen, die sich ehrenamtlich als Deutschlehrerinnen gemeldet haben. Ich möchte die Sprache perfektionieren und eine Ausbildung machen. Ich könnte mir einen Job als Kellner, Koch, Bäcker oder Fleischhauer vorstellen.

F: Ihnen werden die aktuellen Länderfeststellungen zum Heimatland Afghanistan zur Kenntnis gebracht. Möchten Sie dazu eine Stellungnahme abgeben?

A: Ich habe so viele Informationen über Afghanistan, dass ich das nicht benötige. Der Krieg in Afghanistan wird nie aufhören. Es sind böse Menschen dort. Es gibt nur mehr Hass, keine Liebe und Zuneigung mehr.

F: Ich beende jetzt die Befragung. Hatten Sie Gelegenheit alles vorzubringen, was Ihnen wichtig erscheint oder wollen Sie noch etwas hinzufügen?

A: Nein. Ich habe alles gesagt. Ich hatte Gelegenheit, alles vorzubringen.

F: Haben Sie den Dolmetscher einwandfrei verstanden?

A: Ja. Sehr gut. Vielen Dank. Sie haben sehr schön mit mir gesprochen."

4. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Dem BF wurde gemäß §§ 57 und 55 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und weiters gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei. Weiters wurde innerhalb des Spruches ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des BF gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.

Die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz begründete das BFA im Wesentlichen damit, dass eine konkrete individuelle Verfolgung seiner Person in Afghanistan nicht habe festgestellt werden können.

5. Gegen den Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben und ihm Rahmen des Beschwerdeschriftsatzes im Wesentlichen ausgeführt, der Vater des Beschwerdeführers sei früher - bzw. die letzten Jahre vor seinem Tod - als Soldat beim afghanischen Militär tätig gewesen. Der Vater des Beschwerdeführers sei im Kampf gegen die Taliban zuletzt in Nangahar eingesetzt gewesen und habe dabei seine Einheit einen großen Angriff gegen die Taliban in der Nähe des Heimatdorfes durchgeführt. Einige Zeit nach diesem großen Angriff sei die Einheit des Vaters des Beschwerdeführers in einen Hinterhalt der Taliban geraten und der Vater getötet worden. Auf Grund der Äußerung des örtlichen Mullahs im Rahmen der Trauerfeierlichkeiten habe der Dorfvorsteher dem Antragsteller mitgeteilt, dass sein Leben und das seiner Familie in Gefahr sei und habe ihm empfohlen aus der Heimatregion wegzugehen, woraufhin der Antragsteller sodann sein Haus verkauft habe und nach Pakistan geflohen sei. Die Erstbehörde habe das Verfahren mit Mangelhaftigkeit dergestalt belastet, dass der Sachverhalt zur tatsächlichen Lage des Beschwerdeführers im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan sowie Berichte über Familienangehörige von Soldaten des afghanischen Militärs und zur Lage von Personen, welchen von radikal islamistischen Gruppierungen eine feindliche oppositionelle Gesinnung unterstellt werde, erhoben hätte müssen. Die Berichte seien über dies teilweise nicht mehr aktuell. In diesem Zusammenhang verwies der Antragsteller auf jüngst ergangene UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender, wobei den Antragsteller zumindest eines der Risikoprofile treffe; nämlich Personen, die tatsächlich oder vermeintlich mit der Regierung oder mit der internationalen Gemeinschaft, einschließlich der internationalen Streitkräfte, verbunden seien oder diese tatsächlich oder vermeintlich unterstützten. Im Weiteren nahm der Beschwerdeführer Bezug auf die Sicherheitslage in Afghanistan und insbesondere Kabul, wonach auch im Länderinformationsbericht der Staatendokumentation vom 02.03.2017 die Sicherheitslage als instabil dargestellt werde. Auch zeichne der aktuelle Bericht des UNO-Generalsekretariats vom 03.03.2017 ein äußerst prekäres Bild der Lage. Im Einzelnen wurde sodann darauf eingegangen, dass die Arbeitslosigkeit in Kabul hoch sei und die Versorgungslage prekär und sei hievon besonders Rückkehrer betroffen. Darüber hinaus sei gemäß vorliegender Expertise die Unterstützung zu freiwillig zurückgekehrten Personen beschränkt und ineffizient. Auf weitere technische und bürokratische Hemmnisse und Defizite wurde in diesem Zusammenhang verwiesen sowie insbesondere auf die stark vorherrschende Korruption. Rückkehrer seien besonders benachteiligt, weil sie in Kabul bzw. in Afghanistan keinerlei Kontakte mehr hätten, auf die sie zurückgreifen könnten. Die Voraussetzungen für ein menschenwürdiges Leben würden in Kabul fehlen. Hätte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die in der Beschwerde aufgelisteten aktuellen Berichte berücksichtigt, hätte es zum Schluss kommen müssen, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers in Einklang mit den aktuellen Länderberichten zu Afghanistan stehe und dem Antragsteller im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan asylrelevante Verfolgung drohe und das im gegenständlichen Fall keine innerstaatliche Fluchtalternative vorliege. Zu den ergänzenden Angaben des Antragstellers im Hinblick auf die Erstbefragung wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer im Rahmen der Erstbefragung nicht die Möglichkeit gehabt habe, genaue Angaben zu machen. So lebe der genannte Bruder schon länger in Pakistan. Der Beschwerdeführer habe drei bis vier Monate in Pakistan gelebt, ehe er nach Europa aufgebrochen sei.

Dem BF wurde das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Stand 20.02.2018 (zuletzt aktualisiert am 27.06.2017), sowie das Ländergutachten des allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen Mag. Karl Mahringer vom 05.03.2017 (Aktualisierung 15.05.2017) im Rahmen des Parteiengehörs mit Schreiben vom 14.08.2017 zur Kenntnis gebracht.

9. Das Bundesverwaltungsgericht führte in der gegenständlichen Rechtssache am 20.02.2018 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der der BF im Beisein seiner bevollmächtigten Vertretung persönlich teilnahm.

Das Beschwerderechtsgespräch gestaltete sich zentral wie folgt:

RI: Wo sind Sie geboren und aufgewachsen?

BF: Ich bin im Dorf Lagapur Kalay im Distrikt Chaprehar in der Provinz Nangarhar geboren und auch dort aufgewachsen.

RI: Lebt Ihre Familie heute noch dort?

BF: Nein, meine Familie lebt derzeit in Pakistan.

RI: Haben Sie Kontakt zur Familie in Pakistan?

BF: Ab und zu, einmal in der Woche oder einmal in zehn Tagen.

RI: Können Sie nun erklären, wie es dazu kommt, dass Ihre Familie in Pakistan ist und Sie hier?

BF: Nach dem geschilderten Vorfall ist es zu einem Vorfall im Dorf gekommen und wir sind gemeinsam nach Pakistan geflüchtet zu meinem Bruder, welcher sich bereits bei meiner Tante väterlicherseits aufgehalten hat, da er mit ihrer Tochter verheiratet hat. Ich und meine Familie haben über keine Aufenthaltsdokumente verfügt. Ich bin drei ca. Monate zuhause geblieben und habe das Haus nie verlassen, weil wenn ich in die Hände der Polizei gefallen wäre, sie mich nach Afghanistan abgeschoben hätten. Aus diesem Grund bin ich nach Europa geflüchtet.

RI: Aus welchem Grund mussten Sie gemeinsam mit Ihrer Familie Ihren Herkunftsort verlassen?

BF: Mein Vater war bei der afghanischen Nationalarmee ein Soldat. Nachdem die Taliban meinen Vater umgebracht haben, ist jemand zu uns nach Hause gekommen und hat mir gesagt, dass ich die Leiche meines Vaters abholen soll. Ein paar Dorfbewohner haben mich begleitet und wir haben die Leiche meines Vaters abgeholt und begraben. Nach diesem Ereignis ist der Dorfvorsteher zu mir gekommen und hat mir mitgeteilt, dass die Taliban genau wissen, wo sich das Haus meines Vaters befindet und dass mein Leben sowie das Leben meiner Familie in Gefahr ist. Nachdem mir der Dorfvorsteher diese Information gegeben hat, habe ich meinen Bruder in Pakistan via Telefon kontaktiert und ihm davon erzählt, dass der Dorfvorsteher mir empfohlen hat, dass ich gemeinsam mit meiner Familie unser Haus und das Dorf verlassen soll. Mein Bruder hat mir gesagt, dass ich gemeinsam mit der Familie nach Pakistan zu ihm kommen soll.

RI: Waren Sie während Ihres Aufenthaltes in Afghanistan konkreten Bedrohungen oder Bedrohungshandlungen ausgesetzt?

BF: Der Vorbeter von der Moschee, der Mullah, war nicht bereits, das sonst übliche Gebet für meinen Vater zu machen, was bedeutet, dass er als Ungläubiger eingestuft wurde. Der Mullah hat auch die Taliban unterstützt. Der Dorfvorsteher ist zu ihm gegangen und hat ihn gebeten, dass er bei diesem Gebet dabei sein soll. Er ist zwar zum Begräbnis gekommen, aber er hat mir gesagt, dass mein Vater nicht richtig gehandelt hat und er hat zu Unrecht Taliban umgebracht. Das war klar, dass ich im Dorf gefährdet war, weil selbst der Mullah von der Moschee die Taliban unterstützt hat.

RI: Sie haben die Frage nicht beantwortet, ob Sie konkreten Drohungen ausgesetzt waren oder meinen Sie das ist genug Bedrohung?

BF: Es ist klar, dass das für mich eine Bedrohung war. Ich habe innerhalb von einer Woche das Dorf verlassen müssen.

RI: Sind Sie der Älteste von den Geschwistern gewesen, die noch in Afghanistan waren?

BF: Von den Brüdern, die sich in Afghanistan aufgehalten haben, war ich der Älteste, aber mein ältester Bruder ist in Pakistan. Die zweitälteste ist meine Schwester, aber ich war das dritte Kind. Ich war der zweitälteste Sohn.

RI: Haben Sie anderswo in Afghanistan verwandtschaftliche Bindung?

BF: Ich habe eine Schwester im Distrikt XXXX , die dort verheiratet ist und ihr eigenes Leben lebt. XXXX ist auch in der Provinz XXXX . Darüber hinaus habe ich eine Tante väterlicherseits, die in der Provinz Laghman geheiratet hat und dort lebt.

RI: Welche berufliche Tätigkeit haben Sie zuletzt in Afghanistan ausgeübt?

BF: Ich bin in die Schule gegangen und wenn ich nicht in die Schule gegangen bin, dann habe ich anderen Leuten auf dem Feld bei der Bewässerung oder bei der Ernte von Früchten geholfen.

RI: Wie haben Sie vom Tod des Vaters genau erfahren?

BF: Ich war zuhause. Es war so gegen Dämmerung am Abend, ich war zuhause. Es sind zwei Personen, traditionell angezogen, gekommen und haben an unsere Haustür geklopft. Diese zwei Personen waren Kollegen von meinem Vater. Sie haben mir mitgeteilt, dass es zu etwas

Schlimmen gekommen ist: Die Taliban haben unseren Konvoy attackiert. Dadurch sind viele andere Soldaten von uns, darunter auch dein Vater getötet worden".

RI: Wo war der Leichnam zu dieser Zeit.

BF: Der Leichnam meines Vaters war am Militärposten.

RI: Von dort haben Sie ihn auch abgeholt.

BF: Ja.

RI: Was konkret befürchten Sie für die theoretische Rückkehr nach Afghanistan?

BF: Mein Leben ist in Gefahr. Wenn ich nach Afghanistan zurückkehren würde, sind in allen Dörfern die Taliban. Ich habe dort keinen Platz und keine Chance zurückzukehren. Es ist nicht nur mein Leben in Gefahr, sondern auch das Leben meines Bruders. Ich mache mir große Sorgen, nachdem Pakistan jetzt die Flüchtlinge nach Afghanistan abschiebt. Es ist auch meine Familie in Gefahr. Es ist mir klar, dass die Taliban auch zum großen Teil Paschtunen sind und dass sie sich auch an mir rächen werden.

RI: Ich beziehe mich des Weiteren auf weitere Aspekte. Können Sie kurz über Ihren beruflichen Einstieg bzw. Ihre Ausbildung berichten?

BF: Ich wohne in XXXX . Ich habe die deutsche Sprache bis A2 gelernt und auch die Prüfung abgelegt. Ich kann gut sprechen und auch verstehen. Ich habe als Restaurantfachmann eine Ausbildung absolviert. Seit eineinhalb Monaten arbeite ich. Ich habe meinen Dienstvertrag, Meldezettel und Lohnzettel Ihnen auch bereits vorgelegt. Ich arbeite acht Stunden pro Tag und fünf Mal in der Woche.

RI: Macht Ihnen das Spaß und ist das gut?

BF: Ja. Ich hatte diesen Beruf sehr gern gehabt und es macht mir auch Spaß, dass ich jetzt arbeite. Alle Kolleginnen und Kollegen sind zu mir sehr freundlich. Wir sind so wie eine Familie dort.

RI: Wie steht es um Ihre Gesundheit? Sind Sie gesund?

BF: Ich habe Gastritis. Diesbezüglich habe ich auch Befunde bei meiner Erstbefragung vorgelegt. Wenn ich Medikamente nehme, dann geht es mir gut. Wenn ich aber viele Sorgen habe, auch seitens der Familie, dann helfen mir auch Medikamente wenig.

RI: Haben Sie verwandtschaftliche Bindungen in Österreich?

BF: Nein, ich habe nur Freunde, die ich hier kennengelernt habe.

RI: Haben Sie eine Freundin oder eine Lebensgefährtin?

BF: Nein.

RI: Ich verweise Sie einerseits auf die bereits verwendete Länderdokumentationsunterlage und führe ich weiters das nunmehr vorliegende sogenannte Gutachten Mahringer ins Verfahren ein (ein Exemplar wird der Vertreterin übergeben).

Ich biete Ihnen im Weiteren Gelegenheit, binnen einer Frist zweier Wochen eine Protokollrüge zu erstatten bzw. auch zu diesen Ländererkenntnissen bzw. Informationen schriftlich Stellung zu nehmen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1 Zur Person des BF:

Der am XXXX geborene Antragsteller ist Staatsangehöriger der islamischen Republik Afghanistan, pashtunischer Volksgruppen Zugehörigkeit. Der Antragsteller verfügt über 11 Jahre Grundschulbildung.

Der Antragssteller hat mehrere Integrationsbemühungen im Form der Teilnahme an Kursen zum Spracherwerb unternommen sowie wurde ein aufrechtes Lehrverhältnis zum Beruf des Restaurantfachmannes nachgewiesen. Weiters wird relevant festgestellt, dass der Vater des Beschwerdeführers zum vormaligen Zeitpunkt für die afghanischen Militärbehörden tätig und seine Einheit bei einem Angriff auf die Taliban beteiligt war. Der Vater ist in einem Hinterhalt der Taliban getötet worden. Der örtliche Prediger der Moschee hat die Tätigkeit des Vaters des Beschwerdeführers ausdrücklich nicht gutgeheißen. Der Dorfvorsteher hat sohin dem Antragsteller geraten, das Dorf zu verlassen. Der Antragseller wurde während seines Aufenthaltes in Afghanistan zu keinem Zeitpunkt bedroht oder in anderer Weise persönlich behelligt.

Es ist grundsätzlich möglich, dass die Familie des Beschwerdeführers aus Pakistan oder Afghanistan den Beschwerdeführer in Afghanistan finanziell durch Geldüberweisungen oder in anderer Art unterstützt.

Der Antragsteller ist gesund bzw. leidet er unter keinerlei intensiven Krankheitszuständen. Der Antragsteller ist arbeitsfähig.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF seinen Herkunftsstaat aus wohlbegründeter Furcht vor Privatpersonen oder einer anderen konkreten individuellen Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verlassen hat oder nach einer allfälligen Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit asylrelevante Übergriffe zu befürchten hätte.

Es kann weiters nicht festgestellt werden, dass der BF bei einer allfälligen Rückkehr nach Kabul, Herat und Mazar-e Sharif mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit in eine existenzbedrohende Notlage geraten würde.

1.2. Feststellungen zum Herkunftsstaat:

1.2.1. Auszug Gutachten von Mag. Karl MAHRINGER vom 05.03.2017:

II. Wie stellen sich die Verdienstmöglichkeiten für Rückkehrer ohne soziale/familiäre Anknüpfungspunkte in diesen Städte, differenziert anhand folgender Kriterien, dar?

a) erwerbsfähige Rückkehrer ohne relevante Schul- und/ oder Berufsausbildung

b) erwerbsfähige Rückkehrer mit grundlegender Schul- und/ oder Berufsausbildung

c) erwerbsfähige Rückkehrer mit fundierter Schul- und/ oder Berufsausbildung

Die afghanische Verfassung sieht ein Grundrecht auf kostenfreie Ausbildung inklusive Internate und Verpflegung vor (Grundschule) bis zum BA vor, aber es gibt keine Berufsschule; es gibt jedoch Berufsgymnasien vergleichbar unseren berufsbildenden Höheren Schulen. Es ist aber davon auszugehen, dass dieser Verfassungsgrundsatz zurzeit nur in den Städten wirksam ist. In allen Gesprächen konnte kein Unterschied hinsichtlich der Schul- und oder Berufsausbildung in Fragen der Arbeitsmarktchancen festgestellt werden, unabhängig ob Schul- und oder Berufsausbildung, es hängt vom Einsatz des Arbeitssuchenden oder seiner Kontakte ab ob er Arbeit findet.

In vielen Handwerksberufen herrscht noch eine zunftähnliche Struktur vor. In allen Bereichen fehlt es an qualifizietren Bewerbern. Die berufliche Ausbildung in Handwerksbetrieben erfolgt in diesen Zünften.

Afghanistan hat auch ein Gesetz für einen Mindestlohn. Dieser beträgt zurzeit Afghani 5000 (entspricht am 2/20/2017 ca. 75$) monatlich und gilt nur für Arbeiter im öffentlichen Sektor, der private Sektor hat keinen Mindestlohn, wobei aber im Arbeitsrecht vorgesehen, ist das der Lohn für Arbeiter im privaten Sektor nicht kleiner sein soll als für Arbeiter im öffentlichen Sektor.

Viele Organisationen bieten bereits Arbeitsplätze über das Internet an. Fast alle Arbeitsplätze, der internationalen Gemeinschaft, für Afghanen werden öffentlich übers Internet angeboten.

Die Unterscheidung der Verdienstmöglichkeiten erfolgt in der Regel nicht über die berufliche oder schulische Ausbildung sondern über die Arbeitgeber. In den Städten Kabul (besonders bemerkbar), Herat und Mazar-e Sharif gibt es einen Drang der Arbeitssuchenden zu den internationalen Organisationen, internationalen Firmen und ausländischen NGO¿s da diese sehr oft ein Mehrfaches des vergleichbaren Lohnes im afghanischen, privaten Sektor bezahlen (Anzahl der NGO¿s Anlage 5).

d) Fragestellung a) bis c), wenn bereits Arbeitserfahrung (in oder außerhalb Afghanistans) gesammelt wurde (etwa: Landwirtschaft, handwerkliche Tätigkeit, Fabrikarbeit, Verkaufstätigkeit, Gelegenheitsarbeit)?

Arbeitserfahrungen sind auch in Afghanistan ein Vorteil bei der Arbeitssuche wobei, viele Unternehmen die Erfahrung machen, das Rückkehrer zu hohe Erwartungen hinsichtlich des Einkommens und ihrer Kenntnisse haben. Mehrere Gesprächspartner aus der Wirtschaft berichteten von Erfahrungen mit Rückkehrern. Deren Erfahrung ist, dass Rückkehrer ihre Unterstützung im Ausland ohne Arbeit, vergleichen mit den afghanischen Lohn und damit argumentieren warum sie für einen so geringen Lohn (afghanischer Standard) arbeiten sollten, wenn sie im Ausland ein mehrfaches ohne Arbeit bekommen.

e) Besteht die Möglichkeit der Verrichtung allenfalls minderqualifizierter Tätigkeit auch für jene Rückkehrer, die über keine hinreichende Schul- und/oder Berufsausbildung oder Arbeitserfahrung verfügen?

Es gibt auch die Möglichkeit für Rückkehrer ohne Ausbildung, die staatlichen Behörden stellen viele Mitarbeiter mit geringer oder keiner Qualifikation zum Mindestlohn an. Des Weiteren gibt es eine Vielzahl von Arbeitsmöglichkeiten im privaten Sektor. Arbeitsmöglichkeiten für minderqualifizierte Rückkehrer bedarf besonderer Anstrengungen der Arbeitsuchenden.

[...]

b) ist die Sicherung existenzieller Bedürfnisse durch eigene Erwerbstätigkeit (differenziert nach den Gruppen II.a) bis c)) realistisch?

Bei entsprechenden Anstrengungen des Rückkehrers ist dies ohne Einschränkungen möglich. Die Arbeitssuche ist in den Städten einfacher als auf dem Land. Eine Unterstützung öffentlicher Institutionen (Vergleichbar mit dem AMS in Österreich) gibt es nicht. Eine Differenzierung nach Gruppen ist nicht notwendig und für alle Gruppen sind Möglichkeiten der Existenzsicherung gegeben.

[...]

d) Erscheint es realistisch, auch von Verwandten Unterstützung zu bekommen, zu denen seit langem oder bisher noch gar kein Kontakt bestand?

Grundsätzlich möglich, allerdings im Bereich der Sachleistungen wie Unterkunft, Essen und nur für eine beschränkten Zeitraum. Festgestellt konnte in diesen Zusammenhang in Gesprächen werden, das der Kontakt zwischen Familienmitgliedern und Verwanden nie abreißt. Mit großer Überzeugung konnten in Afghanistan verbleibente Familien immer erklären wo deren Verwandte und Familienmitglieder in Ausland gerade sind, welchen Status im Asylverfahren diese gerade haben etc. Viele Afghanen sind mit ihren sich im Ausland aufhaltenden Familienmitgliedern und Verwandten im permanenten Kontakt.

VI. a) Inwiefern unterscheidet sich die Lebenssituation aus dem Ausland zurückkehrender Afghanen von der in Kabul ansässigen Bevölkerung?

Es kann kein Unterschied der Lebensumstände festgestellt werden. In Gesprächen mit freiwilligen, allein reisenden, männlichen Rückkehrern konnte allerdings entnommen werden, dass je länger die Abwesenheit von Afghanistan dauerte, desto schwieriger war die Rückintegration. Die Gesprächspartner erwähnten wiederholt wie schwierig es war nach der Rückkehr nach Afghanistan sich an die unterschiedlichen Standards der Infrastruktur zu gewöhnen. Rückkehrer in Herat und Mazar e Sharif sahen ihre Rückkehr einfacher als in Kabul. Alle Gesprächspartner bemängelten das Fehlen von Informationen über Ansprechpartner in den Zielstädten. Für alle war die Einreise am Flughafen problemlos.

b) Verunmöglicht die Unkenntnis der örtlichen/infrastrukturellen Gegebenheiten (etwa Rückkehrer, die sich noch nie zuvor in afghanischen Großstädten aufgehalten haben; lange Abwesenheit aus Afghanistan) eine Existenzsicherung?

Auch wenn die Rückkehrer noch nie zuvor in einer afghanischen Großstadt länger gelebt hatten ergab sich aus der Rückkehr in eine afghanische Großstadt kein Problem. Die Tatsache noch nie in einer afghanischen Großstadt gelebt zu haben hatte keinen Einfluss auf die Existenzsicherung.

Aus den Gesprächen mit Rückkehrer konnte festgestellt werden, dass die Arbeitssuche in der Großstadt einfacher war als in ländlichen Gebieten, die soziale Integration in den ländlichen Gebieten einfacher war. Die Aneignung von Kenntnissen der örtlichen Gegebenheiten und der vorhandenen Infrastruktur erfolgte innerhalb kürzester Zeit. Für die Rückkehrer war die Ankunft in einer afghanischen Großstadt, auch wenn diese ursprünglich aus ländlichen Gebieten kamen, keine besondere Erschwernis. In diesem Zusammenhang sei auf die afghanische Binnenmigration verwiesen. Binnenmigration, ländliche Gebiete nach nächster größerer Stadt gefolgt von Distriktstadt und über Provinzhauptstadt nach Kabul.

VII. Gibt es Anhaltspunkte dafür, dass die Rückkehrsituation je nach Zugehörigkeit zu bestimmten Volksgruppen (Paschtunen/ Hazara/Tadschiken/Usbeken/Aimaken/ Turkmenen/Belutschen) variiert bzw. die Existenzsicherung für Angehörige einer bestimmten Volksgruppe ungleich schwieriger ist?

Übereinstimmend haben die Gesprächspartner diese Frage verneint. Obwohl sich die die verbindliche Akzeptanz des Paschtu Wali in der Auflösung befindet und nur noch in den ländlichen Gebieten seine volle Wirkung entfaltet kann, wirkt der Familienzusammenhalt bei den Pashtunen noch immer. Bei den Hazara kann man ein verstärktes "Wir" Gefühl feststellen. Obwohl sich die Hazara als Einheit sehen und der Unterschied zwischen Zwölfer und Siebener Schia in Afghanistan nicht wahrnehmbar ist, so muss festgestellt werden, das die Siebener Schia - Ismailiten des Agha Khan, auf allen Eben bestens organisiert und vernetzt sind. Es ist allgemeines Verständnis, sich zuerst innerhalb der eigenen Ethnie zu helfen.

Gemäß der afghanischen Verfassung sind alle Afghanen gleich und die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Ethnie ist kein Grund zur Benachteiligung. In der Praxis allerdings ist der Zusammenhalt zuerst zwischen den Ethnien gegeben. Am Beispiel der Ministerien soll dies veranschaulicht werden. Der Minister des MoRR ist Hazara, folglich sind die meisten Mitarbeiter im MoRR Hazara. Dies ist aber nicht gleichbedeutend dass, das Ministerium nicht nur Hazara Rückkehrer betreuen würde. Pashtunische Minister haben hauptsächlich pashthunische Mitarbeiter etc. (Ein System vergleichbar mit dem ehemaligen Proporzsystem der verstaatlichen Industrie in Österreich).Die afghanischen Gesprächspartner sahen dies nicht als generelle Benachteiligung.

[...]

Gutachten

[...]

II. Wie stellen sich die Verdienstmöglichkeiten für Rückkehrer ohne soziale/familiäre Anknüpfungspunkte in diesen Städte, differenziert anhand folgender Kriterien, dar?

a) erwerbsfähige Rückkehrer ohne relevante Schul- und/ oder Berufsausbildung

b) erwerbsfähige Rückkehrer mit grundlegender Schul- und/ oder Berufsausbildung

c) erwerbsfähige Rückkehrer mit fundierter Schul- und/ oder Berufsausbildung

Eine differenzierte Beantwortung von a) bis c) ist nicht möglich und hat keine Auswirkung auf die Möglichkeiten. Die Verdienstmöglichkeiten für männliche Rückkehrer ohne soziale/familiäre Anknüpfungspunkte sind ohne Einschränkung in den Punkten a) bis c) gegeben.

1.2.2. Auszug Staatendokumentation (Stand 02.03.2017):

Kabul

Die Provinzhauptstadt von Kabul und gleichzeitig Hauptstadt von Afghanistan ist Kabul Stadt. Die Provinz Kabul grenzt im Nordwesten an die Provinz Parwan, im Nordosten an Kapisa, im Osten an Laghman, Nangarhar im Südosten, Logar im Süden und (Maidan) Wardak im Südwesten. Kabul ist mit den Provinzen Kandahar, Herat und Mazar durch die sogenannte Ringstraße und mit Peshawar in Pakistan durch die Kabul-Torkham Autobahn verbunden. Die Stadt hat 22 Stadtgemeinden und 14 administrative Einheiten (Pajhwok o.D.z). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 4.523.718 geschätzt (CSO 2016)

Im Zeitraum 1.9.2015 - 31.5.2016 wurden im Distrikt Kabul 151 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 11.2016).

Im Zeitraum 1.9.2015. - 31.5.2016 wurden in der gesamten Provinz Kabul 161 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 11.2016).

Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Transitrouten, Provinzhauptstädte und fast alle Distriktzentren (USDOD 12.2015). Aufständischengruppen planen oft Angriffe auf Gebäude und Individuen mit afghanischem und amerikanischem Hintergrund: afghanische und US-amerikanische Regierungseinrichtungen, ausländische Vertretungen, militärische Einrichtungen, gewerbliche Einrichtungen, Büros von Nichtregierungsorganisation, Restaurants, Hotels und Gästehäuser, Flughäfen und Bildungszentren (Khaama Press 13.1.2017). Nach einem Zeitraum länger andauernder relativer Ruhe in der Hauptstadt, explodierte im Jänner 2017 in der Nähe des afghanischen Parlaments eine Bombe; bei diesem Angriff starben mehr als 30 Menschen (DW 10.1.2017). Die Taliban bekannten sich zu diesem Vorfall und gaben an, hochrangige Beamte des Geheimdienstes wären ihr Ziel gewesen (BBC News 10.1.2017).

In der Provinz Kabul finden regelmäßig militärische Operationen statt (Afghanistan Times 8.2.2017; Khaama Press 10.1.2017; Tolonews 4.1.2017a; Bakhtar News 29.6.2016). Taliban Kommandanten der Provinz Kabul wurden getötet (Afghan Spirit 18.7.2016). Zusammenstößen zwischen Taliban und Sicherheitskräften finden statt (Tolonews 4.1.2017a).

Regierungsfeindliche Aufständische greifen regelmäßig religiöse Orte, wie z.B. Moscheen, an. In den letzten Monaten haben eine Anzahl von Angriffen, gezielt gegen schiitische Muslime, in Hauptstädten, wie Kabul und Herat stattgefunden (Khaama Press 2.1.2017; vgl. auch: UNAMA 6.2.2017).

[...]

Herat

Herat ist eine der größten Provinzen Afghanistans und liegt im Westen des Landes. Herat grenzt im Norden an die Provinz Badghis und Turkmenistan, im Süden an die Provinz Farah, im Osten an die Provinz Ghor und im Westen an den Iran. Die Provinz ist in folgende Bezirke eingeteilt, die gleichzeitig auch die administrativen Einheiten bilden: Shindand, Engeel, Ghorian, Guzra und Pashtoon Zarghoon, werden als Bezirke der ersten Stufe angesehen. Awba, Kurkh, Kushk, Gulran, Kuhsan, Zinda Jan und Adraskan als Bezirker zweiter Stufe und Kushk-i-Kuhna, Farsi, und Chisht-i-Sharif als Bezirke dritter Stufe (o.D.q). Provinzhauptstadt ist Herat City, mit etwa 477.452 Einwohner/innen (UN OCHA 26.8.2015; vgl. auch: Pajhwok 30.11.2016). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.928.327 geschätzt (CSO 2016).

Herat ist eine vergleichsweise entwickelte Provinz im Westen des Landes. Sie ist auch ein Hauptkorridor menschlichen Schmuggels in den Iran - speziell was Kinder betrifft (Pajhwok 21.1.2017).

Im Zeitraum 1.9.2015 - 31.5.2016 wurden in der Provinz Herat 496 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 11.2016).

Herat wird als einer der relativ friedlichen Provinzen gewertet, dennoch sind Aufständische in abgelegenen Distrikten der Provinz aktiv (Khaama Press 2.1.2017; vgl. auch: RFE/RL 6.10.2016; Press TV 30.7.2016; IWPR 14.6.2014). Regierungsfeindliche Aufständische greifen regelmäßig heilige Orte wie Moscheen an. In den letzten Monaten haben eine Anzahl von Angriffen, gezielt gegen schiitische Muslime, in Hauptstädten, wie Kabul und Herat stattgefunden (Khaama Press 2.1.2017).

In der Provinz werden militärische Operationen durchgeführt um manche Gegenden von Aufständischen zu befreien (Khaama Press 18.1.2017; Khaama Press 15.1.2017). Zusammenstöße zwischen Sicherheitskräften und Aufständischen finden statt (AAN 11.1.2017).

Das afghanische Institut für strategische Studien (AISS) hat die alljährliche Konferenz "Herat Sicherheitsdialog" (Herat Security Dialogue - HSD) zum fünften Mal in Herat abgehalten. Die zweitägige Konferenz wurde von hochrangigen Regierungsbeamten, Botschafter/innen, Wissenschaftlern, Geschäftsleuten und Repräsentanten verschiedener internationaler Organisationen, sowie Mitgliedern der Presse und der Zivilgesellschaft besucht (ASIS 17.10.2016).

[...]

Daikundi/ Dai Kundi/ Daykundi

Die Provinz Daikundi ist seit dem Jahr 2014 autonom (UNDP 5.2.2017); davor war sie ein Distrikt der Provinz Uruzgan (Pajhwok. O.D.ac).

Daikundi ist mehr als 400 km von Kabul entfernt, liegt in Zentralafghanistan und grenzt an die Provinzen Ghor, Ghazni, Uruzgan und Helmand (Tolonews 15.11.2016). Administrative Einheiten sind:

die Provinzhauptstadt Nieli, Ashtarly, Khijran, Khedir, Kitti, Miramor, Sang Takh Shahristan und Gizab (Pajhwok o.D.ac). Die Provinz Daikundi ist die zweitgrößte Region, in der Hazara leben; in der Provinz sind dies 86% der Bevölkerung (UNDP 5.2.2017; vgl. auch:

Die Zeit 5.1.2015). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf

468.178 geschätzt (CSO 2016).

Daikundi ist eine gebirgige Provinz mit schwacher Infrastruktur ohne asphaltierte Straßen (Pajhwok 25.3.2015; vgl. auch: Tolonews 15.11.2016). Die abgelegene Provinz Daikundi in Afghanistan, hat derzeit die einzige amtierende Gouverneurin des Landes (France Soir 1.8.2016).

Gewalt gegen Einzelpersonen

7

Bewaffnete Konfrontationen und Luftangriffe

26

Selbstmordattentate, IED-Explosionen und andere Explosionen

8

Wirksame Einsätze von Sicherheitskräften

6

Vorfälle ohne Bezug auf den Konflikt

1

Andere Vorfälle

0

Insgesamt

48

Im Zeitraum 1.9.2015 - 31.5.2015 wurden in der Provinz Daikundi 48 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 11.2016).

Daikundi ist als relativ friedliche Provinz anzusehen, einzig der Distrikt Kijran gilt als relativ unsicher. Dennoch gilt die Provinz für Anrainer/innen als unterentwickelt - viele Gegenden haben wenig oder gar keinen Zugang zu Elektrizität; Gesundheitsleistungen und anderen elementaren Leistungen (Tolonews 15.11.2016; vgl. auch:

Xinhua 1.10.2016).

Nur in einer Handvoll der 34 Provinzen Afghanistans (wie Balkh, Bamyan, Ghor, Daikundi, Jawzjan und Samangan) stellen die Taliban keine große Bedrohung dar. Die fehlende Mehrheit der Paschtunen erklärt die relative Stabilität dieser Provinzen (Lobe Log Foreign Policy 14.9.2016).

Quellen:

-

CSO - Central Statistics Organization (CSO) Afghanistan (2016):

Afghanistan - Estimated Population 2016/2017, https://data.humdata.org/dataset/estimated-population-of-afghanistan-2016-2017, Zugriff 22.2.2017

-

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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