Entscheidungsdatum
17.09.2018Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
(1.) L524 2198101-1/8E
(2.) L524 2198102-1/8E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Veronika SANGLHUBER, LL.B. über die Beschwerde von (1.) XXXX, geb. XXXX, StA. Irak, vertreten durch ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, Wattgasse 48, 1170 Wien, und (2.) XXXX, geb. XXXX, StA. Irak, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom (1.) 08.05.2018, Zl. 1153622510-170618834 und (2.) 08.05.2018, Zl. 1153622608-170618893, zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerden werden gemäß § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 57, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG, § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 FPG als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Die Erstbeschwerdeführerin ist die Mutter der Zweitbeschwerdeführerin. Die Erstbeschwerdeführerin reiste mit ihrer zum damaligen Zeitpunkt minderjährigen Tochter, der Zweitbeschwerdeführerin, illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellten die Beschwerdeführerinnen am 22.05.2017 jeweils einen Antrag auf internationalen Schutz.
Bei der am 23.05.2017 erfolgten Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes brachte die Erstbeschwerdeführerin vor, dass sie Araberin, sunnitische Muslima und verheiratet sei. Sie stamme aus Mossul und verfüge weder über eine Schul- noch Berufsausbildung. Ihre Eltern seien bereits verstorben. Ihr Ehegatte und ein Sohn befänden sich in der Türkei, vier Töchter würden im Irak leben und zwei Söhne seien in Wien wohnhaft. Sie habe ihr Land illegal verlassen und sei über die Türkei und Griechenland schlepperunterstützt nach Österreich gereist.
Hinsichtlich ihres Fluchtgrundes gab sie an (Schreibfehler im Original): "Im Irak gibt es keine ordentliche Versorgung. Die Lage dort ist ganz schlecht und man hat überhaupt keine Zukunft. Ich habe hiermit alle meine Gründe und die dazugehörenden Ereignisse angegeben, warum ich nach Österreich gereist bin. Ich habe keine weiteren Gründe einer Asylantragstellung."
Bei einer Rückkehr habe sie Existenzsorgen.
Die Zweitbeschwerdeführerin legte bei der am 23.05.2017 erfolgten Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes dar, dass sie Araberin, sunnitische Muslima und ledig sei. Sie stamme aus Mossul und habe dort acht Jahre die Grundschule besucht. Ihr Vater und ein Bruder befänden sich in der Türkei, vier Schwestern würden im Irak leben und zwei Brüder seien in Wien wohnhaft. Sie habe ihr Land illegal verlassen und sei über die Türkei und Griechenland schlepperunterstützt nach Österreich gereist.
Hinsichtlich ihres Fluchtgrundes gab sie an (Schreibfehler im Original): "Im Irak gibt es keine ordentliche Versorgung. Die Lage dort ist ganz schlecht und man hat überhaupt keine Zukunft. Ich habe auch als Mädchen in meinem Land Angst. Ich habe hiermit alle meine Gründe und die dazugehörenden Ereignisse angegeben, warum ich nach Österreich gereist bin. Ich habe keine weiteren Gründe einer Asylantragstellung."
Bei einer Rückkehr habe sie Existenzsorgen.
2. Im Rahmen einer für die Beschwerdeführerinnen gemeinsam verfassten Stellungnahme vom 27.04.2018 wird erneut auf die Ausreise wegen der Bürgerkriegssituation hingewiesen. Zudem handle es sich bei den Beschwerdeführerinnen um sunnitische Araberinnen aus Mossul, die überall im Irak ethnischer Verfolgung durch schiitische Milizen ausgesetzt seien. Ferner wird auf die Situation von Frauen im Irak verwiesen.
3.1. Bei der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) am 03.05.2018 brachte die Erstbeschwerdeführerin im Wesentlichen vor, sie sei Araberin, sunnitische Muslima und verheiratet. Sie stamme aus Mossul und habe eine Tochter sowie drei Söhne. Zwei Söhne befänden sich in Österreich und ein Sohn sei in der Türkei bei ihrem Ehegatten aufhältig. Ihr Ehegatte habe ein Taxi besessen und als Fahrer gearbeitet. Sie sei Analphabetin. Im Irak sei noch ein Bruder in Mossul wohnhaft.
Zu ihrem Fluchtgrund gab die Erstbeschwerdeführerin Folgendes an (Schreibfehler im Original):
"LA: Sie haben nunmehr die Möglichkeit, Ihre Beweggründe für das Verlassen Ihrer Heimat ausführlich darzulegen. Bitte schildern Sie möglichst lebensnahe, also konkret und mit sämtlichen Details, sodass auch unbeteiligte Personen Ihre Darstellung nachvollziehen können, aus welchem Grund Sie Ihr Heimatland verließen.
VP: Wir haben den Irak verlassen, weil es im Irak weder Sicherheit noch irgendwelche staatlichen Leistungen gegeben hat. Es gibt dort, wenn man krank ist, keine Behandlungsmöglichkeit. Ich leide z.B. an zu hohem Blutdruck, aber ich bekomme im Irak dagegen keine Tabletten. Man bekommt nicht einmal Tabletten gegen Kopfschmerzen. Der Irak ist so unsicher geworden. Ich habe Angst um meine Tochter gehabt.
LA: Weswegen haben Sie Angst um Ihre Tochter gehabt?
VP. Meine Tochter ist jung. Sie kann nicht einmal das Haus verlassen. Diese Generation, wie meine Tochter, will etwas lernen und nicht nur zu Hause herumsitzen.
LA: Weshalb konnte Ihre Tochter das Haus nicht verlassen?
VP: Die Mitglieder der IS haben die Frauen schikaniert und unterdrückt. Sie haben verlangt, dass man das Gesicht verdeckt und dass die Frauen lange Gewänder tragen. Sie haben verlangt, dass die Frauen Handschuhe tragen. Jedoch wollte dies meine Tochter nicht. Sie möchte sich altersgerecht kleiden. Sie ist jung.
LA: In wie weit war Ihre Tochter von Seiten des IS Unterdrückungen oder Schikanen ausgeliefert?
VP: Der IS hat sogar von kleinen Mädchen diese Kleidungsvorschrift verlangt. Es galt auch für meine Tochter.
LA: Was möchten Sie sonst noch zu den Fluchtgründen hinzufügen?
VP: Ich möchte noch anführen, dass ich kein Haus mehr hatte und daher kein Dach mehr über den Kopf hatte. Meine Söhne haben sich nur um ihre eigenen Familien gekümmert und wir wurden von ihnen nicht unterstützt.
LA: Wann ist Ihr Haus durch Bombardierungen zerstört worden?
VP: Seit der dortigen Befreiung von dem IS haben viele Menschen die Häuser verlassen. Unser Haus wurde durch die Bombardements zerstört und wir waren gezwungen unser Haus zu verlassen.
LA: Wohin sind Sie gezogen, als das Haus zerstört wurde?
VP: Viele sind in die Türkei gegangen. Wir haben uns auch in die Türkei begeben.
LA: Konnten Ihre Kinder die Schule in Mosul besuchen?
VP: Ja, es haben alle Kinder die Schule in Mosul besucht. Auch das Mädchen.
LA: Hatten Sie jemals mit den heimatstaatlichen Behörden Probleme?
VP: Nein.
LA: Laut dem Länderinformationsblatt erklärte die irakische Regierung am 9. Juli 2017 die Schlacht bei Mosul für beendet und Mosul für befreit. Zudem betreibt in der Stadt Bashiqa in der Nähe Mosuls die Türkei einen Militärstützpunkt. Es wurden zwar viele Menschen aus der Stadt Mosul vertrieben, wobei die Mehrheit davon in Camps rund um Mosul untergebracht ist. Was möchten Sie dazu sagen?
VP: Es ist richtig, dass Mosul von der IS frei ist und dass die Menschen geflüchtet waren und zum Teil zurückkehren. Wenn man kann Haus hat, weiß man nicht, wo man hingehen soll. Es gibt nämlich keine staatliche Unterstützung.
LA: Was hätten Sie bei einer etwaigen Rückkehr in den Irak zu befürchten?
VP: Ich hätte Angst vor der schlechten Sicherheitslage im Irak. Es gibt dort keine Sicherheit. Der Irak kommt nicht zur Ruhe. Irgendwelche Kriege toben immer dort, einmal zwischen Schiiten und Sunniten oder dann wieder zwischen anderen Gruppierungen.
LA: Weshalb haben Sie sich nicht gemeinsam mit Ihrem Mann und Ihrer Tochter und dem volljährigen Sohn in ein anderes Gebiet des Iraks begeben?
VP: Wohin hätten wir gehen sollen.
LA: So hätten Sie in die Hauptstadt des Landes, nach Bagdad, gehen können! Was sagen Sie dazu?
VP: Wir haben niemanden dort. Wir haben keine Verwandten dort.
[...]"
3.2. Bei der Einvernahme vor dem BFA am 03.05.2018 brachte die Zweitbeschwerdeführerin zusammengefasst im Wesentlichen vor, sie sei Araberin, sunnitische Muslima und ledig. Sie stamme aus Mossul, habe dort acht Jahre die Schule besucht. Zwei Brüder befänden sich in Österreich und ein Bruder sei in der Türkei bei ihrem kranken Vater aufhältig. Sie sei im Irak von ihrem Vater und einem Bruder finanziell unterstützt worden. Im Irak seien noch ein Onkel in Mossul und drei Halbschwestern im Umland von Mossul wohnhaft.
Zu ihrem Fluchtgrund gab die Zweitbeschwerdeführerin Folgendes an (Schreibfehler im Original):
"LA: Sie haben nunmehr die Möglichkeit, Ihre Beweggründe für das Verlassen Ihrer Heimat ausführlich darzulegen. Bitte schildern Sie möglichst lebensnahe, also konkret und mit sämtlichen Details, sodass auch unbeteiligte Personen Ihre Darstellung nachvollziehen können, aus welchem Grund Sie Ihr Heimatland verließen.
VP: Es hat im Irak mehrere Kriege gegeben. Es gab keine Sicherheit mehr im Irak. Es herrschte nur noch Angst. Ich habe Angst um mein Leben gehabt. Es waren die Schulen geöffnet, aber ich hatte Angst, weil die IS oder andere Milizverbände sich an die sunnitische Bevölkerung gerächt haben. Ich hatte Angst gehabt, weil es dort keine Sicherheit mehr gab. Im Zuge des Krieges um Mosul wurde unser Haus zerstört. Gott sei Dank blieben wir unversehrt und mussten das Haus verlassen. Wir begaben uns zuerst zu meinem Onkel, wo wir ca. zwei Tage Unterschlupf fanden und dann reisten wir weiter in die Türkei. Mein Vater wurde zuckerkrank und es ist sicher aufgrund der Erlebnisse und der Angst passiert, der wir ausgeliefert waren. Da ich hier in Österreich zwei Brüder habe, bin ich mit meiner Mutter weiter nach Österreich gereist. Wir haben gehofft, dass wir - meinem Vater und Bruder - nach Österreich nachholen können. Als wir hier in Österreich angekommen sind und wir meine Brüder getroffen haben, hat sich unsere Psyche verbessert. Ich habe mich hier etwas sicher gefühlt. Ich habe ein Gefühl der Geborgenheit erfahren. Dadurch ist es mir psychisch besser gegangen. Ich lebe hier mit meiner Mutter gemeinsam. Ich habe mich mit der Situation hier angefreundet und habe begonnen, Freundschaften zu schließen.
LA: Haben Sie noch irgendetwas zu den Fluchtgründen hinzuzufügen?
VP: Ich habe soweit alles angegeben. Ich möchte noch anführen, dass ich Angst hatte, in der Heimat vergewaltigt zu werden. Die Lage im Irak ist so unsicher, dass es jeden Augenblick zu einer bewaffneten Auseinandersetzung zwischen den verschiedenen Milizgruppierungen oder den IS Gruppierungen kommen könne. Es geschah immer plötzlich und ohne Vorwarnung. So hatte ich Angst gehabt, in die Schule zu gehen, weil ich befürchtete, entführt oder vergewaltigt zu werden.
LA: Hatten Sie jemals mit den heimatstaatlichen Behörden Probleme?
VP: Nein.
LA: Hatten Sie persönlich Kontakt zu den IS oder anderen Milizverbänden?
VP: Nein, Gott sei Dank nicht.
LA: Laut dem Länderinformationsblatt erklärte die irakische Regierung am 9. Juli 2017 die Schlacht bei Mosul für beendet und Mosul für befreit. Zudem betreibt in der Stadt Bashiqa in der Nähe Mosuls die Türkei einen Militärstützpunkt. Es wurden zwar viele Menschen aus der Stadt Mosul vertrieben, wobei die Mehrheit davon in Camps rund um Mosul untergebracht ist. Was möchten Sie dazu sagen?
VP: Es ist richtig, dass Mosul von der IS befreit wurde. Die Regierungstruppen, die die Stadt befreit haben, konnten aber nicht für Sicherheit in der Stadt sorgen. Daher ist die Stadt nach wie vor unsicher. Dazu kommt, dass die Regierungstruppen überwiegend schiitisch sind und gegen die Sunniten eingestellt sind. Sie rächen sich deswegen an der sunnitischen Bevölkerung, weil sie der Meinung sind, dass die Bevölkerung sich mit der IS verbunden hatte.
LA: Was hätten Sie bei einer etwaigen Rückkehr in den Irak zu befürchten?
VP: Vor allem. Zuerst gibt es dort keine Sicherheit. Ich hätte nach wie vor Angst in die Schule zu gehen. Ich habe gehört und ich höre immer noch sehr viel von Entführungen und Vergewaltigungen. Dazu kommt, dass wir kein Haus haben und kein Dach über den Kopf haben. Die Regierung gibt niemand ein Dach über den Kopf. Hier bin ich bei meinen Brüdern und fühle mich hier mit meiner Mutter sicher.
Ich habe den großen Wunsch, dass unsere Familie zusammenkommt und dass wir wieder eine Familie sind, wie früher, und dass wir hier in Sicherheit zusammen leben können.
LA: Weshalb haben Sie sich nicht gemeinsam mit Ihren Eltern in ein anderes Gebiet des Iraks begeben, wo mehrheitlich Sunniten wohnen?
VP: Die mehrheitliche Bevölkerung in Mosul ist sunnitisch. Würden wir z.B. nach Bagdad gehen, dort ist die Mehrheit der Bevölkerung schiitisch und die hasst die Sunniten."
4.1. Mit Bescheid des BFA vom 08.05.2018, Zl. 1153622510-170618834, wurde der Antrag auf internationalen Schutz der Erstbeschwerdeführerin hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wurde der Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die Erstbeschwerdeführerin eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI.).
In der Begründung wurden zunächst die Angaben der Erstbeschwerdeführerin zu ihrem Fluchtgrund in der Erstbefragung sowie die Niederschrift der Einvernahme vor dem BFA wörtlich wiedergegeben. Das BFA stellte fest, dass die Identität der Erstbeschwerdeführerin nicht feststehe, sie irakische Staatsangehörige, Araberin, Muslima und verheiratet sei. Sie habe vier Kinder und zuletzt mit ihrem Ehegatten, der Zweitbeschwerdeführerin und einem Sohn in Mossul gelebt. Ihr Ehegatte und ein Sohn seien nunmehr in der Türkei aufhältig. Sie habe den Haushalt geführt und von der Unterstützung ihres Ehegatten - eines Taxifahrers - gelebt. Sie leide an Bluthochdruck und werde medikamentös behandelt. Im Irak sei eine medikamentöse bzw. medizinische Behandlung gewährleistet. Sie sei strafrechtlich unbescholten. Es sei glaubhaft, dass die Erstbeschwerdeführerin den Irak wegen der kriegerischen Auseinandersetzungen verlassen habe. Es könne nicht festgestellt werden, dass ihr im Irak eine an asylrelevante Merkmale anknüpfende Verfolgung drohe. Ebenso wenig habe eine Gefährdung ihrer Person im Falle einer Rückkehr in den Irak festgestellt werden können. Eine Rückkehr in ihre Heimat sei ihr zumutbar. Ihre Familienangehörigen (Bruder etc.) würden nach wie vor im Irak leben. Sie verfüge somit auch über familiäre Anknüpfungspunkte in der Heimat. Zudem bestehe eine taugliche innerstaatliche Fluchtalternative. Sie könne aufgrund ihrer Arbeitsfähigkeit ihren Lebensunterhalt im Irak bestreiten. Die Erstbeschwerdeführerin sei im Mai 2017 gemeinsam mit ihrer minderjährigen Tochter illegal in Österreich eingereist. Seit der Einbringung ihres Antrages regle sie ihren Aufenthalt auf asylrechtlicher Basis. Sie bestreite ihren Lebensunterhalt gemeinsam mit ihrer Tochter im Rahmen der Grundversorgung. Sie besuche hier keinen Deutschkurs und gehe keiner Beschäftigung nach. Zwei erwachsene Söhne befänden sich seit Dezember 2015 bzw. Mai 2015 in Österreich. Ihre beiden Söhne würden über einen befristeten Aufenthaltstitel in Österreich verfügen. Ein effektives Zusammen- bzw. Familienleben mit ihren beiden Söhnen habe nicht festgestellt werden können. Sie sei weder Mitglied einer religiösen Verbindung noch einer sonstigen Gruppierung und verfüge auch über keinerlei nennenswerte Bindungen.
Danach traf das BFA Feststellungen zur Lage im Irak.
Beweiswürdigend führte das BFA zu den Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaats und zur Situation im Fall der Rückkehr aus (Schreibfehler im Original):
"[...] Die Feststellung, nämlich, dass Sie Ihr Heimatland aufgrund der kriegerischen Auseinandersetzungen verlassen haben, basiert auf dem hierzu glaubhaft erstatteten Vorbringen.
So haben Sie vor der ho. Behörde angegeben, auf Grund der Bürgerkriegssituation (Bombardements bzw. Zerstörung) und der fehlenden Zukunftsperspektive im Irak geflüchtet zu sein. Die Frage, ob Sie jemals persönlich konkreten Bedrohungen in der Heimat ausgesetzt gewesen seien, verneinten Sie und wiesen Sie darauf hin, wegen der beiden erwachsenen Söhne, welche sich außer Landes befinden würden, den Entschluss zur Weiterreise nach Österreich gefasst zu haben. Eine persönliche Bedrohung haben Sie nicht vorgebracht. Dass Sie nun, wie in der schriftlichen Stellungnahme erwähnt, eine alleinstehende Frau in Mosul wären, konnte Ihrem Vorbringen nicht entnommen werden, da Sie einen Bruder, bei welchem Sie auch einige Tage vor der Ausreise verbracht haben, in Mosul haben. Es mag zwar der Fall sein, dass Ihr Wohnhaus zerstört worden sei, aber von einer Obdachlosigkeit kann in Ihrem Fall nicht ausgegangen werden. Zumal wie bereits zuvor erwähnt, ein Bruder in Mosul lebe. Somit können Sie gemeinsam mit Ihrer Tochter bei dem erwähnten Verwandten vorübergehend Unterschlupf finden, bis Sie mit Ihrer Familie, nämlich Ihrem Mann und erwachsenen Sohn XXXX, welche sich momentan in der Türkei aufhalten, und Ihrer Tochter, eine geeignete Unterkunft im Irak gefunden haben.
Sie konnten eine konkrete, gegen Sie gerichtete Verfolgungshandlung, nicht glaubhaft machen, zumal Sie sich nunmehr auf die allgemeine instabile Situation bzw. den Bürgerkrieg beziehen. Dass Sie bzw. Ihre Familie (Mann, Kinder) von Seiten des irakischen Regimes bzw. der terroristischen Gruppierungen gesucht wurden, konnten Sie ebenso wenig glaubhaft machen.
Die Gründe für Ihre Ausreise mögen im rein privaten Bereich, nämlich der Verbesserung der Lebenssituation gelegen haben, eine Verfolgung Ihrer Person im Sinne der GFK konnte jedoch aus obigen Gründen nicht glaubhaft dargelegt werden.
Betreffend die Feststellungen zu Ihrer Situation im Fall Ihrer Rückkehr:
Aufgrund obiger Angaben zu Ihrem Fluchtvorbringen kommt die erkennende Behörde zu dem Schluss, dass die von Ihnen angeführte Gefährdung im Falle einer Rückkehr nicht glaubhaft war bzw. ist und Ihnen somit im Fall einer Rückkehr in den Herkunftsstaat keine Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention droht.
Die Feststellungen zu Ihren Wohnmöglichkeiten wurden Ihren nachvollziehbaren Angaben entnommen. Sie lebten gemeinsam mit Ihrem Mann und Ihren Kindern bis zuletzt in XXXX, Mosul, Irak. Ihr Mann war als Taxifahrer tätig. Sie könnten sich gemeinsam mit Ihrer minderjährigen Tochter bei Ihrem in Mosul befindlichen Bruder niederlassen, wie es Ihnen bereits vor Ihrer Ausreise möglich war. Auch könnten Sie sich in einem anderen Teil des Landes niederlassen. Es stehe Ihnen somit eine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung. Ihr Einkommen ist durch Ihre Arbeitsfähigkeit gesichert. Noch dazu bestehe die Möglichkeit, durch Unterstützung Ihrer Familienangehörigen die Lebenskosten dort bestreiten zu können.
Aus den Länderfeststellungen geht hervor, dass die Grundversorgung im Irak gewährleistet ist. Es gibt keine Fälle von Hungernöten und damit in Zusammenhang stehenden Todesfällen. [...]"
In rechtlicher Hinsicht wurde ausgeführt, dass die Erstbeschwerdeführerin eine konkrete, individuell gegen sie selbst gerichtete Verfolgung nicht glaubhaft dargetan habe, sondern ihr Land wegen der dort herrschenden schlechten Lage verlassen habe und es sei nicht feststellbar, dass sie im Falle der Abschiebung in eine aussichtslose Situation geraten würde. Nach Abwägung aller Interessen ergebe sich, dass der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, insbesondere des Fremdenwesens, mehr Gewicht einzuräumen sei und ein möglicher Eingriff in ihre durch Art. 8 EMRK geschützten Rechte sei nicht als unverhältnismäßig anzusehen.
4.2. Mit Bescheid des BFA vom 08.05.2018, Zl. 1153622608-170618893, wurde der Antrag auf internationalen Schutz der Zweitbeschwerdeführerin hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wurde der Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die Zweitbeschwerdeführerin eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI.).
In der Begründung wurden zunächst die Angaben der Zweitbeschwerdeführerin zu ihrem Fluchtgrund in der Erstbefragung sowie die Niederschrift der Einvernahme vor dem BFA wörtlich wiedergegeben. Das BFA stellte fest, dass die Identität der Zweitbeschwerdeführerin nicht feststehe, sie irakische Staatsangehörige, Araberin, sunnitische Muslima, ledig und kinderlos sei. Sie habe zuletzt mit ihren Eltern und einem Bruder in Mossul gelebt. Ihr Vater und ein Bruder seien nunmehr in der Türkei aufhältig. Sie sei Schülerin gewesen habe und habe von der Unterstützung ihres Vaters - eines Taxifahrers - und ihres Bruders gelebt. Sie sei gesund und strafrechtlich unbescholten. Es sei glaubhaft, dass die Zweitbeschwerdeführerin den Irak wegen der kriegerischen Auseinandersetzungen verlassen habe. Es könne nicht festgestellt werden, dass ihr im Irak eine an asylrelevante Merkmale anknüpfende Verfolgung drohe. Ebenso wenig habe eine Gefährdung ihrer Person im Falle einer Rückkehr in den Irak festgestellt werden können. Eine Rückkehr in ihre Heimat sei ihr zumutbar. Ihre Familienangehörigen (Onkel etc.) würden nach wie vor im Irak leben. Sie verfüge somit auch über familiäre Anknüpfungspunkte in der Heimat. Zudem bestehe eine taugliche innerstaatliche Fluchtalternative. Sie könne aufgrund ihrer Arbeitsfähigkeit ihren Lebensunterhalt im Irak bestreiten. Die Zweitbeschwerdeführerin sei im Mai 2017 gemeinsam mit ihrer Mutter illegal in Österreich eingereist. Seit der Einbringung ihres Antrages regle sie ihren Aufenthalt auf asylrechtlicher Basis. Sie bestreite ihren Lebensunterhalt gemeinsam mit ihrer Mutter im Rahmen der Grundversorgung. Sie besuche hier keinen Deutschkurs und gehe keiner Beschäftigung nach. Zwei erwachsene Brüder befänden sich seit Dezember 2015 bzw. Mai 2015 in Österreich. Ihre beiden Brüder würden über einen befristeten Aufenthaltstitel in Österreich verfügen. Ein effektives Zusammen- bzw. Familienleben mit ihren beiden Brüdern habe nicht festgestellt werden können. Sie sei weder Mitglied einer religiösen Verbindung noch einer sonstigen Gruppierung und verfüge auch über keinerlei nennenswerte Bindungen.
Danach traf das BFA Feststellungen zur Lage im Irak.
Beweiswürdigend führte das BFA zu den Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaats und zur Situation im Fall der Rückkehr aus (Schreibfehler im Original):
"[...] Die Feststellung, nämlich, dass Sie Ihr Heimatland aufgrund der kriegerischen Auseinandersetzungen verlassen haben, basiert auf dem hierzu glaubhaft erstatteten Vorbringen.
So haben Sie vor der ho. Behörde angegeben, auf Grund der Bürgerkriegssituation (Bombardements bzw. Zerstörung) und der fehlenden Zukunftsperspektive im Irak geflüchtet zu sein. Die Frage, ob Sie jemals persönlich konkreten Bedrohungen in der Heimat ausgesetzt gewesen seien, verneinten Sie. Eine persönliche Bedrohung haben Sie nicht vorgebracht. Dass Sie nun, wie in der schriftlichen Stellungnahme erwähnt, eine alleinstehende Frau in Mosul wären, konnte Ihrem Vorbringen nicht entnommen werden, da Sie einen Onkel, bei welchem Sie auch einige Tage vor der Ausreise verbracht haben, in Mosul haben. Auch haben Sie einige Halbgeschwister, die in Umland von Mosul leben. Es mag zwar der Fall sein, dass das elterliche Haus zerstört worden sei, aber von einer Obdachlosigkeit kann in Ihrem Fall nicht ausgegangen werden. Zumal wie bereits zuvor erwähnt, ein Onkel in Mosul lebe und die Halbgeschwister im Umland von Mosul wohnen. Somit können Sie gemeinsam mit Ihrer Mutter bei den erwähnten Verwandten vorübergehend Unterschlupf finden, bis Sie mit Ihrer Familie, nämlich Ihrem Vater und erwachsenen Bruder XXXX, welche sich momentan in der Türkei aufhalten, und Ihrer Mutter, eine geeignete Unterkunft im Irak gefunden haben.
Sie konnten eine konkrete, gegen Sie gerichtete Verfolgungshandlung, nicht glaubhaft machen, zumal Sie sich nunmehr auf die allgemeine instabile Situation bzw. den Bürgerkrieg beziehen. Dass Sie bzw. Ihre Familie (Vater, Mutter, Brüder) von Seiten des irakischen Regimes bzw. der terroristischen Gruppierungen gesucht wurden, konnten Sie ebenso wenig glaubhaft machen.
Die Gründe für Ihre Ausreise mögen im rein privaten Bereich, nämlich der Verbesserung der Lebenssituation gelegen haben, eine Verfolgung Ihrer Person im Sinne der GFK konnte jedoch aus obigen Gründen nicht glaubhaft dargelegt werden.
Betreffend die Feststellungen zu Ihrer Situation im Fall Ihrer Rückkehr:
Aufgrund obiger Angaben zu Ihrem Fluchtvorbringen kommt die erkennende Behörde zu dem Schluss, dass die von Ihnen angeführte Gefährdung im Falle einer Rückkehr nicht glaubhaft war bzw. ist und Ihnen somit im Fall einer Rückkehr in den Herkunftsstaat keine Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention droht.
Die Feststellungen zu Ihren Wohnmöglichkeiten wurden Ihren nachvollziehbaren Angaben entnommen. Sie lebten gemeinsam mit Ihren Eltern und Ihrem Bruder bis zuletzt in XXXX, Mosul, Irak. Ihr Vater war als Taxifahrer tätig und auch Ihr erwachsener Bruder XXXX ging einer Beschäftigung nach. Sie könnten sich gemeinsam mit Ihrer Mutter bei Ihrem in Mosul befindlichen Onkel niederlassen, wie es Ihnen bereits vor Ihrer Ausreise möglich war. Auch könnten Sie sich in einem anderen Teil des Landes niederlassen. Es stehe Ihnen somit eine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung. Ihr Einkommen ist durch Ihre Arbeitsfähigkeit gesichert. Noch dazu bestehe die Möglichkeit, durch Unterstützung Ihrer Familien-angehörigen die Lebenskosten dort bestreiten zu können.
Aus den Länderfeststellungen geht hervor, dass die Grundversorgung im Irak gewährleistet ist. Es gibt keine Fälle von Hungernöten und damit in Zusammenhang stehenden Todesfällen.
[...]"
In rechtlicher Hinsicht wurde ausgeführt, dass die Zweitbeschwerdeführerin eine konkrete, individuell gegen sie selbst gerichtete Verfolgung nicht glaubhaft dargetan habe, sondern ihr Land wegen der dort herrschenden schlechten Lage verlassen habe und es sei nicht feststellbar, dass sie im Falle der Abschiebung in eine aussichtslose Situation geraten würde. Nach Abwägung aller Interessen ergebe sich, dass der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, insbesondere des Fremdenwesens, mehr Gewicht einzuräumen sei und ein möglicher Eingriff in ihre durch Art. 8 EMRK geschützten Rechte sei nicht als unverhältnismäßig anzusehen.
5. Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführerinnen fristgerecht eine - für beide Personen gemeinsam verfasste - Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie der Verletzung von Verfahrensvorschriften, bei deren Einhaltung für die Beschwerdeführerinnen günstigere Bescheide erzielt worden wären.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die Erstbeschwerdeführerin ist die Mutter der mittlerweile volljährigen Zweitbeschwerdeführerin. Sie sind irakische Staatsangehörige, Araberinnen und Muslimas sunnitischen Glaubens. Sie lebten zuletzt mit dem Ehemann der Erstbeschwerdeführerin bzw. Vater der Zweitbeschwerdeführerin und einem Sohn der Erstbeschwerdeführerin bzw. Bruder der Zweitbeschwerdeführerin an einer gemeinsamen Wohnadresse in Mossul. Die Zweitbeschwerdeführerin ist ledig und kinderlos. Ein Bruder der Erstbeschwerdeführerin bzw. Onkel der Zweitbeschwerdeführerin und drei Halbschwestern der Zweitbeschwerdeführerin leben nach wie vor in Mossul und dessen Umland. Der Ehemann der Erstbeschwerdeführerin bzw. Vater der Zweitbeschwerdeführerin und der Sohn der Erstbeschwerdeführerin bzw. Bruder der Zweitbeschwerdeführerin halten sich in der Türkei auf. Die Beschwerdeführerinnen stehen mit ihren in der Türkei befindlichen Familienangehörigen in Kontakt. Die Erstbeschwerdeführerin ist Analphabetin und die Zweitbeschwerdeführerin hat acht Jahre die Schule in Mossul besucht.
Die Beschwerdeführerinnen verließen im Frühjahr 2017 den Irak und reisten illegal in das österreichische Bundesgebiet ein, wo sie am 22.05.2017 jeweils einen Antrag auf internationalen Schutz stellten.
Der von den Beschwerdeführerinnen vorgebrachte Fluchtgrund, dass sie wegen der schlechten Sicherheitslage ihr Herkunftsland verlassen hätten, ist glaubhaft. Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerinnen vor ihrer Ausreise einer konkreten, individuell gegen sie gerichteten Verfolgung durch staatliche Organe oder durch Dritte ausgesetzt waren oder sie im Falle einer Rückkehr in den Irak der Gefahr einer solchen ausgesetzt wären.
Des Weiteren kann nicht festgestellt werden, dass den Beschwerdeführerinnen im Falle einer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die Todesstrafe droht. Ebenso kann keine anderweitige individuelle Gefährdung der Beschwerdeführerinnen festgestellt werden, insbesondere im Hinblick auf eine drohende unmenschliche Behandlung, Folter oder Strafe sowie kriegerische Ereignisse oder extremistische Anschläge im Irak.
Die Beschwerdeführerinnen sind - abgesehen von Blutdruck- bzw. Kreislaufbeschwerden der Erstbeschwerdeführerin - gesund. Die Erstbeschwerdeführerin nimmt diesbezüglich ein Medikament ein, mit dem sie bereits im Irak behandelt wurde. Die Beschwerdeführerinnen beziehen Leistungen aus der Grundversorgung und sind nicht berufstätig.
Zwei volljährige Söhne der Erstbeschwerdeführerin bzw. Brüder der Zweitbeschwerdeführerin samt deren Familien befinden sich ebenfalls im Bundesgebiet. Diesen wurde in der Vergangenheit jeweils der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt. Die Beschwerdeführerinnen stehen mit ihnen in Kontakt und es erfolgen auch Besuche. Aktuell teilen sie mit keinem ihrer hier aufhältigen Verwandten einen gemeinsamen Wohnsitz. Die Beschwerdeführerinnen knüpften zudem soziale Kontakte im Bundesgebiet.
Die Erstbeschwerdeführerin hat bislang keinen und die Zweitbeschwerdeführerin kurzzeitig - für etwa eine Woche - einen Deutschkurs besucht. Anderweitige Integrationsmaßnahmen wurden nicht absolviert. Die Beschwerdeführerinnen sind in Österreich strafrechtlich unbescholten.
Zur Lage im Irak werden folgende Feststellungen getroffen:
Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen
Weitere Entwicklungen im Anschluss an das Kurdenreferendum, weitere Rückeroberungen von IS-Gebiet und Update Sicherheitslage mit Fokus auf Bagdad
Am 29.10.2017 erklärte Mas'ud Barzani seinen Rücktritt als Präsident der kurdischen Region. Er lehnte in einem Brief an das kurdische Parlament eine Verlängerung seines Mandats über den 1.11.17 hinaus ab (IFK 6.11.2017). Barzani bleibt Vorsitzender der KDP (Kurdistan Democratic Party) und somit weiterhin ein wichtiger politischer Akteur. Die weiter andauernde Lähmung des kurdischen Regionalparlamentes versetzt die beiden Parteien KDP und PUK (Patriotische Union Kurdistans) weiterhin in die Lage, politische Entscheidungen ohne die Einbeziehung der Partei Goran oder anderer Parteien zu treffen (CR 14.11.2017).
Nach der Offensive der irakischen Armee und der PMF (Popular Mobilization Forces) in die von den Kurden kontrollierten Gebiete, besteht derzeit ein Waffenstillstand, es herrscht jedoch weiterhin Unsicherheit, nicht nur bezüglich der weiteren Vorgehensweise der irakischen Regierung, sondern auch die wirtschaftliche Situation Kurdistans betreffend. Unterdessen gibt es neue Beweise dafür, dass im Zuge der Offensive in den vorwiegend kurdischen Gebieten Plünderungen, Brandstiftungen, Häuserzerstörungen und willkürliche Angriffe offenbar insbesondere von Seiten der PMF (auch von Seiten turkmenischer PMF-Milizen) stattfanden. Tausende haben dabei ihre Häuser, ihre Geschäfte und ihre sonstigen Besitztümer verloren. (AI 24.10.2017; Bas 14.11.2017; HRW 20.10.2017).
Laut den Vereinten Nationen (VN) kam es im Zuge der Offensive der irakischen Regierung zur Vertreibung von zehntausenden Menschen aus den sogenannten "umstrittenen Gebieten". 180.000 Menschen sind (mit Stand 18.11.2017) nach wie vor vertrieben, 172.000 sind zurückgekehrt. Die meisten dieser Vertriebenen sind Kurden, aber auch Mitglieder anderer Minderheiten, einschließlich sunnitischer Araber und Turkmenen. Die meisten Vertriebenen lebten in den Städten Kirkuk, Daquq (Provinz Kirkuk), sowie Tuz Khurmatu (Rudaw 18.11.2017). Aus Furcht vor Repressalien kehren sie derzeit nicht in ihre Heimatgebiete zurück (Reuters 9.11.2017).
Am Abend des 12.11.2017 fand in der Grenzregion zwischen Iran und Irak ein Erdbeben der Stärke 7,3 statt. Im Irak war dabei die an der Grenze zum Iran befindliche Stadt Halabja (im Autonomen Kurdengebiet) am stärksten betroffen. Acht Menschen starben im Irak, mehr als 500 wurden verletzt und hunderte Familien wurden obdachlos. Zumindest drei Gesundheitszentren wurden beschädigt. Verglichen mit dem Iran war der Irak deutlich geringer von dem Erdbeben betroffen (UNFPA 19.11.2017).
Im Zuge der Rückeroberungen von IS-Gebieten (IS: sogenannter Islamischer Staat) werden weiterhin Massengräber gefunden. Zuletzt wurde in der Nähe der Militärbasis al-Bakara etwa drei Kilometer vor der Stadt Hawija ein Grab mit mindestens 400 Toten (mutmaßlichen IS-Opfern) entdeckt (MOI 3.11.2017; Standard 11.11.2017). Umgekehrt treten weitere Berichte von Racheakten von Seiten der Befreier zutage, laut Nahostexpertin Gudrun Harrer scheint der Zyklus der Gewalt mit dem Sieg über den IS nicht unterbrochen (Harrer 24.11.2017). Mehr als 3,1 Millionen Iraker (die überwältigende Mehrheit Sunniten) sind weiterhin Vertriebene. Weitere 2,3 Millionen sind in ihre Heimatgebiete zurückgekehrt. Für den Wiederaufbau ihrer Städte erhielten die Sunniten nicht viel Hilfe von der Zentralregierung, die sich mehr auf die Bekämpfung/Zurückdrängung des IS und zuletzt der Kurden konzentrieren (NYTimes 26.10.2017).
Ab dem 3.11.2017 mit Stand 17.11.2017 wurden die drei letzten irakischen Städte, die sich noch unter der Kontrolle des IS befanden, Al-Qaim, Ana und Rawa (alle drei im Westen des Landes) von den irakischen Streitkräften zurückerobert. Laut der US-geführten Koalition zur Bekämpfung des IS hat dieser nun 95 Prozent jener irakischen und syrischen Territorien verloren, welches er im Jahr 2014 als Kalifat ausgerufen hatte (Telegraph 17.11.2017; IFK 6.11.2017). Das Wüstengebiet nördlich der drei Städte bleibt vorerst weiterhin IS-Terrain. Die Gebiete rund um Kirkuk und Hawija gehören zu jenen Gebieten, bei denen das Halten des Terrains eine große Herausforderung darstellt. (MEE 16.11.2017; Reuters 5.11.2017; BI 13.11.2017). Es stellt sich auch die Frage, wo sich jene IS-Kämpfer aufhalten, die, nicht getötet wurden oder die nicht in Gefängnissen sitzen (Alleine in Mossul gab es vor der Rückeroberung 40.000 IS-Kämpfer). Viele sind in die Wüste geflohen oder in der Zivilbevölkerung untergetaucht. Es gab es auch umstrittene Arrangements, die den Abzug von IS-Kämpfern und ihren Familien erlaubten. Der IS ist somit nicht verschwunden, nur sein Territorium [mit Einschränkungen s.u.] (Harrer 24.11.2017).
Die folgende Grafik zeigt die massiven Gebietsverluste des IS seit Jänner 2015 (Stand 30.10.2017). Der Wüstenbereich nördlich von Al-Qaim wird je nach Quelle als Wüstengebiet oder als IS-Gebiet eingezeichnet (s. untere Karte) eingezeichnet.
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(BBC 3.11.2017)
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(Liveuamap 17.11.2017, Stand 17.11.2017)
Seit der IS Offensive im Jahr 2014 ist die Zahl der Opfer im Irak nach wie vor nicht auf den Wert der Zeit zwischen 2008 - 2014 zurückgegangen, in der im Anschluss an den konfessionellen Bürgerkrieg 2006-2007 eine Phase relativer Stabilität einsetzte (MRG 10.2017; vgl. IBC 23.11.2017). Von dem Höchstwert von 4.000 zivilen Todesopfern im Juni 2014 ist die Zahl 2016 [nach den Zahlen von Iraq Body Count] auf 1.500 Opfer pro Monat gesunken; dieser sinkende Trend setzt sich im Jahr 2017 fort (MRG 10.2017). Nach den von Joel Wing dokumentierten Vorfällen, wurden in den Monaten August, September und Oktober 2017 im Irak 2.988 Zivilisten getötet (MOI 9.-11.2017). Zu diesen Zahlen gelten die im Länderinformationsblatt Irak in Abschnitt 3.1 erwähnten Einschränkungen und Anmerkungen - kriminelle Gewalt wurde in dieser Statistik nur zum Teil berücksichtigt, Stammesgewalt gar nicht .
Beispielhaft wird im Folgenden eine Grafik angeführt, in der die von einer Sicherheitsfirma dokumentierten Vorfälle, die in Kalenderwoche 45 des Jahres 2017 stattgefunden haben, eingezeichnet sind. Die Grafik stellt jedoch nach Angaben der Quelle nicht das gesamte Ausmaß der Gewalt und der Vorfälle dar. Mehrere Vorfälle, bzw. umfangreiche und länger andauernde Gefechte werden jeweils als ein Vorfall zusammengefasst dargestellt. Darüber hinaus bleiben viele Vorfälle auf Grund von Einschränkungen durch die Regierung und Einschränkungen der Kommunikation undokumentiert:
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(CR 14.11.2017)
Bagdad:
Obwohl der IS Bagdad [kontrollgebietsmäßig] nie erreicht hat, verzeichnete die Hauptstadt laut Angaben der UN jeweils entweder die höchste oder die zweithöchste - nach der Provinz Ninewa - Anzahl an zivilen Todesopfern. Um ein Beispiel zu nennen: UNAMI berichtet, dass im Februar 2017 120 Zivilisten getötet und 300 verletzt wurden. In demselben Monat im Jahr 2016 war Bagdad der am stärksten betroffene Bezirk, UNAMI berichtete von 277 Todesopfern und 838 Verletzten. (Update: Für den Monat Oktober 2017 berichtet UNAMI 177 zivile Opfer (38 Tote, 139 Verletzte). Wichtig ist, anzumerken, dass diese Zahlen ausschließlich verifizierte Opfer inkludieren und als das absolute Minimum gesehen werden müssen [Anm.: Es gelten die in Abschnitt 3.1 des LIB Irak getätigten Aussagen und Anmerkungen]. Zum Beispiel beinhalten sie auch nicht jene Opfer, die in manchen Teilen der Stadt regelmäßig tot aufgefunden und geborgen werden (MRG 10.2017; UNAMI 1.11.2017). Nach wie vor kommt es in Bagdad täglich zu sicherheitsrelevanten Vorfällen mit zivilen Opfern (Wing 9.-11.2017; vgl. IBC 28.2.2017). Laut Reisewarnungen des Auswärtigen Amtes ist in Bagdad weiterhin mit schweren Anschlägen insbesondere auf irakische Sicherheitsinstitutionen und deren Angehörige, auf Ministerien, Hotels, öffentliche Plätze und religiöse Einrichtungen zu rechnen (AA 23.11.2017). Für die fragile Sicherheitssituation in der Hauptstadt gibt es zahlreiche Gründe. Abgesehen davon, dass es ein attraktives Ziel für Anschläge ist, beherbergten und beherbergen die Gebiete rund um Bagdad historisch entstandene Terrorzellen, u.a. von Al-Qaeda und dem IS. Dies ist insbesondere in der Nachbarprovinz Anbar im Westen, sowie im Bezirk Jurf al-Sakhar in der Provinz Babil der Fall. Dazu kommen die äußeren Bezirke Bagdads, dem sogenannten "Bagdad-Belt", der aus spärlich besiedelten ländlichen Gegenden besteht, in denen sich bewaffnete Gruppen leicht verstecken können.
Die Acht-Millionenmetropole Bagdad hat eine höhere Kriminalitätsrate als jede andere Stadt des Landes. Hauptverantwortlich dafür ist der schwache staatliche Sicherheitsapparat sowie die schwache Exekutive. Seit dem Krieg gegen den IS verblieb in Bagdad aufgrund von Militäreinsätzen in anderen Teilen des Landes phasenweise nur eine geringe Zahl an Sicherheitspersonal. Da große Teile der Armee im Sommer 2014 abtrünnig wurden, sind zum Wiederaufbau der Armee mehrere Jahre nötig. Gleichzeitig erschienen bewaffnete Gruppen, vor allem Milizen mit Verbindungen zu den 'Popular Mobilization Forces' (PMF), auf der Bildfläche, mit divergierenden Einflüssen auf die Stabilität der Stadt. Der Zusammenbruch der Armee führte zusätzlich zu einem verstärkten Zugang und zu einer größeren Verfügbarkeit von Waffen und Munition. Dazu kommt die Korruption, die in allen Einrichtungen des Sicherheitsapparates und der Exekutive herrscht. Trotz dieser Probleme gibt es aktuell eine Verbesserung der Situation, die sich auch auf die Meinung der Bewohner über den irakischen Gesetzesvollstreckungsapparat auswirkt. Obwohl konfessionell bedingte Gewalt in Bagdad existiert, ist die Stadt nicht in gleichem Ausmaß in die Spirale der konfessionellen Gewalt des Bürgerkriegs der Jahre 2006-2007 geraten. Stattdessen kommt es zu einem Anstieg der Banden-bedingten Gewalt (Bandenkriege), die meist finanziell motiviert sind, in Kombination mit Rivalitäten zwischen Sicherheitskräften/-akteuren (MRG 10.2017).
Terrorattacken:
Terrorattacken werden meist mit verschiedenen Arten von IEDs (Improvised Explosive Devices) ausgeführt, inklusive am Körper getragene ('body-born' oder BBIEDs, in Fahrzeugen transportierte ('vehicle-borne' oder S/VBIEDs) und unter Fahrzeugen befestigte Sprengfallen ('under-vehicle-borne' oder UVBTs). Dabei handelt es sich um typische Taktiken des IS. Sie zielen dabei auf große Menschenansammlungen wie z.B. auf Märkten, in Einkaufszentren und Moscheen ab, wo der Kollateralschaden maximiert werden kann. Auch wenn diese Attacken alle Teile der Stadt treffen können, sind [ethno-religiös] gemischte Gebiete besonders gefährdet. Auch werden Kontrollpunkte regelmäßig angegriffen mit dem Ziel Sicherheitskräfte zu schwächen. Wegen des hohen Verkehrsaufkommens werden an den Kontrollpunkten selten sorgfältige Fahrzeugdurchsuchungen durchgeführt, weshalb das Problem schwer einzudämmen ist (MRG 10.2017).
Es sollte auch erwähnt werden, dass UVBTs besonders häufig verwendet werden, um Individuen zu attackieren. Diese Attentate können durch persönliche oder stammesbezogene Auseinandersetzungen motiviert sein, in spezifischen Fällen sind sie politisch motiviert.
Kidnappings und Entführungen:
Kidnappings und Entführungen kommen überall in Bagdad vor, unterscheiden sich aber in Häufigkeit und Art der Opfer. Man kann generell zwischen finanziell motivierten Entführungen und denen, die politisch oder persönlich motiviert sind, unterscheiden. Während erstere von kriminellen Gangs begangen werden, werden die politisch oder persönlich motivierten von bewaffneten Gruppen oder Individuen ausgeführt. Geschätzte 65-75 Prozent können als kriminelle Akte kategorisiert werden, während zwischen einem Viertel und einem Drittel als politisch oder als Folge von persönlichen Auseinandersetzungen gesehen werden können. Die zentralen und relativ wohlhabenden Bezirke Karkh und Rusafa zeigen die höchsten Zahlen an Kidnappings und sind für etwa die Hälfte der dokumentierten Fälle des gesamten Gouvernements verantwortlich (MRG 10.2017).
Obwohl die offiziellen Daten nicht veröffentlicht wurden zeigt eine Aufzeichnung des Innenministeriums, dass in den ersten neun Monaten des Jahres 2016 in Bagdad zumindest 700 Kidnappings stattgefunden haben (MRG 10.2017).
Allerdings können sich diese in vielen Fällen überschneiden. Es wurde zum Beispiel berichtet, dass schiitische Milizen Kidnappings und Erpressungen als einkommensgenerierende Aktivitäten einsetzen. Während es sich dabei um einen kriminellen Akt handelt, kann zusätzlich auch ein politisches oder religiöses Motiv dahinter stehen. Milizen haben z.B. Mitglieder anderer Gruppen entführt und verschleppt. Opfer der von den Gruppen durchgeführten Kidnappings sind tendentiell eher Sunniten als Schiiten. Es ist auch häufig, dass Milizen Kidnappings in Gegenden, die nicht unter ihrer eigenen Kontrolle stehen, ausführen, etwa um ihre Reputation in den von ihnen kontrollierten Gebieten nicht aufs Spiel zu setzen (MRG 10.2017).
Da es zu Protesten in der Bevölkerung kam, und zu Forderungen an den Staat, Maßnahmen zu ergreifen, wurde in den letzten zwei Jahren das Thema Kidnappings in der Öffentlichkeit diskutiert. Immer wieder kam es zu Wellen von Entführungen, die gegen bestimmte Professionen und Gruppen der Gesellschaft gerichtet waren. Anfang 2017 tauchten Berichte auf, dass Sicherheitskräfte eine kriminelle Gruppe zu identifizieren suchten, die auf die Entführung von Kindern in der Gegend um Bagdad al-Jadida spezialisiert war. Im August 2017 veröffentlichte Niqash einen Artikel über eine vor Kurzem vorgefallene Serie an Kidnappings, die gegen Ärzte und medizinisches Personal gerichtet waren. Diese wurden von kriminellen Banden durchgeführt, aber auch von Stämmen, die Wiedergutmachung für Verwandte forderten, die nicht behandelt werden konnten oder die im Spital verstorben waren. Im Mai 2017 wurde eine Gruppe von Studenten und Anti-Korruptions-Aktivisten gekidnappt, angeblich von einer Miliz. Dennoch war einer der meist diskutierten Fällen die Entführung von Afrah Shawqi, einem Journalisten, der nur wenige Tage davor einen Artikel im Al-Sharq al-Awsat über die Straffreiheit von schiitischen Milizen im Irak veröffentlicht hatte. In beiden Fällen wurden die Opfer freigelassen, nachdem großer öffentlicher Druck auf den Premierminister selbst, sowie auf das Innenministerium ausgeübt worden war. Regierungsbeamte und andere politische Führungskräfte wurden ebenso ins Visier genommen wie z.B. bei jenem Fall eines hohen Beamten des Justizministeriums, der im September 2015 gekidnappt wurde, oder jenem Fall eines sunnitischen Stammesführers, dessen Entführung und Ermordung Anlass zu einer Kampagne von Amnesty International wurde (MRG 10.2017).
All diese Fälle haben Regierung und Sicherheitsdienste gezwungen, sich aktiver diesem Problem zu widmen. In vergangenen Jahren, sowie auch in den Jahren 2006-2007, war die Exekutive beinahe gänzlich außerstande, mit dieser Art der Gewalt umzugehen. Heute spricht Premierminister Abadi, der sich manchmal persönlich in Fälle involviert, lautstark über die Bedenken der Bevölkerung, und unternimmt Schritte, um die Kapazitäten der Gesetzesvollstreckung auszuweiten. Dennoch werden Milizen in erfolgreichen Fällen - wenn es Sicherheitskräften gelingt, Banden zur Anklage bringen - selten erwähnt. Es ist praktisch unmöglich einzuschätzen, wie oft die von den Sicherheitskräften Verhaftungen Mitglieder von Milizen einschließen, da Fälle von Kidnappings mit Lösegeldforderungen einfach als kriminelle Akte kategorisiert werden. Dies kann nur durch anekdotische Hinweise und durch Zeugenaussagen belegt werden. Allerdings besteht das Problem, dass die Opfer oft selber nicht wissen woher die Bedrohung kommt oder wer der Empfänger des geforderten Lösegeldes ist (MRG 10.2017).
Schießereien mit Handfeuerwaffen:
Was die Verwendung von Handfeuerwaffen betrifft, können generelle Muster zwischen dem zentralen Gebiet und der Peripherie der Provinz Bagdad unterschieden werden. Morde und Anschläge auf Zivilisten sind innerhalb der Stadt Bagdad weiter verbreitet, die Bezirke Karkh, Rusafa und Adhamiya sind diesbezüglich überrepräsentiert. Diese Anschläge richten sich z.B. gegen Geschäftsbesitzer, Anwälte sowie Angestellte der Regierung. Schießereien kommen auch in Verbindung mit Raubüberfällen vor. Zusätzlich stehen viele Tötungen in Verbindung mit Kidnappings, bei denen das Lösegeld nicht gezahlt wurde.
Im Gegensatz dazu sind Vorfälle mit Handfeuerwaffen im 'Bagdad Belt' üblicherweise gegen Sicherheitsdienste wie die Iraqi Security Forces (ISF) und Mitglieder von sunnitischen und schiitischen Milizen gerichtet, und finden meistens bei Kontrollpunkten statt. Dies kann man in Abu Ghraib, Mahmudiya und Tarmiya beobachten. Diese Gebiete verzeichnen auch eine große Anzahl an Schießereien in Verbindung mit stammesbezogenen Auseinandersetzungen (MRG 10.2017).
Konfessionalismus und Diskriminierung:
Konfessionalismus und Diskriminierung sind weiterhin ein weit verbreitetes Phänomen in Bagdad, wenn sie auch nicht dasselbe Ausmaß an Gewalt erreicht haben, der während des konfessionellen Krieges in den Jahren 2006-2007 dokumentiert wurde. Dies anzumerken, ist von wichtig, weil von vielen angenommen wurde, dass durch das Ausbreiten des IS ab 2014 frühere Muster an Gewalt nach Bagdad zurückkehren würde. Das hat er auch, allerdings in einem geringeren Ausmaß. Wie diverse Menschenrechtsberichte gezeigt haben, fachen Terrorattacken des IS in Bagdad viele Arten an Vergeltungsmaßnahmen gegen sunnitische Zivilisten an, die vorwiegend von schiitischen Milizen begangen werden. Diese beinhalten Kidnappings, Ermordungen sowie ungesetzlichen Freiheitsentzug. Dennoch ist der offensichtlichere Konfessionalismus - bei dem sunnitische Bewohner Kontrollpunkte nicht passieren konnten ohne namentlich aufgerufen zu werden und manchmal schikaniert oder festgenommen wurden - heute relativ selten. Dies trifft allerdings nicht auf sunnitische Internvertriebene (IDPs) zu, die in der Provinz Bagdad regelmäßig diskriminiert werden. Nachdem der IS in großen Teilen von Anbar und Salah al-Din die Macht ergriffen hatte, flohen Tausende nach Bagdad. In vielen Fällen war es ihnen von vorne herein nie gestattet, in die Provinz einzureisen. Die, die es dennoch geschafft haben, berichten von extrem eingeschränkter Reisefreiheit (da Personalausweise aufzeigen in welchem Gouvernement sie ausgestellt wurden), von Schwierigkeiten, als Gebietsfremde des Gouvernements an wesentliche Dokumente zu gelangen, sowie von Schikanen aufgrund des Pauschalverdachts der IS-Zugehörigkeit. Für Internvertriebene besteht, aufgrund fehlender Netzwerke für persönliche Unterstützung, auch ein größeres Risiko, entführt zu werden.
Eine weitere Seite des Konfessionalismus sind Verhaftungen, oft willkürlich, welche meist in Verbindung mit einer Anklage wegen Terrorismus nach Artikel 4 vollzogen werden und beinahe ohne Ausnahme Sunniten betreffen. Diese Festnahmen sind nach Terroranschlägen häufig, wenn Sicherheitsdienste Durchsuchungsaktionen durchführen, um Mitglieder oder Unterstützer des IS ausfindig zu machen (MRG 10.2017).
Kleinere Gemeinschaften, inklusive Minderheiten und solche, die sich ineiner Minderheitssituation wiederfinden, stehen unter signifikantem Risiko. Die Anzahl an Christen in Bagdad nimmt unter dieser Bedrohungssituation weiterhin ab, wenn auch kleine christliche Gemeinden in gemischten Bezirken bestehen bleiben; so auch in Karkh und in Karrada und Palästina. Faili-Kurden (schiitische Kurden), einschließlich jener, die in Sadirya und im südlichen Teil Bagdads leben, haben unter Bombenangriffen gelitten und berichten von erhöhten Spannungen, die in Zusammenhang mit dem kurdischen Unabhängigkeitsreferendum stehen. Palästinenser, die vorwiegend in al-Baladiyat leben, sind diesen gezielten Attacken ebenso ausgesetzt und bleiben weiterhin besonders gefährdet (MRG 10.2017).
Sicherheitskräfte in der Provinz Bagdad:
Irakische Sicherheitskräfte (ISF):
Die ISF werden in Bagdad vom 'Baghdad Operations Command' (BOC) repräsentiert, Geheimdienste und irakische Polizeieinheiten, die im Bagdad Gouvernement agieren, sind dem Verteidigungsministerium unterstellt. Der BOC besteht aus mehreren Brigaden, die der 6., 11. und 17. Abteilung der irakischen Armee angehören, sowie aus spezialisierten Militär- und Polizei-Einheiten, inklusive Bereitschaftspolizei und Schutzeinheiten für Diplomaten. Die irakische Armee ist gemeinsam mit staatlichen und lokalen Polizeieinheiten für die Sicherheit verantwortlich. Zusätzlich zu regulären Sicherheitsfunktionen, sind die ISF gemeinsam mit Einheiten, die in Verbindung zum Innenministerium stehen, für die Überprüfung von Internvertriebenen und Rückkehrern und damit in Zusammenhang stehende Regulierungen zuständig (MRG 10.2017).
Polizeikräfte werden oft als Erweiterung der Badr-Partei gesehen. Darüber hinaus wird das Polizeikorps, abgesehen von Teilen der Staatspolizei, als schwer korrupt erachtet. In wenigen Ausnahmen sind Offiziere der Staatspolizei ehemalige Offiziere der Armee und werden als weniger korrupt und konfessionalistisch gesehen. Die meisten sind allerdings durch politische Einflussnahme und Vereinbarungen verschiedener Parteien an ihre Position gelangt (MRG 10.2017).
Im Allgemeinen vertraut die Bevölkerung eher der Armee als der Polizei. Die Mehrheit der Bewohner Bagdads, die in einer Umfrage einer NGO befragt wurden, ob sie in einer Notsituation die Polizei kontaktieren würden, sagten sie würden erst versuchen, das Problem selbst zu beheben. Knapp unter 50 Prozent meinten, sie würden der Polizei unter keinen Umständen Bericht erstatten. Im Vergleich dazu:
über 70 Prozent derer, die in Gebieten leben, in denen die Armee für die Sicherheit verantwortlich ist, gaben an, sie würden, wenn nötig, ihre lokalen Sicherheitskräfte kontaktieren. In derselben Umfrage wurden Bewohner gefragt, ob sie jemals Bestechungsgeld gezahlt hätten, um Unterstützung von offiziellen Sicherheitskräften zu erhalten, was 30 Prozent der Befragten bejahten. Zuletzt wurden Bewohner gefragt ob sich die Sicherheits-Situation in Bagdad verbessern oder verschlechtern würde, worauf beinahe 70 Prozent antworteten, das sie sich verbessere (MRG 10.2017).
Islamischer Staat (IS):
Der IS konnte Mitte 2014 Gebiete im Provinz Bagdad nicht unter seine Kontrolle bringen. Allerdings hat sich IS-Aktivität mehrmals vom angrenzenden Provinz Anbar in den westlichen Bezirk Abu Ghraib ausgeweitet. Teile des 'Bagdad-Belt' sind historisch gesehen Unterstützungsgebiete des IS, welche IS-Attacken in zentraler gelegenen Gebieten Bagdads ermöglichen (MRG 10.2017).
In der Provinz Bagdad beschränken sich die Aktivitäten des IS vor allem auf "unkonventionelle Attacken" gegen Zivilisten und hochrangige Opfer - in erster Linie durch die Verwendung von IEDs (MRG 10.2017).
Popular Mobilization Forces (PMF):
Während die PMF generell auf Schlachtfeldern quer durch das Land eingesetzt wurden, bewahren einige eine signifikante Präsenz in Bagdad. Die älteren und größeren [überwiegend schiitischen] Milizen sind jene, die vorwiegend als aktive Gruppen einen Teil der Sicherheitskräfte der Stadt repräsentieren. [...] Sunnitische Milizen kommen in der Stadt Bagdad nicht vor, aber sehr wohl in manchen Teilen des 'Bagdad-Belt', besonders in den Bezirken, die an Anbar und das Gouvernement Salah al-Din grenzen, inklusive Taji, Tarmiya und Abu Ghraib. Auf lokaler Ebene agieren PMF-Einheiten parallel und oft im Konflikt mit den ISF. Bewaffnete Konflikte zwischen ISF und PMUs, wenn auch selten, wurden im Gouvernement Bagdad beobachtet. Während die PMF weitläufig von der schiitischen Bevölkerung unterstützt werden, wurden sie beschuldigt, Menschenrechtsverletzungen gegen sunnitische Zivilisten in Gebieten begangen zu haben, die vom IS zurückerobert wurden, - wie von diversen Organisationen wie z.B. Human Rights Watch, Amnesty International und Minority Rights Group dokumentiert wurde. Berichterstattung dieser Art tendiert dazu, sich auf die Gouvernements zu kon