TE Bvwg Erkenntnis 2018/9/20 G305 2181633-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.09.2018
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Entscheidungsdatum

20.09.2018

Norm

ASVG §67 Abs10
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §15

Spruch

G305 2181633-1/23E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Ernst MAIER, MAS als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, XXXX (vormals: XXXX), vertreten durch Dr. Rudolf DEITZER, Rechtsanwalt, Eggerthgasse 9/2, 1060 Wien, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse vom 06.04.2017, Zl. XXXX, und über den Vorlageantrag gegen die Beschwerdevorentscheidung vom 21.09.2017,Zl. XXXX nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A)

1. Die Beschwerdevorentscheidung vom 21.09.2017, in der ausgesprochen wurde, dass die Beschwerde mangels Rechtzeitigkeit der Beschwerdeeinbringung als unzulässig zurückgewiesen wird, wird ersatzlos b e h o b e n.

2. Im Übrigen wird die gegen den Bescheid vom 06.04.2017, Zl. XXXX, erhobene Beschwerde als unbegründet a b g e w i e s e n und wird ausgesprochen, dass XXXX, geb. XXXX, als vormaliger Geschäftsführer der Beitragskontoinhaberin XXXX, FN XXXX mit Sitz in XXXX (Geschäftsanschrift: XXXX) der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse gemäß § 67 Abs. 10 ASVG iVm. § 83 ASVG aus Vorschreibungen für die auf dem Beitragskonto Nr. XXXX für den Zeitraum Jänner 2012 bis Mai 2012 aushaftenden Beiträge in Höhe von restlich EUR 2.061,51 (Stand: 06.09.2018) zuzüglich Verzugszinsen in der sich nach § 59 Abs. 1 ASVG jeweils ergebenden Höhe, das sind 3,38 % aus EUR 2.027, 70, schuldet und zur Zahlung dieses Betrages binnen 14 Tagen nach Zustellung des Bescheides bei sonstigen Zwangsfolgen verpflichtet ist.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Bescheid vom 06.04.2017, Zl. XXXX, sprach die Steiermärkische Gebietskrankenkasse (im Folgenden: belangte Behörde oder kurz StGKK) aus, dass XXXX, geb. XXXX, (in der Folge Beschwerdeführer oder kurz: BF) als ehemaliger Geschäftsführer der Firma XXXX (in der Folge: Primärschuldnerin oder kurz: GmbH) gemäß § 67 Abs. 10 ASVG iVm. § 58 Abs. 5 ASVG und § 83 ASVG für auf dem Beitragskonto Nr. XXXX aushaftende Sozialversicherungsbeiträge samt Nebengebühren aus den Vorschreibungen für die Zeiträume Jänner 2012 bis Mai 2012 den Betrag von EUR 15.664,91 zuzüglich Verzugszinsen in Höhe von 3,38 % p. a. aus EUR 13.430,59 schulde.

2. Gegen diesen Bescheid erhob der BF im Wege seiner Rechtsvertretung die zum 30.08.2017 datierte, am 05.09.2017 bei der belangten Behörde eingelangte Beschwerde, worin er zur Rechtzeitigkeit der Beschwerde ausführte, dass ihm der angefochtene Bescheid erst mit E-Mail vom 07.08.2017 zur Kenntnis gebracht worden sei. Eine Zustellung des Bescheides an die Hauptwohnsitzanschrift sei nicht rechtmäßig erfolgt, da er seit dem 27.01.2015 nicht mehr an dieser Anschrift wohne, sondern seit Februar 2015 in XXXX (BIH) lebe und sich während der Zeit der versuchten Zustellung gar nicht an der Abgabestelle in XXXX befunden habe. Darüber hinaus brachte er vor, dass ihm auch keine Aufforderung zur Rechtfertigung zugestellt worden sei, sodass er auch im Verfahren keine Möglichkeit gehabt hätte, zu den wider ihn erhobenen Vorwürfen Stellung zu nehmen. Somit sei das rechtliche Gehör verletzt worden und leide der Bescheid an Rechtswidrigkeit. Seine Beschwerde verband er mit dem Antrag, das Bundesverwaltungsgericht (in der Folge: so oder kurz: BVwG) wolle den Bescheid wegen Rechtswidrigkeit aufheben und das Verfahren einstellen, in eventu die Sache zur neuerlichen Verhandlung zurückverweisen.

Mit seiner Beschwerdeschrift brachte er mehrere Belege zur Glaubhaftmachung seines Auslandsaufenthaltes im Zeitraum der versuchten Zustellung des angefochtenen Bescheides zur Vorlage.

3. Mit Beschwerdevorentscheidung vom 21.09.2017, Zl. XXXX, wies die belangte Behörde die gegen den Bescheid vom 06.04.2017 erhobene Beschwerde mangels Rechtzeitigkeit der Beschwerdeeinbringung als unzulässig zurück.

4. Gegen die dem BF im Wege seiner ausgewiesenen Rechtsvertretung am 22.09.2017 zugestellte Beschwerdevorentscheidung brachte dieser am 05.10.2017, sohin innert offener Frist, einen Vorlageantrag ein, den er mit dem Begehren, die Beschwerde dem BVwG vorzulegen, verband.

Abermals legte der BF Urkunden zum Beweis der Richtigkeit seiner Angaben vor.

5. Am 03.01.2018 legte die belangte Behörde die gegen den Bescheid vom 06.04.2017 erhobene Beschwerde und die Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht vor und wurde die Beschwerdesache hier der Gerichtsabteilung G305 zur Erledigung zugeteilt.

6. Mit Urkundenvorlage vom 26.04.2018 brachte der BF mehrere Urkunden zur Vorlage, darunter einen Insolvenzantrag (Beilage ./1), einen Eröffnungsbeschluss des Landesgerichtes XXXX zu Zl. XXXX (Beilage ./2), einen ersten, zum 13.07.2012 datierten Bericht des Masseverwalters (Beilage ./3), ein Anmeldungsverzeichnis im Insolvenzverfahren zu Zl. XXXX (Beilage ./4), eine Saldenliste (Beilage ./5), ein Protokoll der Prüfungs- und Sanierungsplantagsatzung vom 10.09.2012 (Beilage ./6), das Edikt zu Zl. XXXX aus der Insolvenzdatei (Beilage ./7), div. Kontoauszüge von der XXXX (Beilage ./8) und eine zum 05.11.2013 datierte, den Prüfzeitraum 01.01.2008 bis 31.08.2013 betreffende Beitragsabrechnung der StGKK aus der GPLA (Beilage ./9).

Inhaltlich brachte er im Wesentlichen kurz zusammengefasst vor, dass der der auf den Zeitraum Jänner bis Mai 2012 bezogene Beitragsrückstand nicht nachvollzogen werden könne. Im Insolvenzverfahren habe die StGKK dem Masseverwalter eine Leistungsnachrechnung beginnend mit 01.01.2008 bis 2013 vorgelegt, in der Beiträge für den Zeitraum Jänner 2012 bis Mai 2012 lediglich in Höhe von EUR 710,93 ausgewiesen seien. Aus den Urkunden zum Insolvenzverfahren ergebe sich, dass niemals behauptet wurde, dass der BF Gläubiger ungleich behandelt oder das Insolvenzverfahren verspätet angemeldet hätte. Aus den vorgelegten Saldenlisten und Kontoauszügen ergebe sich, dass er alle Gläubiger gleichbehandelt hätte. Eine fahrlässige Verkürzung sei nicht gegeben.

7. Am 07.05.2018 wurde vor dem erkennenden Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung durchgeführt, anlässlich der der anwesende Vertreter belangten Behörde und der Beschwerdeführer einvernommen wurden. In der mündlichen Verhandlung wurde dem BF vom erkennenden Bundesverwaltungsgericht der Auftrag zur Vorlage weiterer Unterlagen erteilt.

8. In Entsprechung des gerichtlichen Auftrages legte er mit Schriftsatz vom 07.06.2018 weitere Urkunden vor, darunter je eine Aufstellung für die Monate Jänner, Februar, März, April und Mai 2012 (Beilage ./10), eine Erläuterung zu den Berechnungsblättern (Beilage ./11), Betriebskosten laut Rechnungen und Bankkonten (Beilage ./12), eine Aufstellung laut WEBEKU für den Zeitraum Jänner bis Mai 2012 (Beilage ./13), eine WEBEKU-Kontoinformation für den Zeitraum 19.10.2011 bis 19.10.2012 (Beilage ./14), eine Aufstellung von Zahlungen an das Finanzamt (Beilage ./15), eine Aufstellung betreffend Kredite und Leasingverpflichtungen (Beilage ./16), eine Aufstellung zu den Versicherungen der Primärschuldnerin (Beilage ./17) und Saldenlisten (Beilage ./18).

9. Mit hg. Verfahrensanordnung vom 12.06.2018 wurden die übermittelten Urkunden der belangten Behörde zur Kenntnis gebracht und dieser im Rahmen des Parteiengehörs die Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.

10. In ihrer zum 15.06.2018 datierten - direkt auch an den BF im Wege seiner Rechtsvertretung ergangenen - Stellungnahme der StGKK heißt es, dass anhand der vorgelegten Urkunden eine Gleichbehandlungsprüfung vorgenommen werden könne. In der Haftungsberechnung seien jedoch nur fällige Verbindlichkeiten zu berücksichtigen. Für den auf dem Buchhaltungskonto 3273 dargestellten Kredit lasse sich eine Ratenhöhe von EUR 1.756,32 nachvollziehen, die monatlich bedient worden sei. Allerdings sei nicht feststellbar, dass dieser zur Gänze fällig gewesen sei. Sodann erging das Ersuchen um Übermittlung von Urkunden, aus denen sich eine Fälligstellung des Kredites ableiten ließe.

11. In der Folge erging eine zum 05.07.2018 datierte aufgetragene Stellungnahme der StGKK, worin es im Wesentlichen kurz zusammengefasst heißt, dass der BF in der Darstellung betreffend die Mittelverwendung Kredite und Leasingverbindlichkeiten in Höhe von rund EUR 190.000,00 angegeben hätte. Nachdem der BF in einer zweiten Anfrage ausgeführt hätte, dass der Kredit nicht fällig gewesen wäre, seien die aushaftenden Verbindlichkeiten um den nicht fälligen Betrag zu korrigieren gewesen. Nach einer Darstellung, wie die Gleichbehandlungsquote für Dritte ermittelt wird, wurden die Haftungsquoten für die festgestellte Ungleichbehandlung nach Abzug von der Zahlungsquote wie folgt bekannt gegeben: (für den Jänner 2012: 23,22%; für den Februar 2012: 12,27%, für den März 2012:

16,82%, für den April 2012: 6,57% und für den Mai 2012: 7,66%). In der Folge stellte die belangte Behörde den Haftungsbetrag nach Abzug auf den Haftungsrohbetrag geleisteten Teilquote und der Zahlungen auf die Dienstnehmeranteile gem. IESG bzw. der durch den BF nach erfolgter Strafanzeige gemäß § 153c StGB geleisteten Zahlungen dar.

12. Im Rahmen des Parteiengehörs wurde dem BF die aufgetragene Stellungnahme der StGKK vom 05.07.2018 mit hg. Verfahrensanordnung vom 25.07.2018 zur Kenntnis gebracht und ihm die Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.

13. In seiner zum 13.08.2018 datierten Äußerung rügte der BF die mangelnde Nachvollziehbarkeit und Fehlerhaftigkeit der von der StGKK vorgenommenen Berechnung. Im Übrigen monierte er den Umstand, dass die von der StGKK angenommenen Zahlungen nicht den tatsächlich geleisteten Zahlungen entsprechen würden. Auch sei die Berücksichtigung der Bankverbindlichkeiten nicht nachvollziehbar, ebenso der jeweilige Stichtag.

14. Mit hg. Verfahrensanordnung vom 04.09.2018 wurde die Äußerung des BF der belangten Behörde zur Kenntnis gebracht und ihr im Rahmen des Parteiengehörs die Gelegenheit gegeben, sich zur Rüge des BF zu äußern.

15. In der zum 06.09.2018 datierten, am selben Tag dem Bundesverwaltungsgericht übermittelten, als "ergänzende Stellungnahme" titulierten Äußerung führte die belangte Behörde aus, dass die Kredite nach Darlegung des BF nicht fällig gewesen und daher auch in der Gleichbehandlungsprüfung nicht zu berücksichtigen gewesen seien. Zum Verjährungseinwand führte die belangte Behörde aus, dass Verjährung auf Grund der verjährungsunterbrechenden Wirkung der Insolvenzverfahren nicht eingetreten sei. Die Feststellungsverjährung wider den BF habe frühestens mit der Aufhebung des Verfahrens zu Zl. XXXXi des Landesgerichtes XXXX zu laufen beginnen können und sei diese durch die Einleitung des Haftungsprüfungsverfahrens (spätestens zum 02.03.2017) wieder unterbrochen worden. Eine Verjährung sei daher ausgeschlossen. Der Einwand, die StGKK hätte mit 13.04.2012 den Beitrag XXXX korrigiert, sei nicht richtig, zumal es sich bei der Primärschuldnerin um eine selbstabrechnende Dienstgeberin handle, die die Beiträge selbst zu berechnen, dem KV-Träger bekannt zu geben und unaufgefordert einzuzahlen habe. Tatsächlich sei die Korrektur auf Ersuchen der DG um eine Stornierung der Beitragsnachweisung vorgenommen worden. In der parteienfreundlichsten Auslegung sei die Stornierung rückwirkend anzunehmen gewesen, womit sich auch die Gleichbehandlung wieder verschieben würde, was auch zu einer Reduktion des Haftungsbetrages auf EUR 2.061,51 führen würde. Weiter heißt es, dass die Haftung immer anhand des historischen Rückstandes zu berechnen sei. Die Primärschuldnerin habe die fälligen und rückständigen Beiträge im Beurteilungszeitraum gleich zu behandeln. Dadurch begleiche sie naturgemäß vorangegangene Beiträge, die jedoch für die Beurteilung der Gleichbehandlung relevant seien. Die Stichtage (Perioden) würden sich aus dem Gesetz ergeben und sich nach der Fälligkeit der Beiträge richten (§ 58 Abs. 1 ASVG). Die Zahlungen würden sich aus dem Beitragskonto ergeben und seien von 01.01.2012 bis 31.05.2012 Zahlungen in Höhe von EUR 33.694,94 gebucht worden. Rückverrechnungen seien nicht als Zahlungen anzusehen. Die in der Beilage ./13 gelisteten Zahlungen würden mit dem Beitragskonto übereinstimmen, weshalb nicht nachvollzogen werden kann, wie der BF zu den von ihm angenommenen Zahlungen im Betrag von EUR 40.346,47 gelange. Die Zahlungen ab 01.06.2012 bis zur Insolvenzeröffnung seien nicht mehr in die Haftung zu ziehen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Die im Firmenbuch am 03.05.2016 gelöschte Firma XXXX, FN XXXX, wurde am 03.04.2007 ins Firmenbuch eingetragen und hatte den Sitz in XXXX an der Geschäftsanschrift XXXX.

Der Unternehmensgegenstand bzw. der Unternehmenszweck erstreckte sich auf das Schlossergewerbe im Sinne des § 94 Z 59 GewO und die aus dem Gewerbe resultierenden Montage- und Schweißarbeiten, die Überlassung von Arbeitskräften, der Handel mit Waren aller Art, das Versicherungsmaklergewerbe, die gewerbliche Vermögensberatung, das Gewerbe der Unternehmensberatung einschließlich der Unternehmensorganisation, die Beteiligung an anderen Unternehmen und Gesellschaften, sowie die Übernahme der Geschäftsführung und Vertretung solcher Gesellschaften und Unternehmen, weiter den Betrieb, die Übernahme und Vermittlung aller mit dem Gesellschaftszweck mittelbar und/oder unmittelbar in Verbindung stehenden Geschäften und aller, die Gesellschaft fördernden Hilfs- und Nebengeschäfte.

Am 03.04.2007 wurde der Beschwerdeführer als handelsrechtlicher Geschäftsführer der Gesellschaft im Firmenbuch zu FN XXXX eingetragen. Am 16.03.2016 wurde die von ihm innegehabte Funktion des handelsrechtlichen Geschäftsführers im Firmenbuch gelöscht.

In dem vom Haftungsbescheid der StGKK umfassten Zeitraum (01.01.2012 bis 31.05.2012) war er allein vertretungsbefugter (handelsrechtlicher) Geschäftsführer der gemeinschuldnerischen Gesellschaft. Daneben bestand keine Vertretungsbefugnis einer allfällig dritten Person.

1.2. Unter den Ägiden des BF beschäftigte sich die Primärschuldnerin mit der Montage von Fassaden an industriellen und gewerblichen Objekten und größeren Wohnanlagen. In diesem Zusammenhang montierte das Unternehmen der Primärschuldnerin von Dritten auf Baustellen gelieferte Fassaden an den oben näher bezeichneten Objekten.

Über diese Tätigkeiten hinausgehende wurden nicht verrichtet.

Für die genannten Tätigkeiten, die mit Ausnahme von Vorarlberg, in allen österreichischen Bundesländern verrichtet wurden, wurde eine nicht festgestellte Anzahl an Dienstnehmern beschäftigt, die in Wien und in der Steiermark zur Sozialversicherung angemeldet waren.

Ihre Geschäftstätigkeit entfaltete die Primärschuldnerin ab ihrer Gründung bis zur Schließung des Unternehmens im Jänner 2013 [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 07.05.2018, S. 4f].

1.3. Bereits am 04.07.2012 wurde auf Grund eines vom BF eingebrachten Antrages vom Landesgericht XXXX das Sanierungsverfahren zu Zl. XXXX über das Vermögen der Primärschuldnerin eröffnet. Am 10.09.2012 wurde der Sanierungsplan beschlossen. Sein wesentlicher Inhalt lautete dahin, dass die Insolvenzgläubiger zur vollständigen Befriedigung ihrer Forderung, gleichgültig, ob es sich um eine offene Buchforderung oder um eine offene Wechselforderung handelt, eine 20%ige Quote erhalten sollten, die sie wie folgt zahlen wollte:

a) 10% binnen 14 Tagen nach rechtskräftiger Bestätigung des Sanierungsplans, jedoch nicht vor rechtskräftiger Aufhebung des Sanierungsverfahrens,

b) 5% binnen 12 Monaten ab Annahme und

c) 5% binnen 24 Monaten ab Annahme.

Zwar gelang es der Primärschuldnerin noch, die erste Teilzahlung in Höhe der Quote von 10% aufzubringen, hinsichtlich der weiteren Teilzahlungen in Höhe von jeweils 5% gelang ihr dies nicht mehr [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 07.05.2018, S. 9].

In der Folge stellte der BF in seiner Eigenschaft als handelsrechtlicher Geschäftsführer der Primärschuldnerin im Jänner 2013 den Konkursantrag und wurde auf Grund dieses Antrages der Anschlusskonkurs zu Zl. XXXX beim LG XXXX über das Vermögen der Primärschuldnerin eröffnet. Die Eröffnung des Anschlusskonkurses hatte ein Wiederaufleben der Forderungen zur Folge.

Am 15.02.2016 kam es zur Aufhebung des Anschlusskonkursverfahrens gemäß § 123 IO mit einer Quote von 10%.

Die im Zeitraum Jänner 2012 bis einschließlich Mai 2012 auf dem Beitragskontor Nr. XXXX offen und unberichtigt aushaftenden, über der Quote gelegenen Beitragsforderungen der StGKK gegen die Primärschuldnerin sind daher als uneinbringlich zu betrachten.

1.4. Der Grund für die Stellung eines Antrages auf Einleitung eines Sanierungsverfahrens bzw. auf Eröffnung des Anschlusskonkurses im Jänner 2013 bestand im Wesentlichen darin, dass ein Generalunternehmer zu einem nicht näher festgestellten Zeitpunkt fällig gewordene Forderungen der Primärschuldnerin nicht beglich. Hinzu kam ein weiterer Forderungsausfall aus der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Geschäftspartnerin der Primärschuldnerin [Beilage ./7 und PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 07.05.2018, S. 5f].

Die Forderungsausfälle der Primärschuldnerin hatten zur Folge, dass diese die für sie tätigen Subfirmen (d.s. Montagefirmen) und Zulieferer (d.s. Unternehmen, über die die Primärschuldnerin Werkzeug, Arbeitsbekleidung für die eigenen Mitarbeiter und div. Verschleißmaterial einkaufte) nicht mehr zahlen konnte. Auch die Lohnzahlungen an die Mitarbeiter der Primärschuldnerin kamen ins Stocken. Aufträge konnten wegen des dafür notwendigen Vorfinanzierungserfordernisses nicht angenommen werden [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 07.05.2018, S. 6].

Ende 2011 bzw. Anfang 2012 nahm der BF einen Privatkredit in sechsstelliger Höhe auf, um die Primärschuldnerin damit zu unterstützen, dass deren Außenstände (und zwar Außenstände bei den Subfirmen, die Montagearbeiten für die Primärschuldnerin durchführten, Außenstände bei den Zulieferfirmen und Dienstnehmerlöhne) bedient wurden. Abgesehen von der Zahlung der Außenstände, die die Primärschuldnerin bei den Subfirmen und Zulieferfirmen hatte und der Bedienung der Dienstnehmerlöhne konnten keine weiteren Außenstände Primärschuldnerin festgestellt werden, die mit dem vom BF aufgenommenen Darlehen beglichen worden wären [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 07.05.2018, S. 7].

Die Außenstände der Primärschuldnerin bediente der BF als deren Geschäftsführer "nach Dringlichkeit". So nahm er mit den Zulieferern und den Subfirmen telefonisch Kontakt auf und ersuchte um Zahlungsaufschub. Die Forderungen wurden in dieser Zeit (zumindest ab Ende 2011 bis zur Eröffnung des Sanierungsverfahrens) teils vollständig, teils unvollständig entrichtet [Ebda., S. 7].

Anlassbezogen konnte dagegen nicht festgestellt werden, dass die belangte Behörde am meisten bekommen hätte bzw. ihre Beitragsforderungen vom BF als dringlich bewertet und auch so behandelt worden wären.

1.5. In dem vor dem Landesgericht XXXX zu Zl. XXXX eröffneten Anschlusskonkurs meldete auch die StGKK Beitragsforderungen an, die vom Masseverwalter zur Gänze anerkannt wurden.

Wie schon oben näher ausgeführt, kam es am 15.02.2016 zur Aufhebung des Anschlusskonkursverfahrens gemäß § 123 IO und konnte der über die dabei erlöste Quote hinausgehende Teil der Forderungen der StGKK nicht einbringlich gemacht werden, weshalb dieser Teil der Forderungen der StGKK als uneinbringlich anzusehen ist.

1.6. Auf dem Beitragskonto Nr. XXXX der Primärschuldnerin hafteten zum 05.04.2017 Beitragsforderungen in Höhe von insgesamt EUR 15.664,91 (darin EUR 2.234,32 seit dem 05.04.2017) aus.

1.7. Mit Schreiben der StGKK vom 02.03.2017 wurde der BF von der Einleitung eines Haftungsprüfungsverfahrens gemäß § 67 Abs. 10 ASVG durch öffentliche Bekanntmachung gemäß § 25 ZustG in Kenntnis gesetzt.

1.8. Am 06.04.2017 erließ die belangte Behörde den in Beschwerde gezogenen Haftungsbescheid auf Grund der Aktenlage und sprach aus, dass der BF als Geschäftsführer der Beitragskontoinhaberin der StGKK aus den Vorschreibungen für die Zeiträume Jänner 2012 bis Mai 2012 insgesamt EUR 15.664,91 zuzüglich Verzugszinsen schulde.

2. Beweiswürdigung:

Der oben dargestellte Verfahrensgang und der festgestellte Sachverhalt ergeben sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten und aus dem vor dem Bundesverwaltungsgericht durchgeführten Ermittlungsverfahren, aus den eingeholten öffentlichen Urkunden, sowie aus den im Verwaltungsakt einliegenden und auf den im Beschwerdeverfahren vom BF im Beschwerdeverfahrens vorgelegten Urkunden, die, soweit sie hinsichtlich ihres Aussagegehaltes unbestritten geblieben sind, dem beschwerdegegenständlichen Ermittlungsverfahren im Rahmen der freien Beweiswürdigung zu Grunde gelegt werden konnten.

Die zur Firma XXXX und zur Vertretungsbefugnis des BF getroffenen Feststellungen gründen im Wesentlichen auf dem eingeholten Firmenbuchauszug zu FN XXXX [AS 3f] und auf dem Gesellschaftsvertrag 27.02.2007 [AS 9ff], sowie auf den damit in Übereinstimmung stehenden, und daher als glaubwürdig zu wertenden Angaben des BF. Auf denselben Quellen beruht auch die Feststellung, dass der BF vom 03.04.2007 bis 16.03.2016 als handelsrechtlicher Geschäftsführer der Primärschuldnerin fungierte und als solcher für die Abführung der Steuern und der sozialversicherungsrechtlichen Abgaben verantwortlich war.

Die zum Geschäftszweck bzw. zur Tätigkeit der Primärschuldnerin getroffenen Feststellungen beruhen im Wesentlichen auf den Angaben im Gesellschaftsvertrag [AS 9 ff] und den diesbezüglich als glaubwürdig eingestuften Angaben des BF in der vor dem BVwG am 07.05.2018 durchgeführten mündlichen Verhandlung. Auf diesen Quellen beruhen auch die Konstatierungen zum strategischen Vorgehen des BF nach Eintritt der wirtschaftlichen Schieflage des Unternehmens der Primärschuldnerin, sowie die dazu getroffenen Feststellungen, dass die Forderungen gegenüber der Primärschuldnerin vom BF als deren handelsrechtlichem Geschäftsführer nach "Notwendigkeit bzw. Dringlichkeit" bedient wurden.

Aus den angeführten Gründen, konnten die von der belangten Behörde getroffenen Feststellungen dem gegenständlichen Erkenntnis im Rahmen der freien Beweiswürdigung zu Grunde gelegt werden.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Gemäß Art. 135 Abs. 1 B-VG iVm. § 2 VwGVG und § 6 BVwGG (Bundesgesetz über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichts) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

§ 414 Abs. 1 ASVG normiert die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes zur Entscheidung über Beschwerden gegen die Bescheide eines Versicherungsträgers.

Gemäß § 414 Abs. 2 ASVG ist die Entscheidung über Beitragshaftungen gemäß § 67 ASVG nicht von einer Senatsentscheidung umfasst. Somit obliegt die Entscheidung der vorliegenden Beschwerdesache dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idF. BGBl. I Nr. 122/2013 geregelt (§ 1 leg. cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht waren, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 27 VwGVG legt den Prüfungsumfang des Verwaltungsgerichtes fest. Demzufolge hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde zu überprüfen. Verwiesen wird dabei auf die Bestimmungen des § 9 VwGVG, der den Inhalt der Beschwerde beschreibt und hier insbesondere auf Abs. 1 Z 3 und Z 4 leg. cit.. Dies betrifft die Angabe der Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt, sowie das Begehren.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Zu Spruchteil A):

3.2. Zur ersatzlosen Behebung der Beschwerdevorentscheidung vom 21.09.2017, Zl. XXXX:

3.2.1. Das Aufforderungsschreiben zur Erbringung des rechnerischen Entlastungsnachweises und der Haftungsbescheid vom 06.04.2017 wurden von der belangten Behörde an der Amtstafel kundgemacht, dies weil die belangte Behörde den Standpunkt vertrat, dass eine aktuelle Zustelladresse des BF nicht ermittelt habe werden können. Das auf die Zustelladresse des BF bezogene Ermittlungsverfahren bezog sich im Wesentlichen auf eine Anfrage bei der zentralen Partnerverwaltung und beim Zentralen Melderegister und erbrachte dieses eine durchgehende Meldung des BF an der Anschrift XXXX. Ungeachtet dessen unterließ die belangte Behörde einen Zustellversuch der oben näher bezeichneten Schriftstücke (Aufforderung zur Erbringung eines rechnerischen Entlastungsnachweises und Haftungsbescheid vom 06.04.2017) einen Zustellversuch an die ihr bekannte Anschrift [BehV in Verhandlungsniederschrift vom 07.05.2018, S. 11]. Der belangten Behörde war der Aufenthalt des BF in XXXX (BiH) bekannt. Dennoch wurde der Aufenthaltsort des BF über die zuständige österreichische Botschaft in Bosnien und Herzegowina nicht ermittelt bzw. ein entsprechender Versuch dazu unternommen [BehV in Verhandlungsniederschrift vom 07.05.2018, S. 12].

3.2.2. Gemäß § 25 Abs. 1 ZustG können Zustellungen, deren Abgabestelle unbekannt ist, oder an eine Mehrheit von Personen, die der Behörde nicht bekannt sind, wenn es sich nicht um ein Strafverfahren handelt, kein Zustellungsbevollmächtigter bestellt ist und nicht gemäß § 8 vorzugehen ist, durch Kundmachung an der Amtstafel, dass ein zuzustellendes Dokument bei der Behörde liegt, vorgenommen werden. Findet sich Empfänger zur Empfangnahme des Dokuments (§ 24) nicht ein, so gilt, wenn gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, die Zustellung als bewirkt, wenn seit der Kundmachung an der Amtstafel der Behörde zwei Wochen verstrichen sind.

Der belangten Behörde war bekannt, dass der BF zuletzt an der Anschrift XXXX, mit Hauptwohnsitz gemeldet war. Ihr war auch bekannt, dass er sich zur Zeit der Einleitung des Haftungsprüfungsverfahrens in Bosnien und Herzegowina aufhielt. Aus den Umständen konnte sie jedoch nicht annehmen, dass seine Abwesenheit von der Abgabestelle nicht vorübergehend bzw. von Dauer sein werde.

Eine unbekannte Abgabestelle kann nicht angenommen werden, wenn ein Empfänger von einer bekannten Abgabestelle nur vorübergehend abwesend ist (Thienel/Zeleny, Verwaltungsverfahren, 19. Aufl., Anm. 1 zu § 25 ZustG).

Im gegenständlichen Beschwerdeverfahren sind Anhaltspunkte dahingehend, dass der BF im Zeitraum der Führung des verwaltungsbehördlichen Ermittlungsverfahrens dauerhaft von der Abgabestelle abwesend gewesen wäre, nicht hervorgekommen, weshalb die Beschwerdevorentscheidung ersatzlos zu beheben war.

3.2.3. Mit E-Mail vom 07.08.2017 übermittelte die belangte Behörde dem BF den angefochtenen Bescheid vom 06.04.2017. Innerhalb der Rechtsmittelfrist erhob er im Wege seiner Rechtsvertretung am 30.08.2017 Beschwerde gegen den ihm am 07.08.2017 zur Kenntnis gebrachten Bescheid. Vor diesem Hintergrund hat sich das erkennende Verwaltungsgericht mit der gegenständlichen Beschwerdesache zu befassen.

3.3. Zur Abweisung der gegen den Bescheid vom 06.04.2017, Zl. XXXX, gerichteten Beschwerde:

3.3.1. Gegenständlich geht es im Kern um die Klärung der Frage, ob der BF als handelsrechtlicher Geschäftsführer der gelöschten Firma XXXX, FN XXXX, für die auf deren Beitragskonto Nr. XXXX aushaftenden Beitrags(rest)forderungen der belangten Behörde zur Haftung heranzuziehen ist.

Der BF hat in seiner Äußerung vom 13.08.2018 ausgeführt, dass der gegenständliche Haftungszeitraum die Monate Jänner 2012 bis Mai 2012 betreffe und dass "alles andere" verjährt sei. Diese Diktion lässt nicht erkennen, dass er damit eine Verjährungseinrede gegen die sich aus dem beschwerdegegenständlichen Zeitraum ergebenden Beitragsforderungen erhoben hätte. Selbst wenn sich dieser Passus auf den beschwerdegegenständlichen Zeitraum beziehen würde, wäre einer Verjährungseinrede schon deshalb kein Erfolg beschieden, da eine Verjährung auf Grund der verjährungsunterbrechenden Wirkung der Insolvenzverfahren nicht eintreten konnte (VwGH vom 03.04.2001, Zl. 2000/08/0076). Darüber hinaus kann die belangte Behörde die Haftung erst zu einem Zeitpunkt geltend machen, während dem ein Ausfall vorliegt. Eine etwaige Feststellungsverjährung hätte daher frühestens mit der Aufhebung des Anschlusskonkursverfahrens zu Zl. XXXX des Landesgerichtes XXXX zu laufen beginnen können. Auch übersieht der BF, dass die mit 02.03.2017 erfolgte Einleitung des Haftungsprüfungsverfahrens erneut einen Unterbrechungstatbestand bewirkte. Aus den angeführten Gründen konnte Verjährung daher nicht eintreten.

3.3.2. Der BF war von 03.04.2007 bis einschließlich 16.03.2016 - sohin auch im Zeitpunkt der Eröffnung des Anschlusskonkursverfahrens zu Zl. XXXX i des Landesgerichtes XXXX - allein zur Vertretung der Gesellschaft befugter handelsrechtlicher Geschäftsführer. Am 16.03.2016 wurde die von ihm innegehabte und auch ausgeübte Funktion des handelsrechtlichen Geschäftsführers im Firmenbuch des HG XXXX gelöscht.

Zwar kommt dem Firmenbuchstand die Vermutung der Echtheit und Richtigkeit zu, doch können die daraus erfließenden Informationen durch den Beweis des Gegenteils widerlegt werden. Die Beweisführung obliegt diesbezüglich dem BF.

Im gegenständliche Beschwerdeverfahren hat der BF angegeben, von der Gründung bis zur Auflösung der Gesellschaft als deren handelsrechtlicher Geschäftsführer allein vertretungsbefugt gewesen zu sein [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 07.05.2018, S. 3]. Damit steht fest, dass er diese Funktion auch in der Zeit der von ihm beantragten Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Primärschuldnerin innehatte.

Die belangte Behörde konnte daher im angefochtenen Bescheid zu Recht davon ausgehen, dass der BF im Zeitraum Jänner 2012 bis Mai 2012 die Funktion des handelsrechtlichen Geschäftsführers der Firma der Primärschuldnerin innehatte und er schon auf Grund dieser Funktion für die (zeitgerechte) Abfuhr der Sozialversicherungsbeiträge im genannten Zeitraum verantwortlich war.

Aus den angeführten Gründen begegnet es daher keinen Bedenken, wenn die belangte Behörde den BF in Anspruch genommen hat.

3.3.3. Die maßgebliche Haftungsgrundlage des handelsrechtlichen Geschäftsführers für uneinbringliche Sozialversicherungsbeiträge ergibt sich aus den Bestimmungen des § 67 Abs. 10 iVm. § 58 Abs. 5 und § 83 ASVG.

Gemäß § 58 Abs. 5 ASVG in der Fassung nach der Novelle BGBl. I Nr. 62/2010 haben die Vertreterinnen und Vertreter juristischer Personen, die gesetzlichen Vertreterinnen und Vertreter natürlicher Personen und die Vermögensverwalterinnen und Vermögensverwalter (§ 80 BAO) alle Pflichten und Rechte zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind diese auch befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Beiträge jeweils bei Fälligkeit aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Die Novellierung dieser Gesetzesbestimmung führte zu einer Reaktivierung der Vertreterhaftung des § 67 Abs. 10 AVG unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung.

Gemäß § 67 Abs. 10 ASVG haften die zur Vertretung juristischer Personen oder Personenhandelsgesellschaften (offene Gesellschaft, Kommanditgesellschaft) berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen im Rahmen ihrer Vertretungsmacht neben den durch sie vertretenen Beitragsschuldnern für die von diesen zu entrichtenden Beiträge insoweit, als die Beiträge infolge schuldhafter Verletzung der von den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können. Vermögensverwalter haften, soweit ihre Verwaltung reicht, entsprechend.

Die für den beschwerdegegenständlichen Zeitraum geltende Bestimmung des § 67 ASVG, BGBl. Nr. 189/1955 idF. BGBl. Nr. 58/2010, lautete wörtlich wie folgt:

"Haftung für Beitragsschuldigkeiten

§ 67. (1) Wenn mehrere Dienstgeber im Einvernehmen dieselbe Person, wenn auch gegen gesondertes Entgelt, in einer die Pflichtversicherung begründenden Weise beschäftigen, haften sie zur ungeteilten Hand für die Beiträge, denen das Gesamtentgelt zugrunde zu legen ist.

(2) Dienstgeber, die auf gemeinsame Rechnung einen Betrieb führen, haften zur ungeteilten Hand für die anlässlich dieser Betriebsführung auflaufenden Beiträge, gleichviel, ob sie die Arbeiten nach einem einheitlichen Plan gemeinsam durchführen (Mitunternehmer) oder ob jeder von ihnen einen bestimmten Teil der gesamten Arbeiten selbständig durchführt (Teilunternehmer).

(3) Fällt einem anderen als dem Dienstgeber die wirtschaftliche Gefahr des Betriebes (der Verwaltung, des Haushaltes, der Tätigkeit) oder der erzielte Gewinn vorwiegend zu, so haften beide zur ungeteilten Hand für die fällig gewordenen Beiträge.

(4) Wird ein Betrieb übereignet, so haftet der Erwerber für Beiträge, die sein Vorgänger zu zahlen gehabt hätte, unbeschadet der fortdauernden Haftung des Vorgängers sowie der Haftung des Betriebsnachfolgers nach § 1409 ABGB unter Bedachtnahme auf § 1409a ABGB und der Haftung des Erwerbers nach § 38 des Unternehmensgesetzbuches (UGB), dRGBl. S. 219/1897, für die Zeit von höchstens zwölf Monaten vom Tag des Erwerbes zurückgerechnet. Im Fall einer Anfrage beim Versicherungsträger haftet er jedoch nur mit dem Betrag, der ihm als Rückstand ausgewiesen worden ist.

(5) Abs. 4 gilt nicht bei einem Erwerb im Zuge eines Vollstreckungsverfahrens, bei einem Erwerb aus einer Insolvenzmasse oder im Wege der Überwachung der SchuldnerInnen durch TreuhänderInnen der GläubigerInnen.

(6) Geht der Betrieb auf

1. einen Angehörigen des Betriebsvorgängers gemäß Abs. 7,

2. eine am Betrieb des Vorgängers wesentlich beteiligte Person gemäß Abs. 8 oder

3. eine Person mit wesentlichem Einfluss auf die Geschäftsführung des Betriebsvorgängers (z.B. Geschäftsführer, leitender Angestellter, Prokurist),

über, so haftet dieser Betriebsnachfolger ohne Rücksicht auf das dem Betriebsübergang zugrunde liegende Rechtsgeschäft wie ein Erwerber gemäß Abs. 4, solange er nicht nachweist, daß er die Beitragsschulden nicht kannte bzw. trotz seiner Stellung im Betrieb des Vorgängers nicht kennen konnte.

(7) Angehörige gemäß Abs. 6 Z 1 sind:

1. der Ehegatte/die Ehegattin oder der/die eingetragene PartnerIn;

2. die Verwandten in gerader Linie und die Verwandten zweiten und dritten Grades in der Seitenlinie, und zwar auch dann, wenn die Verwandtschaft auf einer unehelichen Geburt beruht;

3. die Verschwägerten in gerader Linie und die Verschwägerten zweiten Grades in der Seitenlinie, und zwar auch dann, wenn die Schwägerschaft auf einer unehelichen Geburt beruht;

4. die Wahl(Pflege)eltern und die Wahl(Pflege)kinder;

5. der Lebensgefährte;

6. unbeschadet der Z 2 die im § 32 Abs. 2 der Insolvenzordnung genannten Personen.

(8) Eine Person ist an einem Betrieb wesentlich beteiligt, wenn sie zu mehr als einem Viertel Anteil am Betriebskapital hat. Bei der Beurteilung des Anteiles am Betriebskapital ist der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes maßgebend. Die §§ 22 bis 24 der Bundesabgabenordnung sind sinngemäß anzuwenden.

(9) Stehen Wirtschaftsgüter, die einem Betrieb dienen, nicht im Eigentum des Betriebsinhabers, sondern im Eigentum einer der im Abs. 6 Z 2 bzw. 3 genannten Personen, so haftet der Eigentümer der Wirtschaftsgüter mit diesen Gütern für die Beiträge, solange er nicht nachweist, daß er die Beitragsschulden nicht kannte bzw. trotz seiner Stellung im Betrieb nicht kennen konnte.

(10) Die zur Vertretung juristischer Personen oder Personenhandelsgesellschaften (offene Gesellschaft, Kommanditgesellschaft) berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen haften im Rahmen ihrer Vertretungsmacht neben den durch sie vertretenen Beitragsschuldnern für die von diesen zu entrichtenden Beiträge insoweit, als die Beiträge infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können. Vermögensverwalter haften, soweit ihre Verwaltung reicht, entsprechend."

3.3.4. Mit den von im Beschwerdeverfahren vorgelegten Unterlagen ist es dem BF nicht gelungen, eine Gleichbehandlung aller Gläubiger der Primärschuldnerin rechnerisch nachzuweisen, was allenfalls eine haftungsbefreiende Wirkung haben könnte. Aus seinen im Rahmen seiner vor dem BVwG stattgehabten PV gemachten Angaben ergibt sich unmissverständlich, dass der für die Abführung der von der Primärschuldnerin zu entrichtenden Sozialversicherungsbeiträge verantwortliche BF zumindest seit dem Jahresende 2011 bis zur Eröffnung des Sanierungsverfahrens beim LG XXXX zu Zl.XXXX Forderungen der Gläubiger nach Dringlichkeit bediente. Sein Krisenmanagement als handelsrechtlicher Geschäftsführer der BF bestand im Wesentlichen darin, die Zulieferer der Primärschuldnerin und die für sie tätig gewesenen Subfirmen telefonisch um Zahlungsaufschub zu ersuchen. Andererseits wurden als dringlich eingestufte Forderungen, wie etwa jene von Quartiergebern der Dienstnehmer der Primärschuldnerin, unverzüglich und vollständig bezahlt [PV des BF1 in Verhandlungsniederschrift vom 07.05.2018, S. 7ff].

Es liegt am jeweiligen Vertreter einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, darzutun, weshalb er nicht dafür Sorge tragen konnte, dass die Gesellschaft die anfallenden Beiträge rechtzeitig entrichtet. Reichen die Mittel zur Befriedigung sämtlicher Gläubiger nicht aus, hat er darzutun, dass er den Sozialversicherungsträger bei der Verfügung über die vorhandenen Mittel nicht benachteiligt hat. In diesem Zusammenhang hat nicht die Behörde das Ausreichen der Mittel zur Entrichtung der Beiträge nachzuweisen, sondern der zur Haftung herangezogene Geschäftsführer das Fehlen ausreichender Mittel. Außerdem hat er darzutun, dass er die öffentlich-rechtliche Forderung bei der Verfügung über die vorhandenen Mittel nicht benachteiligt hat. Kommt der Vertreter seiner Darlegungspflicht nicht nach, so kann angenommen werden, dass er die ihm obliegenden Pflichten nicht erfüllt hat (Derntl in Sonntag, ASVG, 6. Aufl., Rz. 80i zu § 67 mwN).

Die Erfüllung der Gleichbehandlungspflicht lässt sich einerseits über die Mitteltheorie, andererseits über die Zahlungstheorie überprüfen. Die Mitteltheorie stellt darauf ab, dass die Sozialversicherungsbeiträge, gemessen an den zur Verfügung stehenden Mitteln, gleichbehandelt werden. Danach ist der Vertreter verpflichtet, die zur Verfügung stehenden Mittel nicht zurückzuhalten, sondern sogleich entweder anteilig auf alle Gläubiger zu verteilen, oder den auf die Sozialversicherungsbeiträge entfallenden Anteilen zu "liquidieren". Hingegen kommt es bei der Zahlungstheorie darauf an, dass die Sozialversicherungsbeiträge, gemessen an den auf andere Forderungen tatsächlich geleisteten Zahlungen, gleich zu behandeln sind. In seiner Spruchpraxis hat sich der Verwaltungsgerichtshof für die Anwendung der Zahlungstheorie entschieden (siehe dazu Derntl in Sonntag, ASVG, 6. Aufl., Rz. 80f zu § 67). Der Nachweis für die Gleichbehandlung aller Gläubiger ist durch den Geschäftsführer der GmbH mit der Erbringung des rechnerischen Entlastungsnachweises zu führen.

Die Gleichbehandlungsprüfung nach § 67 Abs. 10 ASVG besteht im Wesentlichen darin, dass die Verbindlichkeiten gegenüber den übrigen Gläubigern der GmbH und die darauf geleisteten Zahlungen den Verbindlichkeiten gegenüber dem Sozialversicherungsträger und den darauf geleisteten Zahlungen einander gegenüber zu stellen sind und daraus eine Über- bzw. Unterbedeckung der Forderung des Sozialversicherungsträgers rechnerisch nachzuweisen ist.

Abgesehen davon ist für die Haftung nach § 67 Abs. 10 ASVG nicht entscheidungswesentlich, ob den Geschäftsführer einer GmbH in der Eigenschaft als Dienstgeberin ein Verschulden an der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft trifft und ob er auf Grund der Insolvenz selbst einen Schaden erlitt, weil nicht das Verschulden an und der Schaden aus der Insolvenz ins Gewicht fallen, sondern das Verschulden an der nicht ordnungsgemäßen (rechtzeitigen) Beitragsentrichtung vor der Insolvenzeröffnung (siehe dazu VwGH vom 30.05.1989, Zl. 89/14/0043). Es ist somit nicht die Schuldlosigkeit des Vertreters an den schlechten wirtschaftlichen Verhältnissen der GmbH von Relevanz, sondern die Gleichbehandlung der Sozialversicherungsbeiträge mit den anderen Verbindlichkeiten in Bezug auf ihre Bezahlung (siehe dazu Derntl in Sonntag, ASVG, 6. Aufl., Rz. 80c zu § 67).

Mit dem vom BF im Beschwerdeverfahren geführte rechnerische Nachweis konnte er weder die Berechnungen der belangten Behörde in Zweifel ziehen, noch ist ihm damit der Beweis der Gleichbehandlung der Beitragsforderung der belangten Behörde mit den Forderungen der übrigen Gläubiger der Primärschuldnerin gelungen.

Dies und der Umstand, dass die belangte Behörde im Insolvenzverfahren der Primärschuldnerin Beitragsforderungen in nicht festgestellter Höhe anmeldete, steht der Annahme einer allfälligen Gleichbehandlung aller Gläubiger entgegen.

3.3.5. Bei der Ermittlung des Haftungsbetrages sind nur fällige Verbindlichkeiten zu berücksichtigen. Dabei ist zu beachten, dass der Haftungsbetrag immer anhand des historischen Rückstandes zu berechnen ist. Dabei sind die fälligen und rückständigen Beiträge im Beurteilungszeitraum gleich zu behandeln. Durch die Gleichbehandlung werden vorangegangene Beiträge, die für die Beurteilung der Gleichbehandlung relevant sind, beglichen.

Demnach ermittelt sich der Haftungsbetrag wie folgt:

Summe Forderungsanmeldung

€ 44.449,87

Summe Forderungsanmeldung für den Haftungszeitraum abzüglich Quote

€ 40.004,88

IESF für den Haftungszeitraum

€ 14.401,76

Haftungsbetrag Gleichbehandlung

€ 18.292,51

Haftungsbetrag abzüglich Quote (10%)

€ 16.463,26

IESG für den Haftungszeitraum

€ 14.401,76

Noch offen und unberichtigt aushaftender Forderungsbetrag

€ 2.061,51

3.4. Aus den angeführten Gründen war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Spruchpunkt B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Schlagworte

Abgabestelle, Beschwerdevorentscheidung, Geschäftsführer,
Gleichbehandlung, Haftung, Nachweismangel, Uneinbringlichkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:G305.2181633.1.00

Zuletzt aktualisiert am

01.02.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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