TE Bvwg Erkenntnis 2018/10/11 I414 1421901-2

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Veröffentlicht am 11.10.2018
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Entscheidungsdatum

11.10.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §58 Abs1
AsylG 2005 §58 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
EMRK Art.2
EMRK Art.3
EMRK Art.8
FPG §46
FPG §50 Abs1
FPG §50 Abs2
FPG §52 Abs1 Z1
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1
FPG §55 Abs2
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I414 1421901-2/12E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Christian EGGER als Einzelrichter über die Beschwerde von EXXXX, Staatsangehörigkeit Nigeria, vertreten durch RA Edward W. DAIGNEAULT, Lerchenfelder Gürtel 45/11, 1160 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.04.2018, Zl. XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 29.06.2018, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides lautet: "IV. Gemäß § 55 Abs 2 FPG beträgt die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung."

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer stellte nach illegaler Einreise am 04.06.2009 einen Antrag auf internationalen Schutz. Am 04.06.2009 erfolgte auch die Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Polizeiinspektion Traiskirchen, EASt, in Anwesenheit eines Dolmetschers der Sprache Englisch.

In der Erstbefragung sagte der Beschwerdeführer aus, er heiße XXXX geboren. Er sei Staatsangehöriger von Nigeria, gehöre der Volksgruppe der Ibo an und sei Christ. Er sei unverheiratet und stamme aus Enugu. Er habe zuletzt an einer näher bezeichneten Adresse in Delta State gewohnt. Seine Eltern und seine drei Geschwister seien verstorben. Er habe weder im Heimatland noch in Österreich Verwandte. Er habe 12 Jahre lang (1994 - 2006) die Schule besucht und sechs Jahre lang (2003 - 2009) als Fußballspieler bei einem näher bezeichneten Verein gearbeitet. Zu seinem Reiseweg gab der Beschwerdeführer an, er habe sein Heimatland ungefähr zwei Monate zuvor verlassen und sei über Benin, Libyen und Italien auf dem Land- und Seeweg über eine ihm nicht bekannte Route nach Österreich gelangt. Zu den Gründen für das Verlassen seines Heimatlandes gab der Beschwerdeführer an, er habe Angst um sein Leben. Es sei bereits zweimal auf ihn geschossen worden, wobei er eine Narbe am rechten Oberschenkel demonstrierte.

Am 20.08.2009 wurde der Beschwerdeführer vom Bundesasylamt, Außenstelle Traiskirchen, unter Beteiligung eines Dolmetschers in der Sprache Ibo niederschriftlich einvernommen, wobei er angab, es gehe ihm gut. Der Beschwerdeführer ergänzte, er habe zuletzt im Internat seiner Schule gewohnt und im Heimatland würden noch zwei Onkel in Abuja und Enugu leben. Zu seinen Fluchtgründen sagte der Beschwerdeführer im Wesentlichen aus, sein Vater sei Mitglied der PDP-Partei gewesen und habe bei den Wahlen 2003 an Wahlbetrug zu Gunsten des Gouverneurs CHIMAROKE mitgewirkt. Bei den Wahlen 2008 sei es zu einem Kampf zwischen den rivalisierenden Parteien PDP und ANPP gekommen. Bereits im Vorfeld sei der Vater des Beschwerdeführers bedroht und sein Haus in Warri angezündet worden. Nachdem der Kandidat der ANPP (OBIECHINA) die Wahl verloren habe, hätten seine Leute den Vater und den Bruder des Beschwerdeführers erschossen. Nachdem diese auch den Beschwerdeführer attackiert hätten, habe er das Land verlassen.

Am 13.10.2009 langte ein fachärztliches unfallchirurgisches Gutachten vom 07.10.2009 beim Bundesasylamt ein, welches zu dem Schluss kommt, dass die Narbe am Oberschenkel älter als vom Beschwerdeführer angegeben sein müsse und nicht von einer Schussverletzung herrühren könne.

Am 14.01.2010 wurde der Beschwerdeführer vom Bundesasylamt, Außenstelle Traiskirchen, unter Beteiligung eines Dolmetschers in der Sprache Englisch erneut niederschriftlich einvernommen, wobei er zu seinen Fluchtgründen ergänzte, OBIECHINA wolle sich rächen und die gesamte Familie des Beschwerdeführers ausrotten, da er wegen des Wahlbetrugs des Vaters des Beschwerdeführers die Wahl zum Gouverneur im Bundesstaat Enugu verloren habe.

Am 07.04.2011 erfolgte eine weitere Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesasylamt, Außenstelle Traiskirchen, unter Beteiligung eines Dolmetschers in der Sprache Ibo, wobei er aussagte, er habe Kontakt zu seinen beiden Cousins in Nigeria. Zu seinem Leben in Österreich sagte der Beschwerdeführer aus, er spiele manchmal Fußball und besuche die Kirche. Er habe eine slowakische Freundin, mit der er jedoch nicht zusammenlebe, und besuche einen Deutschkurs. Im Zuge der Einvernahme wurden dem Beschwerdeführer allgemeine Informationen zur Lage in Nigeria mitgeteilt.

Mit Schriftsatz vom 29.04.2011 übermittelte der Beschwerdeführer dem Bundesasylamt eine Stellungnahme, in der er erklärte, das medizinische Gutachten vom 07.10.2009 sei nicht schlüssig.

Mit (dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers am 22.09.2011 persönlich ausgefolgtem) Bescheid vom 16.09.2011, Zl. XXXX, wies das Bundesasylamt den Antrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005 (im Folgenden: AsylG 2005) "idgF" ab (Spruchpunkt I.). Weiters wies es den Antrag hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 leg. cit. ab (Spruchpunkt II.) und wies den Beschwerdeführer nach § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Nigeria aus (Spruchpunkt III.).

Gegen diesen Bescheid wurde rechtzeitig eine Beschwerde eingebracht, in der die Rechtswidrigkeit des Bescheidinhalts und die Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wurden. Der Beschwerdeführer brachte im Wesentlichen vor, das Bundesasylamt sei zu Unrecht von der Unglaubwürdigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers ausgegangen und das Gutachten sei unschlüssig.

Mit Urteil vom Landesgericht XXXX wurde der Beschwerdeführer wegen § 27 Abs. 1 Z 1 achter Fall und Abs. 3 SMG, § 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 9 Monaten, davon 3 Monate unbedingt rechtskräftig verurteilt.

Mit Bescheid vom 12.12.2012, Zl. XXXX, wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf Dauer von 10 Jahren befristetes Rückkehrverbot erlassen.

Am 09.01.2013 langten Kopien eines auf den Namen XXXX, von der nigerianischen Botschaft in Spanien ausgestellten Reisepasses und einer entsprechenden spanischen Aufenthaltsgenehmigung beim Bundesasylamt ein.

Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 26.05.2014, Zl. W161 1421901-1/9E wurde das Verfahren aufgrund unbekannten Aufenthalts eingestellt.

Am 14.08.2014 wurde das Verfahren fortgesetzt.

Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 28.11.2014, Zl. W158 1421901-1/14E wurde der Bescheid der belangten Behörde vom 16.09.2011 aufgehoben und die Angelegenheit wurde zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückgewiesen.

Mit 29.07.2016 wurde das Verfahren erneut aufgrund unbekannten Aufenthaltes eingestellt.

Am 19.04.2017 wurde das Verfahren fortgesetzt.

Mit Schreiben vom 17.01.2018 wurde die Landespolizeidirektion Wien ersucht zu erheben, ob der Beschwerdeführer an der im Melderegister verzeichneten Adresse wohnhaft ist oder bereits verzogen ist. Mit Bericht vom 11.02.2018 teilte die Landespolizeidirektion mit, dass eine Person an der Meldeadresse angetroffen und befragt wurde. Diese Person gab an, dass der Beschwerdeführer sein Freund sei und er von ihm den Wohnungsschlüssel erhalten habe, da der Beschwerdeführer im Jänner nach Nigeria auf Heimaturlaub gefahren sei und Ende März wieder zurückkehren würde. Der Freund gab des Weiteren an, dass der Beschwerdeführer an dieser Adresse wohnhaft sei.

Mit Schreiben vom 16.03.2018 wurde die Landespolizeidirektion Wien neuerlich ersucht eine Erhebung durchzuführen, hierbei wurde wiederum der Freund des Beschwerdeführers angetroffen und befragt. Diesmal gab er an, dass der Beschwerdeführer aufgrund eines Besuches in Salzburg vorübergehend nicht anzutreffen sei.

Mit gegenständlich bekämpften Bescheid vom 18.04.2018, Zl.XXXX, wurde der Antrag auf internationalen Schutz vom 04.06.2009 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), der Antrag bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Nigeria gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt II.). Dem Beschwerdeführer wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gegen ihn wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt III.). Es wurde keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt (Spruchpunkt IV.). Einer Beschwerde wurde die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.). Ferner wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf Dauer von 8 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VI.).

Mit Verfahrensanordnung vom 20.04.2018 wurde dem Beschwerdeführer der Verein Menschenrechte Österreich als Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Seite gestellt.

Mit fristgerecht eingebrachtem Schriftsatz erhob der Beschwerdeführer vertreten durch RA Edward W. DAIGNEAULT Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

Dabei wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass sich der Beschwerdeführer derzeit nicht in Österreich aufhalte. Mangels seines Aufenthaltes in Österreich wäre das Verfahren einzustellen und hätte nicht fortgesetzt werden dürfen. Zudem sei der Beschwerdeführer von der belangten Behörde nicht persönlich einvernommen worden.

Die Rückkehrentscheidung sei rechtswidrig, da nur gegen illegal aufhältige Personen eine Rückkehrentscheidung erlassen werden dürfe. Der Beschwerdeführer sei jedoch nicht in Österreich aufhältig und habe zudem ein Aufenthaltsrecht in Spanien. Seit 2012 bestehe gegen den Beschwerdeführer ein Rückkehrverbot, mit dem nunmehr achtjährigen Einreiseverbot würde er vierzehn Jahre nicht zum Aufenthalt in Österreich berechtigt sein.

Zum verhängten Einreiseverbot wurde zusammenfassend ausgeführt, dass der Beschwerdeführer wegen eines Drogendeliktes im Jahr 2012 verurteilt worden sei und er sei keinesfalls derart gefährlich, dass die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gerechtfertigt wäre.

Er habe ein Interesse auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung, weil er vielleicht wieder nach Österreich einreisen möchte.

Der Beschwerdeführer sei in seinem Recht auf Nichtfortsetzung des Asylverfahrens und im Recht auf persönliche Anhörung nach Art 14 Abs. 1 RL 2013/32/EU, im Recht auf Nichterlassung einer Rückkehrentscheidung beziehungsweise des Einreiseverbotes und im Recht auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung verletzt worden.

Mit Schriftsatz vom 23.05.2018, beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt am 24.05.2018, legte die belangte Behörde die Beschwerde samt Verwaltungsakt vor.

Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 29.05.2018, Zl. I414 1421901-2/4z wurde der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 29.05.2018 wurde der Beschwerdeführer aufgefordert den behaupteten aufrechten Aufenthaltstitel für Spanien vorzulegen.

Mit Schriftsatz vom 12.06.2018 teilte der Beschwerdeführer mit, dass er sich derzeit in der Justizanstalt XXXX befinde und deshalb könne er seinen Aufenthaltstitel nicht vorlegen.

Am 29.06.2018 wurde eine mündliche Verhandlung am Bundesverwaltungsgericht abgehalten. Gemeinsam mit der Ladung war dem Beschwerdeführer das Länderinformationsblatt zu Nigeria übermittelt worden.

Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX, wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach §§ 28a Abs. 1 fünfter Fall Suchtmittelgesetz (SMG), 15 Strafgesetzbuch (StGB) zu einer Freiheitsstrafe von 21 (einundzwanzig) Monaten, davon 14 (vierzehn) Monate bedingt, rechtskräftig verurteilt. Es wurde eine Probezeit von 3 (drei) Jahren festgesetzt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

Der im Verfahrensgang dargestellte Sachverhalt wird als erwiesen festgestellt. Zudem werden nachfolgende weitere Feststellungen getroffen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Beim Beschwerdeführer handelt es sich um einen männlichen, nigerianischen Staatsbürger, und somit um einen Drittstaatsangehörigen gemäß § 2 Abs. 4 Z 10 FPG.

Der Beschwerdeführer ist volljährig, gehört der Volksgruppe der I(g)bo an und bekennt sich zum christlichen Glauben.

Der Beschwerdeführer spricht I(g)bo und Englisch.

Der Beschwerdeführer leidet weder an er lebensbedrohlichen Krankheit noch ist er längerfristig pflege- oder rehabilitationsbedürftig.

Der Beschwerdeführer ist arbeitsfähig.

Der Beschwerdeführer hat in Nigeria mehrere Jahre die Schule besucht und anschließend hat er eine Ausbildung zum Maschinenbautechniker besucht, welche er jedoch abgebrochen hat.

Der Beschwerdeführer reiste spätestens am 04.06.2009 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Im Rahmen einer polizeilichen Kontrolle im Jahr 2013 konnte der nigerianischer Reisepass des Beschwerdeführers, PassNr. XXXX, ausgestellt von der nigerianischen Botschaft in Spanien, sichergestellt werden.

Ebenfalls konnte bei dieser Kontrolle ein spanischer Aufenthaltstitel, Zl. XXXX, gültig bis zum 18.01.2016, sichergestellt werden.

Die Identität des Beschwerdeführers steht fest.

Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 26.05.2014, Zl. W161 1421901-1/9E wurde das Verfahren aufgrund des unbekannten Aufenthaltes des Beschwerdeführers eingestellt.

Am 14.08.2014 wurde das Verfahren fortgesetzt.

Am 29.07.2016 wurde das Verfahren aufgrund unbekannten Aufenthaltes des Beschwerdeführers erneut eingestellt und am 19.04.2017 wurde das Verfahren fortgesetzt.

Der Beschwerdeführer befand sich zwischen den Jahren 2017 und 2018 mehrere Monate im Ausland.

Der Beschwerdeführer war in der Zeit zwischen dem 08.01.2014 bis 09.04.2015 und dem 12.09.2015 bis 18.04.2017 nicht mit einem Hauptwohnsitz gemeldet.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer mit Frau XXXX verheiratet ist.

Die Lebensgefährtin des Beschwerdeführers, Frau Monica HARSANYI, lebte nie in Österreich. Sie lebte in Spanien und anschließend in Rumänien. Derzeit bemüht sich die Lebensgefährtin des Beschwerdeführers um eine Arbeitsstelle in Großbritannien. Zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung befand sich seine Lebensgefährtin in Liverpool.

Nicht festgestellt werden kann, dass der Beschwerdeführer Vater eines Sohnes ist.

In Österreich verfügt der Beschwerdeführer über keine familiären Anknüpfungspunkte oder maßgebliche private Beziehungen, es leben keine Familienangehörigen oder Verwandten des Beschwerdeführers in Österreich.

Der Beschwerdeführer hat weder einen Deutschkurs absolviert noch eine Deutschprüfung abgelegt. Er ist derzeit kein Mitglied eines Vereines oder sonstigen integrationsbegründenden Institution. Es konnten daher keine maßgeblichen Anhaltspunkte für die Annahme einer hinreichenden Integration des Beschwerdeführers in Österreich in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht festgestellt werden.

Der Beschwerdeführer wurde im Jahre 2012 vom Landesgericht XXXX wegen des Vergehens des teilweise vollendeten und teilweise versuchten unerlaubten Umganges mit Suchtgiften verurteilt. Diese Verurteilung ist getilgt.

Der Beschwerdeführer weist nachfolgende gerichtliche Verurteilung auf:

Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX, wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach §§ 28a Abs. 1 fünfter Fall Suchtmittelgesetz (SMG), 15 Strafgesetzbuch (StGB) zu einer Freiheitsstrafe von 21 (einundzwanzig) Monaten, davon 14 (vierzehn) Monate bedingt, rechtskräftig verurteilt. Es wurde eine Probezeit von 3 (drei) Jahren festgesetzt.

Der Beschwerdeführer befindet sich seit dem 30.05.2018 in der Justizanstalt Wien- Josefstadt.

1.2. Zu den Fluchtmotiven und der individuellen Rückkehrsituation des Beschwerdeführers:

Es kann in Bezug auf das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers nicht festgestellt werden, dass dieser in Nigeria einer persönlichen Verfolgung aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung ausgesetzt war.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in Nigeria einer konkreten gegen seine Person gerichteten Verfolgung ausgesetzt war. Mangels Glaubwürdigkeit kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer sein Herkunftsland aufgrund asylrelevanter Verfolgung verlassen bzw. eine solche im Falle der Rückkehr zu befürchten hat.

Es kann auch aus den sonstigen Umständen keine asylrelevante Verfolgung iSd Gründe der GFK festgestellt werden.

Der Beschwerdeführer wird im Fall seiner Rückkehr nach Nigeria mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner asylrelevanten Verfolgung und keiner wie auch immer gearteten existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein.

Es existieren keine Umstände, welche einer Abschiebung aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich entgegenstünden. Der Beschwerdeführer verfügt über keine sonstige Aufenthaltsberechtigung. Es spricht nichts dafür, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria eine Verletzung von Art. 2, Art. 3 oder auch der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention nach sich ziehen würde. Der Beschwerdeführer ist auch nicht von willkürlicher Gewalt infolge eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts bedroht.

1.3. Zu den Feststellungen zur Lage in Nigeria und zur Situation im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers:

Hinsichtlich der aktuellen Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers wurden in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 29.06.2018 die aktuellen Länderfeststellungen und die im Rahmen der Ladung übermittelte, erläutert und dem Beschwerdeführer die Möglichkeit zur Stellungnahme gewährt. Diesbezüglich gab der Beschwerdeführer an, dass er keine Zeit gehabt habe sich das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Nigeria durchzulesen. ("BF: Ich hatte viel Stress und hatte keine Zeit es zu lesen."). Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den Länderberichten erfolgte auch im Beschwerdeschriftsatz vom 18.05.2018 nicht.

Zur aktuellen Lage in Nigeria wird auf die zur Ladung der mündlichen Verhandlung übermittelten Länderberichte (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Nigeria) verwiesen, aus welchen sich auszugsweise Folgendes ergibt:

Nigeria ist in 36 Bundesstaaten und einen Bundeshauptstadtbezirk sowie 774 Local Government Areas (LGA/Bezirke) untergliedert. Die Bundesstaaten werden von direkt gewählten Gouverneuren regiert (AA 21.11.2016; vgl. AA 4.2017a; vgl. GIZ 7.2017a). Die Bundesstaaten verfügen auch über direkt gewählte Parlamente (AA 4.2017a).

Nigeria verfügt über ein Mehrparteiensystem. Die Verfassung vom 29.5.1999 enthält alle Attribute eines demokratischen Rechtsstaates (inkl. Grundrechtskatalog), und orientiert sich insgesamt am System der USA. Einem starken Präsidenten, der zugleich Oberbefehlshaber der Streitkräfte ist, und einem Vizepräsidenten stehen ein aus Senat und Repräsentantenhaus bestehendes Parlament und eine unabhängige Justiz gegenüber (AA 21.11.2016; vgl. AA 4.2017a). In der Verfassungswirklichkeit dominiert die Exekutive in Gestalt des direkt gewählten Präsidenten und die direkt gewählten Gouverneure. Der Kampf um politische Ämter wird mit großer Intensität und häufig auch mit undemokratischen, gewaltsamen Mitteln geführt. Polizei und Justiz werden ebenfalls vom Bund kontrolliert (AA 21.11.2016).

Die Parteienzugehörigkeit orientiert sich bei den meisten der ca. 50 kleineren Parteien an Führungspersonen. Loyalitäten gegenüber der eigenen ethnischen Gruppe bzw. gegenüber Personen gehen anderen Loyalitäten vor; entsprechend repräsentiert keine der Parteien eine eindeutige politische Richtung (AA 21.11.2016).

Die Wahlen von Präsident und Nationalversammlung 2015 und die seitdem stattgefundenen Wahlen der Gouverneur- und Landesparlamente in 31 von 36 Bundesstaaten haben die politische Landschaft in Nigeria grundlegend verändert. Die seit 2013 im All Progressives' Congress (APC) vereinigte Opposition gewann neben der Präsidentschaftswahl eine klare Mehrheit in beiden Häusern des Parlaments und regiert nun auch in 23 der 36 Bundesstaaten. Die seit 1999 dominierende People-s Democratic Party (PDP) musste zum ersten Mal in die Opposition und ist durch Streitigkeiten um die Parteiführung stark geschwächt. Lediglich in den südöstlichen Bundesstaaten des ölreichen Niger-Deltas konnte sie sich als Regierungspartei behaupten (AA 21.11.2016).

Bei den Präsidentschaftswahlen am 28.3.2015 besiegte der frühere Militärmachthaber und Kandidat der Opposition, Muhammadu Buhari, den bisherigen Amtsinhaber Goodluck Jonathan mit 54,9 Prozent der abgegebenen Stimmen. Bei diesen Wahlen, die von der internationalen Öffentlichkeit als beispielhaft für die Demokratie Afrikas gelobt wurden, kam es zum ersten Mal seit der Unabhängigkeit Nigerias zu einem demokratischen Machtwechsel (GIZ 7.2017a). Der APC gewann die Gouverneurswahlen in 20 von 29 Bundesstaaten. Er stellt in den 36 Bundesstaaten derzeit 24 Gouverneure, die PDP 11 und All Progress Grand Alliance (APGA) einen Gouverneur. Unter den 36 Gouverneuren ist weiterhin keine Frau. Die Wahlen vom März/April 2015 wurden sowohl in Nigeria als auch von internationalen Wahlbeobachtern trotz organisatorischer Mängel als im Großen und Ganzen frei und fair bezeichnet. Die Spitzenkandidaten Jonathan und Buhari hatten sich in einer Vereinbarung (Abuja Accord) zur Gewaltlosigkeit verpflichtet. Dies und die Tatsache, dass Präsident Jonathan seine Wahlniederlage sofort anerkannte, dürfte größere gewalttätige Auseinandersetzungen verhindert haben. Die Minister der Regierung Buhari wurden nach einem längeren Sondierungsprozess am 11.11.2015 vereidigt (AA 4.2017a).

Neben der modernen Staatsgewalt haben auch die traditionellen Führer immer noch einen nicht zu unterschätzenden, wenn auch weitgehend informellen Einfluss. Sie gelten als Kommunikationszentrum und moralische Instanz und können wichtige Vermittler in kommunalen und in religiös gefärbten Konflikten sein (AA 4.2017a).

Fast im ganzen Norden Nigerias ist das System der LGA kollabiert. Große Teile kamen unter Kontrolle von Milizen und lokalen "Strongmen", die den politischen und sozio-ökonomischen Raum ausfüllen. Dies führte zur Vertiefung lokaler und regionaler Missstände (BS 2016).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (21.11.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria

-

AA - Auswärtiges Amt (4.2017a): Nigeria - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Nigeria/Innenpolitik_node.html, Zugriff 6.7.2017

-

BS - Bertelsmann Stiftung (2016): BTI 2016 - Nigeria Country Report,

https://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2016/pdf/BTI_2016_Nigeria.pdf, Zugriff 6.7.2017

-

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (7.2017a): Nigeria - Geschichte und Staat, http://liportal.giz.de/nigeria/geschichte-staat.html, Zugriff 2.8.2017

Sicherheitslage

Es gibt in Nigeria keine klassischen Bürgerkriegsgebiete und keine Bürgerkriegsparteien (AA 21.11.2016). In drei Gebieten herrschen Unsicherheit und Spannungen: im Nordosten (islamistische Gruppe Boko Haram); im Middle Belt (v.a. im Bundesstaat Plateau); und im Nigerdelta (SBM 17.1.2017). Laut SBM Intel war Boko Haram im Jahr 2016 für 71 Vorfälle mit 1.240 Toten verantwortlich. Den Fulani-Hirten werden für das Jahr 2016 47 Vorfälle mit 1425 Toten zugeschrieben. Viehdiebstahl, welcher für viele Jahre an Bedeutung verloren hat, ist inzwischen für Hirten, die hauptsächlich von Fulani abstammen, ein Grund für Konflikte und Angriffe geworden. Bei zwölf Vorfällen von Viehdiebstahl sind 470 Menschen getötet worden. Die Ölkonflikte, die sich im Jahr 2016 im Nigerdelta zugetragen haben, haben sich auf die ölproduzierenden Bundesstaaten im Südwesten und Südosten verbreitet. Bei 32 Vorfällen wurden 97 Menschen getötet (SBM 17.1.2017).

Es besteht aufgrund wiederholter Angriffe und Sprengstoffanschläge militanter Gruppen (Boko Haram, Ansaru) derzeit ein sehr hohes Anschlagsrisiko insbesondere für Nord- und Nordostnigeria, einschließlich für die Hauptstadt Abuja. In mehreren Städten Nord- und Nordostnigerias finden immer wieder Gefechte zwischen Sicherheitskräften und militanten Gruppen statt. Angehörige der Sicherheitskräfte, Regierungsstellen, christliche Einrichtungen - aber auch Einrichtungen gemäßigter Moslems - sowie Märkte, Wohnviertel und internationale Organisationen sind Anschlagsziele der militanten Gruppen. Drohungen bestehen gegen moslemische Einrichtungen im Süden (BMEIA 24.7.2017).

Das deutsche Auswärtige Amt warnt vor Reisen in die nördlichen Bundesstaaten Borno, Yobe, Adamawa, Bauchi und Gombe. Darüber hinaus wird auch von nicht notwendigen Reisen in die übrigen Landesteile Nordnigerias abgeraten. Wegen des besonders hohen Entführungsrisikos wird außerdem von Reisen in die Bundesstaaten Delta, Bayelsa, Rivers, Imo (insb. Hauptstadt Owerri), Abia, Anambra, Ebonyi, Edo, Enugu, Delta, Kogi, den südlichen Teil von Cross Rivers, Ogun und Akwa Ibom abgeraten (AA 24.7.2017). Auch das österreichische Außenministerium warnt vor Reisen in die Bundesstaaten Borno, Yobe, Adamawa, Plateau sowie den südlichen Landesteil von Bauchi und Kano. Mit Gewaltausbrüchen in allen zwölf nördlichen Bundestaaten ist jederzeit zu rechnen (BMEIA 24.7.2017). Das britische Außenministerium warnt zusätzlich noch vor Reisen in die Flussgegenden der Bundesstaaten Delta, Bayelsa, Rivers, Akwa Ibom und Cross River States sowie an die Grenze zu Niger im Bundesstaat Zamfara (UKFCO 24.7.2017).

Das österreichische Außenministerium hat für folgende Bundesstaaten eine partielle Reisewarnung ausgesprochen: Abia, Akwa Ibom, Anambra, Bayelsa, Delta, Ebonyi, Edo, Ekiti, Enugu, Imo, Kaduna, Kano, Oyo, Ondo, Rivers, einschließlich Port Harcourt und die vorgelagerten Küstengewässer (BMEIA 24.7.2017). Das britische Außenministerium warnt vor unnötigen Reisen nach: Bauchi, Zamfara, Kano, Kaduna, Jigawa, Katsina, Kogi, Abia sowie an die Grenze zu Niger in Sokoto und Kebbi und die Trockengebiete von Delta, Bayelesa und Rivers (UKFCO 24.7.2017). In Nigeria können in allen Regionen meist kaum vorhersehbar lokale Konflikte aufbrechen. Ursachen und Anlässe dafür sind meist politischer, wirtschaftlicher, religiöser oder ethnischer Art. Meist sind diese Auseinandersetzungen von kurzer Dauer (wenige Tage) und örtlich begrenzt (meist nur einzelne Orte, in größeren Städten nur einzelne Stadtteile) (AA 24.7.2017).

In Lagos kommt es zu gewalttätigen Zusammenstößen zwischen verschiedenen Ethnien, politischen Gruppierungen aber auch zwischen Militär und Polizeikräften (BMEIA 24.7.2017) bzw. zu Problemen (u.a. Mobs, Plünderungen) durch die sogenannten "Area Boys". Der Einsatz von Schlägertruppen und privaten Milizen zur Erreichung politischer oder wirtschaftlicher Ziele ist weit verbreitet (AA 21.11.2016).

Gemäß den Zahlen des Council on Foreign Relations für die Zeitspanne Jänner 2016 bis Juni 2017 stechen folgende nigerianische Bundesstaaten mit einer hohen Anzahl an Toten durch Gewaltakte besonders hervor: Borno (3.097), Benue (754), Rivers (360), Zamfara (308) und Adamawa (201). Folgende Bundesstaaten stechen mit einer relativ niedrigen Zahl hervor: Jigawa (2), Gombe (3), Kebbi (7) und Sokoto (8) (CFR 2017). Laut OSAC besteht eine erhebliche terroristische Bedrohung vor allem in Nordnigeria. Boko Haram hat für die meisten terroristischen Aktivitäten die Verantwortung übernommen. In der gesamten Nigerdelta-Region greifen mehrere aufständische Gruppen gezielt die Infrastruktur und Mitarbeiter von internationalen Ölgesellschaften an. Viele Gebiete im südlichen Nigeria erleben aufgrund großer Armut, mangelnder Bildung, Jugendarbeitslosigkeit und bedeutender Inflation Unruhen verursacht durch Zivilisten (OSAC 4.7.2017).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (21.11.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria

-

AA - Auswärtiges Amt (24.7.2017): Nigeria - Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung), http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/NigeriaSicherheit.html, Zugriff 24.7.2017

-

BMEIA - Außenministerium (24.7.2017): Reiseinformationen - Nigeria,

http://www.bmeia.gv.at/aussenministerium/buergerservice/reiseinformation/a-z-laender/nigeria-de.html, Zugriff 24.7.2017

-

CFR - Council on Foreign Relations (2017): Nigeria Security Tracker, http://www.cfr.org/nigeria/nigeria-security-tracker/p29483, Zugriff 25.7.2017

-

OSAC - Overseas Security Advisory Council (4.7.2017): Nigeria 2017 Crime and Safety Report - Abuja, https://www.osac.gov/pages/ContentReportDetails.aspx?cid=21604, Zugriff 25.7.2017

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SBM - SBM Intel (7.1.2017): A Look at Nigeria's Security Situation,

http://sbmintel.com/wp-content/uploads/2016/03/201701_Security-report.pdf, Zugriff 24.7.2017

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UKFCO - United Kingdom Foreign and Commonwealth Office (24.7.2017): Foreign Travel Advice - Nigeria, https://www.gov.uk/foreign-travel-advice/nigeria, Zugriff 24.7.2017

Nigerdelta

Das Nigerdelta, welches die Bundesstaaten Ondo, Edo, Delta, Bayelsa, Rivers, Imo, Abia, Akwa Ibom und Cross River umfasst, sorgt mit seinen Öl- und Gasreserven für 95 Prozent der Exporterlöse Nigerias (DACH 2.2013; vgl. OP 22.6.2017).

Die Lage im Nigerdelta hat sich seit November 2016 wieder beruhigt, ist aber noch nicht vollständig stabil und bleibt volatil; die Bedrohung der dort angesiedelten Öl- und Gasförderung durch militante Gruppen und Piraten bleibt ein Risiko, ebenso wie die Verschlechterung der ökologischen Grundlagen der Region (AA 4.2017c). Es gab eine Reihe von Angriffen auf die Ölinfrastrukturen, so zum Beispiel übernahm im Mai 2016 die aufständische Gruppe Niger Delta Avengers die Verantwortung für mehrere Angriffe auf die Ölgiganten Chevron, Shell und Nigerian National Petroleum Company (N24 29.5.2016). Ende August 2016 gaben die Niger Delta Avengers bekannt, dass die Gruppe die Feindseligkeiten einstellt und zum Dialog mit der Regierung bereit sei (NW 30.8.2016). Die Delta Avengers haben mit ihren Angriffen aufgehört, um den Friedensgesprächen eine Chance zu geben. Allerdings hat sich eine neue Gruppe, die sich die "New Delta Avengers" nennen, gebildet (Reuters 14.6.2017; vgl. NW 29.6.2017). Der Vizepräsident, Yemi Osinbajo, hat dem Nigerdelta bereits mehrere Besuche abgestattet und sich dabei mit traditionellen Führern und lokalen Politikern getroffen, um die Lage zu besprechen (FT 9.4.2017).

Entführungen sind besonders häufig im Nigerdelta und in den südöstlichen Bundesstaaten Abia, Imo und Anambra. Politiker, Reiche und Ausländer waren die häufigsten Opfer (FH 1.2017).

Von 2000 bis 2010 agierten im Nigerdelta militante Gruppen, die den Anspruch erhoben, die Rechte der Deltabewohner zu verteidigen und die Forderungen auf Teilhabe an den Öleinnahmen auch mittels Gewalt gegenüber der Regierung durchzusetzen (AA 21.11.2016).

2009 gelang dem damaligen Präsidenten Yar'Adua mit dem Amnestieangebot für die Militanten im Niger-Delta eine Beruhigung des Konflikts. Unter Buhari lief das Programm am 15.12.2015 aus. Damit begannen wieder die Angriffe auf die Ölinfrastruktur und die Produktion brach ein. Die Regierung scheint vornehmlich auf eine militärische Lösung zu setzen (AA 21.11.2016). Mit dem Amnestieprogramm gingen Kriminalität und Gewalt im Süden zunächst merklich zurück. Allerdings steigen Kriminalität und Gewalt in letzter Zeit wieder an. Deshalb hat die Regierung Buhari im Februar 2016 beschlossen, das Ende 2015 ausgelaufene Amnestieprogramm um weitere zwei Jahre bis 2017 zu verlängern (AA 4.2017a).

Bei den bewaffneten Auseinandersetzungen im Nigerdelta handelt es sich sowohl um einen Konflikt zwischen regionalen militanten Gruppen und der Staatsgewalt, als auch um Rivalitäten zwischen den unterschiedlichen lokalen Gemeinschaften. Im ersten Fall stehen in der Regel finanzielle Interessen der bewaffneten Gruppen im Vordergrund, im zweiten Fall geht es um einen Verteilungskampf rivalisierender Gruppen. Abgelegene Gebiete im Nigerdelta sind bis heute teils unter Kontrolle von separatistischen und kriminellen Gruppen. Teile des unzugänglichen Gebiets stellen weiterhin einen weitgehend rechtsfreien Raum dar, in dem die Einflussmöglichkeiten staatlicher Ordnungskräfte begrenzt sind (AA 21.11.2016). Das UK Home Office berichtet, dass laut DefenceWeb eine Joint Task Force (JTF) 2013 eingerichtet wurde, um den Terrorismus und andere Bedrohungen im Nigerdelta zu bekämpfen (UKHO 8.2016a). Die JTF, auch Operation Pulo Shield genannt, wurde im Juni 2016 umstrukturiert und mit der neuen Operation Delta Safe ersetzt, damit die derzeitigen Sicherheitsprobleme im Nigerdelta angegangen werden können (PT 22.6.2016; vgl. auch NT 9.7.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (21.11.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria

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AA - Auswärtiges Amt (4.2017c): Nigeria - Wirtschaft, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Nigeria/Wirtschaft_node.html, Zugriff 26.7.2017

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AA - Auswärtiges Amt (4.2017a): Nigeria - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Nigeria/Innenpolitik_node.html, Zugriff 24.8.2016

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DACH - Asylkooperation Deutschland-Österreich-Schweiz (27.2.2013):

D-A-CH Fact-sheet zu Nigeria,

http://www.ecoi.net/file_upload/1729_1361973048_dach-nigeria-factsheet-gr-2013-02.doc, Zugriff 27.7.2017

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FH - Freedom House (1.2017): Freedom in the World 2017 - Nigeria, https://www.ecoi.net/local_link/341818/485138_de.html, Zugriff 26.7.2017

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FT - Financial Times (9.4.2017): Talks help crude and peace flow in the Niger Delta,

https://www.ft.com/content/8fc6b24c-152a-11e7-80f4-13e067d5072c, Zugriff 26.7.2017

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N24 - News 24 (29.5.2016): Buhari to keep Delta amnesty programme, http://www.news24.com/Africa/News/buhari-to-keep-delta-amnesty-programme-20160529-2, Zugriff 26.7.2017

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NT - Nigerian Tribune (9.7.2016): Operation Delta Safe gets new Coordinator,

http://tribuneonlineng.com/operation-delta-safe-gets-new-coordinator/, Zugriff 26.7.2017

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NW - Newsweek (29.6.2017): Nigeria Oil: Militants Will 'Give Peace a Chance' and Stop Attacks in Niger Delta, http://www.newsweek.com/nigeria-oil-yemi-osinbajo-niger-delta-629964, Zugriff 26.7.2017

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NW - Newsweek (30.8.2016): Niger Delta Avengers say 'Hostilities ceased' against Nigerian Government, http://europe.newsweek.com/niger-delta-avengers-say-hostilities-ceased-against-nigerian-government-494387?rm=eu, Zugriff 2.8.2017

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OP - Oilprice.com (22.6.2017): Once Again, Tensions Are Rising In Nigeria's Oil Sector,

http://oilprice.com/Energy/Crude-Oil/Once-Again-Tensions-Are-Rising-In-Nigerias-Oil-Sector.html, Zugriff 25.7.2017

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PT - Premium Times (22.6.2016): Nigerian military scraps Niger Delta 'Operation Pulo Shield',

http://www.premiumtimesng.com/news/top-news/205761-nigerian-military-scraps-niger-delta-operation-pulo-shield.html, Zugriff 26.7.2017

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Reuters (14.6.2017): Nigeria Oil: Militants Will 'Give Peace a Chance' and Stop Attacks in Niger Delta, http://www.reuters.com/article/nigeria-security-avengers-idUSL8N1J94QB, Zugriff 26.7.2017

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UKHO - UK Home Office (8.2016a): Country Information and Guidance Nigeria: Background information, including actors of protection, and internal relocation,

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1471849541_cig-nigeria-background-v2-0-august-2016.pdf, Zugriff 26.7.2017

Middle Belt inkl. Jos/Plateau

Die ethnischen Gegensätze in Nigeria werden durch religiös-konfessionelle Trennlinien verstärkt, die aufgrund historischer Entwicklungen und moderner Binnenmigration viel komplizierter verlaufen, als es das vereinfachte Bild einer Nord-Süd-Teilung Nigerias in einen überwiegend muslimischen Norden und einen stärker christlich geprägten Süden nahelegt. Immer wieder kommt es zu lokalen Konflikten zwischen einzelnen ethnischen, sozialen und religiösen Gruppen, wie insbesondere zwischen Hirten und Bauern in Zentralnigeria (AA 4.2017a). Während diese Gewalt gewöhnlich nicht als religiöser Konflikt beginnt, nimmt es häufig religiöse Untertöne an und wird so von vielen Beteiligten als religiöser Konflikt wahrgenommen (USCIRF 26.4.2017). Bei derartiger Gewalt liegt der Ursprung gewöhnlich jedoch darin, dass in einem sehr heterogenen und ethnisch vielfältigen Teil Nigerias eine Gruppe die Kontrolle des Staatsapparates gegenüber einer anderen Gruppe beansprucht (KAS 12.7.2013; vgl. WWR 20.3.2015, IRIN 13.6.2017). Die Gründe, die für die Gewalt genannt werden, sind unter anderem Landstreitigkeiten, da Hirten Weideland für ihre Rinder suchen; bewaffnete Hirten, die sich vor Viehdiebstahl schützen wollen; und Fulani, die im Süden von Kaduna Rache für 500 Muslime, die bei Gewalt nach den Wahlen getötet wurden, ausüben (USCIRF 26.4.2017).

Obwohl kommunale Auseinandersetzungen in nahezu allen Regionen des Landes vorkommen, sind Intensität und Opfer in der Region des "Middle Belt? gravierender. Dies gilt v.a. für die Bundesstaaten Kaduna und Plateau, wo zahllose Menschen, vornehmlich Frauen und Kinder, auf brutalste Weise ermordet werden (KAS 12.7.2013; vgl. WWR 20.3.2015). Der Middle Belt bildet eine Brücke zwischen dem vorwiegend muslimischen Nordnigeria und dem hauptsächlich christlichen Süden. Die Region wird von kleinen christlichen Ethnien dominiert, die eine lange Tradition des Widerstandes gegen die muslimischen Ethnien aus dem Norden haben. Die Spannungen im Middle Belt sind mit dem Problem der "Indigenität" verbunden: Jeder Bundesstaat und jede LGA in Nigeria unterteilt seine Bevölkerung in "indigene" und "nicht-indigene" Bürger, oder "Einheimische" und "Siedler". Im Middle Belt genießen vorwiegend die o.g. kleinen christlichen Ethnien den Status der Indigenen, während die muslimischen Hausa und Fulani als Siedler eingestuft werden (DACH 2.2013; vgl. WWR 20.3.2015; IRIN 13.6.2017).

In Nigeria leben 18 Millionen Fulani, die auch Fulbe oder Peul genannt werden. 98 Prozent der Fulani sind muslimisch (CWI 6.2016). Die Fulani haben seit Jahrhunderten in einem großen Bereich Westafrikas ihre Rinderherden weiden lassen, doch sind sie dem wachsenden Druck ausgesetzt sich niederzulassen. Viele von ihnen haben es auch bereits getan. Da die Umweltbedingungen sich in der Sahelzone verschlechtern, sind die Fulani-Hirten gezwungen, auf der Suche nach neuen Weidegebieten langsam Richtung Süden und Westen zu wandern. Dies führt zu Konkurrenz und somit auch zu Kämpfen zwischen den Hirten und den Bauern um die natürlichen Ressourcen (CWI 6.2016; vgl. IRIN 27.7.2017).

Die wiederkehrende Gewalt zwischen den überwiegend christlichen Bauern und überwiegend muslimischen nomadischen Hirten ist im Jahr 2016 und Anfang 2017 angestiegen und hat zu hunderten von Toten und Zerstörungen von Kirchen geführt. Solche Angriffe wurden für Kaduna, Plateau, Bauchi, Taraba und Benue vermeldet. So wurden im März 2016 in Agatu Local Government Area, Benue zwischen 100-300 Menschen getötet und laut Berichten zufolge mindestens sechs Dörfer zerstört (USCIRF 26.4.2017). Eine andere Quelle spricht von über 500 Toten. Insgesamt sind im Jahr 2016 bei 59 Vorfällen 1.895 Menschen getötet worden (SBM 7.1.2017).

Die Regierung hat es lange nicht geschafft auf diese Gewalt adäquat zu reagieren. Die Bundespolizei wird selten eingesetzt, geschweige denn rechtzeitig. Die Regierung hat Polizei und Militär ins südliche Kaduna entsandt, um die Gewalt dort in den Griff zu bekommen. Jedoch gibt es Berichte, dass die Truppen sich nur bei den Hauptstraßen aufhielten und nicht weiter in die ländlichen Gebiete, wo es auch zu Gewalt kommt, vorgedrungen sind (USCIRF 26.4.2017).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (4.2017a): Nigeria - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Nigeria/Innenpolitik_node.html, Zugriff 26.7.2017

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CWI - 21st Century Wilberforce Initiative (6.2016): Nigeria, Fractured and Forgotten, Discrimination And Violence Along Religious Fault Lines,

http://www.standwithnigeria.org/wp-content/uploads/2016/06/NIgeria-Fractured-and-Forgotten.pdf, Zugriff 27.7.2017

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DACH - Asylkooperation Deutschland-Österreich-Schweiz (27.2.2013):

D-A-CH Factsheet zu Nigeria,

http://www.ecoi.net/file_upload/1729_1361973048_dach-nigeria-factsheet-gr-2013-02.doc, Zugriff 27.7.2017

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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