TE Bvwg Erkenntnis 2018/11/13 G313 2198218-3

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Veröffentlicht am 13.11.2018
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Entscheidungsdatum

13.11.2018

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art.133 Abs4
FPG §76

Spruch

G313 2198218-3/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Birgit WALDNER-BEDITS über die Beschwerde des XXXX, geb.XXXX, StA.:

Tunesien, gegen die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung in der mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.06.2018, Zl.XXXX, angeordneten Schubhaft zu Recht erkannt:

A)

Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Mit dem oben im Spruch angeführten Mandatsbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA oder belangte Behörde), Regionaldirektion Niederösterreich, von 06.06.2018, wurde über den BF gemäß. § 76 Abs. 2 Z 1 FPG die Schubhaft zum Zweck der Sicherung der Abschiebung angeordnet.

2. Am 12.11.2018 langte beim Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) der Verwaltungsakt zur Schubhaftprüfung nach § 22a Abs. 4 BFA-VG ein. Mit "Aktenvorlage" wurde das BVwG ersucht, festzustellen, dass zum Zeitpunkt gegenständlicher Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechthaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der BF ist Staatsangehöriger von Tunesien.

1.2. Er stellte am 03.12.2015 beim BFA einen ersten Antrag auf internationalen Schutz. Dieser Asylantrag wurde mit Bescheid des BFA vom 14.10.2016 als unbegründet abgewiesen, wobei gegen den BF auch eine Rückkehrentscheidung erlassen und seine Abschiebung nach Tunesien für zulässig erklärt wurde.

Im November 2016 wurde der BF wegen versuchten gewerbsmäßigen schweren Diebstahls, Widerstands gegen die Staatsgewalt, Entfremdung unbarer Zahlungsmittel und Urkundenunterdrückung zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten, davon sechs Monate Freiheitsstrafe bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren, verurteilt.

Der zweite Asylantrag des BF vom 20.04.2017 wurde wegen bereits entschiedener Sache zurückgewiesen. Gleichzeitig wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung erlassen und die Abschiebung des BF nach Tunesien für zulässig erklärt. Nach Erhebung einer Beschwerde dagegen - auch gegen die Entscheidung, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt werde - wurde diese Entscheidung am 08.09.2017 durchsetzbar.

1.3. Der BF hat sein Quartier, in welches er dann untergebracht worden war, am 14.02.2018 verlassen und ist in die Schweiz gereist. Dort versuchte er durch die Angabe anderer Daten seine Verfahrensidentität zu verschleiern, woraufhin er am 05.06.2018 wieder nach Österreich rücküberstellt wurde.

1.4. Der BF wurde auf behördliche Anordnung am 05.06.2018 im Bundesgebiet festgenommen und in ein Schubhaftzentrum gebracht. Mit Verfahrensanordnungen vom 06.06.2018 wurde dem BF ein Rechtsberater für ein allfälliges Beschwerdeverfahren und eine Organisation, die ihn über die Perspektiven einer freiwilligen Rückkehr während und nach Abschluss des Verfahrens beraten und unterstützen könne, zur Seite gestellt.

1.5. Mit Bescheid des BFA vom 06.06.2018 wurde zwecks Sicherung seiner Abschiebung über den BF die Schubhaft angeordnet. Die Beschwerde dagegen wurde mit Erkenntnis des BVwG vom 19.06.2018 als unbegründet abgewiesen.

1.6. Am 06.06.2018 um 16:20 Uhr wurde der BF von seiner Verwaltungsverwahrungshaft, in welcher er sich seit 05.06.2018, 10:50 Uhr, befunden hat, in Schubhaft genommen.

1.7. Am 07.06.2018 beantragte die belangte Behörde bei der tunesischen Botschaft die Ausstellung eines Heimreisezertifikates. Am 12.09.2018 langte die Zustimmung der tunesischen Botschaft bei der belangten Behörde ein, dass ein solches ausgestellt werde.

1.8. Am 22.09.2018 wurde seitens der belangten Behörde ein Flug für die am 22.12.2018 geplante Abschiebung des BF gebucht, wobei zeitlich berücksichtigt wurde, dass die Ausstellung eines Heimreisezertifikates durch die tunesische Botschaft drei bis vier Monate dauere.

1.9. Mit Schreiben des BFA vom 25.09.2018 wurde dem BVwG der Verwaltungsakt zur Schubhaftprüfung vorgelegt. Im Zuge einer mündlichen Verhandlung vor dem BVwG am 28.09.2018 wurde im Rahmen eines mündlich verkündeten Erkenntnisses festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist.

1.10. Mit Schreiben des BFA vom 10.11.2018, samt Verwaltungsakt eingelangt beim BVwG am 12.11.2018, wurde das BVwG neuerlich ersucht, festzustellen, dass zum Zeitpunkt gegenständlicher Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechthaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist.

1.11. Der BF hat im Bundesgebiet keine Familienangehörigen, keine sonstigen sozialen Anknüpfungspunkte, keinen ordentlichen Wohnsitz und keine hinreichenden Barmittel zur Bestreitung seines Unterhaltes. Er ist im Bundesgebiet auch nie einer legalen Beschäftigung nachgegangen.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Der oben unter I. angeführte Verfahrensgang und die in II. getroffenen Feststellungen ergeben sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes, Zl. 2198218-3, des Verwaltungsaktes des Vorverfahrens, Zl. 2198218-2, und des vorliegenden Gerichtsaktes des BVwG.

2.2. Die Identität des BF steht seit am 12.09.2018 bei der belangten Behörde eingelangten Zustimmung der tunesischen Botschaft, für den BF ein Heimreimsezertifikat auszustellen, fest.

2.3. Dass der BF am 06.06.2018 um 16:20 Uhr von seiner Verwaltungsverwahrungshaft, in welcher er sich seit 05.06.2018, 10:50 Uhr, befunden hat, in Schubhaft genommen wurde, ergibt sich aus einem dem Verwaltungsakt einliegenden "Referentenauskunft Portal" des Bundesministeriums für Inneres.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit:

Der mit "Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft" betitelte § 22a des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012, lautet:

§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig."

Das BVwG ist nach § 22a Abs. 1 Z 3 BFA-VG für die Entscheidung der gegenständlichen Beschwerde zuständig. Mit Vorlage des Verwaltungsaktes beim BVwG am 12.11.2018 gilt die gegenständliche Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das BVwG hat nunmehr festzustellen, ob zum Zeitpunkt der gegenständlichen Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist.

3.2. Der mit "Schubhaft" betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG),

lautet:

"§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur dann angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder der Abschiebung notwendig ist und sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

2. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß."

Als "Fluchtgefahr" nach Art. 2 lit. n Dublin-VO gilt das Vorliegen von Gründen im Einzelfall, die auf objektiven - vom nationalen Gesetzgeber - gesetzlich festgelegten Kriterien beruhen und zur Annahme Anlass geben, dass sich ein Antragsteller, ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser, gegen den ein Überstellungsverfahren läuft, diesem Verfahren möglicherweise durch Flucht entziehen könnte. Die in diesem Sinne gesetzlich festgelegten Kriterien des Vorliegens von Fluchtgefahr finden sich in § 76 Abs. 3

FPG.

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist oder wenn die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-VO vorliegen (§ 76 Abs. 2 FPG). Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der - aktuelle - Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).

Der mit "Dauer der Schubhaft" betitelte § 80 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG),

lautet:

"§ 80. (1) Das Bundesamt ist verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Die Schubhaft darf so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.

(2) Die Schubhaftdauer darf, vorbehaltlich des Abs. 5 und der Dublin-Verordnung, grundsätzlich

1. drei Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen mündigen Minderjährigen angeordnet wird;

2. sechs Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen Fremden, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, angeordnet wird und kein Fall der Abs. 3 und 4 vorliegt.

(3) Darf ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil über einen Antrag gemäß § 51 noch nicht rechtskräftig entschieden ist, kann die Schubhaft bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftiger Entscheidung, insgesamt jedoch nicht länger als sechs Monate aufrecht erhalten werden.

(4) Kann ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil

1. die Feststellung seiner Identität und der Staatsangehörigkeit, insbesondere zum Zweck der Erlangung eines Ersatzreisedokumentes, nicht möglich ist,

2. eine für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht vorliegt,

3. der Fremde die Abschiebung dadurch vereitelt, dass er sich der Zwangsgewalt (§ 13) widersetzt, oder

4. die Abschiebung dadurch, dass der Fremde sich bereits einmal dem Verfahren entzogen oder ein Abschiebungshindernis auf sonstige Weise zu vertreten hat, gefährdet erscheint,

kann die Schubhaft wegen desselben Sachverhalts abweichend von Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 höchstens 18 Monate aufrechterhalten werden.

(...)."

3.2.2. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich:

Der BF ist Drittstaatsangehöriger im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 10 FPG und hält sich unrechtmäßig im österreichischen Bundesgebiet auf, weshalb über ihn mit Bescheid der belangten Behörde vom 06.06.2018 die Schubhaft verhängt wurde.

Im gegenständlichen Fall wurde der BF, nachdem die Zurückweisungsentscheidung über seinen zweiten in Österreich gestellten Asylantrages vom 20.04.2017 am 08.09.2017 durchsetzbar geworden war, in einem bestimmten Quartier untergebracht. Der BF hat dieses Quartier am 14.02.2018 verlassen und ist in die Schweiz gereist, wo er durch Angabe anderer Daten seine österreichische Verfahrensidentität zu verschleiern versuchte, woraufhin nach der Dublin III-Verordnung der BF nach Österreich rücküberstellt wurde.

Im gegenständlichen Fall besteht jedenfalls Fluchtgefahr iSv § 76 Abs. 3 Z. 1 und 3 FPG, rechtfertigt doch das bisherige Verhalten des BF - nach durchsetzbar gewordener aufenthaltsbeendender Maßnahme in die Schweiz gereist zu sein und dort versucht zu haben, seine Verfahrensidentität zu verschleiern, um einer Abschiebung zu entgehen - jedenfalls die Annahme, dass sich der BF der nunmehr für 22.12.2018 geplanten Abschiebung entziehen wird.

Gemäß § 76 Abs. 2 Z. 1 FPG darf die Schubhaft nur dann angeordnet werden, wenn dies - unter anderem - zur Sicherung der Abschiebung notwendig ist und sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist.

Da der BF im Bundesgebiet keinen ordentlichen Wohnsitz und keine familiären oder sonstigen sozialen Anknüpfungspunkte hat, besteht erhöhte Gefahr des Untertauchens des BF, und damit ein konkreter Sicherungsbedarf. Zum gegenständlichen Entscheidungszeitpunkt liegen somit die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vor.

Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid im Ergebnis zu Recht dargelegt, dass im vorliegenden Fall der erforderliche Sicherungszweck nicht durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG erreicht werden kann. Weder verfügt der BF über ausreichende finanzielle Mittel für die Hinterlegung einer angemessenen Sicherheit, noch war davon auszugehen, dass er sich in irgendeiner Weise den Behörden für die beabsichtigte Abschiebung jedenfalls aus freien Stücken zur Verfügung halten würde.

Da § 76 Abs. 2a FPG vorschreibt, dass im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen ist, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt, ist im gegenständlichen Fall aufgrund der strafrechtlichen Verurteilung des BF im Bundesgebiet von November 2016 wegen versuchten gewerbsmäßigen schweren Diebstahls, Widerstands gegen die Staatsgewalt, Entfremdung unbarer Zahlungsmittel und Urkundenunterdrückung zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten, davon sechs Monate bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren, jedenfalls von einem starken Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung des BF auszugehen.

Die nach § 80 FPG höchstzulässige Dauer der Schubhaft des BF, für den in absehbarer Zeit ein Heimreisezertifikat vorliegen wird, wurde doch von der tunesischen Botschaft bereits am 12.09.2018 gegenüber der belangten Behörde die Ausstellung eines solchen zugesichert, wurde zudem nicht überschritten.

Die Aufrechterhaltung der Schubhaft ist somit jedenfalls auch verhältnismäßig.

Die fortgesetzte Anhaltung des BF in Schubhaft ist daher gerechtfertigt.

Über die ab Aktenvorlage beim BVwG am 12.11.2018 nach § 22a Abs. 4 FPG zu wertende Beschwerde des BF war daher spruchgemäß zu entscheiden.

3.4. Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Der Verfassungsgerichtshof hat (in Bezug auf § 41 Abs. 7 AsylG 2005 in der Fassung bis 31.12.2013) unter Berücksichtigung des Art. 47 iVm. Art. 52 der Grundrechte-Charta der Europäischen Union (im Folgenden: GRC) ausgesprochen, dass das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung in Fällen, in denen der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde erklärt erscheint oder sich aus den Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen tatsachenwidrig ist, im Einklang mit Art. 47 Abs. 2 GRC steht, wenn zuvor bereits ein Verwaltungsverfahren stattgefunden hat, in dessen Rahmen Parteiengehör gewährt wurde. Hat die beschwerdeführende Partei hingegen bestimmte Umstände oder Fragen bereits vor der belangten Behörde releviert oder sind solche erst nachträglich bekannt geworden, ist die Durchführung einer mündlichen Verhandlung erforderlich, wenn die von der beschwerdeführenden Partei bereits im Verwaltungsverfahren oder in der Beschwerde aufgeworfenen Fragen - allenfalls mit ergänzenden Erhebungen - nicht aus den Verwaltungsakten beantwortet werden können, und insbesondere, wenn der Sachverhalt zu ergänzen oder die Beweiswürdigung mangelhaft ist (VfGH 14.03.2012, U 466/11-18, U 1836/11-13).

Fest steht, dass auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu keinem anderen Ergebnis führen würde.

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt war aus der Aktenlage klar ersichtlich, weshalb gemäß § 21 Abs. 7 BFA VG eine mündliche Verhandlung unterbleiben konnte.

3.5. Zu Spruchpunkt B. (Unzulässigkeit der Revision):

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem BVwG hervorgekommen.

Schlagworte

Abschiebung, Fluchtgefahr, freiwillige Ausreise, öffentliche
Interessen, Schubhaft, Schubhaftbeschwerde, Sicherungsbedarf,
Verhältnismäßigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:G313.2198218.3.00

Zuletzt aktualisiert am

01.02.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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