TE Bvwg Beschluss 2018/11/19 G306 2203686-1

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Veröffentlicht am 19.11.2018
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Entscheidungsdatum

19.11.2018

Norm

AsylG 2005 §57
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs3 Satz2

Spruch

G306 2203686-1/5E

Beschluss

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dietmar MAURER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX, geb. am XXXX, StA.: Mazedonien; alias staatenlos, rechtlich vertreten durch RA Dr. Astrid WAGNER, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, vom 24.02.2016, Zl. XXXX, beschlossen:

A) In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid zur Gänze

a u f g e h o b e n und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl

z u r ü c k v e r w i e s e n .

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt

Der Beschwerdeführer (BF) wurde am 23.05.2018 letztmalig vom Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) niederschriftlich einvernommen.

Mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid des BFA, Regionaldirektion Wien, dem BF durch Hinterlegung zugestellt am 19.07.2018, wurde der Antrag auf internationalen Schutz vom 03.08.2015 gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen, dem BF kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG erteilt, gegen den BF gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen, gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung nach Mazedonien zulässig ist, gemäß § 55 Abs. 1a FPG wurde zur keine Frist für die freiwillige Ausreise eingeräumt sowie gegen den BF gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG ein Einreiseverbot in der Dauer von 8 Jahren erlassen.

Der BF ist seit dem 28.03.2013 mit Hauptwohnsitz im Bundesgebiet behördlich gemeldet. Der BF war zuvor vom 08.09.2005 - 02.07.2007 mit Hauptwohnsitz im Bundesgebiet gemeldet.

Der BF stellte offensichtlich bereits 2005 einen Antrag auf internationalen Schutz (geht aus dem Akteninhalt nicht hervor. Belangte Behörde schreibt im Bescheid auf Seite 2 " - Sie haben 2005, 14.03.2013 einen Asylantrag gestellt". Der gestellte Antrag vom 14.03.2013 wurde abgewiesen und wurde dem BF auch kein subsidiärer Schutz eingeräumt. Dieser Bescheid erwuchs mit 21.05.2013 in Rechtskraft.

Der BF weist im Bundesgebiet zwei strafrechtliche Verurteilungen auf. Erste Verurteilung Landesgericht XXXX vom XXXX.2006, XXXX.2006 rk zu einer Freiheitsstrafe von 17 Monaten wobei 16 Monate bedingt nachgesehen wurden. Die zweite Verurteilung beruht vom XXXX.2018, XXXX.2018 rk, wegen § 28a Abs. 1 5. Fall SMG, § 28 Abs. 1 2. Fall SMG wobei der BF zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten, 11 Monate bedingt unter Setzung einer Probezeit von 3 Jahren, nachgesehen wurden.

Der BF befand sich in der Zeit vom XXXX.2017 - XXXX.2018 in Untersuchungs- bzw. Strafhaft und wurde am XXXX.2018 bedingt aus dieser entlassen.

Mit per Mail am 16.08.2018 beim BFA eingebrachtem Schreiben, erhob der BF mittels seiner Rechtsvertreters Beschwerde gegen den oben genannten Bescheid an das Bundesverwaltungsgericht (BVwG). Darin wurde neben der Anberaumung einer mündlichen Verhandlung, die Behebung des Bescheides sowie in eventu die Zurückverweisung der Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an die belangte Behörde, beantragt.

Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 17.08.2018 vom BFA vorgelegt.

Das BFA gab zur Beschwerdevorlage Stellungnahme ab.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

Der relevante Sachverhalt ergibt sich aus den unter Punkt I. getroffenen Ausführungen.

2. Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt steht aufgrund der außer Zweifel stehenden und von den Parteien nicht beanstandeten Aktenlage fest.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 9 Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, und § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFAVG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA.

Da sich die gegenständliche - zulässige und rechtzeitige - Beschwerde gegen einen Bescheid des BFA richtet, ist das Bundesverwaltungsgericht für die Entscheidung zuständig.

Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr 33/2013 idgF, geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem, dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß §§ 16 Abs. 6 und 18 Abs. 7 BFAVG sind die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anwendbar.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Zu Spruchteil A):

Zur Zurückverweisung:

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art 130 Abs. 1 Z 1 B-VG (Anmerkung: sog. Bescheidbeschwerden) dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht (Z 1) oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (Z 2).

Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 leg cit. nicht vorliegen, im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1

B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Vor dem Hintergrund der soeben zitierten Bestimmung hatte die gegenständliche Entscheidung in Beschlussform zu ergehen.

Das Modell der Aufhebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG, setzt im Unterschied dazu aber nicht auch die Notwendigkeit der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung voraus. Insoweit erscheinen auch die von der höchstgerichtlichen Judikatur -soweit sie nicht die Notwendigkeit der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung betrifft- anwendbar, weshalb unter Bedachtnahme der genannten Einschränkungen die im Erk. des VwGH vom 16.12.2009, GZ. 2007/20/0482 dargelegten Grundsätze gelten. Mängel abseits jener der Sachverhaltsfeststellung legitimieren das Gericht nicht zur Behebung aufgrund § 28 Abs. 3, 2. Satz (Erk. d. VwGH vom 19.11.2009, 2008/07/0167; vgl. auch Fischer/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013), Anm. 11 zu § 28 VwGVG). Der VwGH hat nun zusammengefasst in ständiger Rechtsprechung betont, dass eine umfangreiche und detaillierte Erhebung des für die Entscheidung jeweils maßgebenden Sachverhaltes durch das Bundesasylamt als Asylbehörde erster und nunmehr auch letzter administrativbehördlicher Instanz durchzuführen ist.

Eine Zurückweisung der Sache gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt daher insbesondere dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (vgl. VwGH 26.06.2014, Zl. Ro 2014/03/0063).

Gemäß § 60 AVG sind in der Begründung eines Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Die Begründung eines Bescheides bedeutet die Bekanntgabe der Erwägungen, aus denen die Behörde zur Überzeugung gelangt ist, dass ein bestimmter Sachverhalt vorliegt und dass damit der Tatbestand einer bestimmten Rechtsnorm verwirklicht ist. Die Begründung eines Bescheides hat Klarheit über die tatsächlichen Annahmen der Behörde und ihre rechtlichen Erwägungen zu schaffen. In sachverhaltsmäßiger Hinsicht hat sie daher alle jene Feststellungen in konkretisierter Form zu enthalten, die zur Subsumierung dieses Sachverhaltes unter die von der Behörde herangezogene Norm erforderlich sind. Denn nur so ist es möglich, den Bescheid auf seine Rechtsrichtigkeit zu überprüfen (VwGH 23.11.1993, Zl. 93/04/0156; 13.10.1991, Zl. 90/09/0186; 28.07.1994, Zl. 90/07/0029).

Wie sich aus den folgenden Erwägungen ergibt, ist dies in der gegenständlichen Rechtssache vom Bundesamt jedoch in qualifizierter Weise unterlassen worden.

Der Beschwerde ist insofern Recht zu geben, wenn diese die unterlassenen Ermittlungsschritte und die unzureichende Begründung des angefochtenen Bescheides moniert.

Der bekämpfte Bescheid weist so viele Ungereimtheiten auf, dass es kaum möglich ist diesem zu Folgen. Im Spruchpunkt I. des Bescheides wird angeführt, dass der Antrag auf internationalen Schutz vom 03.08.2015 wegen entschiedener Sache zurückgewiesen wird. In der Beschwerde wird angeführt, dass der BF zu diesem Zeitpunkt gar keinen Antrag gestellt hat. In der abgegebenen Stellungnahme des BFA, welche der Beschwerdeeinbringung beigelegt wurde, wird nun angeführt, dass es sich beim Datum im Spruch um einen Schreibfehler handle und dass richtiger weise, der Asylantrag am 07.10.2013 gestellt worden sei. Tatsächlich stellte der BF am 07.10.2013 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz und benötigte die belangte Behörde für die Entscheidung, dass der Antrag wegen entschiedener Sache zurückzuweisen ist, ganze 5 Jahre. Ein Berichtigungsbescheid betreffend dem tatsächlichen Antragsdatum ist seitens des BFA nie ergangen.

Der BF wurde am XXXX.2018 von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes niederschriftliche befragt (Erstbefragung nach dem AsylG). Der BF wurde am 29.10.2013 vom damaligen Bundesasylamt niederschriftlich einvernommen. Der BF gab an, dass er Beweismittel hinsichtlich seines Vorbringens habe, nämlich Zeugen die er auch namhaft machen kann. Der BF übergab der belangten Behörde ein Blatt mit 9 angeführten Namen (Akt Seite 77). Der BF wurde vom Bundesasylamt neuerlich am 18.12.2013 niederschriftlich einvernommen ( insgesamt 1 Seite). Der BF legt bei dieser Einvernahme eine Bestätigung der Republik Mazedonien - Botschaft Wien - vor, indem bestätigt wird, dass der BF kein Staatsbürger der Republik Mazedonien sei. Der BF wird am 03.11.2016 nunmehr erstmalig vom BFA zum Asylverfahren niederschriftlich einvernommen (3 Jahre später). Letztmalig wurde der BF am 23.05.2018 vom BFA niederschriftlich einvernommen ( wiederum 2 1/2 Jahre später). BF gibt nun an, dass ein Freund von ihm vor ca. drei Monaten ermordet worden wäre. Der BF gibt abermals 4 Namen bekannt, welche für den Mord verantwortliche wären bzw. die es auch auf ihn abgesehen haben. Des Weiteren legte der BF weitere Beweismittel vor - nicht in Deutscher Sprache - (Akt Seite 315 - 330). Ob sich die belangte Behörde mit diesen Vorlagen beschäftigte geht aus dem Bescheid nicht hervor. Da das Schreiben keiner Übersetzung zugeführt wurden ist davon auszugehen, dass die belangte Behörde dieser keiner Bedeutung und Würdigung zukommen ließ.

Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, wenn die Behörde nicht Anlass zu einer Verfügung gemäß § 68 Abs. 2 bis 4 AVG findet. Diesem ausdrücklichen Begehren auf Abänderung steht ein Ansuchen gleich, das bezweckt, eine Sache erneut inhaltlich zu behandeln, die bereits rechtskräftig entschieden ist (VwGH 30.9.1994, 94/08/0183; 30.5.1995, 93/08/0207; 9.9.1999, 97/21/0913; 7.6.2000, 99/01/0321).

"Entschiedene Sache" iSd § 68 Abs. 1 AVG liegt vor, wenn sich gegenüber dem Vorbescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt (VwGH 9.9.1999, 97/21/0913; 27.9.2000, 98/12/0057; 25.4.2002, 2000/07/0235). Einem zweiten Asylantrag, der sich auf einen vor Beendigung des Verfahrens über den ersten Asylantrag verwirklichten Sachverhalt stützt, steht die Rechtskraft des Vorbescheides entgegen (VwGH 10.6.1998, 96/20/0266).

Aus § 68 AVG ergibt sich, dass Bescheide mit Eintritt ihrer Unanfechtbarkeit auch prinzipiell unwiderrufbar werden, sofern nichts anderes ausdrücklich normiert ist. Über die mit einem rechtswirksamen Bescheid erledigte Sache darf nicht neuerlich entschieden werden. Nur eine wesentliche Änderung des Sachverhaltes - nicht bloß von Nebenumständen - kann zu einer neuerlichen Entscheidung führen (vgl. z.B. VwGH 27.09.2000, 98/12/0057). Wie der VwGH in seinem Erkenntnis vom 25.04.2007, 2004/20/0100, ausführte, ist eine neue Sachentscheidung, wie sich aus § 69 Abs. 1 Z 2 AVG ergibt, auch im Fall desselben Begehrens aufgrund von Tatsachen und Beweismitteln, die schon vor Abschluss des vorangegangenen Verfahrens bestanden haben, ausgeschlossen, sodass einem Asylfolgeantrag, der sich auf einen vor Beendigung des Verfahrens über den ersten Asylantrag verwirklichten Sachverhalt stützt, die Rechtskraft des über den Erstantrag absprechenden Bescheides entgegensteht (VwGH 10.06.1998, 96/20/0266; 15.10. 1999, 96/21/0097).

Darüber hinaus muss die behauptete Sachverhaltsänderung zumindest einen glaubhaften Kern aufweisen, dem Asylrelevanz zukommt und an den eine positive Entscheidungsprognose anknüpfen kann (VwGH 22.12.2005, 2005/20/0556; 26.07.2005, 2005/20/0343, mwN). Nimmt man daher eine positive Entscheidungsprognose an, d.h. könnten die behaupteten neuen Tatsachen - gemessen an der dem Bescheid der Erstinstanz im Erstverfahren zu Grunde liegenden Rechtsanschauung - zu einem anderen Verfahrensergebnis führen, so bedürfte es einer die gesamten bisherigen Ermittlungsergebnisse (gegebenenfalls unter Berücksichtigung von Urkunden) einbeziehenden Auseinandersetzung mit ihrer Glaubwürdigkeit (vgl. VwGH 16.02.2006, 2006/19/0380; 29. 11.2005, 2005/20/0365; 22.11.2005, 2005/01/0626; 19.7.2001, 99/20/0418). Das Bundesasylamt hat sich insoweit bereits bei der Prüfung der Zulässigkeit des Asylantrages mit der Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers oder mit der Beweiskraft von Urkunden auseinander zu setzen. Ergeben die Ermittlungen der Behörde, dass eine Sachverhaltsänderung, die eine andere Beurteilung nicht von vornherein ausgeschlossen sein ließe, entgegen den Behauptungen der Partei in Wahrheit nicht eingetreten ist, so ist der Asylantrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückzuweisen (vgl. VwGH 24.02.2000, 99/20/0173, mwN.).

Bei der Prüfung der Identität der Sache ist von dem rechtskräftigen Vorbescheid auszugehen, ohne die sachliche Richtigkeit desselben - nochmals - zu überprüfen. Die Rechtskraftwirkung besteht gerade darin, dass die von der Behörde einmal untersuchte und entschiedene Sache nicht neuerlich untersucht und entschieden werden darf (VwGH 25.04.2002, 2000/07/0235; 15.10.1999, 96/21/0097). Der Begriff "Identität der Sache" muss in erster Linie aus einer rechtlichen Betrachtungsweise heraus beurteilt werden, was bedeutet, dass den behaupteten geänderten Umständen Entscheidungsrelevanz zukommen muss (VwGH 25.04.2002, 2000/07/0235). Nur eine solche Änderung des Sachverhaltes kann zu einer neuen Sachentscheidung führen, die für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluss zulässt, dass nunmehr bei Bedachtnahme auf die damals als maßgebend erachteten Erwägungen eine andere Beurteilung jener Umstände, die seinerzeit den Grund für die Abweisung des Parteibegehrens gebildet haben, nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann (vgl. VwGH 09.09.1999, 97/21/0913). Die Prüfung der Zulässigkeit eines neuerlichen Antrages wegen geänderten Sachverhaltes darf ausschließlich anhand jener Gründe erfolgen, die von der Partei in erster Instanz zur Begründung ihres Begehrens geltend gemacht worden sind. In der Berufung gegen den Zurückweisungsbescheid können derartige Gründe nicht neu vorgetragen werden (VwGH 04.04.2001, 98/09/0041; 25.04.2002, 2000/07/0235). Dies bezieht sich auf Sachverhaltsänderungen, welche in der Sphäre des Antragstellers gelegen sind. Allgemein bekannte Tatsachen sind dagegen jedenfalls auch von Amts wegen zu berücksichtigen (VwGH 29.06.2000, 99/01/0400; 07.06.2000, 99/01/0321).

Wird die seinerzeitige Verfolgungsbehauptung aufrechterhalten und bezieht sich der Asylwerber auf sie, so liegt nicht ein wesentlich geänderter Sachverhalt vor, sondern es wird der Sachverhalt bekräftigt (bzw. sein "Fortbestehen und Weiterwirken" behauptet; vgl. VwGH 20.03.2003, 99/20/0480), über den bereits rechtskräftig abgesprochen worden ist. Mit dem zweiten Asylantrag wird daher im Ergebnis die erneute sachliche Behandlung einer bereits rechtskräftig entschiedenen Sache bezweckt (vgl. VwGH 7.6.2000, 99/01/0321).

"Sache" des Rechtsmittelverfahrens ist nur die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung, die Rechtsmittelbehörde darf demnach nur darüber entscheiden, ob die Vorinstanz den Antrag zu Recht zurückgewiesen hat oder nicht. Sie hat daher entweder - falls entschiedene Sache vorliegt - das Rechtsmittel abzuweisen oder - falls dies nicht zutrifft - den bekämpften Bescheid ersatzlos zu beheben, dies mit der Konsequenz, dass die erstinstanzliche Behörde, gebunden an die Auffassung der Rechtsmittelbehörde, den Antrag nicht neuerlich wegen entschiedener Sache zurückweisen darf. Die Rechtsmittelbehörde darf aber über den Antrag nicht selbst meritorisch entscheiden (VwGH 30.10.1991, 91/09/0069; 30.05.1995, 93/08/0207). "Sache" des vorliegenden Beschwerdeverfahrens iSd § 66 Abs. 4 AVG ist somit nur die Frage, ob das Bundesasylamt zu Recht den neuerlichen Asylantrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen hat.

Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens ist somit nur die Frage, ob das BFA zu Recht den neuerlichen Asylantrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen hat.

Das BFA führt im angefochtenen Bescheid aus, dass der BF seit der ersten Antragsstellung keinen weiteren asylrelevanten Grund oder einen neu entstandenen Sachverhalt vorgebracht habe. Die belangte Behörde führt in ihrer Beweiswürdigung jedoch nicht an, wie sie zu diesem Entschluss kam. Sie geht mit keinem Wort auf die neu in Vorlage gebrachten Beweismittel (Namen von den vermeintlichen Mördern sowie das in Vorlage gebrachte - nicht in deutscher Sprache - vorgelegte Schreiben) des BF ein.

Die belangte Behörde ging somit davon aus, dass der BF keine neunen Verfolgungsgründe vorgebracht habe, die eine neuerliche inhaltliche Prüfung rechtfertigen würden.

Es wäre aber Aufgabe des BFA gewesen, diese in Fremdsprache eingebrachten Schriftstücke übersetzen zu lassen, sich mit diesem neuen Vorbringen auseinanderzusetzen und zu prüfen, ob es einen tatsächlichen Zusammenhang mit der, vom BF angeführten, neuerlichen Fluchtgründe gibt. Des Weitern hat die Behörde dem Vorbringen und die auch in Vorlage gebrachten Namen der vermeintlichen Täter bzw. Verfolger Beachtung geschenkt und ist mit keinem Wort auf diese eingegangen.

Im derzeitigen Stadium des Verfahrens kann somit nicht gesagt werden, dass sich der wesentliche Sachverhalt gegenüber dem Vorbescheid nicht geändert habe zumal seit der Antragstellung vom 07.10.2013 mittlerweile mehr als 5 Jahre vergangen sind !!!. Daher liegt "entschiedene Sache" nicht vor. Die Zurückweisung des Antrages mit dieser Begründung steht mit dem Gesetz nicht im Einklang.

Die belangte Behörde hat aber auch jegliche Ermittlungstätigkeit hinsichtlich des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) unterlassen und lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt bzw. bloß ansatzweise ermittelt was die Erlassung der Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot anbelangt. Es wurde keine Ermittlungsschritte getätigt aus denen ersichtlich wäre, dass sich die belangte Behörde mit dem Privat und Familienleben des BF genügend auseinandergesetzt hätte. Der BF befindet sich seit 5 1/2 Jahren durchgängig im Bundesgebiet.

Auch bei der Stellung der für jedes Einreiseverbot zu treffenden Gefährlichkeitsprognose - gleiches gilt auch für ein Aufenthaltsverbot oder Rückkehrverbot - ist das Gesamt(fehl)verhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die in § 53 Abs. 2 FrPolG 2005 idF FrÄG 2011 umschriebene Annahme gerechtfertigt ist. Bei dieser Beurteilung kommt es demnach nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf das diesen zugrundeliegende Fehlverhalten, die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild an. (vgl. VwGH 19.2.2013, 2012/18/0230)

Solche Gesichtspunkte, wie sie in einem Verfahren betreffend Rückkehrentscheidung und Einreiseverbot zu prüfen sind, insbesondere die Intensität der privaten und familiären Bindungen in Österreich, können nicht auf die bloße Beurteilung von Rechtsfragen reduziert werden (vgl. VwGH 7.11.2012, 2012/18/0057).

Wie sich aus § 53 Abs. 2 FPG ergibt, ist bei der Verhängung eines Einreiseverbots das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen in die Betrachtung miteinzubeziehen. Dabei gilt es zu prüfen, inwieweit dieses die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.

Die belangte Behörde hat die für die Begründung des Bescheides erforderliche Sorgfalt in diesem Bereich vermissen lassen, weshalb diese damit nicht den Erfordernissen einer umfassenden und in sich schlüssigen Begründung einer abweisenden behördlichen Entscheidung entspricht (vgl. § 60 iVm. § 58 Abs. 2 AVG). Die belangte Behörde hat sich bei der Begründung des angeordneten Einreiseverbots fast ausschließlich auf rechtliche Ausführungen allgemeiner Natur und auf modulhaft gehaltene Formulierungen beschränkt.

Die Begründung des angefochtenen Bescheides lässt daher jegliche Kriterien vermissen, die im vorliegenden Fall für die Bemessung der Dauer des Einreiseverbots herangezogen wurden und die letztlich für die Festlegung des Einreiseverbots im Ausmaß von 8 Jahren ausschlaggebend waren. Das erkennende Gericht vermisst auch die von der belangten Behörde zu treffende Gefährdungsprognose die das Gesamtverhalten des BF in Betracht zu ziehen hat. Es ist im bekämpften Bescheid nicht ersichtlich auf Grund welcher konkreten Feststellungen von der belangten Behörde eine Beurteilung vorgenommen wurde. Es genügt nicht, das bloße anführen des Tatsachensachverhalts. Die Beurteilung muss sich auf das zugrundeliegende Fehlverhalten, die Schwere und vor allem die Art der Handlung und das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abgestellt werden.

Die belangte Behörde legte das Einreiseverbot im Spruchpunkt VI. des

bekämpften Bescheides in der Dauer von 8 Jahren fest. In ihrer

rechtlichen Beurteilung (Bescheid Seite 49) führt die belangte

Behörde aus " ....... . der von der Behörde vorgenommenen

Abwägungsentscheidung hat ergaben, dass die Erlassung des

Einreiseverbotes in der angegebenen Dauer von 6 Jahren

gerechtfertigt und notwendig ist, ... . ...".

In der nunmehr zur Beschwerdevorlage vorgelegten Stellungnahme der belangten Behörde führt diese wörtlich aus: "In Bezug auf den Wiederspruch des Einreiseverbotes zwischen 6 und 8 Jahren wird angemerkt, dass es sich hierbei um ein sechsjähriges Aufenthaltsverbot handelt wobei die 8 Jahre einen Schreibfehler darstellen". (siehe Akt Seite 487). Ein diesbezüglicher Berichtigungsbescheid ist nie ergangen.

Unabhängig dessen, dass die belangte Behörde sich selbst nicht im Klaren ist, ob sie nun ein 6 oder 8 jähriges Einreiseverbot oder sogar Aufenthaltsverbot verhängen wollte, lässt sich die Höhe nicht mit der strafrechtlichen Verurteilung in Einklang bringen, wonach der BF schlussendlich zu einer 4- monatigen unbedingten Freiheitsstrafe verurteilt und bereits wieder aus der Haft entlassen wurde.

Aus Sicht des Gerichts verstößt das Vorgehen der belangten Behörde im konkreten Fall somit gegen die in § 37 iVm § 39 Abs. 2 AVG 2005 determinierten Ermittlungspflichten, wonach diese den maßgebenden Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln und festzustellen hat.

Zusammenfassend ist der belangten Behörde vorzuwerfen, dass sie die für die Begründung des Bescheides erforderliche Sorgfalt vermissen lässt und dieser damit nicht den Erfordernissen einer umfassenden und in sich schlüssigen Begründung einer abweisenden behördlichen Entscheidung entspricht (vgl. § 60 iVm. § 58 Abs. 2 AVG).

Aus den dargelegten Gründen war daher spruchgemäß der angefochtene Bescheid des Bundesamtes gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG zu beheben und die gegenständliche Rechtssache an das BFA als zuständige erstinstanzliche Behörde zur neuerlichen Entscheidung zurückzuverweisen.

Entfall der mündlichen Verhandlung

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Im gegenständlichen Verfahren konnte eine mündliche Verhandlung unterbleiben, da das Bundesverwaltungsgericht die Voraussetzungen des § 24 Abs. 2 Z 1 Halbsatz VwGVG als gegeben erachtet, zumal bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit der Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung, Ermittlungspflicht, Familienleben,
Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung, strafrechtliche
Verurteilung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:G306.2203686.1.00

Zuletzt aktualisiert am

01.02.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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