TE Bvwg Erkenntnis 2018/11/20 W234 1416036-4

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.11.2018
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Entscheidungsdatum

20.11.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §56
BFA-VG §18
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs3
FPG §52 Abs9
FPG §53
FPG §55 Abs4

Spruch

W234 1415999-4/11E

W234 1416036-4/11E

W234 1416033-4/9E

W234 1418613-4/7E

W234 1436707-4/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Thomas HORVATH über die Beschwerden von

1) XXXX , geb. XXXX ,

2) XXXX , geb. XXXX ,

3) mj. XXXX , geb. XXXX ,

4) mj. XXXX , geb. XXXX ,

5) mj. XXXX , geb. XXXX ,

alle StA. Russische Föderation, alle vertreten durch RA Mag. Bertsch, gegen die Bescheide des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 06.02.2018,

1) Zl. 13-527862404/170213715,

2) Zl. 13-527862502/170214185,

3) Zl. 13-527862905/170214199,

4) Zl. 13-810245707/170214202,

5) Zl. 13-830758404/170214215,

nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 03.07.2018 zu Recht:

A) Die Beschwerden werden gemäß § 56 AsylG 2005, § 10 Abs. 3 AsylG

2005 iVm § 9 BFA-VG und § 52 Abs. 3 FPG 2005 sowie §§ 52 Abs. 9 iVm 46 FPG 2005, § 53 FPG sowie § 18 BFA-VG und gemäß § 55 Abs. 4 FPG 2005 als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Erstbeschwerdeführer ( XXXX ) und die Zweitbeschwerdeführerin ( XXXX ) sind Eheleute und die Eltern der minderjährigen Dritt- bis Fünftbeschwerdeführer ( XXXX , XXXX und XXXX ). Die Beschwerdeführer sind russische Staatsangehörige und Angehörige der tschetschenischen Volksgruppe.

2. Sämtliche Beschwerdeführer durchliefen zwei Asylverfahren, die für sie zweimal mit - mittlerweile rechtskräftigen - Verpflichtungen, die Republik Österreich zu verlassen, endeten. Ferner durchliefen sämtliche Beschwerdeführer ein in zweiter Instanz rechtskräftig negativ entschiedenes Verfahren auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 AsylG 2005 (für Einzelheiten siehe sogleich die Feststellungen), das ebenso zur Verhängung - mittlerweile rechtskräftiger - Rückkehrentscheidungen gegen sie führte.

3. Letztlich stellten sämtliche Beschwerdeführer am 19.12.2016 die hier maßgeblichen Anträge auf Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung gemäß § 56 Abs. 1 AsylG.

4. Mit den im Spruch bezeichneten Bescheiden wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im folgenden Bundesamt) die Anträge Beschwerdeführer auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 56 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I). Unter einem wurden gegen die Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 Abs. 2 FPG erlassen (Spruchpunkt II). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig sei (Spruchpunkt III) und gemäß § 55 Abs. 4 FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt (Spruchpunkt IV). Beschwerden gegen diese Rückkehrentscheidungen wurde gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V). Gegen den Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin wurden gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 3 FPG ein auf die Dauer von drei Jahren befristete Einreiseverbote erlassen (Spruchpunkt VI).

Begründet wurde dies im Wesentlichen damit, dass sich die rechtmäßige Dauer ihres Aufenthalts auf die Dauer von zwei Asylverfahren gründe und die Beschwerdeführer nie über ein anderes Aufenthaltsrecht in Österreich verfügt hätten. Seit 06.06.2014 hielten sie sich illegal in Österreich auf. Die Beschwerdeführer seien in Österreich noch nie einer erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen; ihr Lebensunterhalt werde seit 2010 zur Gänze aus staatlichen Mitteln der Grundversorgung finanziert. Sie würden in einer Asylunterkunft der Caritas leben, die ebenfalls seit 2010 zur Gänze aus staatlichen Mitteln der Grundversorgung bezahlt werde. Die Beschwerdeführer seien über die Grundversorgung als Asylwerber bzw. Flüchtlinge versichert. Ihre Versicherung werde seit 2010 zur Gänze aus staatlichen Mitteln der Grundversorgung finanziert. Seit sie im Jahr 2012 bzw. 2013 das A2-Diplom Deutsch absolviert hätten, hätten der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin keine weiterführenden Deutschkurse besucht und auch keine Aufrechterhaltung bzw. Verbesserung ihrer Deutschkenntnisse angestrebt. Es sei nicht glaubwürdig, dass sie derzeit noch über Deutschkenntnisse auf dem Niveau "A2" verfügen würden. Der Erstbeschwerdeführer habe im Jahr 2012 eine Ausbildung für das Führen von Hubstaplern in der Dauer von einer Woche absolviert. Gegen ihn und die Zweitbeschwerdeführerin seien Waffenverbote erlassen und die Zweitbeschwerdeführerin vom Bezirksgericht XXXX mit Rechtskraft vom 19.04.2013 gemäß § 127 StGB wegen Diebstahls zu einer Geldstrafe verurteilt worden.

Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin hätten schon mehrfach gegen die öffentliche Ordnung verstoßen und seien im Jahr 2016 von der Landespolizeidirektion rechtskräftig gemäß § 120 Abs. 1a FPG wegen unrechtmäßigen Aufenthalts bestraft worden. Da sie ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen seien und sich weiterhin illegal in Österreich aufgehalten hätten, sei im Jahr 2017 ein weiteres Verwaltungsstrafverfahren bei der Landespolizeidirektion eingeleitet worden. Erstmals sei gegen die Beschwerdeführer im Jahr 2013 eine Ausweisung erlassen worden. Sie seien ihrer Verpflichtung zur Ausreise nicht nachgekommen und hätten immer neue Anträge gestellt. Die Dauer ihres Aufenthalts sei daher in ihrem Verhalten und der Missachtung der Entscheidungen der österreichischen Behörden und Gerichte begründet.

Diese Bescheide wurden den Beschwerdeführern am 15.02.2018 zugestellt.

5. Gegen diese Bescheide wurde mit gemeinsamem Schriftsatz Beschwerde erhoben, welche am 20.02.2018 per Einschreiben beim Bundesamt einlangte. Darin wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sich seit Juli 2010 im österreichischen Bundesgebiet aufhielten und am 26.07.2010 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hätten. Letztendlich habe der Asylgerichtshof mit Erkenntnis vom 03.12.2013 die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Die Beiden befänden sich somit mehr als drei Jahre rechtmäßig im österreichischen Bundesgebiet. Da sie das österreichische Bundesgebiet seit ihrer Einreise nicht mehr verlassen hätten, liege ein durchgehender Aufenthalt von beinahe acht Jahren vor. Der Erstbeschwerdeführer habe am 04.05.2012 das A2-Diplom in Deutsch positiv absolviert und erfülle somit jedenfalls die Integrationsbedingung gemäß § 9 Integrationsgesetz. Selbiges treffe auf die Zweitbeschwerdeführerin zu, die am 28.02.2013 das A2-Diplom erlangt habe. Der Drittbeschwerdeführer habe den größten Teil seines bisherigen Lebens im österreichischen Bundesgebiet verbracht, besuche hier die Schule und erfülle Modul 1 der Integrationsvereinbarung. Dies treffe auch auf die Viertbeschwerdeführerin zu. Die Fünftbeschwerdeführerin sei erst Mitte 2013 geboren worden. Die Beschwerdeführer seien allesamt sehr gut in Österreich integriert und hätten sämtliche Unterlagen rechtzeitig vorgelegt.

6. Im Beschwerdeverfahren hielt das Bundesveraltungsgericht am 03.07.2018 eine mündliche Verhandlung im Beisein des Erst- und Drittbeschwerdeführers, der Zweitbeschwerdeführerin sowie einer Dolmetscherin für die Sprache Russisch ab.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grund der Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz und auf Erteilung von Aufenthaltstiteln aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 AsylG 2005, der dazu ergangenen Bescheide des Bundesasylamtes und des Bundesamtes sowie der Erkenntnisse des Asylgerichtshofes und des Bundesverwaltungsgerichtes, der in diesen Verfahren vorgelegten Schriftsätze samt vorgelegter Unterlagen, der Einvernahmen der Beschwerdeführer sowie auf Grund der hier maßgeblichen Anträge auf Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung gemäß § 56 Abs. 1 AsylG vom 19.12.2016, der Stellungnahmen der Beschwerdeführer im Verfahren vor dem Bundesamt, der durch diese vorgelegten Urkunden, der angefochtenen Bescheide, der gegen diese erhobenen Beschwerden, der Ergebnisse der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, der Einsichtnahme in die Verwaltungsakte, in das Zentrale Melderegister, das Fremden- und Grundversorgungs-Informationssystem und das Strafregister werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:

1.1. Zum Verfahrensgang:

1.1.1. Der Erstbeschwerdeführer, die Zweitbeschwerdeführerin und der Drittbeschwerdeführer gelangten am 26.07.2010 unter Umgehung der Grenzkontrollen in das österreichische Bundesgebiet und stellten am gleichen Tage Anträge auf internationalen Schutz.

Der Erstbeschwerdeführer führte zu seinen Fluchtgründen aus, dass sich seine drei Brüder in Österreich aufhalten würden. Er habe seinen Herkunftsstaat wegen Verfolgung von staatlicher Seite verlassen müssen. Seine Brüder seien verdächtigt worden, in die Widerstandsbewegung involviert zu sein. Im Jahr 2010 hätten ihn Soldaten in seinem Heimatstaat festgehalten, gefoltert und von ihm verlangt, dafür zu sorgen, dass sich seine Brüder stellen. Sie hätten ihm damit gedroht, seine (mittlerweile volljährige) Tochter wegen der Vorbereitung von Terroranschlägen sowie ihn selbst und seine Gattin wegen Terroranschlägen anzuklagen. Im Falle einer Rückkehr in die Heimat habe er Angst um sich und vor allem um seine Familie.

Die Zweitbeschwerdeführerin führte für sich und den Drittbeschwerdeführer ebenso das Fluchtvorbringen des Erstbeschwerdeführers ins Treffen. Sie habe zur Wahrung der Familieneinheit den Herkunftsstaat gemeinsam mit dem Erstbeschwerdeführer und dem Drittbeschwerdeführer verlassen.

Mit Bescheiden vom 01.10.2010 wies das Bundesasylamt die Anträge auf internationalen Schutz des Erstbeschwerdeführers, der Zweitbeschwerdeführerin und des Drittbeschwerdeführers für den Status von Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ab. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wurden die Anträge auch für die Zuerkennung des Status von subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation abgewiesen und der Erstbeschwerdeführer, die Zweitbeschwerdeführerin sowie der Drittbeschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen.

Am XXXX wurde die Viertbeschwerdeführerin im Bundesgebiet geboren. Die Zweitbeschwerdeführerin stellte für sie am 09.03.2011 einen Antrag auf internationalen Schutz im Rahmen des Familienverfahrens. Die Zweitbeschwerdeführerin machte keine gesonderten Verfolgungsgründe für die Viertbeschwerdeführerin geltend. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 18.03.2011 wurde der Antrag der Viertbeschwerdeführerin für die Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wurde der Antrag auch für die Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation abgewiesen und die Viertbeschwerdeführerin gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen.

Am XXXX wurde die Fünftbeschwerdeführerin im Bundesgebiet geboren. Die Zweitbeschwerdeführerin stellte für sie am 07.06.2013 einen Antrag auf internationalen Schutz im Rahmen des Familienverfahrens. Gesonderte Fluchtgründe wurden für die Fünftbeschwerdeführerin nicht vorgebracht. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 10.07.2013 wurde der Antrag der Fünftbeschwerdeführerin für die Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wurde der Antrag auch bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation abgewiesen und die Fünftbeschwerdeführerin gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen.

Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 03.12.2013, den Beschwerdeführern zugestellt am 09.12.2013, wurden die Beschwerden gegen die Bescheide gemäß §§ 3, 8 und 10 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen. Diese Erkenntnisse erwuchsen in Rechtskraft.

1.1.2. Am 28.01.2014 stellten die Beschwerdeführer Folgeanträge auf internationalen Schutz. In der polizeilichen Erstbefragung am selben Tag gab der Erstbeschwerdeführer zum Grund für die neuerliche Antragstellung an, dass die alten Asylgründe aufrecht bleiben würden. Es seien neue Gründe dazugekommen. Im November 2013 seien tschetschenische Polizisten zu seinen Eltern gekommen, hätten das Haus nach ihm durchsucht und nach ihm gefragt. Den Eltern des Erstbeschwerdeführers sei gesagt worden, dass er beschuldigt würde, im zweiten Tschetschenienkrieg gegen Russland gekämpft zu haben, was aber nicht wahr sei. Der Erstbeschwerdeführer solle sich für den Fall seiner Rückkehr bei der Polizei melden, dann würde er von dieser getötet. Nachdem die Polizisten bei seinen Eltern gewesen seien, sei seine Mutter krank geworden und habe Krebs und Probleme mit dem Herzen bekommen. Vor etwa zwei Wochen wären die Polizisten wieder zu seinen Eltern gekommen und sein Vater habe einen leichten Herzinfarkt erlitten. Diese Vorfälle seien dem Erstbeschwerdeführer von seinen Eltern über Skype mitgeteilt worden.

Mit Bescheiden des Bundesamtes vom 24.04.2014 wurden die Folgeanträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Darin wurde festgestellt, dass die Erstanträge der Beschwerdeführer rechtskräftig "in zweiter Instanz" abgewiesen worden seien. Im Vergleich zum Erstverfahren sei kein neuer, entscheidungsrelevanter Sachverhalt vorgebracht worden.

Mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichtes vom 06.06.2014 wurden die Beschwerden der Beschwerdeführer gemäß § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG iVm § 68 Abs. 1 AVG als unbegründet abgewiesen. Darin wurde zusammengefasst ausgeführt, dass das Fluchtvorbringen des Erstbeschwerdeführers - nämlich seine Verfolgung durch die staatlichen Behörden, um seiner Brüder habhaft zu werden - bereits Gegenstand der zuletzt ergangenen (und das erste Asylverfahren rechtskräftig abschließenden) Entscheidung des Asylgerichtshofes gewesen sei, was es der belangten Behörde verwehre, dieses Vorbringen einer neuerlichen Beurteilung zu unterziehen. Dem gegenständlichen Antrag - soweit er sich auf Fluchtgründe stütze, die schon vor Rechtskraft der Erkenntnisse des Asylgerichtshofes bestanden hätten - stehe die Rechtskraft der inhaltlichen Vorentscheidung entgegen. Auch das zusätzliche Vorbringen, nämlich die Verfolgung wegen der Teilnahme des Erstbeschwerdeführers am ersten Tschetschenienkrieg, sei nicht geeignet, den im ersten Asylverfahren entscheidungsrelevanten Sachverhalt maßgebend zu ändern.

Die Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichts vom 06.06.2014 erwuchsen in Rechtskraft:

Der Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung der Beschwerden gegen die Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichts vom 06.06.2014 mit Beschluss vom 30.06.2015 ab und trat die Beschwerden dem Verwaltungsgerichthof zur Entscheidung ab. Mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 10.11.2015 wurde die außerordentliche Revision der Beschwerdeführer als verspätet zurückgewiesen.

1.1.3. Die Beschwerdeführer stellten am 13.01.2016 Anträge auf Erteilung von Aufenthaltstiteln aus Gründen des Artikels 8 EMRK. Dabei gaben der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sowie der Drittbeschwerdeführer an, dass ihnen die Vorlage einer Geburtsurkunde und eines russischen Reisepasses nicht zumutbar sei. Gleichzeitig wurden Deutschprüfungen der Niveaustufe A2 des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin, ein Staplerfahrerausweis des Erstbeschwerdeführers, diverse Unterstützungserklärungen sowie eine Bewerbungsbestätigung des Erstbeschwerdeführers bei einer Firma vorgelegt.

1.1.3.1. Mit Bescheiden jeweils vom 12.09.2016, den Beschwerdeführern zugestellt am 16.09.2016, wies das Bundesamt die Anträge auf Erteilung von Aufenthaltstiteln aus Gründen des Art. 8 EMRK vom 13.01.2016 gemäß § 55 AsylG 2005 ab und erließ gemäß § 10 Abs. 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG und § 52 Abs. 3 FPG Rückkehrentscheidungen gegen die Beschwerdeführer. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde jeweils festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführer gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig sei und die Frist für ihre freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage. Gleichzeitig wurde der Zusatzantrag auf Heilung gemäß § 4 Abs. 1 AsylG-DV vom 10.12.2015 abgewiesen.

1.1.3.2. Mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichtes vom 24.08.2017 wurde die Beschwerde gegen diese Bescheide vom 12.09.2016 mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass der Spruch wie folgt zu lauten habe:

"I. Ihr Zusatzantrag auf Heilung gemäß § 4 Abs. 1 AsylG-DV vom 10.12.2015 wird abgewiesen.

II. Ihr Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK vom 13.01.2016 wird gemäß § 55 iVm § 58 Abs. 11 Z 2 AsylG 2005 zurückgewiesen.

III. Gemäß § 10 Abs. 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wird gegen Sie eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 3 FPG erlassen.

IV. Es wird gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass Ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig ist.

V. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG beträgt die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung."

Begründend wurde im Wesentlichen angeführt, dass den Beschwerdeführern im Falle der Rückkehr in den Herkunftsstaat weder eine Verfolgung aus asylrelevanten Gründen noch eine existenzielle Notlage oder sonstige Gefährdung im Sinne der Art. 2 und 3 EMRK drohe. Die Lage im Herkunftsstaat habe sich seit der Zurückweisung der Asylanträge nicht wesentlich geändert. Alle Beschwerdeführer seien gesund.

Der Erstbeschwerdeführer werde demnächst 50 Jahre alt und habe sein gesamtes Leben bis 2010 - abgesehen von wenigen Monaten in Georgien und Armenien sowie abgesehen von seinem Militärdienst in Kasachstan - im Herkunftsstaat verbracht. Er habe die Grund- und Berufsschule in der Russischen Föderation absolviert, spreche die Landessprachen Russisch und Tschetschenisch und sei als Kraftfahrer und Bauarbeiter erwerbstätig gewesen. Neben seinem Vater, vier Schwestern und zwei Brüdern, mit denen er auch im gemeinsamen Haushalt gewohnt habe, habe er zahlreiche Verwandte in der Russischen Föderation.

Der Erstbeschwerdeführer befinde sich seit sieben Jahren in Österreich und seit 09.12.2013, sohin die überwiegende Zeit, unrechtmäßig entgegen einer aufrechten Ausweisung. Er habe im Zeitraum von 2010 bis 2012 Deutschkurse besucht und am 04.05.2012 das Sprachdiplom Deutsch auf dem Niveau A2 bestanden. Er spreche grundlegend Deutsch, habe in Österreich 2012 den Staplerschein erworben und seither keine Bildungsmaßnahmen mehr in Anspruch genommen. In Österreich sei er nie legal erwerbstätig gewesen und habe seinen Lebensunterhalt zur Gänze durch Bezug der Grundversorgung bestritten. Der Erstbeschwerdeführer nehme an einem Nachbarschaftshilfeprojekt der Caritas teil und engagiere sich im XXXX Kulturverein, der seit XXXX bestehe und dessen Vereinszweck es sei, die XXXX Kultur und Tradition zu bewahren.

Die Zweitbeschwerdeführerin werde demnächst 45 Jahre alt und habe ihr gesamtes Leben bis 2010 im Herkunftsstaat verbracht. Im Herkunftsstaat habe sie die Grundschule absolviert, danach habe sie geheiratet und sei Hausfrau gewesen. Sie habe in der Russischen Föderation mit der Familie ihres Gatten zusammengelebt, mit der sie auch von Österreich aus Kontakt hätte. Ihre Eltern seien verstorben, in der Russischen Föderation lebten ihre Halbgeschwister. Die Zweitbeschwerdeführerin befinde sich seit sieben Jahren in Österreich, seit 09.12.2013, sohin die überwiegende Zeit, unrechtmäßig entgegen einer aufrechten Ausweisung. Sie habe im Zeitraum von 2011 bis 2013 Deutschkurse besucht und am 28.02.2013 das Sprachdiplom Deutsch auf dem Niveau A2 bestanden. Seither besuche die Zweitbeschwerdeführerin keine Sprachkurse mehr und habe keine weiteren diesbezüglichen Diplome erworben. Sie spreche grundlegend Deutsch. Sie habe in Österreich keine weiteren Bildungsmaßnahmen in Anspruch genommen, sei nie erwerbstätig gewesen und habe ihren Lebensunterhalt zur Gänze durch den Bezug von Grundversorgung bestritten. Am Nachbarschaftshilfeprojekt der Caritas habe sie durch Putzarbeiten teilgenommen.

Der Erstbeschwerdeführer sei unbescholten, die Zweitbeschwerdeführerin in Österreich wegen Diebstahls im Jahr 2013 zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Gegen den Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sei im Bundesgebiet jeweils ein Waffenverbot verhängt worden.

Der Drittbeschwerdeführer sei im Alter von zwei Jahren ins Bundesgebiet eingereist. Er habe im Schuljahr 2014/2015 die Vorschule, im Schuljahr 2015/2016 die erste Klasse der Volksschule - das erste Semester als außerordentlicher Schüler, das zweite Semester als ordentlicher Schüler - besucht. Im Schuljahr 2016/2017 sei er ordentlicher Schüler der zweiten Klasse der Volksschule gewesen und zum Aufstieg in die dritte Klasse berechtigt. Er betreibe Kampfsportarten und wolle künftig auch Fußball spielen, wobei eine Vereinsmitgliedschaft mangels Vorlage von Bescheinigungen nicht festgestellt werden könne. Er spreche Tschetschenisch und Deutsch, aber auch Russisch, weil er einmal pro Woche Privatunterricht in Russisch und Tschetschenisch erhalte.

Die Viertbeschwerdeführerin sei im Bundesgebiet geboren, sechs Jahre alt und besuche den Kindergarten; sie sei für das kommende Schuljahr für die Vorschule angemeldet.

Die Fünftbeschwerdeführerin sei im Bundesgebiet geboren, vier Jahre alt, bisher zu Hause durch ihre Mutter betreut worden und für das kommende Schuljahr für den Kindergarten angemeldet.

Innerhalb der Familie würde Tschetschenisch gesprochen. Die minderjährigen Beschwerdeführer seien auch in Österreich durch ihre Eltern in der tschetschenischen Kultur und Tradition sozialisiert. Das soziale Leben der Beschwerdeführer in Österreich spiele sich hauptsächlich innerhalb des Großfamilienverbandes ab.

1.1.4.1. Am 19.12.2016 stellten die Beschwerdeführer beim Bundesamt die hier maßgeblichen Anträge auf Erteilung von Aufenthaltsberechtigungen gemäß § 56 Abs. 1 AsylG 2005. Beigelegt wurden unter anderem eine Bestätigung einer Personalbereitstellungsfirma über die Bewerbung des Erstbeschwerdeführers als Produktionsmitarbeiter mit dem Hinweis, dass er nur mit gültigen Arbeitspapieren und Visum eingestellt werden könne. Beigelegt wurden ferner ÖSD-Diplome des Niveaus A2 sowie Teilnahmebestätigungen für das Projekt "Nachbarschaftshilfe" für den Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin, Versicherungsdatenauszüge der Österreichischen Sozialversicherung und Bestätigungen der Caritas über den Erhalt der Grundversorgung durch die Beschwerdeführer. Zudem wurden Schulbesuchsbestätigungen und Zeugnisse des Drittbeschwerdeführers und der Viertbeschwerdeführerin sowie Kindergartenbesuchsbestätigungen der Viertbeschwerdeführerin beigelegt.

Mit Verständigung von der Beweisaufnahme vom 17.02.2017 wurden die Beschwerdeführer von der beabsichtigten Zurückweisung der Anträge informiert. Über Ihren Rechtsanwalt beantragten sie am 23.02.2017 eine Unterbrechung des Verfahrens und am 02.10.2017 die Fortsetzung des Verfahrens.

Mit Verbesserungsauftrag vom 08.11.2017, zugestellt am 13.11.2017, wurden die Beschwerdeführer aufgefordert, fehlende Unterlagen für das Verfahren vorzulegen. Am 04.12.2017 wurden über Ihren Anwalt weitere Urkunden (unter anderem Passkopien des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin samt beglaubigter Übersetzungen) übermittelt.

Mit Verständigung von der Beweisaufnahme vom 29.12.2017, zugestellt am 03.01.18, wurden die Beschwerdeführer von der beabsichtigten Abweisung ihres Antrages und von der Erlassung einer neuerlichen Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot informiert.

Am 17.01.2018 langte eine Stellungnahme mit im Wesentlichen folgenden Inhalten ein:

"Die Antragsteller sind am 26.07.2010 in Österreich eingereist und befinden sich seit diesem Zeitpunkt durchgehend im Österreichischen Bundesgebiet. Sie haben am 26.07.2010 in Traiskirchen einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 03.12.2013, somit drei Jahre später, wurde das Asylverfahren rechtskräftig abgeschlossen.

Gem. § 56 Abs. 1 AsylG kann im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen auf begründeten Antrag, auch wenn er sich in einem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme vor dem Bundesamt befindet, eine Aufenthaltsberechtigung plus erteilt werden, wenn der Drittstaatsangehörige jedenfalls

1. Zum Zeitpunkt der Antragstellung nachweislich seit fünf Jahren durchgängig im Bundesgebiet aufhältig ist.

2. davon mindestens die Hälfte, jedenfalls aber drei Jahre, seines festgestellten durchgängigen Aufenthaltes im Bundesgebiet rechtmäßig aufhältig gewesen ist und

3. das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a NAG erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze erreicht wird.

Zunächst ist ausdrücklich festzuhalten, dass sich die Antragsteller insgesamt seit mehr als sieben Jahren im österreichischen Bundesgebiet aufhalten. Hiervon haben sie zumindest drei Jahre rechtmäßigen Aufenthalt vorzuweisen, da das Asylverfahren erst nach mehr als drei Jahren rechtskräftig abgeschlossen wurde.

Wie der belangten Behörde bekannt sein müsste, ist es XXXX aufgrund des derzeitigen unrechtmäßigen Aufenthaltes nicht erlaubt, einer Arbeit nachzugehen. Es gibt somit kein Beschäftigungsverhältnis, welches die Familie vorlegen könnte. Sollten die Antragsteller einen Aufenthaltstitel erhalten, wird sich XXXX selbstverständlich um eine Arbeit bemühen.

In diesem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass gem. § 56 Abs. 2 AsylG eine Aufenthaltsberechtigung zu erteilen ist, wenn nur die Voraussetzungen des Abs. 1 Z 1 und 2 vorliegen. Sollte das BFA [...] somit die Ansicht vertreten, dass das Modul 1 der Integrationsvereinbarung nicht erfüllt wird, so ist jedenfalls eine Aufenthaltsberechtigung zu erteilen, da die Antragsteller mehr als fünf Jahre in Österreich durchgehend aufhältig sind und zumindest einen mehr als dreijährigen rechtmäßigen Aufenthalt vorweisen können.

Im Übrigen haben die Antragsteller sämtliche Aufträge erfüllt und entsprechende Urkunden und Unterlagen vorgelegt. Die Rechtssache ist entscheidungsreif und wird deshalb beantragt einen Bescheid zu erlassen."

1.1.4.2. Mit den hier angefochtenen, im Spruch angeführten Bescheiden wurden die Anträge der Beschwerdeführer auf Erteilung von Aufenthaltstiteln aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 56 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I), gegen sie gemäß § 10 Abs. 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 Abs. 2 FPG erlassen (Spruchpunkt II), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig sei (Spruchpunkt III). Gemäß § 55 Abs. 4 FPG wurde eine Frist für die freiwillige Ausreise der Beschwerdeführer nicht gewährt (Spruchpunkt IV). Beschwerden gegen die Rückkehrentscheidungen wurde gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V). Gegen den Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin wurde gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 3 FPG ein auf die Dauer von drei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VI).

Begründet wurde dies im Wesentlichen damit, dass sich der rechtmäßige Aufenthalt der Beschwerdeführer auf die Dauer von zwei Asylverfahren gründe und sie nie über ein anderes Aufenthaltsrecht in Österreich verfügt hätten. Seit 06.06.2014 seien sie illegal in Österreich Die Beschwerdeführer seien hier noch nie einer erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen, ihr Lebensunterhalt werde seit 2010 zur Gänze aus staatlichen Mitteln der Grundversorgung finanziert. Sie würden in einer Asylunterkunft der Caritas leben, die ebenfalls seit 2010 zur Gänze aus staatlichen Mitteln der Grundversorgung bezahlt werde. Die Beschwerdeführer seien über die Grundversorgung als Asylwerber bzw. Flüchtlinge versichert. Ihre Versicherung werde seit 2010 zur Gänze aus staatlichen Mitteln der Grundversorgung finanziert. Seit sie im Jahr 2012 bzw. 2013 das A2-Diplom Deutsch absolviert hätten, hätten der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin keine weiterführenden Deutschkurse besucht und auch keine Aufrechterhaltung bzw. Verbesserung der Deutschkenntnisse angestrebt. Es sei nicht glaubwürdig, dass sie derzeit noch über Deutschkenntnisse des Niveaus A2 verfügen würden. Der Erstbeschwerdeführer habe 2012 eine Ausbildung für das Führen von Hubstaplern in der Dauer von einer Woche absolviert. Gegen ihn und die Zweitbeschwerdeführerin sei jeweils ein Waffenverbot erlassen und die Zweitbeschwerdeführerin vom Bezirksgericht XXXX mit Rechtskraft vom 19.04.2013 gemäß § 127 StGB wegen Diebstahls zu einer unbedingten Geldstrafe verurteilt worden.

Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin hätten schon mehrfach gegen die öffentliche Ordnung verstoßen und seien im Jahr 2016 von der Landespolizeidirektion rechtskräftig gemäß § 120 Abs. 1a FPG wegen unrechtmäßigen Aufenthalts bestraft worden. Da sie ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen seien und sich weiterhin illegal in Österreich aufhielten, sei im Jahr 2017 ein weiteres Verwaltungsstrafverfahren bei der Landespolizeidirektion eingeleitet worden. Erstmals sei gegen die Beschwerdeführer 2013 eine Ausweisung erlassen worden. Sie seien ihrer Verpflichtung zur Ausreise nicht nachgekommen und hätten immer neue Anträge gestellt. Die Dauer ihres Aufenthalts sei daher in der Missachtung der Entscheidungen der österreichischen Behörden und Gerichte begründet.

1.1.4.3. Gegen diese Bescheide wurden mit gemeinsamem Schriftsatz Beschwerden erhoben, welche am 20.02.2018 per Einschreiben beim Bundesamt einlangten. Darin wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sich seit Juli 2010 im österreichischen Bundesgebiet aufhielten und am 26.07.2010 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hätten. Letztendlich habe der Asylgerichtshof mit Erkenntnis vom 03.12.2013 die Beschwerden als unbegründet abgewiesen. Die Beiden befänden sich somit mehr als drei Jahre rechtmäßig im österreichischen Bundesgebiet. Da sie das österreichische Bundesgebiet seit ihrer Einreise nicht mehr verlassen hätten, liege ein durchgehender Aufenthalt von beinahe acht Jahren vor. Der Erstbeschwerdeführer habe am 04.05.2012 das A2-Diplom in Deutsch positiv absolviert und erfülle somit jedenfalls die Integrationsbedingung gemäß § 9 IntegrationsG. Dies treffe auch auf die Zweitbeschwerdeführerin zu, die am 28.02.2013 das A2-Diplom Deutsch erhalten habe. Der Drittbeschwerdeführer habe den größten Teil seines bisherigen Lebens im österreichischen Bundesgebiet verbracht, besuche hier die Schule und erfülle das Modul 1 der Integrationsvereinbarung. Dies treffe auch auf die Viertbeschwerdeführerin zu. Die Fünftbeschwerdeführerin sei erst Mitte 2013 geboren worden. Die Beschwerdeführer seien allesamt sehr gut in Österreich integriert und hätten sämtliche Unterlagen rechtzeitig vorgelegt.

Am 29.03.2018 langten beim Bundesverwaltungsgericht die Beschwerdevorlagen ein.

1.2. Zu den Beschwerdeführern:

Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sind Eheleute und die Eltern der übrigen Beschwerdeführer. Sämtliche Beschwerdeführer sind Staatsangehörige der Russischen Föderation, Angehörige der tschetschenischen Volksgruppe und weisen die im Spruch dieses Erkenntnisses bezeichneten Identitäten auf. Im Herkunftsstaat lebten der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sowie der Drittbeschwerdeführer vor ihrer Ausreise in Tschetschenien.

Der Erst- und die Zweitbeschwerdeführerin sowie der Drittbeschwerdeführer halten sich seit dem 26.07.2010 durchgehend im Bundesgebiet auf; die übrigen Beschwerdeführer wurden bereits im Bundesgebiet geboren und haben dieses noch nie verlassen.

Die Beschwerdeführer verfügten über keine Aufenthaltsberechtigung außerhalb ihrer Asylverfahren. Es sind keine weiteren Verfahren nach dem NAG anhängig.

Die Beschwerdeführer sind gesund; lediglich der Erstbeschwerdeführer nimmt zur Zeit Tabletten gegen hohen Blutdruck ein. Die volljährigen Beschwerdeführer sind arbeitsfähig.

Sämtliche Beschwerdeführer leben in Österreich in einem Haushalt. Innerhalb der Familie wird Tschetschenisch und - durch die minderjährigen Beschwerdeführer - manchmal auch Russisch gesprochen.

Die Familie lebt in einer von der Caritas zugewiesenen und finanzierten Wohnung. Die Beschwerdeführer verfügen nicht über einen Vertrag, der ihnen einen Anspruch auf diese Wohnung einräumen würde. Auch sonst verfügen die Beschwerdeführer nicht über einen Anspruch auf eine Wohnung.

Die Beschwerdeführer sind seit dem Jahr 2010 ausschließlich als Asylwerber bzw. Flüchtlinge krankenversichert.

Die Beschwerdeführer sind nicht selbsterhaltungsfähig. Der Erstbeschwerdeführer arbeitet ein bis zwei Tage im Monat für die Caritas und bezieht dafür vier Euro pro Stunde, die Zweitbeschwerdeführerin erbringt einmal in zwei Wochen für drei oder vier Stunden Reinigungsleistungen für vier Euro pro Stunde. Die Zweitbeschwerdeführerin legte ein Unterstützungsschreiben im Zusammenhang mit ihren Reinigungsdiensten vor. Ansonsten waren und sind die Beschwerdeführer in Österreich nicht erwerbstätig und bezogen niemals ein legales Einkommen, sondern werden - nunmehr von der Caritas - im Rahmen der Grundversorgung unterstützt. Der Erstbeschwerdeführer verfügt über Arbeitsplatzzusagen einer Personalbereitstellungsfirma vom 29.08.2016 sowie vom 21.11.2017 (Monatslohn ca. € 1250 netto inklusive Spesen).

Der Erstbeschwerdeführer legte Bestätigungen vom 04.05.2018 und 19.06.2018 vor, wonach er Kurse "Deutsch als Fremdsprache" der Niveaus A2.2 und A2.3 besucht hat. Er verfügt über ein ÖSD-Diplom A2 Grundstufe Deutsch 2 vom 04.05.2012, versteht umgangssprachliches Deutsch, kann sich aber nur sehr gebrochen ausdrücken. Weiters erlangte er im Jahr 2012 eine Lenkerberechtigung für Stapler. Die Zweitbeschwerdeführerin absolvierte die Deutschprüfung des Niveaus A2 und verfügt über ein ÖSD-Diplom Niveau A2, Grundstufe Deutsch 2 vom 28.02.2013. Sie versteht umgangssprachliches Deutsch, kann sich jedoch nur sehr gebrochen auf Deutsch ausdrücken. Die volljährigen Beschwerdeführer besuchen derzeit im Bundesgebiet weder Kurse noch sonstige Fortbildungen. Der Erstbeschwerdeführer konnte eine Teilnahmebestätigung ("Arbeitszeugnis") für ehrenamtliche Tätigkeiten im Rahmen eines Nachbarschaftshilfeprojektes für den Zeitraum von 2010 bis 2016 vorlegen.

Der Drittbeschwerdeführer und die Viertbeschwerdeführerin besuchen die Schule bzw. die Vorschule, die Fünftbeschwerdeführerin den Kindergarten. Der Drittbeschwerdeführer beherrscht Deutsch auf muttersprachlichem Niveau. Für ihn wurden Schulbesuchsbestätigungen für das Schuljahr 2014/15 (Vorschulstufe), eine Schulbesuchsbestätigung sowie ein Jahreszeugnis für das Schuljahr 2015/16, eine Schulnachricht sowie ein Jahreszeugnis für das Schuljahr 2016/17 sowie eine Schulbesuchsbestätigung vom November 2017 sowie Unterstützungsschreiben der Volkschule vom Dezember 2015 sowie November 2017 vorgelegt.

Der Drittbeschwerdeführer war Mitglied eines Taekwondovereines, ist nunmehr in einem Ringverein und spielt zudem Fußball. Er ist mit anderen Flüchtlingen sowie mit einem Österreicher befreundet, den er fast täglich sieht. Die Viert- und die Fünftbeschwerdeführerin sind nicht Mitglieder in Vereinen, sie spielen mit österreichischen Nachbarskindern. Die Viertbeschwerdeführerin konnte eine Schulbesuchsbestätigung einer Volkschule vom 20.11.2017, ein Unterstützungsschreiben ihres Kindergartens vom September 2016 sowie eines ihrer Volksschule vom 29.11.2017 vorlegen. Für die Fünftbeschwerdeführerin wurden eine mit 20.11.2017 datierte Bestätigung für ihren Kindergartenbesuch (seit September 2017) sowie eine Unterstützungserklärung vom 29.11.2017 vorgelegt. Sämtliche Kinder nehmen an Aktivitäten der Schule bzw. des Kindergartens teil.

Es wurden keine Patenschaftserklärungen für die Beschwerdeführer abgegeben.

In Österreich leben drei Brüder des Erstbeschwerdeführers: Seinem Bruder XXXX wurde der Status des Asylberechtigen zuerkannt; jedoch wurde er zweimal rechtskräftig zu einer unbedingten Haftstrafe verurteilt, weshalb ein Aberkennungsverfahren eingeleitet wurde. Seine Brüder XXXX und XXXX verfügen über eine "Rot-weiß-rot Karte". Letztere und die Beschwerdeführer besuchen einander etwa alle zwei Wochen, es besteht häufiger telefonischer Kontakt. Die erwachsene Tochter XXXX erhielt den Status einer Asylberechtigten zuerkannt, ist verheiratet und hat Kinder. Zu ihr und ihren Kindern besteht regelmäßiger Kontakt der Beschwerdeführer. Eine weitere Tochter von Erstbeschwerdeführer und Zweitbeschwerdeführerin erhielt einen negativen Asylbescheid, reiste voriges Jahr aus Österreich aus und befindet sich nunmehr in Deutschland. Es besteht kein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis zwischen den Beschwerdeführern und den genannten Verwandten; die Beschwerdeführer werden von ihren Verwandten nicht finanziell unterstützt. Die Zweitbeschwerdeführerin hat Cousins im Bundesgebiet, zu denen auch Kontakt besteht.

Der Erstbeschwerdeführer ist Mitglied in einem Kulturverein und hat dort Freunde gefunden, die dauerhaft zum Aufenthalt in Österreich berechtigt sind. Er legte ein Unterstützungsschreiben eines tschetschenischen Kulturvereins vor.

Die Zweitbeschwerdeführerin hat tschetschenische Freunde; eine Freundin ist dauerhaft zum Aufenthalt berechtigt. Die Zweitbeschwerdeführerin ist nicht Mitglied in Vereinen oder sonstigen Organisationen, an Feiertagen kocht sie jedoch für die Caritas. Mit ihrer inzwischen volljährigen Tochter hat sie im Jahr 2011 oder 2012 einen Schwimmkurs besucht.

Die Familie legte Unterstützungsschreiben ihrer Nachbarn vor.

Dem Erstbeschwerdeführer wurde mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bludenz vom 22.09.2011 gemäß § 12 Abs. 1 WaffenG der Besitz von Waffen und Munition verboten, weil er seine mittlerweile volljährige Tochter dazu angestiftet haben soll, eine dritte Person telefonisch mit dem Umbringen zu bedrohen und sein Verhalten die Annahme rechtfertige, er könne durch missbräuchliches Verwenden von Waffen Leben, Gesundheit oder Freiheit von Menschen gefährden.

Der Zweitbeschwerdeführerin wurde mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bludenz vom 13.02.2012 gemäß § 12 Abs. 1 WaffenG der Besitz von Waffen und Munition verboten. Denn diese habe ihre Schwägerin telefonisch schwer genötigt; sie habe der Schwägerin und deren Kindern den Tod angedroht, sollte die Schwägerin gegen deren Gatten, den Bruder des Erstbeschwerdeführers, vor Gericht aussagen.

Mit Strafverfügungen der Landespolizeidirektion Vorarlberg vom 02.08.2016 wurden über den Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin gemäß § 31 Abs. 1 Z 1, 2, 3, 4, 6 und 7 iVm § 120a Abs. 1 FPG Geldstrafen von je € 600 verhängt.

Mit Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Vorarlberg vom 29.01.2018 wurde über den Erstbeschwerdeführer eine weitere Geldstrafe gemäß § 120a Abs. 1 iVm § 31 Abs. 1 FPG in Höhe von €

2750 verhängt.

Die Beschwerdeführer sind strafgerichtlich unbescholten.

Nach einer Rückkehr in den Herkunftsstaat ist zu erwarten, dass sich die Beschwerdeführer ihr Auskommen werden sichern können. Denn der Erstbeschwerdeführer ist arbeitsfähig und gelernter Landmaschinenmechaniker. Ferner hat er einen russischen Führerschein erlangt, der es ihm gestattet, Motorräder, PKWs, LKWs und Busse zu lenken und in Österreich eine Ausbildung zum Staplerfahrer absolviert. In der Heimat war der Erstbeschwerdeführer - wie seine Brüder - im Bauwesen tätig. Er könnte somit für sich und seine Familie entweder wieder im Baugewerbe oder als Berufsfahrer ein Einkommen erwirtschaften. Zudem verfügen die Beschwerdeführer in der Heimat über ein enges familiäres Netz, das sie notfalls um Unterstützung ersuchen könnten, da Verwandte vor Ort erwerbstätig sind. Die Zweitbeschwerdeführerin hat in Tschetschenien zehn Jahre der Grundschule abgeschlossen, sodass auch sie in der Lage sein müsste, allenfalls durch Hilfstätigkeiten, zum Familieneinkommen beizutragen.

In der Russischen Föderation - konkret in Tschetschenien - leben der Vater, zwei Brüder und vier verheiratete Schwestern des Erstbeschwerdeführers. Die Brüder arbeiten noch immer auf privaten Baustellen, der Vater bezieht eine Pension. Die Schwestern leben bei ihren eigenen Familien, deren Ehemänner sind erwerbstätig. Die Zweitbeschwerdeführerin hat in Tschetschenien eine Schwester und Brüder sowie Verwandte mütterlicherseits und väterlicherseits. Da es nur Halbgeschwister sind, steht sie selten zu ihnen in Kontakt; mit den Verwandten ihres Ehemannes telefoniert sie bzw. ist sie laufend in Verbindung über WhatsApp.

Die Muttersprache sämtlicher Beschwerdeführer ist Tschetschenisch; sie alle beherrschen auch die Sprache Russisch, wobei die minderjährigen Beschwerdeführer keine perfekten, aber fortgeschrittene Russischkenntnisse aufweisen.

Es sind keine gezielt gegen die Beschwerdeführer gerichteten Bedrohungen im Herkunftsstaat feststellbar.

1.3. Zur Lage in der Russischen Föderation, insbesondere Tschetschenien, stellt das Bundesverwaltungsgericht folgende Ausführungen des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation vom 21.07.2017 in der Fassung der Kurzinformation vom 19.03.2018 als örtliche Gegebenheiten im Herkunftsstaat fest:

Politische Lage

Die Russische Föderation hat knapp 143 Millionen Einwohner (CIA 15.6.2017, vgl. GIZ 7.2017c). Die Russische Föderation ist eine föderale Republik mit präsidialem Regierungssystem. Am 12. Juni 1991 erklärte sie ihre staatliche Souveränität. Die Verfassung der Russischen Föderation wurde am 12. Dezember 1993 verabschiedet. Das russische Parlament besteht aus zwei Kammern, der Staatsduma (Volksvertretung) und dem Föderationsrat (Vertretung der Föderationssubjekte) (AA 3.2017a). Der Staatspräsident der Russischen Föderation verfügt über sehr weitreichende exekutive Vollmachten, insbesondere in der Außen- und Sicherheitspolitik. Seine Amtszeit beträgt sechs Jahre. Amtsinhaber ist seit dem 7. Mai 2012 Wladimir Putin (AA 3.2017a, vgl. EASO 3.2017). Er wurde am 4. März 2012 (mit offiziell 63,6% der Stimmen) gewählt. Es handelt sich um seine dritte Amtszeit als Staatspräsident. Dmitri Medwedjew, Staatspräsident 2008-2012, übernahm am 8. Mai 2012 erneut das Amt des Ministerpräsidenten. Seit der Wiederwahl von Staatspräsident Putin im Mai 2012 wird eine Zunahme autoritärer Tendenzen beklagt. So wurden das Versammlungsrecht und die Gesetzgebung über Nichtregierungsorganisationen erheblich verschärft, ein föderales Gesetz gegen "Propaganda nicht-traditioneller sexueller Beziehungen" erlassen, die Extremismus-Gesetzgebung verschärft sowie Hürden für die Wahlteilnahme von Parteien und Kandidaten beschlossen, welche die Wahlchancen oppositioneller Kräfte weitgehend zunichtemachen. Der Druck auf Regimekritiker und Teilnehmer von Protestaktionen wächst, oft mit strafrechtlichen Konsequenzen. Der Mord am Oppositionspolitiker Boris Nemzow hat das Misstrauen zwischen Staatsmacht und außerparlamentarischer Opposition weiter verschärft (AA 3.2017a). Mittlerweile wurden alle fünf Angeklagten im Mordfall Nemzow schuldig gesprochen. Alle fünf stammen aus Tschetschenien. Der Oppositionelle Ilja Jaschin hat das Urteil als "gerecht" bezeichnet, jedoch sei der Fall nicht aufgeklärt, solange Organisatoren und Auftraggeber frei sind. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow hat verlautbart, dass die Suche nach den Auftraggebern weiter gehen wird. Allerdings sind sich Staatsanwaltschaft und Nebenklage, die die Interessen der Nemzow-Familie vertreten, nicht einig, wen sie als potenziellen Hintermann weiter verfolgen. Die staatlichen Anklagevertreter sehen als Lenker der Tat Ruslan Muchutdinow, einen Offizier des Bataillons "Nord", der sich in die Vereinigten Arabischen Emirate abgesetzt haben soll. Nemzows Angehörige hingegen vermuten, dass die Spuren bis "zu den höchsten Amtsträgern in Tschetschenien und Russland" führen. Sie fordern die Befragung des Vizebataillonskommandeurs Ruslan Geremejew, der ein entfernter Verwandter von Tschetscheniens Oberhaupt Ramsan Kadyrow ist (Standard 29.6.2017). Ein Moskauer Gericht hat den Todesschützen von Nemzow zu 20 Jahren Straflager verurteilt. Vier Komplizen erhielten Haftstrafen zwischen 11 und 19 Jahren. Zudem belegte der Richter Juri Schitnikow die fünf Angeklagten aus dem russischen Nordkaukasus demnach mit Geldstrafen von jeweils 100.000 Rubel (knapp 1.500 Euro). Die Staatsanwaltschaft hatte für den Todesschützen lebenslange Haft beantragt, für die Mitangeklagten 17 bis 23 Jahre (Kurier 13.7.2017).

Russland ist formal eine Föderation, die aus 83 Föderationssubjekten besteht. Die im Zuge der völkerrechtswidrigen Annexion erfolgte Eingliederung der ukrainischen Krim und der Stadt Sewastopol als Föderationssubjekte Nr. 84 und 85 in den russischen Staatsverband ist international nicht anerkannt. Die Föderationssubjekte genießen unterschiedliche Autonomiegrade und werden unterschiedlich bezeichnet (Republiken, Autonome Gebiete, Autonome Kreise, Regionen, Gebiete, Föderale Städte). Die Föderationssubjekte verfügen jeweils über eine eigene Legislative und Exekutive. In der Praxis unterstehen die Regionen aber finanziell und politisch dem föderalen Zentrum (AA 3.2017a).

Die siebte Parlamentswahl in Russland hat am 18. September 2016 stattgefunden. Gewählt wurden die 450 Abgeordneten der russischen Duma. Insgesamt waren 14 Parteien angetreten, unter ihnen die oppositionellen Parteien Jabloko und Partei der Volksfreiheit (PARNAS). Die Wahlbeteiligung lag bei 47,8%. Die meisten Stimmen bei der Wahl, die auch auf der Halbinsel Krim abgehalten wurde, erhielt die von Ministerpräsident Dmitri Medwedew geführte Regierungspartei "Einiges Russland" mit gut 54%. Nach Angaben der Wahlkommission landete die Kommunistische Partei mit 13,5% auf Platz zwei, gefolgt von der nationalkonservativen LDPR mit 13,2%. Die nationalistische Partei "Gerechtes Russland" erhielt 6%. Diese vier Parteien waren auch bislang schon in der Duma vertreten und stimmten in allen wesentlichen Fragen mit der Mehrheit. Den außerparlamentarischen Oppositionsparteien gelang es nicht die Fünf-Prozent-Hürde zu überwinden. In der Duma verschiebt sich die Macht zugunsten der Regierungspartei "Einiges Russland". Die Partei erreicht im Parlament mit 343 Sitzen deutlich die Zweidrittelmehrheit, die ihr nun Verfassungsänderungen ermöglicht. Die russischen Wahlbeobachter von der NGO Golos berichteten auch in diesem Jahr über viele Verstöße gegen das Wahlrecht (GIZ 4.2017a, vgl. AA 3.2017a).

Das Verfahren am Wahltag selbst wurde offenbar korrekter durchgeführt als bei den Dumawahlen im Dezember 2011. Direkte Wahlfälschung wurde nur in Einzelfällen gemeldet, sieht man von Regionen wie Tatarstan oder Tschetschenien ab, in denen Wahlbetrug ohnehin erwartet wurde. Die Wahlbeteiligung von über 90% und die hohen Zustimmungsraten in diesen Regionen sind auch nicht geeignet, diesen Verdacht zu entkräften. Doch ist die korrekte Durchführung der Abstimmung nur ein Aspekt einer demokratischen Wahl. Ebenso relevant ist, dass alle Bewerber die gleichen Chancen bei der Zulassung zur Wahl und die gleichen Möglichkeiten haben, sich der Öffentlichkeit zu präsentieren. Der Einsatz der Administrationen hatte aber bereits im Vorfeld der Wahlen - bei der Bestellung der Wahlkommissionen, bei der Aufstellung und Registrierung der Kandidaten sowie in der Wahlkampagne - sichergestellt, dass sich kein unerwünschter Kandidat und keine missliebige Oppositionspartei durchsetzen konnte. Durch restriktives Vorgehen bei der Registrierung und durch Behinderung bei der Agitation wurden der nichtsystemischen Opposition von vornherein alle Chancen genommen. Dieses Vorgehen ist nicht neu, man hat derlei in Russland vielfach erprobt und zuletzt bei den Regionalwahlen 2014 und 2015 erfolgreich eingesetzt. Das Ergebnis der Dumawahl 2016 demonstriert also, dass die Zentrale in der Lage ist, politische Ziele mit Hilfe der regionalen und kommunalen Verwaltungen landesweit durchzusetzen. Insofern bestätigt das Wahlergebnis die Stabilität und Funktionsfähigkeit des Apparats und die Wirksamkeit der politischen Kontrolle. Dies ist eine der Voraussetzungen für die Erhaltung der politischen Stabilität (RA 7.10.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (3.2017a): Russische Föderation - Innenpolitik,

http://www.auswaertiges-amt.de/sid_167537BE2E4C25B1A754139A317E2F27/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/RussischeFoederation/Innenpolitik_node.html, Zugriff 21.6.2017

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CIA - Central Intelligence Agency (15.6.2017): The World Factbook, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/rs.html, Zugriff 21.6.2017

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EASO - European Asylum Support Office (3.2017): COI-Report Russian Federation - State Actors of Protection, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1489999668_easocoi-russia-state-actors-of-protection.pdf, Zugriff 21.6.2017

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GIZ Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (4.2017a): Russland, Geschichte und Staat, https://www.liportal.de/russland/geschichte-staat/#c24819, Zugriff 21.6.2017

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GIZ Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (7.2017c): Russland, Gesellschaft, https://www.liportal.de/russland/gesellschaft/, Zugriff 11.7.2017

-

Kurier.at (13.7.2017): Nemzow-Mord: 20 Jahre Straflager für Mörder,

https://kurier.at/politik/ausland/nemzow-mord-20-jahre-straflager-fuer-moerder/274.903.855, Zugriff 13.7.2017

-

RA - Russland Analysen (7.10.2016): Nr. 322, Bewegung in der russischen Politik?,

http://www.laender-analysen.de/russland/pdf/RusslandAnalysen322.pdf, Zugriff 21.6.2017

-

Standard (29.7.2017): Alle Angeklagten im Mordfall Nemzow schuldiggesprochen,

http://derstandard.at/2000060550142/Alle-Angeklagten-im-Mordfall-Nemzow-schuldig-gesprochen, Zugriff 30.6.2017

Tschetschenien

Die Tschetschenische Republik ist eine der 21 Republiken der Russischen Föderation. Betreffend Fläche und Einwohnerzahl - 15.647 km2 und fast 1,3 Millionen Einwohner/innen (2010) - ist Tschetschenien mit der Steiermark vergleichbar. Etwa die Hälfte des tschetschenischen Territoriums besteht aus Ebenen im Norden und Zentrum der Republik. Heutzutage ist die Republik eine nahezu monoethnische: 95,3% der Bewohner/innen Tschetscheniens gaben 2010 an, ethnische Tschetschenen/innen zu sein. Der Anteil ethnischer Russen/innen an der Gesamtbevölkerung liegt bei 1,9%. Rund 1% sind ethnische Kumyk/innen, des Weiteren leben einige Awar/innen, Nogaier/innen, Tabasar/innen, Türk/innen, Inguschet/innen und Tatar/innen in der Republik (Rüdisser 11.2012).

Den Föderationssubjekten stehen Gouverneure vor. Gouverneur von Tschetschenien ist Ramsan Kadyrow. Er gilt als willkürlich herrschend. Russlands Präsident Putin lässt ihn aber walten, da er Tschetschenien "ruhig" hält. Tschetschenien wird überwiegend von Geldern der Zentralregierung finanziert. So erfolgte der Wiederaufbau von Tschetscheniens Hauptstadt Grosny vor allem mit Geldern aus Moskau (BAMF 10.2013, vgl. RFE/RL 19.1.2015).

In Tschetschenien gilt Ramsan Kadyrow als Garant Moskaus für Stabilität. Mit Duldung der russischen Staatsführung hat er in der Republik ein autoritäres System geschaffen, das vollkommen auf seine eigene Person ausgerichtet ist und größtenteils außerhalb des föderalen Rechtsrahmens funktioniert. So musste im Mai 2016 der Vorsitzende des Obersten Gerichts Tschetscheniens zurücktreten, nachdem er von Kadyrow kritisiert worden war, obwohl die Ernennung/Entlassung der Richter in die föderale Kompetenz fällt. Fraglich bleibt auch die föderale Kontrolle über

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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