TE Bvwg Erkenntnis 2018/11/20 I419 2209348-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.11.2018
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Entscheidungsdatum

20.11.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §57 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
EMRK Art.2
EMRK Art.3
FPG §31 Abs1 Z3
FPG §46
FPG §50 Abs1
FPG §52 Abs1 Z1
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z6
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2
VwGVG §24 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I419 2209348-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Tomas JOOS über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. NIGERIA, vertreten durch RA Mag. Hubert WAGNER, LL.M., gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 28.09.2018, Zl. XXXX, zu Recht:

A) Der Beschwerde wird teilweise stattgegeben und der angefochtene

Bescheid dahingehend abgeändert, dass die Spruchpunkte I und V wie folgt zu lauten haben:

"I. Eine ‚Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz' gemäß § 57 AsylG wird Ihnen nicht erteilt."

"V. Gemäß § 55 Abs. 2 FPG beträgt die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung."

und in Spruchpunkt III das Wort "Serbien" durch das Wort "Nigeria" ersetzt wird.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer gelangte im Dezember 2016 mit einem spanischen Aufenthaltstitel in das Bundesgebiet, der bis 11.03.2017 galt, und beantragte beim LH von Wien eine Aufenthaltskarte. Dieser wies am 19.12.2017 den Antrag zurück und stellte fest, dass der Beschwerdeführer nicht in den Anwendungsbereich des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts fällt, was mit dem Vorliegen einer Aufenthaltsehe begründet wurde. Die Beschwerde dagegen hat das VwG Wien am 25.05.2018 als verspätet zurückgewiesen.

2. Mit dem bekämpften Bescheid hat das BFA dem Beschwerdeführer einen Aufenthaltstitel "aus berücksichtigungswürdigen Gründen" "gemäß § 57 AsylG" nicht erteilt (Spruchpunkt I), gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt II), festgestellt, dass dessen Abschiebung nach Serbien (in der Übersetzung des Spruchs: Nigeria) zulässig sei (Spruchpunkt III), gegen ihn ein auf 3 Jahre befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV) und einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V).

3. Die Beschwerde bringt vor, der Beschwerdeführer sei noch nie in Serbien gewesen, stamme nicht von dort, sei kein Staatsangehöriger Serbiens und habe dort auch weder Verwandte noch Bekannte oder Freunde. Eine Abschiebung dorthin würde daher für ihn eine unverhältnismäßige Belastung sein. Er führe auch keine Schein- oder Aufenthaltsehe, sondern lebe mit seiner Gattin in Wien und in der Slowakischen Republik, und sein einziger Lebensmittelpunkt sei hier.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Zunächst wird der unter Punkt I dargestellte Verfahrensgang festgestellt. Darüber hinaus werden folgende Feststellungen getroffen:

1.1 Zur Person des Beschwerdeführers:

Der volljährige, in Nigeria geborene Beschwerdeführer hatte 2012 in Spanien eine Österreicherin geheiratet, wodurch er den Aufenthaltstitel erlangte, und wurde 2013 geschieden. Er war in Österreich von 16.08.2012 bis 03.01.2013 im gemeinsamen Haushalt mit der Gattin gemeldet und kehrte 2014 in den Herkunftsstaat zurück.

Am 26.10.2016 hat er in Dänemark eine slowakische Staatsangehörige geheiratet, die seit 28.10.2016 (wieder) in Österreich gemeldet ist. Seit 05.12.2016 sind der Beschwerdeführer und seine Gattin in einer Wohnung in Wien 14 gemeldet, zusammen mit zwei anderen Männern und einer weiteren Frau, alle wie er Staatsangehörige Nigerias. Letztere sind dort seit den Jahren 1988, 1991 und 2017 gemeldet.

Die Gattin des Beschwerdeführers ist Inhaberin einer Anmeldebescheinigung nach § 51 Abs. 1 Z. 1 NAG auf Grund der Freizügigkeitsrichtlinie als Arbeitnehmerin oder Selbständige. Der Beschwerdeführer hat keine Kinder. Er und seine Gattin führen kein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK. Er ist eine Aufenthaltsehe eingegangen. Strafrechtlich ist er unbescholten.

Der Beschwerdeführer ist Christ, besucht den Gottesdienst und trifft sich beim Fußballspielen mit anderen Menschen, deren Namen er nicht kennt. Er verfügt in Österreich über keine privaten, familiären, beruflichen oder sonstigen sozialen Bindungen, über kein Aufenthaltsrecht und keine ausreichenden Existenzmittel zur Sicherung seines Lebensunterhaltes. Deutschkenntnisse hat er nicht nachgewiesen, seine Vernehmung am 04.09.2018 erfolgte mithilfe eines Dolmetschs.

Seine Identität steht fest. Er spricht Englisch, leidet an keiner schweren Krankheit und ist arbeitsfähig. Im Herkunftsland des Beschwerdeführers, wo er zuletzt 2014 war, leben seine Eltern sowie je zwei Brüder und Schwestern. Mit diesen Angehörigen pflegt er telefonischen Kontakt.

1.2 Zur Lage im Herkunftsstaat:

Im angefochtenen Bescheid wurde das aktuelle "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation" zu Nigeria mit Stand 07.08.2017 zitiert. Im gegebenen Zusammenhang sind mangels sonstiger Bezüge zum Vorbringen die Informationen zur Lage von Rückkehrenden von Relevanz. Demnach ist festzustellen:

1.2.1 Behandlung nach Rückkehr

Zum Zeitpunkt der Berichtslegung kann aufgrund der dargelegten Gründe kein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen generell festgestellt werden, welcher geeignet wäre, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Der pauschale Hinweis eines Asylwerbers auf die allgemein herrschende Situation in Nigeria reicht nicht aus, um eine Bedrohung iSv Art. 2 MRK, 3 MRK oder des Protokolls Nr. 6 oder 13 der EMRK darzustellen. Es kann allgemein festgestellt werden, dass in Nigeria eine zurückgeführte Person, die in keinem privaten Verband soziale Sicherheit finden kann, keiner lebensbedrohlichen Situation überantwortet wird und ihre existenziellen Grundbedürfnisse, aus selbstständiger Arbeit, sichern kann, insbesondere dann wenn Rückkehrhilfe angeboten wird (ÖBA 9.2016).

Abschiebungen erfolgen auf dem Luftweg, in Linien- oder Chartermaschinen. Rückführungen aus EU-Staaten erfolgen meist durch Charterflüge, die auch durch FRONTEX durchgeführt werden. Ohne gültigen nigerianischen Pass oder einen von einer nigerianischen Botschaft ausgestellten vorläufigen Reiseausweis ist eine Einreise aus Europa kommender nigerianischer Staatsangehöriger nicht möglich. Dies gilt auch für zwangsweise Rückführungen. Die Einwanderungsbehörde führt ein Fahndungsbuch, anhand dessen bei aus dem Ausland zurückkehrenden Nigerianern eine Überprüfung bereits bei Ankunft am Flughafen erfolgt: Bei Notierung im Fahndungsbuch wird der Betreffende noch im Flughafengebäude verhaftet; im anderen Fall wird der betroffenen Person ein vorläufiges Identifikationspapier durch die nigerianische Einwanderungsbehörde ausgestellt, wenn sie lediglich über einen vorläufigen Reiseausweis einer nigerianischen Botschaft verfügt (AA 21.11.2016).

Erkenntnisse darüber, ob abgelehnte Asylbewerber bei Rückkehr nach Nigeria allein wegen der Beantragung von Asyl mit staatlichen Repressionen zu rechnen haben, liegen dem Auswärtigen Amt nicht vor. Verhaftung bei Rückkehr aus politischen Gründen oder andere

außergewöhnliche Vorkommnisse bei der Einreise von abgeschobenen oder freiwillig ausgereisten Asylbewerbern aus Deutschland sind nicht bekannt. Abgeschobene Personen werden im Allgemeinen nach ihrer Ankunft in Lagos von der Nigerianischen Immigrationsbehörde (Nigerian Immigration Service), manchmal auch der Drogenpolizei (National Drug Law Enforcement Agency/NDLEA) befragt und können danach das Flughafengelände unbehelligt verlassen (AA 21.11.2016). Die österreichische Botschaft in Abuja unterstützt regelmäßig die Vorbereitung und Durchführung von Joint Return Operations im Rahmen von FRONTEX als "lead nation". Die Erfahrungen seit dem Jahre 2005 lassen kaum Probleme erkennen. Die Rückgeführten verlassen das Flughafengebäude und steigen meistens in ein Taxi ein oder werden von ihren Familien abgeholt. Probleme, Anhaltungen oder Verhaftungen von rückgeführten Personen bei ihrer Ankunft am Flughafen Lagos wurden im Rahmen des Monitoring der Ankunft und des ungehinderten Verlassens des Flughafengeländes durch Vertreter der Botschaft nicht beobachtet. Es kann jedoch nicht mit gänzlicher Sicherheit ausgeschlossen werden, dass die abgeschobenen Personen keine weiteren Probleme mit offiziellen Behörden haben. Das fehlende Meldesystem in Nigeria lässt allerdings darauf schließen, dass nach Verlassen des Flughafengeländes eine Ausforschung Abgeschobener kaum mehr möglich ist (ÖBA 9.2016).

Im Ausland straf- oder polizeilich auffällig gewordene Personen, insbesondere Prostituierte, werden in ihren Herkunfts-Bundesstaat überstellt. Wegen Drogendelikten im Ausland verurteilte Nigerianer werden nach Rückkehr an die NDLEA überstellt. Ein zweites Strafverfahren in Nigeria wegen derselben Straftat haben diese Personen jedoch trotz anderslautender Vorschriften im "Decree 33" nicht zu befürchten. Im Mai 2012 erhielt die Deutsche Botschaft in Abuja ein Schreiben des nigerianischen Justizministers mit der Bestätigung der Nichtanwendung des "Decree 33" (AA 21.11.2016). Da die österreichische Botschaft stets "overstay" als Abschiebungsgrund angibt, sind Verhaftungen bei Ankunft in Nigeria unwahrscheinlich. Dadurch ist das "Dekret 33" nicht geeignet, ein Rückschiebungshindernis für eine Person darzustellen (ÖBA 9.2016).

Staatliche oder sonstige Aufnahmeeinrichtungen für zurückkehrende unbegleitete Minderjährige sind in Lagos grundsätzlich vorhanden. Sie sind jedoch in schlechtem Zustand, so dass z. B. eine ausreichende Versorgung von minderjährigen Rückkehrern dort nicht ohne weiteres gewährleistet wäre (AA 21.11.2016).

1.3 Zum Vorbringen:

Zusammenfassend wird in Bezug auf das Vorbringen des Beschwerdeführers und aufgrund der allgemeinen Lage im Land festgestellt, dass der Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner wie immer gearteten asylrelevanten Verfolgung oder sonstigen existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein wird.

Eine nach Nigeria zurückkehrende Person, bei der keine berücksichtigungswürdigen Gründe vorliegen, wird durch eine Rückkehr nicht automatisch in eine unmenschliche Lage versetzt.

2. Beweiswürdigung:

2.1 Zum Verfahrensgang:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des Verwaltungsaktes des BFA einschließlich des Bescheids des LH von Wien vom 19.12.2017 und des Gerichtsaktes. Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Fremdenregister, dem Zentralen Melderegister (ZMR) und dem Betreuungsinformationssystem der Grundversorgung (GVS) wurden ergänzend eingeholt.

2.2 Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit sowie zu den Lebensumständen des Beschwerdeführers gründen sich auf seine diesbezüglich glaubhaften Angaben vor den Organen des BFA, zur Ehe dagegen auf den Bescheid des LH, ansonsten auch auf die unbestrittenen Feststellungen im angefochtenen Bescheid.

Befragt hatte der Beschwerdeführer den Besitz eines Zeugnisses über Deutschkenntnisse auf Niveau A2 behauptet, ein solches aber dem BFA nie vorgelegt, sodass die Feststellung wie geschehen zu treffen war. Gesundheitszustand und Arbeitsfähigkeit ergaben sich aus den Angaben, wonach der Beschwerdeführer Fußball spielt und bei der "afrikanischen Gesellschaft" aushilft, sowie dem Fehlen anderen Vorbringens.

Seine Identität betreffend liegt der Reisepass vor, die Englischkenntnis ergibt sich daraus, sowie aus der Übersetzung bei der Befragung durch eine - laut Gerichtsdolmetscherliste - Dolmetscherin für Englisch.

2.3 Zum Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat beruhen auf dem aktuellen Länderinformationsbericht der Staatendokumentation für Nigeria samt den dort publizierten Quellen und Nachweisen Dieser Länderinformationsbericht stützt sich auf Berichte verschiedener ausländischer Behörden, etwa die allgemein anerkannten Berichte des Deutschen Auswärtigen Amtes, als auch jene von internationalen Organisationen, wie bspw. dem UNHCR, sowie Berichte von allgemein anerkannten unabhängigen Nachrichtenorganisationen.

Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

Der Beschwerdeführer trat diesen Quellen und deren Kernaussagen zur Situation im Herkunftsland nicht entgegen.

2.4 Zum Vorbringen des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer bestreitet, eine Aufenthaltsehe eingegangen zu sein und behauptet das Bestehen einer liebevollen Beziehung trotz fehlender gemeinsamer Sprache. Dem stehen die Feststellungen im rechtskräftigen Bescheid des LH von Wien gegenüber, denen das Gericht sich wie das BFA anschließt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) (Abweisung der Beschwerde):

3.1 Zur Nichterteilung eines Aufenthaltstitels (Spruchpunkt I)

Im ersten Satz des Spruchpunkts I im angefochtenen Bescheid sprach das BFA aus, dass dem Beschwerdeführer ein "Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen" "gemäß § 57 Asylgesetz 2005" nicht erteilt werde. Damit war offensichtlich das in § 57 AsylG 2005 beschriebene Rechtsinstitut "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" gemeint (S. 58 des Bescheids). Dem war durch die Richtigstellung des Spruchs Rechnung zu tragen.

Das Vorliegen der Voraussetzungen für die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" gemäß § 57 AsylG 2005 wurde vom Beschwerdeführer nicht behauptet. Aus der Beschwerde und auch aus dem Verwaltungsakt ergeben sich auch keine Hinweise, die nahelegen würden, dass die Erteilung einer solchen Aufenthaltsberechtigung in Betracht kommt. Der Beschwerdeführer hätte zudem im Falle des § 57 Abs. 1 Z. 1 AsylG 2005 den Ausschlussgrund der rechtskräftigen Verurteilung wegen eines Verbrechens gegen sich gelten zu lassen.

3.2 Zur Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt II)

Nach § 52 Abs. 1 Z. 1 FPG ist eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn ein Drittstaatsangehöriger sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält.

Nach § 31 Abs. 1 Z. 3 FPG halten sich Fremde unter anderem dann rechtmäßig im Bundesgebiet auf, wenn sie Inhaber eines von einem Vertragsstaat - z. B. also Spanien - ausgestellten Aufenthaltstitels sind, und zwar solange sie keiner unerlaubten Erwerbstätigkeit nachgehen und höchstens bis zu drei Monate. Da der spanische Aufenthaltstitel seit mehr als 1,5 Jahren abgelaufen ist und der Beschwerdeführer nicht in den Anwendungsbereich des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts fällt, was der LH von Wien als zuständige Behörde rechtskräftig und damit bindend für andere Behörden festgestellt hat, erweist sich der gegenwärtige Aufenthalt des Beschwerdeführers als unrechtmäßig.

Im Ergebnis ist damit die Voraussetzung des § 52 Abs. 1 Z. 1 FPG erfüllt. Somit ist auch im vorliegenden Fall die Rückkehrentscheidung vorgesehen.

Das gilt nur dann nicht, wenn eine Rückkehrentscheidung wegen eines Eingriffs in das Privat- oder Familienleben eines Fremden auf Basis des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG für dauernd unzulässig zu erklären ist. Zu entscheiden ist dabei nach einer individuellen Abwägung der berührten Interessen gegenüber den öffentlichen, ob ein Eingriff im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK verhältnismäßig ist.

Eine individuelle Abwägung der berührten Interessen ergibt, dass ein Eingriff in das Familien- und Privatleben des Beschwerdeführers durch seine Außerlandesbringung als im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK verhältnismäßig anzusehen ist.

Der Beschwerdeführer verfügt über kein Familienleben in Österreich. Zu prüfen war daher ein etwaiger Eingriff in sein Privatleben. Unter diesem Aspekt ist auf die Feststellung zu verweisen, dass keine privaten, familiären, beruflichen oder sonstigen sozialen Bindungen vorliegen, wobei der Gottesdienstbesuch keine solche ist, da er im Herkunftsland fortgesetzt werden kann, und auch in den Kontakten beim Fußball, deren Namen dem Beschwerdeführer nicht geläufig sind, keine Bindungen erblickt werden können.

Gleichzeitig hat der Beschwerdeführer in seinem Herkunftsstaat, in dem er geboren wurde und sich zuletzt vor vier Jahren aufhielt, sprachliche und kulturelle Verbindungen, seine Eltern, Brüder und Schwestern, sowie die Möglichkeit, alte oder neue soziale Kontakte zu pflegen.

Dem allenfalls bestehenden Interesse des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich stehen öffentliche Interessen gegenüber. Zuerst steht ihnen das öffentliche Interesse daran gegenüber, dass das geltende Migrationsrecht auch vollzogen wird, indem Personen, die ohne Aufenthaltstitel anwesend sind - gegebenenfalls nach Abschluss eines allfälligen Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz - auch zur tatsächlichen Ausreise verhalten werden.

Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung kann daher nicht im Sinne von § 9 Abs. 2 BFA-VG als unzulässig angesehen werden.

3.3 Zur Zulässigkeit der Abschiebung (Spruchpunkt III):

Bereits aus der im Bescheid enthaltenen Übersetzung des Spruchpunkts III, wo der Zielstaat mit "Nigeria" angegeben ist, vor allem aber aus der Begründung des bekämpften Bescheids (S. 6 ff, 61) ergibt sich klar und ohne Zweifel, dass das BFA über die Zulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat entscheiden wollte, nicht über jene einer Abschiebung nach Serbien oder in einen anderen Staat. Insofern war - nach Prüfung der nachstehenden Voraussetzungen - der Spruchpunkt III wegen einer einem Schreibfehler gleichzuhaltenden, offenbar auf einem Versehen beruhenden Unrichtigkeit zu berichtigen, da offensichtlich ein Textbaustein versehentlich unverändert in den Spruch übernommen worden war.

Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das BFA mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dies wäre aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich.

Die Abschiebung in einen Staat ist nach § 50 Abs. 1 FPG unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 EMRK oder die Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention verletzt würden, oder für den Betroffenen als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre.

Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet. Gleichzeitig betont die Rechtsprechung des VwGH jedoch unter Hinweis auf jene des EGMR, dass eine solche Situation nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen ist (VwGH 06.11.2009, 2008/19/0174 und VwGH 21.08.2001, 2000/01/0443 mwH). Nach den Feststellungen zu Gesundheit und Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers und den Länderfeststellungen ist nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in eine existenzbedrohende Lage geraten würde.

Zur Feststellung, dass eine Abschiebung nach Nigeria zulässig ist, ist ausführen, dass es keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Art. 3 EMRK überschritten wäre. Das gilt auch, wenn eine Unterstützung durch seine Angehörigen ausbleiben sollte. Der Beschwerdeführer ist ausreichend gesund und daher erwerbsfähig.

Er spricht die Landessprache Englisch und hat in Nigeria bereits 2014 leben können. Er ist ausreichend gesund und arbeitsfähig, weshalb er im Herkunftsstaat zweifelsfrei die Möglichkeit hat, am Arbeitsmarkt fündig zu werden.

Die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz werden jedenfalls im konkreten Fall gedeckt werden können. Dass der Beschwerdeführer möglicherweise in Österreich wirtschaftlich besser leben kann, genügt nicht für die Annahme, er würde in Nigeria keine Lebensgrundlage vorfinden und somit seine Existenz nicht decken können. Es fehlen somit im vorliegenden Fall Hinweise auf derart exzeptionelle Umstände.

Zudem besteht in Nigeria keine so extreme Gefährdungslage, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung im Sinne der Art. 2 oder 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention ausgesetzt wäre.

Stichhaltige Gründe für die Annahme, dass in Nigeria das Leben des Beschwerdeführers oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder persönlichen Ansichten bedroht wäre, sind im Verfahren nicht hervorgekommen und wurden auch in der Beschwerde nicht nachprüfbar konkret behauptet.

Aufgrund all dessen ist letztlich im Rahmen einer Gesamtschau davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr in seinen Herkunftsstaat seine dringendsten Bedürfnisse befriedigen kann und nicht in eine dauerhaft aussichtslose Lage gerät, sodass auch der Spruchpunkt III des angefochtenen Bescheides zu bestätigen war.

3.4 Zum Einreiseverbot (Spruchpunkt IV):

Nach § 53 Abs. 2 FPG ist ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 für bis zu fünf Jahre zu erlassen, wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft (Abs. 2). Dies ist insbesondere dann anzunehmen (Z. 8), wenn der Fremde eine Ehe geschlossen hat und sich für die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, für den Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts oder zur Verhinderung aufenthaltsbeendender Maßnahmen auf diese berufen, aber mit dem Ehegatten ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK nicht geführt hat. Dies ist wie dargetan beim Beschwerdeführer der Fall.

Die Dauer des Verbots ist in Anbetracht der zur Aufenthaltsehe hinzukommenden eingestandenen Mittellosigkeit, die ihrerseits ein Einreiseverbot stützen könnte (§ 53 Abs. 2 Z. 6 FPG), nicht unangemessen.

Nach all dem war die Beschwerde, abgesehen von der Richtigstellung, auch betreffend diesen Spruchpunkt IV abzuweisen.

3.5 Zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung (Spruchpunkt V):

Nach § 18 Abs. 2 Z. 1 BFA-VG, auf den sich das BFA bezieht, ist die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung ohne Ermessen abzuerkennen, wenn die sofortige Ausreise eines Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Sicherheit und Ordnung erforderlich ist. Das BFA verwies diesbezüglich auf die Begründung des Einreiseverbots, das Eingehen einer Aufenthaltsehe, was nicht unabhängig vom konkreten Sachverhalt ausreicht, um auch die Notwendigkeit einer sofortigen Ausreise im genannten Sinne zu stützen.

Nach den Materialien (EBRV 582 XXV. GP) geht es selbst bei der Ermessensentscheidung des § 18 Abs. 1 Z. 2 BFA-VG - um ein (jedes) Verhalten, das der "Rechtsordnung in besonderem Maße widerspricht", wobei als Beispiele "mehrfache rechtswidrige Einreisen, Vergehen und Verbrechen, aber auch etwa schwere und gehäufte Verwaltungsübertretungen" genannt sind. Das Fehlen solcher Sachverhaltselemente zeigt, dass fallbezogen schon eine Ermessensentscheidung über die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung keine Basis hätte. Umso weniger kann eine solche für die obligatorische Aberkennung nach Abs. 2 Z. 1 angenommen werden, auch nicht aus dem - soweit ersichtlich - einzig verbleibenden Grund der Mittellosigkeit.

Die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung erfolgte daher nicht zu Recht, weswegen sie aufzuheben und stattdessen wegen § 55 Abs. 1 FPG die Ausreisefrist festzulegen war.

Gemäß § 55 Abs. 2 FPG war die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft festzulegen, weil keine Hinweise auf besondere Umstände vorliegen, die der Beschwerdeführer bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hätte, und daher auch keine auf solche, welche die Gründe der Rückkehrentscheidung überwögen.

Spruchpunkt V war demnach wie geschehen zu ändern.

Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung zur Relevanz des Privat- und Familienlebens bei Rückkehrentscheidungen oder zur Verhängung und Bemessung von Einreiseverboten.

Die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage(n) kamen nicht hervor.

4. Zum Unterbleiben einer Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht.

Eine mündliche Verhandlung kann unterbleiben, wenn der für die rechtliche Beurteilung relevante Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben wurde und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweist.

Außerdem muss die Verwaltungsbehörde ihre die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in gesetzmäßiger Weise offengelegt haben und das Gericht diese tragenden Erwägungen in seiner Entscheidung teilen. Auch darf im Rahmen der Beschwerde kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüberhinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten ebenso außer Betracht zu bleiben hat, wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt.

Die genannten Kriterien treffen in diesem Fall zu. Der Sachverhalt ist durch die belangte Behörde vollständig erhoben und weist - aufgrund des Umstandes, dass zwischen der Entscheidung durch die belangte Behörde und jener durch das Gericht rund sieben Wochen liegen - die gebotene Aktualität auf. Der Beweiswürdigung durch die belangte Behörde hat sich das Gericht zur Gänze angeschlossen.

Das Gericht musste sich auch keinen persönlichen Eindruck vom Beschwerdeführer verschaffen, da es sich um einen eindeutigen Fall in dem Sinne handelt, dass auch bei Berücksichtigung aller zugunsten des Fremden sprechenden Fakten für ihn kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn der persönliche Eindruck ein positiver ist (vgl. VwGH 18.10.2017, Ra 2017/19/0422 mwH).

Die Abhaltung einer Verhandlung konnte demnach unterbleiben.

Schlagworte

Abschiebung, Asylverfahren, Aufenthaltsberechtigung besonderer
Schutz, Aufenthaltsehe, Aufenthaltstitel, berücksichtigungswürdige
Gründe, Einreiseverbot, freiwillige Ausreise, Frist,
Interessenabwägung, öffentliche Interessen, Privat- und
Familienleben, private Interessen, Rückkehrentscheidung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:I419.2209348.1.00

Zuletzt aktualisiert am

01.02.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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