Entscheidungsdatum
23.11.2018Norm
AsylG 2005 §5 Abs1Spruch
W235 2209377-1/6E
W235 2209375-1/5E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Maga. Sabine MEHLGARTEN-LINTNER als Einzelrichterin über die Beschwerden von 1. XXXX , geb. XXXX , und 2. mj. XXXX , geb. XXXX , dieser gesetzlich vertreten durch: XXXX , beide: StA. Russische Föderation, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.10.2018, Zl. 810038102-180755936 (ad 1.) sowie Zl. 1202370709-180755952 (ad 2.), beschlossen:
A)
Die Verfahren werden wegen Zurückziehung der Beschwerden gemäß §§ 7 Abs. 2, 28 Abs. 1 und 31 Abs. 1 VwGVG eingestellt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
1. Die Erstbeschwerdeführerin ist die Mutter des minderjährigen Zweitbeschwerdeführers. Beide Beschwerdeführer sind Staatsangehörige der Russischen Föderation tschetschenischer Volksgruppenzugehörigkeit und reisten gemeinsam mit einem weniger als sechs Monate abgelaufenem finnischen Visum in das österreichische Bundesgebiet ein und stellten am 09.08.2018 die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz.
2. Mit den angefochtenen Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.10.2018 wurden die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass gemäß Art. 12 Abs. 4 iVm Art. 22 Abs. 7 der Verordnung EU Nr. 604/2013 (= Dublin III-VO) Finnland für die Prüfung dieser Anträge zuständig ist (Spruchpunkt I.). Unter Spruchpunkt II. der angefochtenen Bescheide wurde gegen die Beschwerdeführer die Außerlandesbringung gemäß § 61 Abs. 1 FPG angeordnet und festgestellt, dass demzufolge ihre Abschiebung nach Finnland gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig ist.
3. Gegen diese Bescheide erhoben die Beschwerdeführer am 12.11.2018 fristgerecht Beschwerde und stellten Anträge auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung.
4. Am 21.11.2018 zog die Erstbeschwerdeführerin für sich und - als gesetzliche Vertreterin - für den minderjährigen Zweitbeschwerdeführer die Beschwerden gegen die angefochtenen Bescheide zurück und legte Einverständniserklärungen betreffend beide Beschwerdeführer zur Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat (Finnland) vor. Sowohl die Zurückziehungen der Beschwerden als auch die Erklärungen zur Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat waren von der Erstbeschwerdeführerin am 21.11.2018 eigenhändig unterfertigt (vgl. OZ 5 im Akt der Erstbeschwerdeführerin sowie OZ 4 im Akt des Zweitbeschwerdeführers).
Angemerkt wurde, dass der Inhalt der Zurückziehung der Beschwerde der Erstbeschwerdeführerin von einer sprachkundigen Vertrauensperson einer Rechtsberatungsorganisation erklärt und dieser eine Vollmacht zur logistischen Unterstützung der Überstellung erteilt worden sei. Die diesbezüglich von der Erstbeschwerdeführerin unterfertigte Vollmacht liegt dem Bundesverwaltungsgericht vor.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1.1. Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da im vorliegenden Verfahren keine Entscheidung durch Senate vorgesehen ist, liegt gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG durch Beschluss.
1.2. Entscheidungen des Verwaltungsgerichtes, die die Rechtssache nicht erledigen, sollen demgemäß in Form eines Beschlusses ergehen. Auch die Einstellung eines Verfahrens erfolgt durch Beschluss (vgl. ErläutRV 2009 BglNr 24. GP in "Fister/Fuchs/Sachs: Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren, Taschenkommentar", Seite 166).
Zu den regulären Beschlüssen, die nicht verfahrensleitender Natur sind, da sie für den Einzelfall bindend die Gestaltung oder Feststellung von Rechtsverhältnissen zum Inhalt haben (vgl. VfSlg 19.081/2010), zählen jedenfalls solche, die das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht beenden, wie eben auch die Einstellung des Verfahrens (vgl. hierzu "Fister/Fuchs/Sachs: Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren, Taschenkommentar", Anm. 8 zu § 31 VwGVG, Seite 170). Die Einstellung steht nach allgemeinem Verständnis am Ende jener Verfahren, in denen ein Erledigungsanspruch nach Beschwerdeeinbringung verloren geht, wozu auch der Fall der Zurückziehung der Beschwerde zählt (vgl. hierzu ebenfalls "Fister/Fuchs/Sachs: Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren, Taschenkommentar", Anm. 5 zu § 28 VwGVG, Seite 151).
2. Zu A)
2.1. Eine Beschwerde ist gemäß § 7 Abs. 2 VwGVG nicht mehr zulässig, wenn die Partei nach Zustellung oder Verkündigung des Bescheides ausdrücklich auf die Beschwerde verzichtet hat.
2.2. Ein Beschwerdeverzicht kann erst nach Erlassung des Bescheides an die Partei wirksam erfolgen. Wurde der Beschwerdeverzicht vor Zustellung (Ausfolgung) oder mündlicher Verkündung des Bescheides ausgesprochen, ist er rechtlich unerheblich (vgl. "Hengstschläger/Leeb: AVG Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz", Rz 73 zu § 63 AVG mit Hinweis auf VwGH vom 27.04.2006, Zl. 2005/07/0177).
Das Vorliegen eines Beschwerdeverzichts ist besonders streng zu prüfen (vgl. VwSlg. 17.042 A/2006; VwGH vom 17.02.2010, Zl. 2009/17/0254). Voraussetzung für einen rechtswirksamen Verzicht ist, dass er frei von Willensmängeln (vgl. VwSlg 12.791 A/19988 (Zwang); VwGH vom 19.11.2004, Zl. 2004/02/230 (Geisteskrankheit) VwSlg 17.042 A/2006 (irreführende oder unvollständige Rechtsbelehrung)) und in Kenntnis der Rechtsfolgen abgegeben wurde (vgl. VwGH vom 31.05.2006, Zl. 2006/10/0075).
Besondere Formerfordernisse bestehen nicht (vgl. VwGH vom 11.07.2003, Zl. 2000/06/0173), der Verzicht muss allerdings ausdrücklich erklärt werden (vgl. dazu VwGH vom 17.04.2009, Zl. 2007/03/0040).
Unter diesen Voraussetzungen ist nicht nur ein Verzicht auf die Einbringung der Beschwerde, sondern auch ein nachträglicher Verzicht durch Zurücknahme der Beschwerde wirksam (vgl. VwGH vom 22.11.2005, Zl. 2005/05/0320). Der Beschwerdeverzicht ist unwiderruflich (vgl. VwGH vom 10.03.1994, Zl. 94/19/0601 und vom 12.05.2005, Zl. 2005/02/0049); er hindert allerdings nicht die Wiederaufnahme des Verfahrens (vgl. VwSlg 12.555 A/1987).
2.3. Wie sich aus dem oben geschilderten Verfahrensgang ergibt, hat die Erstbeschwerdeführerin für sich und für den Zweitbeschwerdeführer durch ihre eigenhändige Unterschrift bestätigt, dass sie damit einverstanden ist, (gemeinsam) in den zuständigen Mitgliedstaat (Finnland) überstellt zu werden und hat ebenso durch eigenhändige Unterschrift die Beschwerden zurückgezogen. Diese - rechtlich verbindlichen - Handlungen wurden nach Beratung bzw. Erklärung durch eine sprachkundige Vertrauensperson einer Rechtsberatungsorganisation getätigt und wurde zeitgleich dieser Rechtsberatungsorganisation auch die Vollmacht zur logistischen Unterstützung der Überstellung erteilt.
Es ergibt sich aus dem Akteninhalt - insbesondere aus der Zurückziehung der Beschwerden und aus den Erklärungen zur freiwilligen Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat - somit zweifelsfrei, dass die Erstbeschwerdeführerin für sich und als gesetzliche Vertreterin auch für den minderjährigen Zweitbeschwerdeführer eine rechtsgültige Beschwerdezurückziehung abgeben und somit das Beschwerdeverfahren beenden wollte. Mit der Zurückziehung der Beschwerde ist das Rechtsschutzinteresse der Beschwerdeführer weggefallen, wodurch einer Sachentscheidung durch das Bundesverwaltungsgericht die Grundlage entzogen wurde. Somit sind die im Spruch genannten Bescheide rechtskräftig geworden und die gegenständlichen Beschwerdeverfahren mit Beschluss einzustellen.
Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG entfallen, da aufgrund der Aktenlage feststeht, dass die gegenständlichen Beschwerdeverfahren aufgrund der Zurückziehung der Beschwerden einzustellen sind.
3. Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Verfahrenseinstellung, Zurückziehung der BeschwerdeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W235.2209375.1.00Zuletzt aktualisiert am
01.02.2019