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L9200 Sozialhilfe, Grundsicherung, MindestsicherungNorm
B-VG Art144 Abs1 / AnlassfallLeitsatz
Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses des Landesverwaltungsgerichtes Burgenland wegen Anwendung einer verfassungswidrigen GesetzesbestimmungSpruch
I. Der Beschwerdeführer ist durch das angefochtene Erkenntnis wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in seinen Rechten verletzt worden.
Das Erkenntnis wird aufgehoben.
II. Das Land Burgenland ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit € 2.616,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe
1. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger des Iran und seit 7. Juni 2017 in Österreich asylberechtigt. Am 1. September 2017 beantragte der Beschwerdeführer Leistungen nach dem Burgenländischen Mindestsicherungsgesetz (Bgld MSG). Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Oberwart vom 22. September 2017 wurde dem Beschwerdeführer für September 2017 eine monatliche Leistung idHv € 189,–, für Oktober 2017 € 395,– und ab November 2017 eine Leistung idHv € 584,– nach dem Bgld MSG zugesprochen. Dagegen erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Burgenland, in der er vorbrachte, dass die von der Behörde angewendeten Mindeststandards - Integration (§10a Bgld MSG) verfassungswidrig seien. Das Landesverwaltungsgericht Burgenland wies die Beschwerde mit Erkenntnis vom 22. Februar 2018 als unbegründet ab und führte aus, dass es §10a Bgld MSG für verfassungs- und unionsrechtskonform halte.
2. Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten sowie in Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses beantragt wird.
3. Die Bezirkshauptmannschaft hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie vorbringt, dass die Ausgaben für die Bedarfsorientierte Mindestsicherung gestiegen seien und eine langfristige Absicherung des Sozialsystems angestrebt werde. Ziel der Bedarfsorientierten Mindestsicherung sei die vorübergehende Abwendung von Notlagen sowie die dauerhafte Integration in den Arbeitsmarkt und die Gesellschaft. Personen, die innerhalb der letzten sechs Jahre weniger als fünf Jahre in Österreich aufhältig gewesen seien, erhielten reduzierte Mindeststandards und müssten eine Integrationsvereinbarung abschließen. Weder Art23 Genfer Flüchtlingskonvention noch Art29 Status-Richtlinie stünden §10a Bgld MSG entgegen, weil §10a Bgld MSG nicht nach der Staatsangehörigkeit, sondern nach der Aufenthaltsdauer differenziere. Außerdem bestünden erhebliche Unterscheide zu der vom Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 7. März 2018, G136/2017 ua, aufgehobenen niederösterreichischen Regelung, zumal die Leistungshöhe nach dem Bgld MSG anders ausgestaltet sei und ein Integrationsbonus bestehe.
4. Der Verfassungsgerichtshof hat über die – zulässige – Beschwerde erwogen:
Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 1. Dezember 2018, G308/2018, §10a Bgld MSG idF LGBl 20/2017, als verfassungswidrig aufgehoben und ausgesprochen, dass diese Bestimmung nicht mehr anzuwenden ist.
Das Landesverwaltungsgericht Burgenland wendete bei Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses die als verfassungswidrig aufgehobene Gesetzesbestimmung an. Es ist nach Lage des Falles offenkundig, dass diese Gesetzesanwendung für die Rechtsstellung des Beschwerdeführers nachteilig war. Der Ausspruch, dass die aufgehobenen Bestimmungen nicht mehr anzuwenden sind, hat auch für den Verfassungsgerichtshof die Wirkung, dass er die betreffenden Bestimmungen nicht mehr anzuwenden hat (vgl etwa VfSlg 12.954/1991, 15.401/1999; VfGH 14.12.2005, B1025/04; 29.6.2011, B308/11; 9.6.2016, E543/2016).
5. Der Beschwerdeführer wurde somit wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in seinen Rechten verletzt.
Das Erkenntnis ist daher aufzuheben.
6. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde gemäß §19 Abs4 VfGG abgesehen.
7. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 436,– enthalten.
Schlagworte
Mindestsicherung, Armenwesen, VfGH / Aufhebung WirkungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2018:E1277.2018Zuletzt aktualisiert am
01.02.2019