TE Vfgh Erkenntnis 2018/12/12 A19/2017

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Veröffentlicht am 12.12.2018
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Index

55/01 Wirtschaftslenkung

Norm

B-VG Art137 / Bescheid
MOG 2007 §21
Durchführungsverordnung (EU) 809/2014 Art7

Leitsatz

Abweisung einer Klage auf Gewährung einer Rinderprämie und eine "einheitliche Betriebsprämie 2014" mangels Vorliegens einer bescheidmäßigen Erledigung zur Begründung des Anspruchs; keine gesetzliche Grundlage für einen Ersatz von Zinsen im MarktordnungsG

Spruch

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Kosten werden nicht zugesprochen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I.       Klage und Vorverfahren

1.       Gestützt auf Art137 B-VG begehrt der Kläger folgendes Urteil:

"Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei € 2.244,00 samt 4 % Zinsen aus € 16.917,97 vom 26.03.2014 bis 25.06.2018, aus € 23.188,31 vom 26.03.2015 bis 25.06.2018, aus € 533,16 vom 29.09.2015 bis 25.06.2018, aus € 561,22 vom 29.09.2015 bis 25.06.2018, aus € 17.490,06 vom 28.04.2016 bis 25.06.2018, aus € 1.744,65 seit 28.04.2016, aus € 267,20 seit 29.06.2016, aus € 230,71 seit 31.08.2016 und aus € 1,44 seit 20.12.2016 sowie hieraus jeweils 4 % Zinseszinsen ab Behändigung der Klage und die Kosten des Rechtsstreites gem. §19a RAO zu Handen der ausgewiesenen Rechtsvertretung binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen."

2.       Dieser Klage liegt folgender Sachverhalt zu zugrunde:

Der Kläger führt einen landwirtschaftlichen Betrieb und beantragte bei der Agrarmarkt Austria die Gewährung von Prämien und Beihilfen. Ihm wurden von dem Geschäftsbereich II der Agrarmarkt Austria für die Jahre 2013 bis 2015 jeweils mit Bescheiden Rinderprämien, Erstattungen im Rahmen der Haushaltsdisziplin, Sonderbeihilfen und Direktzahlungen insgesamt in der Höhe von € 60.934,72 gewährt.

Mit der Klage vom 19. Oktober 2017 begehrt der Kläger die Auszahlung der bescheidmäßig festgesetzten, aber einbehaltenen Prämien und Beihilfen für die Jahre 2013 bis einschließlich 2015. Ende Juni 2018 wurde von der Agrarmarkt Austria der Betrag von € 58.690,72 an die klagende Partei überwiesen. In weiterer Folge schränkte der Kläger mit Schriftsatz vom 16. Juli 2018 die Klage auf die seiner Auffassung nach fehlenden € 2.244,00 samt Zinsen und Kosten ein.

3.       Der Bund erstattete eine Gegenschrift, in der er die Höhe der Forderung bestreitet und den Antrag stellt, das Zinsbegehren des Klägers gestützt auf §21 MOG 2007 als unbegründet abzuweisen.

II.      Rechtslage

1.       §21 Marktordnungsgesetz 2007, BGBl I 55/2007 idF BGBl I 47/2014, lautet:

"Zinsen

§21. (1) Rückzahlungsbeträge von Vergünstigungen im Sinne dieses Bundesgesetzes sind vom Tag der Auszahlung an, Abgaben vom Fälligkeitstag an mit 3 vH über dem Basiszinssatz pro Jahr zu verzinsen, soweit Regelungen des gemeinschaftlichen Marktordnungsrechts nicht anderes vorsehen. Im Fall der nachträglichen Herabsetzung eines Rückzahlungsbetrags hat die Berechnung dieser Zinsen unter rückwirkender Berücksichtigung des Herabsetzungsbetrages zu erfolgen.

(2) Soweit Vorgaben der Europäischen Union die Zahlung von Zinsen verlangen, sind Auszahlungen, die erst nach Ablauf der in Regelungen des Marktordnungsrechts der Union vorgegebenen Fristen vorgenommen und bei denen die verspätete Zahlung nicht vom Begünstigten zu verantworten ist, sowie Rückzahlungen von Beträgen, die aufgrund ungültiger Regelungen des Marktordnungsrechts der Union zu erfolgen haben, vom letzten Tag der Zahlungsfrist beziehungsweise vom Tag der erfolgten Zahlung an mit 2vH über dem Basiszinssatz zu verzinsen."

2.       Artikel 7 der Durchführungsverordnung (EU) Nr 809/2014 vom 17. Juli 2014 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EU) Nr 1306/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates hinsichtlich des integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystems, der Maßnahmen zur Entwicklung des ländlichen Raums und der Cross-Compliance lautet:

"Wiedereinziehung zu Unrecht gezahlter Beträge

(1) Bei zu Unrecht gezahlten Beträgen ist der Begünstigte zur Rückzahlung der betreffenden Beträge zuzüglich gegebenenfalls der gemäß Absatz 2 berechneten Zinsen verpflichtet.

(2) Zinsen werden für den Zeitraum zwischen dem Ende der in der Einziehungsanordnung angegebenen Zahlungsfrist für den Begünstigten, die nicht mehr als 60 Tage betragen sollte, und dem Zeitpunkt der Rückzahlung bzw des Abzugs berechnet.

Der anzuwendende Zinssatz wird nach Maßgabe der einschlägigen nationalen Rechtsvorschriften berechnet, darf jedoch nicht niedriger sein als der bei der Wiedereinziehung von Beträgen nach nationalen Vorschriften geltende Zinssatz.

(3) Die Verpflichtung zur Rückzahlung gemäß Absatz 1 gilt nicht, wenn die Zahlung auf einen Irrtum der zuständigen Behörde oder einer anderen Behörde zurückzuführen ist, der vom Begünstigten nach vernünftiger Einschätzung nicht erkennbar war.

Bezieht sich der Irrtum auf Tatsachen, die für die Berechnung der betreffenden Zahlung relevant sind, so gilt Unterabsatz 1 nur, wenn der Wiedereinziehungsbescheid nicht innerhalb von zwölf Monaten nach der Zahlung übermittelt worden ist."

III.    Erwägungen

1.       Zur Zulässigkeit der Klage

Gemäß Art137 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über vermögensrechtliche Ansprüche gegen den Bund, ein Land, eine Gemeinde oder einen Gemeindeverband, die weder im ordentlichen Rechtsweg auszutragen noch durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erledigen sind.

Ein solcher Anspruch wird mit der vorliegenden Klage geltend gemacht. Da im Verfahren auch sonst kein Prozesshindernis hervorgekommen ist, erweist sich die Klage insgesamt als zulässig.

Gemäß §6 Abs1 iVm §2 Z1 Marktordnungsgesetz 2007 ist die AMA zuständige Marktordnungs-, Interventions- und Zahlstelle für Durchführung und Abwicklung der gemeinsamen Marktorganisationen in Österreich, wozu gemäß §3 Abs3 leg.cit. auch Direktzahlungen zählen. Die AMA besorgt dabei Aufgaben des Bundes und ist aus der Sicht des Art137 B-VG als Erscheinungsform des Bundes im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zu betrachten (VfSlg 14.372/1995 mwN, 17.662/2005). Der Anspruch auf Liquidierung des in Rede stehenden, von der AMA einbehaltenen Betrags in Höhe von € 2.244,00 samt der noch ausstehenden Zinsbeträge betrifft daher einen vermögensrechtlichen Anspruch gegen den Bund, der gemäß Art137 B-VG beim Verfassungsgerichtshof geltend gemacht werden kann.

2.       In der Sache

2.1.    Auf Grund der öffentlichen mündlichen Verhandlung und der vorgelegten Unterlagen geht der Verfassungsgerichtshof von folgendem maßgeblichen Sachverhalt aus:

Für den Kläger wurden Prämien und Beihilfen mit rechtskräftigen Bescheiden der Agrarmarkt Austria festgesetzt. Damit steht die Höhe der Förderbeträge und deren Titel fest.

2.2.    Zu dem noch strittigen Betrag von € 2.244,00, der, wie aus den Beilagen (Kontoauszügen) ersichtlich, vom Bund in seiner schuldbefreienden Zahlung nicht geleistet wurde, ergibt sich auf Grund der Verhandlung Folgendes:

Der Kläger schränkte in der Verhandlung die Klage um einen Betrag von € 1.129,58 hinsichtlich der von der AMA gewährten Rinderprämie für 2014 ein. Der Kläger begehrt somit nach Klagseinschränkung den Betrag von € 1.114,42.

2.2.1.  Hinsichtlich eines strittigen Teilbetrages von € 561,22, abgeleitet aus einem Anspruch auf "einheitliche Betriebsprämie" für das Jahr 2014, dessen Bestehen der Kläger auf eine Kontoinformation der AMA stützt, konnte auch in der Verhandlung kein Anspruch des Klägers belegt werden.

Die AMA weist in in ihrer schriftlichen Ergänzung vom 10. Dezember 2018 entsprechend dem in der mündlichen Verhandlung erteilten Auftrag darauf hin, dass eine Kontoinformation (auf die sich der Kläger in der Verhandlung stützte) in erster Linie zur besseren Nachvollziehbarkeit des offenen Saldos am Förderkonto eines Förderwerbers dient. Die AMA lege beim Versand von Bescheiden bzw von Mitteilungen für den Fall von offenen Rückforderungen eine Kontoinformation samt Erlagschein mit dem zu Gunsten der AMA offenen Saldo bei. Wenn auf das Bankkonto des Förderwerbers eine tatsächliche Auszahlung erfolge, dann werde eine sogenannte Zahlungsinformation beigelegt, aus der sich anstatt der offenen Forderung der tatsächliche Überweisungsbetrag an den Förderwerber herauslesen lasse. Die AMA räumt in ihrer schriftlichen Ergänzung ein, dass das Vorbringen des Klagsvertreters hinsichtlich der Bezeichnung einer Gutschrift als "Einheitliche Betriebsprämie 2014" anstatt der Bezeichnung "Erstattung der Haushaltsdisziplin 2014" auf der Kontoinformation vom 16. September 2015 als richtig anzusehen ist; ein Anspruch auf eine einheitliche Betriebsprämie 2014 habe jedoch nicht bestanden.

Der Verfassungsgerichtshof findet keinen Grund, diesem Vorbringen nicht zu folgen. Auch der Kläger hat keinen Bescheid vorgelegt, in dem eine einheitliche Betriebsprämie für das Jahr 2014 zuerkannt worden wäre, ohne einen solchen Bescheid existiert ein solcher Anspruch nicht.

2.2.2.  Die Aufrechnung des Bundes in Bezug auf die vom Kläger geschuldeten Prozesskosten in der Höhe von € 553,20 für ein Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ist zulässig, zumal einander gleichartige Forderungen auf öffentlich rechtlicher Grundlage aus dem gleichen Vollzugsbereich gegenüberstehen.

Der eingeklagte Betrag in der Höhe von € 1.114,42 (nach erfolgter Klagseinschränkung in der Verhandlung) besteht daher nicht zu Recht.

2.3.    Im Hinblick auf das Zinsbegehren ist die Klage nicht begründet.

Nach §21 Abs2 MOG 2007 gebühren Zinsen nur, soweit die Vorgaben der Europäischen Union die Zahlung vorsehen [Art7 der Durchführungsverordnung (EU) Nr 809/2014 vom 17. Juli 2014 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EU) Nr 1306/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates hinsichtlich des integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystems, der Maßnahmen zur Entwicklung des ländlichen Raums und der Cross-Compliance]. Dem Unionsrecht lässt sich im Übrigen lediglich entnehmen, dass die Verpflichtung besteht, die zu Unrecht entrichteten Geldbeträge zu erstatten, wobei es mangels einer unionsrechtlichen Regelung Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung der einzelnen Mitgliedstaaten ist, die zuständigen Gerichte zu bestimmen und die Verfahrensmodalitäten der Klagen zu regeln, die den Schutz der dem Bürger aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen, sofern diese Modalitäten nicht weniger günstig ausgestaltet sind als die entsprechenden innerstaatlichen Klagen und die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert wird (vgl EuGH 8.3.2001, C-397/98 und C-410/98, Metallgesellschaft Ltd. ua, Slg. 2001, I-1727 (Rz 85) und die dort angeführte Judikatur). Es ist dabei auch Sache des nationalen Rechts, alle mit der Erstattung zu Unrecht erhobener Abgaben zusammenhängenden Nebenfragen wie etwa jene der Zahlung von Zinsen einschließlich des Zeitpunkts, von dem an die Zinsen zu berechnen sind, und jene des Zinssatzes zu regeln (EuGH, Metallgesellschaft ua, Rz 86; 21.5.1976, Rs. 26/74, Société Roquette Frères, Slg. 1976, I-677 (Rz 9/13), 12.6.1980, Rs. 130/79, Express Dairy Foods Limited, Slg. 1980, I-1887 (Rz 17)).

Auf unionsrechtlicher Grundlage besteht daher nur dann ein Anspruch auf Ersatz der Zinsen, wenn dies in der österreichischen Rechtsordnung so vorgesehen ist (vgl VfSlg 19.967/2015). Eine derartige Regelung wird im MOG 2007 nicht getroffen. Dem Zinsbegehren ist nicht Folge zu geben. §21 MOG 2007 trifft insofern eine abschließende Regelung, für die Anwendung bereicherungsrechtlicher Grundsätze ist daneben kein Raum (vgl ebenfalls VfSlg 19.967/2015; siehe auch VfGH 10.4.2001, A3/01 und die darin zitierte Vorjudikatur).

IV.      Ergebnis

1.       Die Klage ist abzuweisen.

2.       Da der beklagte Bund Kosten weder begehrt noch ziffernmäßig verzeichnet hat, sind ihm keine Kosten zuzusprechen (zB VfSlg 9280/1981).

Schlagworte

Marktordnung, Zinsen, EU-Recht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2018:A19.2017

Zuletzt aktualisiert am

01.02.2019
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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