TE Vwgh Erkenntnis 1999/7/7 99/18/0065

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Veröffentlicht am 07.07.1999
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
24/01 Strafgesetzbuch;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1997 §36 Abs1;
StGB §32;
StGB §43;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Bayjones und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Schattleitner, über die Beschwerde des M E, geboren am 29. November 1975, vertreten durch Dr. Hansjörg Schweinester, Dr. Paul Delazer und Dr. Rudolf Kathrein, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Adolf-Pichler-Platz 12, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom 14. Jänner 1999, Zl. III 7-6/99, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol (der belangten Behörde) vom 14. Jänner 1999 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen von Bosnien-Herzegowina, gemäß "§ 36 Abs. 1 Z. 1, Abs. 2 Z. 1, §§ 37, 38, 39, 49 Abs. 1 iVm § 48 Abs. 1" Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen.

Der Beschwerdeführer halte sich seit 1990 in Österreich auf. Er sei mit Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 23. Dezember 1994 wegen teils versuchten, teils vollendeten, schweren und gewerbsmäßigen Diebstahles durch Einbruch zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von sechs Monaten unter Bestellung eines Bewährungshelfers verurteilt worden, weil er zwischen 6. August und 7. September 1994 jeweils gemeinsam mit zumindest einem Mittäter neun Einbruchsdiebstähle begangen habe, wobei er in zwei Fällen nur als Aufpasser an der Tat beteiligt gewesen sei. Dabei seien insgesamt Bargeld und Waren im Wert von S 255.685,-- erbeutet worden. Am 3. Juli 1996 sei er wegen des Vergehens des Diebstahles zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen rechtskräftig verurteilt worden, weil er in der Zeit zwischen 13. und 18. November 1995 gemeinsam mit einem Mittäter drei Videorecorder unbekannten Wertes und eine Jacke im Wert von S 1.798,-- aus einem Kaufhaus und am 31. Dezember 1995 einen Kfz-Außenspiegel im Wert von ca. S 600,-- gestohlen habe. Mit Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 14. März 1997 sei er wegen Einbruchsdiebstahles zu einer Geldstrafe von 270 Tagessätzen als Zusatzstrafe zu der mit Strafverfügung des Bezirksgerichtes Hall in Tirol vom 3. Juli 1996 verhängten Strafe rechtskräftig verurteilt worden, weil er am 22. November 1995 gemeinsam mit einem Mittäter durch Einbruch in das Gebäude eines Kraftfahrzeug-Unternehmens Bargeld in der Höhe von S 269,-- und DM 10,-- erbeutet habe.

Dieses Gesamtfehlverhalten zeige deutlich die negative Einstellung des Beschwerdeführers zur österreichischen Rechtsordnung. Der weitere Aufenthalt des Beschwerdeführers stelle eine Gefährdung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit im Sinn von § 36 Abs. 1 Z. 1 FrG und § 48 Abs. 1 erster Satz leg. cit. dar. Auch wenn die beiden Verurteilungen vom 3. Juli 1996 und vom 14. März 1997 gemäß den §§ 31 und 40 StGB rechtlich nur als eine Verurteilung anzusehen seien, lägen zwei Verurteilungen wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen vor, sodass der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG erfüllt sei. Die sich im Gesamtfehlverhalten des Beschwerdeführers zeigende Neigung, sich über die Rechtsordnung hinwegzusetzen, mache die Erlassung des Aufenthaltsverbotes zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele der Verhinderung strafbarer Handlungen und des Schutzes der Rechte anderer dringend geboten.

Die privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers am weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet wögen schwer. Seine letzte gültige Aufenthaltsbewilligung habe am 30. April 1995 geendet. Bereits am 7. Dezember 1995 sei über ihn rechtskräftig ein Aufenthaltsverbot verhängt worden. Der dagegen gerichteten Beschwerde habe der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 6. Februar 1996 aufschiebende Wirkung zuerkannt. Das verwaltungsgerichtliche Verfahren sei am 5. August 1998 gemäß § 114 Abs. 4 und 7 FrG eingestellt worden. Der Beschwerdeführer lebe im gemeinsamen Haushalt mit seiner Mutter und mit einer Österreicherin, mit der ein gemeinsames Kleinkind habe, welches die österreichische Staatsbürgerschaft besitze. Der Beschwerdeführer beabsichtige, diese Frau zu heiraten. Er sei als Hilfsarbeiter beschäftigt und dementsprechend integriert, wobei die soziale Komponente der Integration durch die schweren Straftaten verringert werde. Diese schwer wiegenden privaten und familiären Interessen wögen jedoch höchstens gleich schwer wie die gegenläufigen öffentlichen Interessen an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes.

Von dem gemäß § 36 Abs. 1 FrG eingeräumten Ermessen werde zum Nachteil des Beschwerdeführers Gebrauch gemacht, weil dieser neuerlich einschlägig straffällig geworden sei, obwohl bereits ein Aufenthaltsverbotsverfahren gegen ihn anhängig gewesen sei, woraus die besondere Gefährlichkeit des Beschwerdeführers hervorgehe. Die Bestimmung des § 35 Abs. 2 FrG komme dem Beschwerdeführer deshalb nicht zugute, weil er sich vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes noch nicht acht Jahre im Bundesgebiet aufgehalten habe. Die Tatsachen, dass von den Gerichten nur eine bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe und Geldstrafen verhängt worden seien, seien für das vorliegende Verfahren irrelevant.

Da der Beschwerdeführer Angehöriger eines österreichischen Staatsbürgers, nämlich seines Kindes, sei, kämen die Bestimmungen der §§ 48 Abs. 1 und 49 Abs. 1 FrG zum Tragen. Der Aufenthaltsverbot-Verbotsgrund gemäß § 48 Abs. 1 zweiter Satz FrG komme dem Beschwerdeführer jedoch nicht zugute, weil er seinen Hauptwohnsitz noch nicht seit 10 Jahren ununterbrochen im Inland habe.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und sah von der Erstattung einer Gegenschrift ab.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Vorweg sei festgehalten, dass dem Beschwerdeführer - im maßgeblichen Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides - entgegen der Ansicht der belangten Behörde als Vater eines Kleinkindes mit österreichischer Staatsbürgerschaft die Stellung als begünstigter Angehöriger von Österreichern gemäß § 49 Abs. 1 FrG nicht zukommt. Diese Bestimmung verweist nämlich auf § 47 Abs. 3 FrG, von dessen Z. 3 Verwandte und Verwandte des Ehegatten in aufsteigender Linie nur erfasst werden, sofern ihnen Unterhalt gewährt wird. Dass der Beschwerdeführer aber von seinem Kind Unterhalt gewährt erhält, hat er weder vorgebracht noch ergibt sich Derartiges aus den Verwaltungsakten.

Ausgehend von dieser unrichtigen Rechtsansicht hätte die belangte Behörde im Übrigen das Aufenthaltsverbot nicht auf die Verwirklichung eines Tatbestandes des § 36 Abs. 2 FrG stützen dürfen, weil der in dieser Bestimmung enthaltene Katalog bei begünstigten Angehörigen von österreichischen Staatsbürgern gemäß § 48 Abs. 1 iVm § 49 Abs. 1 FrG nicht anzuwenden, sondern nur als "Orientierungsmaßstab" heranzuziehen ist (vgl. aus der ständigen Judikatur zur insoweit mit § 48 Abs. 1 FrG übereinstimmenden Bestimmung des § 31 Abs. 1 Fremdengesetz, BGBl. Nr. 838/1992, das hg. Erkenntnis vom 30. Mai 1995, Zl. 94/18/0184).

Durch diese Verkennung der Rechtslage wurde der Beschwerdeführer jedoch nicht in Rechten verletzt, weil die Ansicht der belangten Behörde, dass das Aufenthaltsverbot (auch) auf § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG gestützt werden könne und seiner Erlassung die §§ 48 Abs. 1 und 49 Abs. 1 FrG nicht entgegenstünden, im Ergebnis mangels Stellung des Beschwerdeführers als begünstigter Angehöriger eines Österreichers zutrifft.

2. Aufgrund des unbestrittenen Sachverhaltes begegnet die Ansicht der belangten Behörde, dass vorliegend der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 (vierter Fall) FrG erfüllt sei, keinen Bedenken. Die Beschwerde vermeint zwar, dass die Verurteilungen des Beschwerdeführers nur "scheinbar" auf der gleichen schädlichen Neigung beruhten, erstattet dazu aber kein konkretes Vorbringen und gesteht selbst zu, dass "formell" der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG erfüllt sei.

3. Auch gegen die - im Hinblick auf das große öffentliche Interesse an der Verhinderung der Eigentumskriminalität unbedenkliche - Ansicht der belangten Behörde, es sei vorliegend die in § 36 Abs. 1 Z. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt, enthält die Beschwerde kein konkretes Vorbringen.

4.1. Der Beschwerdeführer hat insgesamt 12 Diebstähle, davon zehn durch Einbruch, begangen und wurde auch wegen gewerbsmäßiger Tatbegehung verurteilt. Er hat somit in der Absicht gehandelt, sich durch wiederkehrende Straftaten eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (§ 70 StGB). Er hat trotz der erstmaligen Bestrafung und Bestellung eines Bewährungshelfers durch das Gericht weitere (Einbruchs-)Diebstähle begangen. Die Ansicht der belangten Behörde, die Erlassung des Aufenthaltsverbotes sei zur Verhinderung strafbarer Handlungen sowie zum Schutz der Rechte anderer dringend geboten und daher im Grund des § 37 Abs. 1 FrG zulässig, ist nicht als rechtswidrig zu erkennen.

4.2. Bei der Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 2 FrG hat die belangte Behörde den inländischen Aufenthalt des Beschwerdeführers seit 1990 (und somit die Tatsache, dass der Beschwerdeführer bereits im Alter von etwa 15 Jahren nach Österreich kam), die Integration durch die Berufstätigkeit, die Beziehung zu der im gemeinsamen Haushalt lebenden Mutter und die Lebensgemeinschaft mit einer österreichischen Staatsbürgerin aus der ein Kind entstammt, das ebenfalls österreichischer Staatsbürger ist, berücksichtigt. Zutreffend hat sie dazu ausgeführt, dass die soziale Komponente der aus der Aufenthaltsdauer ableitbaren Integration durch die strafbaren Handlungen erheblich beeinträchtigt wird (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 12. November 1998, Zl. 98/18/0199). Die am 23. Jänner 1999, somit nach Erlassung des angefochtenen Bescheides (Zustellung an den Vertreter des Beschwerdeführers am 22. Jänner 1999), erfolgte Eheschließung des Beschwerdeführers mit seiner bisherigen Lebensgefährtin konnte die belangte Behörde aus zeitlichen Gründen nicht berücksichtigen.

Die Ansicht der belangten Behörde, dass die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht weniger schwer wögen als die gegenläufigen persönlichen Interessen des Beschwerdeführers, ist unbedenklich, hat doch der Beschwerdeführer durch seine mehrfachen, gravierenden Straftaten die maßgeblichen öffentlichen Interessen erheblich beeinträchtigt und durch die gewerbsmäßige Tatbegehung und den Rückfall die von ihm ausgehende Rechtsgutgefährdung deutlich unter Beweis gestellt.

4.3. Der Zeitraum seit Begehung der letzten Straftat am 31. Dezember 1995 (entgegen dem Beschwerdevorbringen sind das nicht vier Jahre, sondern nur wenig mehr als drei Jahre) ist angesichts der Vielzahl der teils gewerbsmäßig begangenen Straftaten und des Rückfalles nach der ersten Verurteilung zu kurz, um die vom Beschwerdeführer ausgehende Gefahr als weggefallen oder auch nur erheblich gemindert anzusehen.

4.4. Der Beschwerdeführer meint, die belangte Behörde wäre - ungeachtet ihrer Verpflichtung, den Sachverhalt eigenständig aus fremdenrechtlicher Sicht zu beurteilen - daran gebunden gewesen, dass das Gericht bei der ersten Verurteilung nur eine bedingte Freiheitsstrafe verhängt habe und die weiteren Verurteilungen nicht zum Anlass genommen habe, die bedingte Strafnachsicht zu widerrufen. Auch bei der Gewichtung der Straftaten bestehe insoweit eine Bindung an die Gerichtsurteile, als das Gericht eine bestimmte Schadenshöhe festgestellt habe.

Daran ist richtig, dass die Fremdenpolizeibehörde bei der Feststellung, welche Straftaten der Beschwerdeführer begangen habe, im Fall der rechtskräftigen gerichtlichen Verurteilung an den Urteilsspruch gebunden ist. Die belangte Behörde hat daher zu Recht die Straftaten des Beschwerdeführers entsprechend dem Inhalt der (bei den Akten erliegende) Strafurteile festgestellt.

Wenngleich die Art und Schwere der Straftaten sowohl für die strafgerichtliche als auch für die fremdenrechtliche Beurteilung (neben jeweils anderen Faktoren) von wesentlicher Bedeutung ist, besteht jedoch für die Fremdenpolizeibehörde bei der Beurteilung der Frage, ob ein Aufenthaltsverbot zu erlassen sei, keine Bindung an die Gewährung von bedingter Strafnachsicht durch das Gericht. Sie hat vielmehr die Frage des Gerechtfertigt-Seins des Aufenthaltsverbotes eigenständig und ausschließlich aus dem Blickwinkel des Fremdenrechtes zu beurteilen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 9. Februar 1999, Zlen. 99/18/0015, 0033).

5. Da sich nach dem Gesagten die Beschwerde als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

6. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 7. Juli 1999

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Bindung der Verwaltungsbehörden an gerichtliche Entscheidungen VwRallg9/4

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1999180065.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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