Entscheidungsdatum
29.06.2018Index
19/05 MenschenrechteNorm
EMRK Art 11 Abs2Text
Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Richter Dr. Frank über die Beschwerde der A., vertreten durch Frau B. C., D., diese vertreten durch RECHTSANWÄLT_INNEN GmbH, gegen den Bescheid der Landespolizeidirektion Wien, Referat für Vereins-, Versammlungs- und Medienrechtsangelegenheiten, vom 23.11.2017, Gz.: ..., betreffend Versammlung am 25.11.2017 - Untersagung, den
BESCHLUSS
gefasst:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gegen diesen Beschluss ist eine ordentliche Revision unzulässig.
Entscheidungsgründe
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 23.11.2017 untersagte die belangte Behörde die Versammlung zum Thema „X.“, welche am 25.11.2017 von 13.00 bis 16.00 Uhr in der E.-gasse, Wien, stattfinden sollte.
Für den 25.11.2017 wurde der belangten Behörde von einem anderen Veranstalter bereits zeitlich früher eine Versammlung zum Thema „Y.“ angezeigt. Diese Versammlung sollte und hat um 14.00 Uhr in Wien, F., stattfinden/stattgefunden bzw. ihren Ausgangspunkt nehmen/genommen. Gemäß § 7 a Abs 2 Versammlungsgesetz (in der Folge kurz: VersG) wurde von der Behörde um die dort Versammelten ein Schutzbereich von 150 m verordnet und ist weiter gemäß § 7a Abs 4 VersG eine Versammlung am selben Ort und zur selben Zeit sowie im Schutzbereich einer rechtmäßigen Versammlung verboten.
Die angezeigte Versammlung der A. hätte im Schutzbereich der zeitlich früher angezeigten Versammlungen „Y.“ und zur selben Zeit stattgefunden. Sinn und Zweck des Schutzbereiches einer ordnungsgemäß angezeigten Versammlung ist es aber, dass eine solche Versammlung den Raum und Rahmen hat, ungestört abgehalten werden kann. Dies führte zum Bescheid der belangten Behörde.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, so dem Inhalt nach.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und einen Schriftsatz erstattet, in dem erschließbar die Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Das Verwaltungsgericht hat über die Zulässigkeit der Beschwerden erwogen:
In den Beschwerden wird neben Verfahrensmängeln auch die Verletzung von Rechten der Beschwerdeführerin durch die unrichtige Anwendung des § 6 VersG gerügt.
Die Beschwerde erweist sich als unzulässig:
Gemäß Art 132 Abs 1 Z 1 B-VG ist Voraussetzung für die Erhebung einer gegen einen Bescheid gerichteten Beschwerde, dass die Beschwerdeführerin durch den Bescheid in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet (und dass die behauptete Rechtsverletzung auch möglich ist). Zweck des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist es somit, eine mögliche Verletzung der Beschwerdeführerin in Rechten abzuwehren (vgl Beschluss VwGH vom 13.12.2004, 2002/06/0097, und vom 27.02.2009, 2009/17/0005).
Liegt die behauptete Rechtsverletzung im Sinne des Art 132 Abs 1 Z 1 B-VG jedoch nicht mehr vor, so könnte die Beschwerdeführerin auch durch die von ihr angestrebte Aufhebung der angefochtenen Bescheide durch Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes rechtlich nicht günstiger gestellt werden, als dies ohne meritorische Entscheidung über die Beschwerden der Fall ist.
Eine Rechtsverletzungsmöglichkeit in diesem Sinne ist nach ständiger Rechtsprechung zu verneinen, wenn es für die Rechtsstellung der Beschwerdeführerin keinen Unterschied darstellt, ob der Bescheid einer Verwaltungsbehörde aufrecht bleibt oder aufgehoben wird (vgl VwGH-Beschlüsse vom 02.07.1969, 192/66, VwSlg 7618 A/1969, und vom 19.12.1990, 90/03/0247). Die gesetzlichen Vorschriften über die Verwaltungsgerichtsbarkeit gewähren einer Partei nämlich nicht den Anspruch auf die Feststellung der Gesetzwidrigkeit von Bescheiden, sondern den Anspruch auf Aufhebung gesetzwidriger Bescheide, die – im Zeitpunkt der Entscheidung weiterhin – in die Rechtssphäre der Partei eingreifen (vgl zB den VwGH Beschluss vom 03.11.2008, 2005/10/0214, mit weiteren Nachweisen).
Ist eine derartige Sach- und Rechtslage – wie im Beschwerdefall, in dem der Termin der angezeigten Versammlungen bereits im Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung verstrichen war – bereits im Zeitpunkt der Einbringung der Beschwerden gegeben, sind Beschwerden als unzulässig zurückzuweisen.
Eine Abwägung der Interessen des Veranstalters an der Durchführung der Versammlung oder die Beeinträchtigung der öffentlichen Interessen im Sinne des Art 11 Abs 2 EMRK ist erkennbar durchgeführt worden. Das öffentliche Interesse an der Abhaltung eines störungsfreien Ablaufes der zuvor beantragten Kundgebung und damit einhergehend eine Vermeidung der Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und des öffentlichen Wohles sei schwerwiegender zu bewerten als das Nichtzustandekommen der angezeigten Versammlungen. Damit greift die Beschwerde auch nicht für das Feld des Verfassungsrechts.
Die Untersagung stützt sich, abschließend zusammengefasst, vornehmlich auf die Gefährdung der Versammlungsteilnehmer und der Öffentlichkeit durch dagegen auftretende Demonstranten.
In Anbetracht dessen, dass Versammlungen (früher) nach § 2 VersG nur spätestens 24 Stunden (jetzt 48 Stunden) vor ihrer beabsichtigten Abhaltung der Behörde angezeigt werden mussten und daher über eine allfällige Untersagung von den Behörden sehr kurzfristig vor der beabsichtigten Durchführung zu entscheiden war, hätte jedes gegen einen Unterlassungsbescheid gerichtete Rechtsmittel zur Folge, dass der Ausspruch der Unterlassung nicht vollstreckbar wird und die Versammlung dennoch abgehalten werden könnte. Da die gegenständlich verfahrensrelevanten Versammlungen aus dem Grunde versagt wurden, dass deren Abhaltung die öffentliche Sicherheit und das öffentliche Wohl gefährdet hätte, lagen die Voraussetzungen für den Ausspruch der aufschiebenden Wirkung auf Grund des Überwiegens der öffentlichen Interessen und dem Vorliegen von Gefahr im Verzug jedenfalls vor.
Zur Revisionsentscheidung:
Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Nach Art 133 Abs 4 B-VG ist die ordentliche Revision zulässig, wenn eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt, insbesondere weil das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts von der Rechtsprechung des VwGH abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des VwGH nicht einheitlich beantwortet wird.
Nach der Rechtsprechung des VwGH liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung dann vor, wenn die Entscheidung der Sache im Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen, auf zusätzliche Argumente gestützte Rechtsprechung liegt. Das ist dann der Fall, wenn eine Rechtsfrage zu entscheiden ist, die auch für eine Reihe anderer gleichgelagerter Fälle von Bedeutung ist und diese durch die Rechtsprechung des VwGH bisher nicht abschließend geklärt worden ist. Es muss sich um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame und auch für die einheitliche Rechtsanwendung wichtige Frage des materiellen oder formellen Rechts handeln.
Da zu § 6 VersG eine Leitlinien-Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besteht, war eine ordentliche Revision für unzulässig zu erachten.
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Versammlung; öffentliches Wohl; öffentliche Sicherheit; Untersagung; Gefahr im Verzug; aufschiebende WirkungAnmerkung
VfGH v. 7.3.2019, E 3224/2018; AufhebungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2018:VGW.103.048.631.2018Zuletzt aktualisiert am
15.03.2019