Entscheidungsdatum
15.01.2019Index
50/01 GewerbeordnungNorm
GewO 1994 §1 Abs4Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Ing. Mag. Peinstingl über die Beschwerde von AA, vertreten durch BB, Adresse 1, Z, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Y vom 17.10.2018, ****, betreffend eine Angelegenheit nach der Gewerbeordnung 1994
zu Recht:
1. Der Beschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis vom 17.10.2018 behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.
2. Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Verfahrensgang:
Mit dem angefochtenen Straferkenntnis vom 17.10.2018 wurde Beschuldigten wie folgt vorgeworfen:
„Sie haben vom Standort X, Adresse 2, zu einem unbestimmten Zeitpunkt,
a)
konkret jedoch vor dem 15.02.2018 (Feststellung der Übertretung) Tätigkeiten eines reglementierten Gewerbes - im gegenständlichen Fall nach § 95 Ziffer 5 Gewerbeordnung 1994 (GewO) - Baumeister, Brunnenmeister - an einen größeren Kreis von Personen angeboten, indem Sie der Bezirkshauptmannschaft W, W, Adresse 3, einen bereits überarbeiteten Einreichplan übermittelt haben und dabei auf Ihrem Anschreiben im Briefkopf Tätigkeiten „Architektur, Innenarchitektur, Projektentwicklung und Baumanagement“ anbieten bzw. anpreisen und dadurch für die Öffentlichkeit der Eindruck erweckt wurde, dass Sie Ihrerseits eine unter dem Wortlaut der Ankündigung fallende gewerbliche Tätigkeit entfaltet wird.
b)
konkret jedoch vor dem 15.02.2018 (Feststellung der Übertretung) Tätigkeiten eines reglementierten Gewerbes - im gegenständlichen Fall nach § 95 Ziffer 5 Gewerbeordnung 1994 (GewO) - Baumeister, Brunnenmeister - an einen größeren Kreis von Personen angeboten, indem Sie auf Ihrer Internetseite **** Tätigkeiten wie Architektur und Innenarchitektur anbieten bzw. anpreisen und dadurch für die Öffentlichkeit der Eindruck erweckt wurde, dass Ihrerseits eine unter dem Wortlaut der Ankündigung fallende gewerbliche Tätigkeit entfaltet wird.“
Dadurch habe der Beschuldigte eine Verwaltungsübertretung nach § 1 Abs 4 und § 94 Z 5 iVm § 366 Abs 1 Z 1 Gewerbeordnung 1994 (GewO) begangen und wurde über ihn daher gemäß § 366 Einleitungssatz Gewerbeordnung 1994 (GewO) eine Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt
Dagegen hat der Beschwerdeführer, rechtsfreundlich vertreten, zulässig und rechtzeitig Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Tirol erhoben.
II. Sachverhalt und Beweiswürdigung:
In der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 14.05.2018 und im angefochtenen Straferkenntnis wird zu den beiden Einzeltathandlungen die Tatzeit mit „zu einem unbestimmten Zeitpunkt, konkret jedoch vor dem 15.02.2018 (Feststellung der Übertretung)“ angegeben.
Dem behördlichen Akt liegt ein Schreiben der Bezirkshauptmannschaft W ein, wonach der Beschuldigte als Planverfasser in einem Bauverfahren ohne entsprechende Gewerbeberechtigung Pläne eingereicht habe. Dieser E-Mail angehängt ist das Begleitschreiben des Beschuldigten vom 15.02.2018, eingegangen bei der Bezirkshauptmannschaft W an diesem Tag.
Im Rahmen des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens wurden Kopien von diesen Plänen übermittelt. Diese Pläne tragen den Eingangsvermerk der Bezirkshauptmannschaft W vom 15.02.2018.
Dem behördlichen Akt liegt ein Auszug aus dem Internetauftritt des Beschuldigten ein. Dieser stammt – soweit erkennbar - vom 27.02.2018. Darin wird der Beschuldigte als Inhaber CC bezeichnet. Zudem findet sich auf dem Internetauszug, dass sich die kompetenten Partner für die Punkte Architektur und Innenarchitektur für näher bezeichnete Anlagen und Gebäude kümmern.
Auf verwaltungsgerichtliche Anfrage teilte die belangte Behörde mit der E-Mail vom 14.01.2019 mit, dass für den Zeitraum vor dem 15.02.2018 keine Beweisergebnisse hinsichtlich des vorgeworfenen Anbietens vorliegen.
III. Rechtsgrundlagen:
Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994):
„§ 1
…
(4) Auch eine einmalige Handlung gilt als regelmäßige Tätigkeit, wenn nach den Umständen des Falles auf die Absicht der Wiederholung geschlossen werden kann oder wenn sie längere Zeit erfordert. Das Anbieten einer den Gegenstand eines Gewerbes bildenden Tätigkeit an einen größeren Kreis von Personen oder bei Ausschreibungen wird der Ausübung des Gewerbes gleichgehalten. Die Veröffentlichung über eine den Gegenstand eines Gewerbes bildenden Tätigkeit in Registern gilt nicht als Ausübung, wenn die Veröffentlichung auf Grund von gesetzlichen Verpflichtungen erfolgt.
…“
Im Übrigen wird auf die Internetseite https://www.ris.bka.gv.at (Rechtsinformationssystem des Bundeskanzleramtes) verwiesen.
IV. Erwägungen:
Unbeschadet der Ausführungen in der Beschwerde war das angefochtene Straferkenntnis zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG einzustellen:
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 08.10.1986, 86/09/0046, wie folgt ausgesprochen:
Die Konkretisierung der Tat durch Anführung der Tatzeit ist insbesondere auch dann geboten, wenn durch den Strafbescheid ein noch nicht abgeschlossenes Geschehen erfasst werden soll, wobei auch in diesem Fall - so bei Vorliegen eines fortgesetzten Deliktes (hier: unbefugte Gewerbeausübung) - "Sache" für die Entscheidung der Berufungsbehörde nur dieser Tatzeitraum sein kann. Dies gilt unabhängig davon, dass die Bestrafung wegen eines fortgesetzten Deliktes auch erst allenfalls später bekanntgewordenen Einzeltathandlungen bis zum Zeitpunkt der Fällung (Zustellung) des Straferkenntnisses erfasst. Aus der Anführung eines bestimmten Tatzeitraumes im Spruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses ergibt sich nämlich unabhängig von der mit der Bestrafung verbundenen weiteren (Erfassungs)Wirkung, dass Abspruchsgegenstand, und somit auch "Sache" iSd § 66 Abs 4 AVG 1950, ausschließlich die Tatbegehung in diesem Zeitraum war. (Hinweis auf E vom 27.6.1961, 0112/60 und E vom 15.3.1979, 2932/78).
Im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 05.11.2014, Ra 2014/09/0018, ist wie folgt ausgeführt:
Wechselt die Berufungsbehörde die von der Erstbehörde angenommene Tat aus, so nimmt sie eine ihr nicht zustehende Befugnis in Anspruch und es liegt eine inhaltliche Rechtswidrigkeit vor. Dies hat insbesondere auch für die von der Erstbehörde spruchmäßig bezeichnete Tatzeit zu gelten (Hinweis E 18. Dezember 1991, 91/01/0111; E 25. Februar 2010, 2009/09/0253; E 22. März 2012, 2009/09/0268). Die Bestimmung des § 66 Abs. 4 AVG berechtigt die Berufungsbehörde nämlich nicht zur Auswechslung der dem Beschuldigten zur Last gelegten Tat, sondern nur dazu, die Strafzeit auf der Grundlage der unbedenklichen Sachverhaltsannahme der Behörde erster Instanz näher zu umschreiben. Die Ausdehnung des Tatzeitraums bedeutet jedoch keine Präzisierung sondern eine Erweiterung des Vorwurfs (Hinweis E 22. März 2012, 2009/09/0268).
Dies bedeutet für den gegenständlichen Fall, dass Sache des gegenständlichen Beschwerdeverfahrens nur der Zeitraum vor dem 15.02.2018 sein kann, da eine Tatzeit einschließlich des 15.02.2018 nicht Gegenstand des behördlich geführten Verwaltungsstrafverfahrens war.
Eine andere Betrachtungsweise würde somit zu einer unzulässigen Auswechslung der Tat durch das Landesverwaltungsgericht führen.
Die Behörde hat die Tatzeit unbestimmt mit vor dem 15.02.2018 festgelegt. Vorgeworfen wird, dass der Bezirkshauptmannschaft W ein bereits überarbeiteter Einreichplan samt Anschreiben übermittelt wurde. Diese Unterlagen tragen den Einlaufvermerk der Bezirkshauptmannschaft W vom 15.02.2018.
Der inkriminierte Auszug aus dem Internet datiert vom 27.02.2018.
Nachdem für die Zeit vor dem 15.02.2018 diese Sachverhaltselemente, wie sie bei der Umschreibung der als erwiesen angenommenen Tat angeführt sind, nicht zutreffen, war das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen, da für die Zeit vor dem 15.02.2018 die Verwaltungsübertretung mit dieser Tatumschreibung nicht erwiesen werden kann.
Die Ergänzung der als erwiesen angenommenen Tat durch andere Sachverhaltselemente (vgl hierzu das Schreiben der Bezirkshauptmannschaft W 10.12.2018, welches im verwaltungsgerichtlichen Verfahren eingeholt wurde) würde in Ansehung der nicht konkretisierten Tatzeit zu einer unzulässigen Auswechslung der Tat durch das Landesverwaltungsgericht führen.
V. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Soweit die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof in Wien für zulässig erklärt worden ist, kann innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung dieser Entscheidung eine ordentliche Revision erhoben werden. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision kann innerhalb dieser Frist nur die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.
Wenn allerdings in einer Verwaltungsstrafsache oder in einer Finanzstrafsache eine Geldstrafe von bis zu Euro 750,00 und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu Euro 400,00 verhängt wurde, ist eine (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichthof wegen Verletzung in Rechten nicht zulässig.
Jedenfalls kann gegen diese Entscheidung binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, erhoben werden.
Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.
Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.
Für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrens-hilfe innerhalb der oben angeführten Frist beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist im Fall der Zulassung der ordentlichen Revision beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision ist der Antrag auf Verfahrenshilfe beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen. Dabei ist im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.
Zudem besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.
Landesverwaltungsgericht Tirol
Ing. Mag. Peinstingl
(Richter)
Schlagworte
Unzulässige Auswechslung der Tat; Unbestimmte TatzeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGTI:2019:LVwG.2018.32.2488.11Zuletzt aktualisiert am
29.01.2019